Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 15 R 826/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Kläger ist als selbstständiger Rechtsanwalt in eigener Kanzlei tätig. Zeitgleich war er ab dem 01.03.2003 in mehreren aufeinanderfolgenden jeweils befristeten Arbeitsverhältnissen in Teilzeit als Insolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen beschäftigt.
Beginnend ab dem 01.03.2002 sprach die Beklagte über mehrere Jahre hinweg die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i. V. m. § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI für seine jeweils zeitlich befristete Beschäftigung als Insolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen aus. Die Befreiung erfolgte letztmalig durch Bescheid vom 26.01. 2009 bis zum 31.12.2009.
Am 23.12.2009 beantragte der Kläger unter Vorlage eines Arbeitsvertrages mit der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen vom 10.12.2009 über eine befristete Beschäftigung als Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberater vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 eine erneute Verlängerung der Befreiung bis zum 31.12.2010.
Die Beklagte forderte von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen den einschlägigen Tarifvertrag an und lehnte mit angegriffenem Bescheid vom 02.02.2010 den Antrag auf weitere Befreiung von der Versicherungspflicht ab, weil die Beschäftigung des Klägers bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen berufsfremd sei und nunmehr festgestellt worden sei, dass die finanzielle Abhängigkeit der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen vom Land Nordrhein-Westfalen als Sachgrund für eine Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht ausreiche, selbst wenn unsicher sei, ob die Finanzierung in Zukunft fortgeführt werde.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass es sich bei der Tätigkeit eines Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberaters gegenüber der Tätigkeit eines Rechtsanwalts nicht um eine berufsfremde Tätigkeit handele. Bei anderer Betrachtung ergebe sich der Anspruch auf Befreiung allein schon aus der Befristung.
Mit Ergänzungsbescheid vom 01.03.2010 stellte die Beklagte fest, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht vorlägen. Die Tätigkeit eines Insolvenzberaters sei nicht als anwaltliche Tätigkeit zu qualifizieren, da es sich nicht um eine berufsständische (anwaltliche), sondern um eine sonstige juristische sachbearbeitende Beschäftigung handele, die stets weisungsgebunden ausgeübt werde.
Der Kläger legte auch gegen den Ergänzungsbescheid vom 01.03.2010 Widerspruch ein.
Der Widerspruch gegen die Bescheide vom 02.02.2010 und 01.03.2010 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2010 zurückgewiesen. Zu einer anwaltlichen Tätigkeit gehörten die Tätigkeitsfelder Rechtsgestaltung, Rechtsberatung, Rechtsentscheidung und Rechtsvermittlung, welche kumulativ von der zu befreienden Tätigkeit abgedeckt werden müssten. Die Tätigkeit als Schuldner- und Insolvenzberater erfülle diese Voraussetzungen nicht, weil sie nicht die Qualifikation als Volljurist voraussetze und stets weisungsgebunden ausgeübt werde. Die vorgenommene Befristung des Arbeitsvertrages über die Dauer von zwei Jahren hinaus erfolge ohne sachlichen Grund.
Hiergegen richtet sich die am 17.05.2010 erhobene Klage. Der Kläger verbleibt bei seiner Ansicht, dass er schon nach Maßgabe des § 6 Abs. 5 SGB VI wegen der Befristung von der Versicherungspflicht zu befreien sei. Darüber hinaus handele es sich bei der Tätigkeit als Insolvenzberater um eine berufsspezifische Tätigkeit als Anwalt im Sinne von Rechtsgestaltung, Rechtsberatung, Rechtsentscheidung und Rechtsvermittlung. Die Tätigkeit erfolge zudem weisungsfrei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 02.02.2010 und 01.03.2010, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2010 zu verurteilen, ihn bezüglich seiner Beschäftigung als Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in der Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angegriffenen Bescheide für rechtmäßig.
Mit Bescheid vom 07.01.2011 hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht für die Beschäftigung als Insolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ab 01.01.2011 abgelehnt. Sie ist der Auffassung, dass der Bescheid vom 07.01.2011 zum Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden ist.
Die Beteiligten haben im Rahmen eines Erörterungstermins ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Gericht konnte nach Maßgabe des § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben.
Der Bescheid vom 07.01.2011 ist entgegen der Annahme der Beklagten nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden. Die Voraussetzungen hierfür nach § 96 Abs. 1 SGG sind nicht erfüllt. Durch die Ablehnung einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für einen weiteren Zeitraum wird die für einen früheren Zeitraum getroffene Regelung weder abgeändert noch ersetzt (BSG, Urt. v. 29.07.2003, B 12 RA 6/01 R). Zu Recht hat der Kläger daher Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.01.2011 eingelegt. Die Beklagte wird diesen Widerspruch zu bescheiden haben!
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Befreiung seiner Tätigkeit als Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in der Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
1. Nach näherer Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind.
Eine Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI auf den vorliegenden Fall ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger nichtversicherungspflichtiger selbständiger Rechtsanwalt ist, die Tätigkeit als Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in der fraglichen Zeit jedoch in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt hat. Wortlaut und Sinn und Zweck des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ergeben, dass nur abhängige Beschäftigte für eine berufsspezifische abhängige Beschäftigung und nur versicherungspflichtige Selbstständige für eine berufsspezifische selbständige Tätigkeit befreit werden können. Die Befreiung nicht versicherungspflichtiger Selbstständiger für eine versicherungspflichtige abhängige Beschäftigung sieht § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI hingegen nicht vor. Es fehlt damit insoweit bereits an einem Befreiungstatbestand, der auf die Nebentätigkeit erstreckt werden könnte (LSG NRW, Urt. v. 16.07.2001, L 3 RA 73/00).
Darauf, dass der Kläger als Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zudem anders als als Rechtsanwalt nicht unabhängiges Organ der Rechtspflege ist und ob er gleichwohl rechtsgestaltend, rechtsberatend, rechtsentscheidend und rechtsvermittelnd tätig ist, kommt es insoweit nicht mehr an.
2. Auch § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI bietet keine Rechtsgrundlage für die begehrte Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Danach erstreckt sich eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VI auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.
Voraussetzung dafür, dass sich die Befreiung auf eine "andere" versicherungspflichtige Tätigkeit "erstrecken" kann, ist damit zunächst, dass überhaupt eine Befreiung von der Versicherungspflicht besteht (Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 6 SGB VI Rz. 31). Für eine schon dem Grunde nach versicherungsfreie selbständige Tätigkeit aber kommt eine solche Befreiung gar nicht in Betracht. Dementsprechend kann § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI in diesen Fällen auch keine Befreiung auf eine "andere versicherungspflichtige Tätigkeit" erstrecken. (LSG NRW a.a.O).
Darüber hinaus dürfte bei der Tätigkeit des Klägers als Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen kaum mehr von einer infolge "ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus begrenzten Tätigkeit" zu sprechen sein, da sie bereits über nahezu zehn Jahre hinweg immer wieder verlängert worden ist.
Ob § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI überhaupt auf sogenannte Nebentätigkeiten anwendbar oder auf solche Fälle zu beschränken ist, in denen eine gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zur Befreiung führende Tätigkeit durch eine berufsfremde, an sich rentenversicherungspflichtige Tätigkeit unterbrochen wird (so: Boecken, in: GK-SGB VI § 6 Rz. 182) kann vorliegend ebenso offen bleiben, wie die Frage, ob die Vorschrift nur für die einmalige Befristung der Nebentätigkeit gilt (Boecken a.a.O, Rz. 185).
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Kläger ist als selbstständiger Rechtsanwalt in eigener Kanzlei tätig. Zeitgleich war er ab dem 01.03.2003 in mehreren aufeinanderfolgenden jeweils befristeten Arbeitsverhältnissen in Teilzeit als Insolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen beschäftigt.
Beginnend ab dem 01.03.2002 sprach die Beklagte über mehrere Jahre hinweg die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI i. V. m. § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI für seine jeweils zeitlich befristete Beschäftigung als Insolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen aus. Die Befreiung erfolgte letztmalig durch Bescheid vom 26.01. 2009 bis zum 31.12.2009.
Am 23.12.2009 beantragte der Kläger unter Vorlage eines Arbeitsvertrages mit der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen vom 10.12.2009 über eine befristete Beschäftigung als Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberater vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 eine erneute Verlängerung der Befreiung bis zum 31.12.2010.
Die Beklagte forderte von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen den einschlägigen Tarifvertrag an und lehnte mit angegriffenem Bescheid vom 02.02.2010 den Antrag auf weitere Befreiung von der Versicherungspflicht ab, weil die Beschäftigung des Klägers bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen berufsfremd sei und nunmehr festgestellt worden sei, dass die finanzielle Abhängigkeit der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen vom Land Nordrhein-Westfalen als Sachgrund für eine Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht ausreiche, selbst wenn unsicher sei, ob die Finanzierung in Zukunft fortgeführt werde.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass es sich bei der Tätigkeit eines Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberaters gegenüber der Tätigkeit eines Rechtsanwalts nicht um eine berufsfremde Tätigkeit handele. Bei anderer Betrachtung ergebe sich der Anspruch auf Befreiung allein schon aus der Befristung.
Mit Ergänzungsbescheid vom 01.03.2010 stellte die Beklagte fest, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht vorlägen. Die Tätigkeit eines Insolvenzberaters sei nicht als anwaltliche Tätigkeit zu qualifizieren, da es sich nicht um eine berufsständische (anwaltliche), sondern um eine sonstige juristische sachbearbeitende Beschäftigung handele, die stets weisungsgebunden ausgeübt werde.
Der Kläger legte auch gegen den Ergänzungsbescheid vom 01.03.2010 Widerspruch ein.
Der Widerspruch gegen die Bescheide vom 02.02.2010 und 01.03.2010 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2010 zurückgewiesen. Zu einer anwaltlichen Tätigkeit gehörten die Tätigkeitsfelder Rechtsgestaltung, Rechtsberatung, Rechtsentscheidung und Rechtsvermittlung, welche kumulativ von der zu befreienden Tätigkeit abgedeckt werden müssten. Die Tätigkeit als Schuldner- und Insolvenzberater erfülle diese Voraussetzungen nicht, weil sie nicht die Qualifikation als Volljurist voraussetze und stets weisungsgebunden ausgeübt werde. Die vorgenommene Befristung des Arbeitsvertrages über die Dauer von zwei Jahren hinaus erfolge ohne sachlichen Grund.
Hiergegen richtet sich die am 17.05.2010 erhobene Klage. Der Kläger verbleibt bei seiner Ansicht, dass er schon nach Maßgabe des § 6 Abs. 5 SGB VI wegen der Befristung von der Versicherungspflicht zu befreien sei. Darüber hinaus handele es sich bei der Tätigkeit als Insolvenzberater um eine berufsspezifische Tätigkeit als Anwalt im Sinne von Rechtsgestaltung, Rechtsberatung, Rechtsentscheidung und Rechtsvermittlung. Die Tätigkeit erfolge zudem weisungsfrei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 02.02.2010 und 01.03.2010, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2010 zu verurteilen, ihn bezüglich seiner Beschäftigung als Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in der Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angegriffenen Bescheide für rechtmäßig.
Mit Bescheid vom 07.01.2011 hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht für die Beschäftigung als Insolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ab 01.01.2011 abgelehnt. Sie ist der Auffassung, dass der Bescheid vom 07.01.2011 zum Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden ist.
Die Beteiligten haben im Rahmen eines Erörterungstermins ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Gericht konnte nach Maßgabe des § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben.
Der Bescheid vom 07.01.2011 ist entgegen der Annahme der Beklagten nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden. Die Voraussetzungen hierfür nach § 96 Abs. 1 SGG sind nicht erfüllt. Durch die Ablehnung einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für einen weiteren Zeitraum wird die für einen früheren Zeitraum getroffene Regelung weder abgeändert noch ersetzt (BSG, Urt. v. 29.07.2003, B 12 RA 6/01 R). Zu Recht hat der Kläger daher Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.01.2011 eingelegt. Die Beklagte wird diesen Widerspruch zu bescheiden haben!
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Befreiung seiner Tätigkeit als Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in der Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
1. Nach näherer Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind.
Eine Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI auf den vorliegenden Fall ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger nichtversicherungspflichtiger selbständiger Rechtsanwalt ist, die Tätigkeit als Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in der fraglichen Zeit jedoch in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt hat. Wortlaut und Sinn und Zweck des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ergeben, dass nur abhängige Beschäftigte für eine berufsspezifische abhängige Beschäftigung und nur versicherungspflichtige Selbstständige für eine berufsspezifische selbständige Tätigkeit befreit werden können. Die Befreiung nicht versicherungspflichtiger Selbstständiger für eine versicherungspflichtige abhängige Beschäftigung sieht § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI hingegen nicht vor. Es fehlt damit insoweit bereits an einem Befreiungstatbestand, der auf die Nebentätigkeit erstreckt werden könnte (LSG NRW, Urt. v. 16.07.2001, L 3 RA 73/00).
Darauf, dass der Kläger als Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zudem anders als als Rechtsanwalt nicht unabhängiges Organ der Rechtspflege ist und ob er gleichwohl rechtsgestaltend, rechtsberatend, rechtsentscheidend und rechtsvermittelnd tätig ist, kommt es insoweit nicht mehr an.
2. Auch § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI bietet keine Rechtsgrundlage für die begehrte Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Danach erstreckt sich eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VI auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet.
Voraussetzung dafür, dass sich die Befreiung auf eine "andere" versicherungspflichtige Tätigkeit "erstrecken" kann, ist damit zunächst, dass überhaupt eine Befreiung von der Versicherungspflicht besteht (Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 6 SGB VI Rz. 31). Für eine schon dem Grunde nach versicherungsfreie selbständige Tätigkeit aber kommt eine solche Befreiung gar nicht in Betracht. Dementsprechend kann § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI in diesen Fällen auch keine Befreiung auf eine "andere versicherungspflichtige Tätigkeit" erstrecken. (LSG NRW a.a.O).
Darüber hinaus dürfte bei der Tätigkeit des Klägers als Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberater bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen kaum mehr von einer infolge "ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus begrenzten Tätigkeit" zu sprechen sein, da sie bereits über nahezu zehn Jahre hinweg immer wieder verlängert worden ist.
Ob § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI überhaupt auf sogenannte Nebentätigkeiten anwendbar oder auf solche Fälle zu beschränken ist, in denen eine gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zur Befreiung führende Tätigkeit durch eine berufsfremde, an sich rentenversicherungspflichtige Tätigkeit unterbrochen wird (so: Boecken, in: GK-SGB VI § 6 Rz. 182) kann vorliegend ebenso offen bleiben, wie die Frage, ob die Vorschrift nur für die einmalige Befristung der Nebentätigkeit gilt (Boecken a.a.O, Rz. 185).
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