S 16 SO 114/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
16
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 16 SO 114/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 646/10
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin für ihre mittlerweile verstorbene Heimbewohnerin Frau E. W. Hilfe zur Pflege in Einrichtungen.

Die Klägerin betreibt das G. T. Haus in K., in welchem die 1946 geborene Frau E. W., die im Wachkoma lag, in der Zeit vom 27.02.2xxx bis zu ihrem Tod am 13.01.2xxx untergebracht war. Sie erhielt bis 31.03.2xxx Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II und ab 01.04.2xxx nach Pflegestufe III. Ihr Ehemann ist am 30.09.2xxx verstorben.

Am 11.03.2008 stellte Frau W. über ihre Tochter und Bevollmächtigte einen Antrag auf Übernahme der ungedeckten Heimpflegekosten. Am 13.01.2009 stellte auch die Klägerin einen entsprechenden Antrag.

Aus den vorgelegten Unterlagen ergaben sich für die Zeit ab Februar 2008 folgende Vermögenswerte:

- Lebensversicherungen bei der Hamburg Mannheimer Versicherung mit folgenden Rückkaufswerten: Versicherungs-Nummer: xxxx/xxxxxxx-xx 1.644,91 Euro; (ausgezahlt am 01.09.2xxx)

Versicherungs-Nummer: xxxxx/xxxxxxxx-xx 1.234,73 Euro; (ausgezahlt in Höhe von 1.390,21 Euro am 30.10.2xxx)

Versicherungs-Nummer: xxxxx/xxxxxxx-xx 217,97 Euro und

Versicherungs-Nummer: xxx/xxxxxxx-xx 271,10 Euro

- Kapital-Lebensversicherung bei der Signal Iduna Versicherung (Versicherungs-Nummer: xx.xxx.xxx/x xxx) mit einem Rückkaufswert von 993,74 Euro.

Am 01.07.2008 teilte der Beklagte der Bevollmächtigten von Frau W. mit, dass das Vermögen aus den Versicherungen vorrangig zur Deckung der Heimkosten einzusetzen sei. Bereits mit Schreiben vom 27.11.2007, 12.03.2008 und 10.04.2008 wies der Beklagte die Bevollmächtige generell darauf hin, dass vorhandenes Vermögen vorrangig einzusetzen sei.

Mit Schreiben vom 04.09.2008 übersandte die Bevollmächtigte von Frau W. dem Beklagten einen Kontoauszug, woraus sich eine Überweisung an die Klägerin in Höhe von 1.468,00 Euro ergibt. Sie teilt mit, dass es sich hierbei um den Auszahlungsbetrag aus der Versicherung bei der Hamburg Mannheimer Versicherung mit der Nummer xxxxx/xxxxxxx-xx handelt. Sodann übersendet sie am 24.11.2008 eine Rechnung des Bestattungshauses S. (Blatt 276 der Leistungsakte) bezüglich der Bestattung des Ehemannes von Frau W ... Daraus ist ersichtlich, dass dem Bestattungshaus die Versicherungssumme der Hamburg-Mannheimer Versicherung in Höhe von 1.390,21 Euro übergeben wurde.

Mit Bescheid vom 27.01.2009 bewilligte der Beklagte für die Zeit ab 01.03.2008 bis 13.01.2009 Sozialhilfe in Form der Übernahme der ungedeckten Heimkosten, berücksichtige jedoch neben dem Einkommenseinsatz, den Leistungen der Pflegeversicherung und des Pflegewohngeldes für die Zeit von März 2008 bis September 2008 einen Vermögenseinsatz von monatlich 1.148,45 Euro (Gesamtvermögen von 4.362,45 Euro abzüglich Vermögensfreibetrag von 3.214,00 Euro). Für die Zeit vom 27.02. bis 29.02.2008 lehnte sie die Bewilligung wegen vorhandenen Einkommens und Vermögens insgesamt ab. Mit Änderungsbescheid vom 12.03.2009 änderte der Beklagte die Bewilligung für Januar 2009 und berücksichtigte die geänderten Pflegesätze.

Den gegen den Vermögenseinsatz gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 19.02.2009 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2009 als unbegründet zurück.

Mit ihrer am 29.12.2006 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, ihr stünden weitere Leistungen in Höhe des vom Beklagten monatlich angesetzten Vermögenseinsatz von 1.148,45 Euro zu. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), wonach einzusetzendes Vermögen Monat für Monat einer Leistungsgewährung entgegenstehe, solange es nicht verbraucht ist, sei auf die Hilfe zur Pflege in Einrichtungen nicht übertragbar. Insoweit werde Bezug genommen auf die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG, Urteil vom 23.07.2003, Az: 4 LB 178/03), wonach bei dem bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss nach § 13 des Niedersächsischen Pflegegesetzes a.F. diese Rechtsprechung für die Fälle nicht gelte, in denen während des Streits um den Einsatz- und die Verwertbarkeit des Vermögens zur Deckung der Heimkosten Schulden des Heimbewohners beim Heimträger auflaufen, die den Wert des Vermögens übersteigen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass vorliegend der Anspruch nach § 19 Abs. 6 Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII) geltend gemacht werde. Ein Versäumnis des Pflegebedürftigen bzw. seines Betreuers das Vermögen einzusetzen bzw. zu verwerten könne nicht dem Heimträger zugerechnet werden. Insoweit werde auf die Rechtsprechung des SG Aachen (Urteile vom 09.12.2009, Az: S 19 SO 99/08 und vom 20.11.2007, Az: S 20 SO 27/07) sowie die bereits genannten Rechtsprechung des Niedersächsischen OVG Bezug genommen. Dort seien Ausnahmen von der Regel gemacht worden, dass Vermögen, solange es vorhanden ist, jeden Monat der Bewilligung von Sozialleistungen entgegenstehe. Dies müsse ebenso in den Fällen des § 19 Abs. 6 SGB XII gelten. Es sei unbillig, das Risiko der Verwertung dem Heim aufzubürden, obwohl es auf das Verhalten des Heimbewohners keinerlei Einfluss nehmen könne. Außerdem sei zu Berücksichtigen, dass es sich beim Einsatz der Versicherungen um eine besondere Härte gehandelt habe, denn diese seien für die Beerdigungskosten vorgesehen gewesen und so auch eingesetzt worden. Unstreitig seien die Berechungen des Beklagten zur Höhe des Einkommenseinsatzes, des Einkommens und Vermögens von Frau W. an sich sowie der Leistungen der Pflegeversicherung und des Pflegewohngeldes.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich nach ihrem erkennbaren Interesse,

den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 27.01.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2009 zu verurteilen, für die Zeit vom 27.02.08 bis 30.09.2008 weitere Hilfe zur Pflege in Einrichtungen für die verstorbene Frau W. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für rechtmäßig. Eine Vermögensverwertung habe erst im September 2008 stattgefunden, so dass die bis dahin vorhandenen Vermögenswerte jeden Monat einzusetzen gewesen seien und einer Hilfegewährung jedenfalls teilweise entgegenstanden. Ein fiktiver Verbrauch finde sowohl nach der Rechtsprechung des BVerwG als auch des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen nicht statt. Das von der Klägerin zitierte Urteil des Niedersächsischen OVG führe zu keiner anderen Beurteilung, da es sich nicht um einen vergleichbaren Sachverhalt gehandelt habe. Auch eine Härte sei nicht erkennbar, da es sich um kapitalbildende Lebensversicherungen gehandelt habe, denen keine besondere Zweckbestimmung innewohnt. Auch die Tatsache, dass der Anspruch nach § 19 Abs. 1 SGB XII auf die Klägerin übergangen sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr müsse sich die Klägerin sämtliche Einwendungen entgegen halten lassen, die dem Beklagten auch Frau W. gegenüber zugestanden haben.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Frau W. betreffende Leistungsakte des Beklagten. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich alle Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Vorliegend ist noch streitig der in der Zeit vom 27.02.2008 bis 30.09.2008 angerechnete monatliche Vermögenseinsatz von 1.148,45 Euro. Dies ergibt sich daraus, dass die Beteiligten ausweislich des Protokolls des Erörterungstermins vom 21.06.2010 erklärt habe, die Berechnungen des Beklagten in Bezug auf die angesetzte Rentenhöhe, den Eigenanteil, die Leistungen der Pflegekasse und die Höhe des Pflegewohngeldes seien unstreitig. Hieraus folgt zugleich, dass diese Beträge, auch wenn sie – wie der Eigenanteil – letztlich nicht gezahlt worden sind, von den noch offenen Heimkosten in Abzug zu bringen sind, so dass lediglich noch der Vermögenseinsatz streitig ist.

Die Klägerin war gemäß § 19 Abs. 6 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) berechtigt, das Widerspruchsverfahren und die Klage nach dem Tod ihrer Heimbewohnerin im eigenen Namen zu betreiben, denn die Vorschrift sieht vor, dass die Leistungen für Einrichtungen nach dem Tod des Berechtigten demjenigen zusteht, der die Leistung erbracht hat, mithin der die Pflege erbringenden Einrichtung.

Für den hier streitigen Zeitraum bestand kein Anspruch auf Hilfe zur Pflege in Einrichtungen in Höhe des Vermögenseinsatzes von 1.148,45 Euro, denn in diesem Zeitraum stand dieses den Vermögensfreibetrag übersteigende Vermögen einer Leistungsgewährung zumindest teilweise entgegen.

Gemäß § 19 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) werden Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen nach dem 5. bis 9. Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihre nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des 11. Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist. Nach § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches - Sozialgesetzbuch sind kleinere Barbeträge im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII bei Leistungen nach dem 5. bis 9. Kapitel: 3.214,00 Euro. Gemäß § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII darf Sozialhilfe ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei Leistungen nach dem 5. bis 9. Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 18.03.2008, Az.: B 8/9b SO 9/06 R), der sich das Gericht nach eigener Prüfung anschließt, ist für den gesamten streitigen Zeitraum zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen vorliegen.

Für den gesamten hier streitigen Zeitraum (27.02.08 bis 30.09.2008) bestanden die Versicherungen bei der Signal Iduna und der Hamburg Mannheimer. Die Versicherungen mit Rückkaufswerten von insgesamt 4.362,45 Euro wurden erst im September 2008 bzw. Oktober 2008 ausgezahlt und dann erst teilweise – in Höhe von 1.468,00 Euro - zur Deckung der Heimkosten verwandt. Sowohl die Höhe der Versicherungsbeträge als auch deren Verwertung ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Vermögensfreibetrag im Sinne von § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII in Höhe von 3.214,00 Euro wird durch dieses Guthaben komplett verzehrt. Der darüber hinaus vorhandene Betrag von 1.148,45 Euro war verwertbar und stand während der gesamten Zeit zur teilweisen Deckung der offenen Heimkosten zur Verfügung.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt ein fiktiver Verbrauch der Vermögenswerte nicht in Betracht. Vielmehr schließen sie solange sie vorhanden sind jeden Monat die Bedürftigkeit – jedenfalls teilweise – aufs Neue aus. Dies ist sowohl ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Recht der Arbeitslosenhilfe als auch bereits das Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Die Rechtsprechung des BSG zum Recht der Arbeitslosenhilfe folgerte zunächst aus § 9 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) vom 7. August 1974 (BGBl I 1929), dass der Arbeitslose im Rahmen der Arbeitslosenhilfe nur einmal auf das gleiche Vermögen verwiesen werden könne (BSG SozR 4100 § 138 Nr 25 S 135; SozR 3-4100 § 137 Nr 12 S 86; SozR 3-4300 § 193 Nr 2 S 4). § 9 AlhiV bestimmte, dass Bedürftigkeit nicht für die Zeit voller Wochen bestehe, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergebe, nach dem sich die Arbeitslosenhilfe richte. Diese Vorschrift war in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden AlhiV (BGBl I 2001, 3734) nicht mehr enthalten. Die Grundlage für die Rechtsprechung des BSG, dass vorhandenes Vermögen nur einmalig entsprechend der Berechnungsvorgaben des § 9 AlhiV berücksichtigt werden könne, war damit entfallen (BSG, Beschluss 30.07.2008, Az.: B 14 AS 14/08). Für die Arbeitslosenhilfe ergab sich daraus, dass keine Zurechnung des Vermögens mehr auf einen fiktiven Verbrauchszeitraum erfolgte, Bedürftigkeit vielmehr solange ausgeschlossen war, wie Vermögen vorhanden war (vgl Spellbrink in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts 2003, § 13 RdNr 189).

Das BVerwG führt im Urteil vom 19.12.1997, Az: 5 C 7.96 zum BSHG wie folgt aus:

"Revisionsrechtlich bedenkenfrei hat die Vorinstanz das verwertbare, den Freibetrag nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG übersteigende Vermögen über den gesamten hier streitigen Zeitraum (März bis Oktober 1991) hinweg mit seinem vollen jeweiligen Wert angesetzt und der Klägerin dadurch der Sache nach Monat für Monat aufs neue entgegengehalten, daß sie ihren sozialhilferechtlichen Bedarf zunächst durch Verwertung dieses Vermögens, soweit es jeweils noch vorhanden war, unabhängig davon decken müsse, ob es zur Deckung des Bedarfs für den gesamten Bedarfszeitraum ausgereicht hätte.

Für die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt kommt es stets auf die tatsächlichen Verhältnisse der Einsatzpflichtigen an (BVerwGE 59, 294 (301)), hier also darauf, ob und in welcher Höhe sie Vermögen tatsächlich haben (BVerwG, Beschluss vom 6. Februar 1989 - BVerwG 5 B 151.88 - (Buchholz 436.0 § 88 BSHG Nr. 15, S. 2)). Die Herkunft des Vermögens spielt für seinen Einsatz und seine Verwertung regelmäßig keine Rolle (vgl. BVerwGE 47, 103 (112); 89, 241 (246) für Schonvermögen nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG; zur - ausnahmsweisen - Einsatzfreiheit angesparten Vermögens siehe jedoch BVerwGE 98, 256 (258) - Schmerzensgeld - sowie Urteil vom 4. September 1997 - BVerwG 5 C 8.97 - (zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) - Erziehungsgeld -). ( ...) Eine Betrachtungsweise, wie sie das Berufungsgericht seinen Berechnungen (S. 20 des Berufungsurteils) - "hilfsweise" - zugrunde gelegt hat und bei der das einzusetzende Vermögen als zwischenzeitlich verbraucht fingiert wird, findet im Gesetz mithin keine Stütze.

Dies ist auch nicht deswegen im vorliegenden Fall anders zu beurteilen, weil die Klägerin mit dem Beklagten über die Einsetz- und Verwertbarkeit des Vermögens streitet und sie geltend machen könnte, sie dürfe wegen der Verweigerung eines Vermögenseinsatzes, deren Berechtigung umstritten ist, keinen Nachteil erleiden. Zwar ist es ständige Rechtsprechung des Senats, daß Gründe einer effektiven Anspruchsgewährleistung und effektiven Rechtsschutzes vor dem Verlust eines einmal gegebenen Sozialhilfeanspruchs schützen können, über dessen Bestand Streit herrscht und der deswegen (bisher) unerfüllt geblieben ist (vgl. z.B. BVerwGE 96, 152 (155) m.w.N.). Doch betrifft diese Rechtsprechung nur Fallgestaltungen, in denen die materiellen Anspruchsvoraussetzungen der Hilfeleistung in dem für das Einsetzen der Sozialhilfe maßgeblichen Zeitpunkt ( § 5 BSHG) erfüllt waren. Ist einsetzbares oder verwertbares Vermögen vorhanden, das zur Deckung des sozialhilferechtlichen Bedarfs ausreicht, besteht ein Sozialhilfeanspruch aber gerade nicht. Wer sich weigert, einzusetzendes oder verwertbares Vermögen zur Beseitigung einer sozialhilferechtlichen Notlage einzusetzen, handelt folglich insoweit auf eigenes Risiko, als er sich, wenn seine Weigerung sich als ungerechtfertigt erweisen sollte, jederzeit auf das Vorhandensein des Vermögensgegenstandes zur Deckung des Bedarfs verweisen lassen muß."

Der Rechtsansicht des BSG und des BVerwG schließt sich das Gericht nach eigener Prüfung umfassend an. Weitere Ausführungen hierzu sind entbehrlich.

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des OVG Lüneburg. Insoweit wendet der Beklagte bereits zu Recht ein, dass diese Rechtsprechung nicht zu den Regelungen des SGB XII und insbesondere nicht zur Hilfe zur Pflege in Einrichtungen ergangen ist. Zum anderen hat nunmehr auch das LSG Nordrhein-Westfalen in einer Entscheidung vom 28.07.2008 (Az: L 20 SO 17/08) zu Recht entscheiden, dass ein fiktiver Verbrauch vorhandenen Vermögens nicht stattfindet und sich damit der genannten Rechtsprechung des BSG und des BVerwG angeschlossen.

Auch die zitierte Rechtsprechung des SG Aachen (Urteile vom 09.12.2009, Az: S 19 SO 99/08 und vom 20.11.2007, Az: S 20 SO 27/07) führt zu keinem anderen Ergebnis, denn auch dieses ist mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar. Dort wurde ein fiktiver Vermögensverbrauch dann für möglich gehalten, wenn die Kosten des Heimaufenthalts noch nicht feststehen bzw. noch nicht dem Hilfesuchenden in Rechnung gestellt worden sind. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Klägerin Frau W. die anfallenden Kosten nicht zeitnah in Rechnung gestellt hat.

Ein anderes Ergebnis - im Sinne einer Ausnahme von der Rechtsprechung des BSG und des BVerwG - folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII in das Verfahren eingetreten ist. Hierbei handelt es sich um einen gesetzlichen Gläubigerwechsel (sog. cessio legis; vgl. Schoch, in: SGB XII - Lehr- und Praxiskommentar, 8. Auflage, § 19 Rn. 56). Dies bedeutet, die Klägerin, der dieser Anspruch zugewachsen ist, tritt bei dessen Realisierung an die Stelle des Leistungsberechtigten und muss sich alle aus dem Rechtsverhältnis zwischen diesem und dem Träger der Sozialhilfe ergebenden Einwendungen entgegen halten lassen (vgl. Schoch, aaO). Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass sie bis zum Tod von Frau W. keinen Einfluss auf deren Verhaltensweisen nehmen konnte. Dies ist jedoch Ausfluss des gesetzlich geregelten Gläubigerwechsels, der zur Folge hat, dass der Klägerin nicht lediglich das Recht zusteht, den Anspruch in eigenem Namen geltend zu machen, vielmehr muss sie sich auch die Einwendungen bezüglich der unterlassenen Vermögensverwertung entgegenhalten lassen.

Die Verwertung der Lebensversicherung stellt auch keine besondere Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII dar. Bei den genannten Versicherungen handelt es sich nicht um reine Sterbeversicherungen, sondern um kapitalbildenden Lebensversicherung im Todes- und Erlebensfall, die jederzeit gekündigt und damit kapitalisiert werden können. Auch kann sich die Zweckbestimmung jederzeit ändern. Auch das LSG Nordrhein-Westfalen hat in seinem Urteil vom 19.03.2009 (Az: L 9 SO 5/07) entschieden, dass solche Versicherungen verwertbar sind. Dieser Ansicht schließt sich das Gericht nach eigener Prüfung umfassend an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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