Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 3 KR 206/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 4/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 23. November 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Frage, ob der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3) der Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegt.
Der 1967 geborene Kläger erwarb einen beruflichen Abschluss als Zootechniker mit Abitur und absolvierte anschließend ein Studium zum Diplom-Agraringenieur. Er ist seit Januar 1997 bei der Beigeladenen zu 3) beschäftigt. Seit Juli 1997 hält er, wie dreizehn weitere Personen, von denen etliche über keinen beruflichen Abschluss im Bereich der Landwirtschaft verfügen, 5 % der Gesellschaftsanteile der Beigeladenen zu 3). Von den übrigen Gesellschaftsanteilen hält ein Gesellschafter 10 %, die restlichen 25 % hält die Beigeladene zu 3) selbst. Nach dem Gesellschaftsvertrag der in der Rechtsform einer GmbH geführten Beigeladenen zu 3) vom 22. Januar 1991 ist der Gegenstand des Unternehmens die Erzeugung und der Vertrieb von Agrarprodukten aller Art, die Durchführung von Tierproduktion und der Handel mit Tierprodukten aller Art sowie die Verwaltung von Immobilienvermögen (§ 2 des Gesellschaftsvertrages). Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung werden nach § 6 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages mit der einfachen Mehrheit der anwesenden Stimmen gefasst. Mit Wirkung zum 1. Juli 2006 wurde der Kläger zum alleinigen Geschäftsführer der Beigeladenen zu 3) bestellt.
Am 6. April 2006 ging bei der Beigeladenen zu 1) ein Antrag auf Klärung der versicherungsrechtlichen Stellung des Klägers ein. Diesen Antrag leitete die Beigeladene zu 1) an die Beklagte weiter. Beigefügt waren diesem Antrag ein nicht unterschriebener Anstellungsvertrag sowie ein ausgefüllter Vordruck der Beigeladenen zu 1), wegen deren Inhalts auf Blatt 2 bis 5 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen wird. Während des Verwaltungsverfahrens reichte der Kläger einen von ihm und einem Beiratsvorsitzenden (für die Beigeladene zu 3) unterzeichneten Anstellungsvertrag vom 26. Mai 2006 ein, der unter anderem folgende Regelungen enthielt:
§ 1 Geschäftsführung und Vertretung
1. Der Geschäftsführer ist berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft nach Maßgabe der Bestimmungen der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages sowie nach den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung, dieses Anstellungsvertrages und einer eventuellen Geschäftsführungsordnung allein zu führen.
2. Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Er führt die Geschäfte der Gesellschaft und hat die verantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebes. Er hat Einzelgeschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis.
3. Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
§ 2 Zustimmungspflichtige Geschäfte
Der Geschäftsführer bedarf für alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen, der ausdrücklichen vorhergehenden Einwilligung der Gesellschafterversammlung oder des von ihr beauftragten Beirates. Hierzu zählen insbesondere:
a) Veräußerung und Stilllegung des Betriebes oder wesentlicher Betriebsteile.
b) Errichtung von Zweigniederlassungen.
c) Erwerb oder Veräußerung von anderen Unternehmen oder Beteiligungen der Gesellschaft an anderen Unternehmen.
d) Erwerb, Veräußerung oder Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie die Verpflichtung zur Vornahme solcher Rechtsgeschäfte.
e) Bauliche Maßnahmen und Anschaffung von Sachmitteln aller Art, soweit die hierfür erforderlichen Aufwendungen einen Betrag von 40.000,- EUR übersteigen.
f) Abschluss, Änderung oder Aufhebung von Miet-, Pacht- oder Leasing-Verträgen mit einer Vertragsdauer von mehr als 60 Monaten oder einer monatlichen Verpflichtung von mehr als 3.000,- EUR.
g) Inanspruchnahme oder Gewährung von Krediten oder Sicherheitsleitungen jeglicher Art, welche 20.000,- EUR übersteigen. Hiervon ausgenommen sind laufende Warenkredite im gewöhnlichen Geschäftsverkehr mit Kunden und Lieferanten der Gesellschaft.
h) Übernahme von Bürgschaften jeglicher Art durch die Gesellschaft.
i) Bewilligung von Gehalts- und Lohnerhöhungen sowie auch zusätzlicher Vergütungen, wenn diese zu einer Überschreitung der tariflichen Verdienstgrenze um mehr als 10 % führen. Hiervon ausgenommen sind Anpassungen der Gehälter und Löhne entsprechend den Tariferhöhungen unabhängig von einer Tarifvertragsbindung der Gesellschaft.
j) Erteilung con Versorgungszusagen aller Art, durch welche zusätzliche Verpflichtungen der Gesellschaft über die Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherungen begründet werden.
k) Erteilung und Widerruf von Prokuren und Handlungsvollmachten.
§ 3 Pflichten und Verantwortlichkeit
1. Der Geschäftsführer hat die Geschäfte der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmannes zu führen und die ihm nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag sowie diesem Vertrag obliegenden Pflichten gewissenhaft zu erfüllen.
2. Der Geschäftsführer hat der Gesellschaft die zur Bewältigung ihrer Aufgaben erforderliche Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Er ist ansonsten in der Gestaltung seiner Arbeitszeit frei.
3. Der Geschäftsführer ist an keinen bestimmten Ort für die Erfüllung seiner Aufgaben gebunden. [ ]
§ 4 Wettbewerbsverbot [ ]
§ 5 Vergütung
1. Der Geschäftsführer erhält ein festes Jahresgehalt in der Höhe von 36.000,- EUR, welches in 12 gleichen Raten zum 15. des folgenden Monats gezahlt wird.
2. Darüber hinaus erhält der Geschäftsführer eine Tantieme in Höhe von 3 % des Jahresgewinnes der Gesellschaft, welche nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung gezahlt wird. [ ]
§ 6 Vergütung bei Dienstverhinderung und Tod
1. Im Fall der Erkrankung oder sonstigen Dienstverhinderung werden dem Geschäftsführer seine vertragsgemäßen Bezüge für die Dauer von 6 Monaten fortgezahlt. Für eine diesen Fortzahlungszeitraum übersteigende Dienstverhinderung wird dem Geschäftsführer auf die Dauer weiterer 6 Monate ein Zuschuss in Höhe der Differenz zwischen dem von den Trägern der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung gewährten Krankengeld und dem Nettobetrag seines Gehaltes gemäß § 5 Absatz 1. gewährt. Mit Ablauf des in Satz 1 bestimmten Fortzahlungszeitraumes entfällt die Tantieme gemäß § 5 Absatz 2., welche für jeden begonnenen Kalendermonat fortbestehender Dienstverhinderung um je 1/12 gekürt wird.
2. Verstirbt der Geschäftsführer während der Dauer dieses Anstellungsvertrages, so wird seiner Ehefrau das Festgehalt gemäß § 5 Absatz 1. für die auf den Sterbemonat folgenden 3 Monate sowie die Tantieme gemäß § 5 Absatz 2. anteilig der bis zum Todesfall zurückgelegten Dienstzeit innerhalb des Geschäftsjahres gezahlt; [ ]
§ 8 Urlaub
1. Dem Geschäftsführer steht jährlich ein Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen zu. Die zeitliche Lage des Urlaubs ist unter Berücksichtigung der geschäftlichen Belange der Gesellschaft durch den Geschäftsführer festzulegen. Bei mehreren Geschäftsführern ist der Urlaub mit den anderen Geschäftsführern abzustimmen. [ ]
§ 9 Versicherung und Versorgungszusage
1. Die Gesellschaft führt die zugunsten des Geschäftsführers auf ihre Kosten abgeschlossenen Direktversicherungen fort. Das betrifft die am 01.04.1999 bei der abgeschlossene Versicherung mit einem Beitragsaufwand von jährlich 1.349,76 EUR und die bei D am 01.09.2005 abgeschlossene Versicherung mit einem jährlichen Beitragsaufwand von 700,- EUR. Anfallende Lohnsteuerpauschale trägt die Gesellschaft.
2. Die Gesellschaft versichert den Geschäftsführer auf ihre Kosten für die Dauer des Dienstverhältnisses gegen Unfall mit einem 24. Stunden Schutz, und zwar in Höhe von EUR 100.000,00 für den Todesfall und EUR 200.000,00 als Basisinvaliditätssumme für den Fall der Invalidität bei 225% Progression.
3. Die Gesellschaft trägt 50% der Sozialversicherungsbeiträge des Geschäftsführer, maximal 50 % der Beiträge, die im Rahmen einer gesetzlichen Sozialversicherung als Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zu zahlen wären.
4. Die Gesellschaft schließt für den Geschäftsführer eine Rechtsschutzversicherung ab. [ ]
§ 11 Vertragsdauer, Kündigung
1. Die Tätigkeit als Geschäftsführer auf der Basis dieses Vertrages beginnt am 01.07.2006.
2. Der Anstellungsvertrag wird auf unbefristete Zeit geschlossen. Dieser Vertrag endet ohne Kündigung mit Ablauf des Jahres in dem der Geschäftsführer das 65. Lebensjahr vollendet.
Als wichtiger Gründ für eine Kündigung durch die Gesellschaft gilt insbesondere:
a) die Vornahme von Geschäften gemäß § 2 Absatz 2., ohne die hierfür erforderliche Zustimmung der Gesellschaft,
b) schwere Verstöße gegen die Weisungen der Gesellschafterversammlung,
c) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft oder die Auflösung der Gesellschaft. [ ]
§ 14 Schlussbestimmungen
1. Alle Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit des Schriftform und der Zustimmung durch Beschluss der Gesellschafterversammlung.
2.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2006 stellte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen zu 3) und dem Kläger fest, dass dieser seine Tätigkeit als Gesellschafter/Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 3) im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausübe. Denn er sei zwar vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit und alleinvertretungsberechtigt. Ferner könne der Kläger mit seiner Gesellschaftsbeteiligung zwar Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen, er könne jedoch Beschlüsse hinsichtlich seines Mitarbeiterverhältnisses als Geschäftsführer weder herbeiführen noch verhindern. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der tätigkeitsrelevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser unter anderem auf eine von ihm am 15. Oktober 2006 erklärte selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft im Umfang von 30.000.- Euro zugunsten der Beigeladenen zu 3) verwies, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2007).
Im Klageverfahren brachte der Kläger vor, er sei hinsichtlich der Arbeitszeit und seiner Arbeitsgestaltung frei und selbständig. Ihm obliege die Leitung und Überwachung des Betriebes. Seine Meinungen als Branchenkenner seien bei der Willensbildung innerhalb der Beigeladenen zu 3) ausschlaggebend. Er sei der Entscheider, der sich den gegebenen Erfordernissen folgend verschiedentlich berate, der aber alle Vorlagen erarbeite, alle Analysen selbständig und eigenverantwortlich vornehme und eventuell zur Entscheidung vorlege, dessen diesbezügliche Arbeitsergebnisse aber regelmäßig und ausnahmslos anerkannt und beschlossen worden seien. Er führe daher die Geschäfte nach eigenem Gutdünken wie ein Alleineigentümer. Aufgrund seiner Branchenkenntnisse sei er als einziger Gesellschafter in der Lage, das Unternehmen in seiner Gesamtheit zu führen. Der weitere Gesellschafter, der über einen Fachhochschulabschluss als Dipl.-Agraringenieur verfüge, sei auf Pflanzenbau spezialisiert. Die Beigeladene zu 3) verfüge über mehrere Betriebszweige und habe einen Jahresumsatz von ca. 2 Millionen Euro. Sein Urlaub sei nicht genehmigungspflichtig. Der Beirat sei im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen, sondern von seinem Vorgänger im Amt berufen worden. Er trete unregelmäßig und sporadisch zusammen, was aber seit Juli 2006 nicht mehr geschehen sei. Soweit er nach dem Geschäftsführervertrag Geschäfte mit einem Wert von über 40.000,- Euro genehmigen lassen müsse, sehe die Praxis völlig anders aus. Er habe, nachdem er die entsprechende Rückversicherung erhalten habe, entschieden, in eine Milchviehanlage im Wert von ca. 450.000,- Euro zu investieren. Auch im Jahre 2010 habe er Grund und Boden für einen ebenso hohen Betrag gekauft; er brauche hierfür nicht zu fragen, dies werde einfach gemacht, dies könne er einfach so verantworten.
Nachdem das Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2010 zwei Mitarbeiter der Beigeladenen zu 3), die Zeugen F und F. S, vernommen hatte, hob es mit Urteil vom selben Tag die Bescheide der Beklagten auf und stellte fest, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 3) nicht zur Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung führe. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es für die Frage, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliege, vorrangig auf die tatsächliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses ankomme; die vertraglich vereinbarte Rechtslage sei demgegenüber nachrangig, wenn auch Ausgangspunkt der Beurteilung und unter dem Aspekt der Privatautonomie zu berücksichtigen. Habe ein Gesellschafter-Geschäftsfüher einer GmbH eine Kapitalbeteiligung von unter 50 % inne, führe das nicht automatisch zur prinzipiellen Annahme einer Weisungsgebundenheit. Vielmehr sei im Einzelfall zu prüfen, ob der Geschäftsführer einen so maßgebenden Einfluss auf die Entscheidung der Gesellschaft habe, dass er jeden Beschluss, insbesondere jeden ihm nicht genehme Weisung der Gesellschafter, verhindern könne. Hieran gemessen stehe der Kläger nicht in einem selbständigen Beschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen zu 3). Hierfür spreche die Befreiung von Selbstkontrahierungsverbot und seine Stellung als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer sowie die ihm eingeräumten Rechte eines Arbeitgebers im Sinne des Arbeits- und Sozialrechts. Allein nach dem Geschäftsführervertrag, der sowohl arbeitnehmer- als auch arbeitgeberübliche Inhalte trage, sei eine Beurteilung nicht abschließend vorzunehmen. Nach den Einlassungen des Klägers, die das Sozialgericht für glaubwürdig und nachvollziehbar erachtete, weil sie sich in Übereinstimmung mit den Zeugenaussagen befänden, sei die Kammer jedoch davon überzeugt, dass der Kläger das Unternehmen der Beigeladenen zu 3) selbständig führe. Er sei Kopf und Seele des Unternehmens und keinerlei Weisungen der Gesellschafterversammlung hinsichtlich der Art und Ausführung seiner Tätigkeit unterworfen. Er habe auch als einziger eine Bürgschaft der Beigeladenen zu 3) übernommen und verfüge als einziger über die Branchenkenntnisse zur Leitung des gesamten Unternehmens. Die vertragliche Gestaltung müsse wegen der tatsächlich gelebten Gestaltung zurücktreten.
Gegen dieses ihr am 13. Dezember 2010 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 7. Januar 2011, zu deren Begründung sie vorträgt: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts gehe eine der ursprünglich getroffenen Vereinbarung entgegen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung nur dann vor, wenn eine – formlose – Abwicklung rechtlich möglich sei. Umgekehrt sei die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich, solange die Rechtsposition nicht wirksam abgedungen sei. Die im Anstellungsvertrag vom 26. Mai 2006 getroffenen Regelungen deuteten auf eine Weisungsgebundenheit hin und zeigten deutlich, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis habe begründet werden sollen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 23. November 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, dass er die Bankbürgschaft von seinem Vorgänger habe übernehmen müssen, weil anderenfalls die Bank dessen Bürgschaft nicht freigegeben habe. Seit Januar 2012 erhalte er eine monatliche Vergütung von 3.400,- EUR, ohne dass insoweit eine (schriftliche) Änderungsvereinbarung vorgenommen worden sei. Er hat ferner auf Anforderung des Gerichts Unterlagen vorgelegt, wonach die ihm ausgezahlten jährlichen Tantiemen seit Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit zwischen 2.497,- und 13.788,- Euro betrugen.
Mit Bescheid vom 21. Juni 2011 änderte die Beklagte den Bescheid vom 25. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2007 dahin, dass für den Kläger in der seit dem 1. Juli 2006 ausgeübten Beschäftigung als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 3) Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte nur durch den Berichterstatter entscheiden, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis mit diesem Vorgehen erklärt haben (§ 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben, denn die Beklagte hat in den streitgegenständlichen Bescheiden zu Recht die Versicherungspflicht des Klägers zu allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung aufgrund seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 3) seit dem 1. Juli 2006 festgestellt.
I. Gegenstand des Rechtsstreits ist auch der Bescheid der Beklagten vom 21. Juni 2011. Dieser hat die bis dahin angefochtenen o.g. Bescheide, die sich auf die (unzulässige) Feststellung einzelner Elemente der Versicherungspflicht beschränkten, in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zur Versicherungspflicht "ergänzt". Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element zu einer vollständigen Feststellung ergänzt – und erst damit einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht –, so liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten i.S.v. § 96 Abs. 1 i.V.m. § 153 Abs 1 SGG ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2011, Az.: B 12 KR 17/09 R, veröffentlicht in Juris).
II. Der Kläger unterliegt in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3) der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung.
1) Die Versicherungspflicht wird in § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) für die Krankenversicherung, § 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) für die Rentenversicherung und § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) für die soziale Pflegeversicherung geregelt. Im Bereich der Arbeitslosenversicherung bestimmt sich die Versicherungspflicht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III). Diese Vorschriften setzen für die Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (im folgenden: Versicherungspflicht) – in der hier einzig denkbaren Alternative – jeweils eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des § 7 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) voraus. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
2) Ob eine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt sind daher – anders als vom Sozialgericht zugrunde gelegt – zunächst die vertraglichen Vereinbarungen der Beteiligten, so wie sie sich aus den von ihnen getroffenen Abreden ergeben oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lassen. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006, Az.: B 12 KR 30/04 R, veröffentlicht in Juris, sowie jüngst die Urteile vom 29. August 2012, Az.: B 12 KR 25/10 R und B 12 R 14/10 R, Terminbericht Nr. 46/12).
III. Hieran gemessen ist der Kläger bei der Beigeladenen zu 3) abhängig beschäftigt.
1. Der Anstellungsvertrag vom 26. Mai 2006 sieht – abweichend von dem zunächst eingereichten nicht unterschriebenen Vertrag gleichen Datums – in seinem § 1 Abs. 2 keine ausdrückliche Weisungsunterworfenheit des Klägers (mehr) vor. Dies lässt indes nicht den Schluss zu, eine Weisungsgebundenheit bestehe rechtlich nicht. Diese ergibt sich vielmehr bereits aus dem GmbH-Gesetz (GmbHG), insbesondere mittelbar aus den die (Ab-)Bestellung des Geschäftsführers, seine Maßregelung und seine ggf. beschränkte Vertretungsbefugnis regelnden Bestimmungen in § 6 Abs. 3, § 37 Abs. 1, § 38 Abs. 1 und § 46 Nr. 5 und 6 GmbHG (Roth/Alt¬mep¬pen, GmbHG, 7.A., § 37 Rd. 3). Der Geschäftsführer einer GmbH hat gerade nicht, wie der Vorstand einer Aktiengesellschaft (§ 70 Aktiengesetz), die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten, sondern ist den im Rahmen von Gesetz, Satzung und guten Sitten bleibenden Weisungen der Gesellschafter unterworfen (Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 14. Dezember 1959, Az.: II ZR 187/57, veröffentlicht in Juris). Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits ist weder zu entscheiden, inwieweit die Weisungsabhängigkeit eines GmbH-Geschäfts¬füh¬rers durch Übertragung aller Geschäftsführungsangelegenheiten zu Lasten der Gesellschafter reduziert werden darf (vgl. hierzu Roth/Altmeppen, a.a.O., § 45 Rd. 10; Kuhn, in: Wisskirchen/Beck’scher Online-Kommentar GmbHG, Stand: 1. Juni 2012, § 37 Rd. 37f, m.w.N.), noch, ob für eine über das gesetzliche Leitbild hinaus gehende Einschränkung der Weisungsbefugnis eine Regelung im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers ausreicht oder nicht eine Satzungsregelung erforderlich ist. Denn so weit reichende Befugnisse wurden dem Kläger nicht eingeräumt. Diese wurden stattdessen – über die schon durch § 46 GmbHG gezogenen und durch den Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen zu 3) nicht berührten Begrenzungen hinaus – durch die in § 2 des Anstellungsvertrages genannten zustimmungspflichtigen Geschäfte weiter beschnitten. Die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Klägers als Geschäftsführer – und somit seine Weisungsabhängigkeit – wurden vielmehr noch über das gesetzlich geformte Leitbild der Geschäftsführerbefugnisse hinaus eingeengt.
Da der Gesellschaftsanteil des Klägers nur 5 % beträgt und bei Gesellschafterbeschlüssen die Mehrheit der anwesenden Stimmen erforderliche ist, ist er typischerweise auch nicht in der Lage, Weisungen beinhaltende Gesellschafterbeschlüsse an sich zu verhindern oder durch Gesellschafterbeschluss seinen Anstellungsvertrag zu seinen Gunsten zu ändern.
2. Ohne rechtlichen Belang ist daher, dass nach der Darstellung des Klägers die alltägliche Praxis, z.B. was die Beachtung von Genehmigungserfordernissen betrifft, teilweise anders aussah als im Anstellungsvertrag vorgesehen. Diese Praxis war rechtlich nicht zulässig, da nach § 14 des Vertrages Änderungen sowohl der Schriftform als auch der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurften, schriftliche Änderungsvereinbarungen aber nicht vorliegen.
Damit kommt es im vorliegenden Fall auch nicht darauf an, ob der Kläger das Unternehmen nach eigenem Gutdünken wie ein Alleineigentümer geführt, sich in eine im wesentlichen von ihm selbst vorgegebene Arbeitsorganisation eingefügt oder als einzige Mitarbeiter der Beigeladenen zu 3) über die erforderlichen Branchenkenntnisse zur Führung des Betriebes verfügt hat. Diese tatsächlichen Umstände ändern an der rechtlich begründeten Weisungsmöglichkeit der Gesellschaftsversammlung und der daraus resultierenden Weisungsabhängigkeit des Klägers nichts.
3. Unverkennbar enthält der Anstellungsvertrag des Klägers auch Elemente, die dem klassischen Bild einer abhängigen Beschäftigung (z.B. bei einer Fließbandarbeiterin oder einem Büroangestellten) nicht entsprechen.
a. Hierzu zählt etwa die dem Kläger eingeräumte Freiheit hinsichtlich Zeit und Ort seiner Tätigkeit. Insoweit mag allerdings schon fraglich sein, ob auf die rechtliche Möglichkeit, seinen Tätigkeitsort frei zu wählen, abgestellt werden darf, wenn die Tätigkeit aufgrund der Natur der Sache (z.B. die vom Kläger erwähnten Kontrollgänge im Stall und auf der Weide oder Mitarbeiterbesprechungen) in wesentlichen Bereichen an den Sitz des Unternehmens bzw. dessen Betriebsgrundstücke gebunden ist, zumal Kläger und Beigeladene zu 3) im o.g. Fragebogen vom 31. März 2006 übereinstimmend ein Weisungsrecht der Gesellschaft bezüglich Ort und Zeit bejahten. Unabhängig hiervon kann die Weisungsgebundenheit bei leitenden Tätigkeiten – wie im Falle des Klägers – z.B. hinsichtlich Zeit und Ort der Arbeit eingeschränkt und zugunsten einer "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (BSG, Urteil vom 25. April 2012, Az.: B 12 KR 24/10 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.), ohne dass dies eine abhängige Beschäftigung ausschlösse.
b. Untypisch für eine abhängige Beschäftigung ist ferner, dass dem Kläger einerseits durch die vertragliche Tantiemenregelung zusätzliche, maßgeblich auf sein Engagement für die Beigeladene zu 3) beruhende Gewinnchancen eingeräumt wurden, sondern durch die Übernahme der o.g. Bürgschaft auch die Gefahr besteht, dass eine negative Geschäftsentwicklung bei der Beigeladenen zu 3) unmittelbar auf sein Privatvermögen durchschlägt. Allerdings haben die bislang realisierten Gewinnchancen – mit einer Ausnahme – nicht einmal ein Drittel des dem Kläger zustehenden Jahresgehalts nach § 5 Ziffer 1 des Anstellungsvertrags und somit wirtschaftlich nur eine untergeordnete Bedeutung erreicht. Da das Verlustrisiko mit 30.000.- EUR ebenfalls das Jahresgehalt von 36.000.- EUR nicht übersteigt, kommt diesen eher unternehmertypischen Umständen keine wesentliche Bedeutung zu, zumal die bestehende Weisungsabhängigkeit des Klägers hierdurch in keiner Weise tangiert wird.
c. Auch der (indirekte) Ausschluss der ordentlichen Kündigung (§ 11 des Anstellungsvertrages), die Entgeltfortzahlung für 6 Monate im Krankheitsfall und für 3 Monate im Todesfall weichen vom gesetzlichen Leitbild eines der abhängigen Beschäftigung in der Regel gleichstehenden Arbeitsverhältnisses ab. Diesen Aspekten kommt jedoch nur eine äußerst nachrangige Bedeutung zu, da sie über die im Interesse des abhängig Beschäftigten/Arbeitnehmers begründeten Ansprüche hinausgehen und von dessen Gegenbild, dem selbständig Tätigen, fundamental abweichen.
d. Dass der Kläger vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit ist, erweitert seine weisungsfreien Handlungsmöglichkeiten nur geringfügig und fällt aufgrund dessen nicht entscheidend ins Gewicht.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit steht die Frage, ob der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3) der Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegt.
Der 1967 geborene Kläger erwarb einen beruflichen Abschluss als Zootechniker mit Abitur und absolvierte anschließend ein Studium zum Diplom-Agraringenieur. Er ist seit Januar 1997 bei der Beigeladenen zu 3) beschäftigt. Seit Juli 1997 hält er, wie dreizehn weitere Personen, von denen etliche über keinen beruflichen Abschluss im Bereich der Landwirtschaft verfügen, 5 % der Gesellschaftsanteile der Beigeladenen zu 3). Von den übrigen Gesellschaftsanteilen hält ein Gesellschafter 10 %, die restlichen 25 % hält die Beigeladene zu 3) selbst. Nach dem Gesellschaftsvertrag der in der Rechtsform einer GmbH geführten Beigeladenen zu 3) vom 22. Januar 1991 ist der Gegenstand des Unternehmens die Erzeugung und der Vertrieb von Agrarprodukten aller Art, die Durchführung von Tierproduktion und der Handel mit Tierprodukten aller Art sowie die Verwaltung von Immobilienvermögen (§ 2 des Gesellschaftsvertrages). Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung werden nach § 6 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages mit der einfachen Mehrheit der anwesenden Stimmen gefasst. Mit Wirkung zum 1. Juli 2006 wurde der Kläger zum alleinigen Geschäftsführer der Beigeladenen zu 3) bestellt.
Am 6. April 2006 ging bei der Beigeladenen zu 1) ein Antrag auf Klärung der versicherungsrechtlichen Stellung des Klägers ein. Diesen Antrag leitete die Beigeladene zu 1) an die Beklagte weiter. Beigefügt waren diesem Antrag ein nicht unterschriebener Anstellungsvertrag sowie ein ausgefüllter Vordruck der Beigeladenen zu 1), wegen deren Inhalts auf Blatt 2 bis 5 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen wird. Während des Verwaltungsverfahrens reichte der Kläger einen von ihm und einem Beiratsvorsitzenden (für die Beigeladene zu 3) unterzeichneten Anstellungsvertrag vom 26. Mai 2006 ein, der unter anderem folgende Regelungen enthielt:
§ 1 Geschäftsführung und Vertretung
1. Der Geschäftsführer ist berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft nach Maßgabe der Bestimmungen der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages sowie nach den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung, dieses Anstellungsvertrages und einer eventuellen Geschäftsführungsordnung allein zu führen.
2. Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Er führt die Geschäfte der Gesellschaft und hat die verantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebes. Er hat Einzelgeschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis.
3. Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
§ 2 Zustimmungspflichtige Geschäfte
Der Geschäftsführer bedarf für alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen, der ausdrücklichen vorhergehenden Einwilligung der Gesellschafterversammlung oder des von ihr beauftragten Beirates. Hierzu zählen insbesondere:
a) Veräußerung und Stilllegung des Betriebes oder wesentlicher Betriebsteile.
b) Errichtung von Zweigniederlassungen.
c) Erwerb oder Veräußerung von anderen Unternehmen oder Beteiligungen der Gesellschaft an anderen Unternehmen.
d) Erwerb, Veräußerung oder Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie die Verpflichtung zur Vornahme solcher Rechtsgeschäfte.
e) Bauliche Maßnahmen und Anschaffung von Sachmitteln aller Art, soweit die hierfür erforderlichen Aufwendungen einen Betrag von 40.000,- EUR übersteigen.
f) Abschluss, Änderung oder Aufhebung von Miet-, Pacht- oder Leasing-Verträgen mit einer Vertragsdauer von mehr als 60 Monaten oder einer monatlichen Verpflichtung von mehr als 3.000,- EUR.
g) Inanspruchnahme oder Gewährung von Krediten oder Sicherheitsleitungen jeglicher Art, welche 20.000,- EUR übersteigen. Hiervon ausgenommen sind laufende Warenkredite im gewöhnlichen Geschäftsverkehr mit Kunden und Lieferanten der Gesellschaft.
h) Übernahme von Bürgschaften jeglicher Art durch die Gesellschaft.
i) Bewilligung von Gehalts- und Lohnerhöhungen sowie auch zusätzlicher Vergütungen, wenn diese zu einer Überschreitung der tariflichen Verdienstgrenze um mehr als 10 % führen. Hiervon ausgenommen sind Anpassungen der Gehälter und Löhne entsprechend den Tariferhöhungen unabhängig von einer Tarifvertragsbindung der Gesellschaft.
j) Erteilung con Versorgungszusagen aller Art, durch welche zusätzliche Verpflichtungen der Gesellschaft über die Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherungen begründet werden.
k) Erteilung und Widerruf von Prokuren und Handlungsvollmachten.
§ 3 Pflichten und Verantwortlichkeit
1. Der Geschäftsführer hat die Geschäfte der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmannes zu führen und die ihm nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag sowie diesem Vertrag obliegenden Pflichten gewissenhaft zu erfüllen.
2. Der Geschäftsführer hat der Gesellschaft die zur Bewältigung ihrer Aufgaben erforderliche Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Er ist ansonsten in der Gestaltung seiner Arbeitszeit frei.
3. Der Geschäftsführer ist an keinen bestimmten Ort für die Erfüllung seiner Aufgaben gebunden. [ ]
§ 4 Wettbewerbsverbot [ ]
§ 5 Vergütung
1. Der Geschäftsführer erhält ein festes Jahresgehalt in der Höhe von 36.000,- EUR, welches in 12 gleichen Raten zum 15. des folgenden Monats gezahlt wird.
2. Darüber hinaus erhält der Geschäftsführer eine Tantieme in Höhe von 3 % des Jahresgewinnes der Gesellschaft, welche nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung gezahlt wird. [ ]
§ 6 Vergütung bei Dienstverhinderung und Tod
1. Im Fall der Erkrankung oder sonstigen Dienstverhinderung werden dem Geschäftsführer seine vertragsgemäßen Bezüge für die Dauer von 6 Monaten fortgezahlt. Für eine diesen Fortzahlungszeitraum übersteigende Dienstverhinderung wird dem Geschäftsführer auf die Dauer weiterer 6 Monate ein Zuschuss in Höhe der Differenz zwischen dem von den Trägern der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung gewährten Krankengeld und dem Nettobetrag seines Gehaltes gemäß § 5 Absatz 1. gewährt. Mit Ablauf des in Satz 1 bestimmten Fortzahlungszeitraumes entfällt die Tantieme gemäß § 5 Absatz 2., welche für jeden begonnenen Kalendermonat fortbestehender Dienstverhinderung um je 1/12 gekürt wird.
2. Verstirbt der Geschäftsführer während der Dauer dieses Anstellungsvertrages, so wird seiner Ehefrau das Festgehalt gemäß § 5 Absatz 1. für die auf den Sterbemonat folgenden 3 Monate sowie die Tantieme gemäß § 5 Absatz 2. anteilig der bis zum Todesfall zurückgelegten Dienstzeit innerhalb des Geschäftsjahres gezahlt; [ ]
§ 8 Urlaub
1. Dem Geschäftsführer steht jährlich ein Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen zu. Die zeitliche Lage des Urlaubs ist unter Berücksichtigung der geschäftlichen Belange der Gesellschaft durch den Geschäftsführer festzulegen. Bei mehreren Geschäftsführern ist der Urlaub mit den anderen Geschäftsführern abzustimmen. [ ]
§ 9 Versicherung und Versorgungszusage
1. Die Gesellschaft führt die zugunsten des Geschäftsführers auf ihre Kosten abgeschlossenen Direktversicherungen fort. Das betrifft die am 01.04.1999 bei der abgeschlossene Versicherung mit einem Beitragsaufwand von jährlich 1.349,76 EUR und die bei D am 01.09.2005 abgeschlossene Versicherung mit einem jährlichen Beitragsaufwand von 700,- EUR. Anfallende Lohnsteuerpauschale trägt die Gesellschaft.
2. Die Gesellschaft versichert den Geschäftsführer auf ihre Kosten für die Dauer des Dienstverhältnisses gegen Unfall mit einem 24. Stunden Schutz, und zwar in Höhe von EUR 100.000,00 für den Todesfall und EUR 200.000,00 als Basisinvaliditätssumme für den Fall der Invalidität bei 225% Progression.
3. Die Gesellschaft trägt 50% der Sozialversicherungsbeiträge des Geschäftsführer, maximal 50 % der Beiträge, die im Rahmen einer gesetzlichen Sozialversicherung als Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zu zahlen wären.
4. Die Gesellschaft schließt für den Geschäftsführer eine Rechtsschutzversicherung ab. [ ]
§ 11 Vertragsdauer, Kündigung
1. Die Tätigkeit als Geschäftsführer auf der Basis dieses Vertrages beginnt am 01.07.2006.
2. Der Anstellungsvertrag wird auf unbefristete Zeit geschlossen. Dieser Vertrag endet ohne Kündigung mit Ablauf des Jahres in dem der Geschäftsführer das 65. Lebensjahr vollendet.
Als wichtiger Gründ für eine Kündigung durch die Gesellschaft gilt insbesondere:
a) die Vornahme von Geschäften gemäß § 2 Absatz 2., ohne die hierfür erforderliche Zustimmung der Gesellschaft,
b) schwere Verstöße gegen die Weisungen der Gesellschafterversammlung,
c) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft oder die Auflösung der Gesellschaft. [ ]
§ 14 Schlussbestimmungen
1. Alle Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit des Schriftform und der Zustimmung durch Beschluss der Gesellschafterversammlung.
2.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2006 stellte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen zu 3) und dem Kläger fest, dass dieser seine Tätigkeit als Gesellschafter/Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 3) im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausübe. Denn er sei zwar vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit und alleinvertretungsberechtigt. Ferner könne der Kläger mit seiner Gesellschaftsbeteiligung zwar Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen, er könne jedoch Beschlüsse hinsichtlich seines Mitarbeiterverhältnisses als Geschäftsführer weder herbeiführen noch verhindern. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der tätigkeitsrelevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser unter anderem auf eine von ihm am 15. Oktober 2006 erklärte selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft im Umfang von 30.000.- Euro zugunsten der Beigeladenen zu 3) verwies, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2007).
Im Klageverfahren brachte der Kläger vor, er sei hinsichtlich der Arbeitszeit und seiner Arbeitsgestaltung frei und selbständig. Ihm obliege die Leitung und Überwachung des Betriebes. Seine Meinungen als Branchenkenner seien bei der Willensbildung innerhalb der Beigeladenen zu 3) ausschlaggebend. Er sei der Entscheider, der sich den gegebenen Erfordernissen folgend verschiedentlich berate, der aber alle Vorlagen erarbeite, alle Analysen selbständig und eigenverantwortlich vornehme und eventuell zur Entscheidung vorlege, dessen diesbezügliche Arbeitsergebnisse aber regelmäßig und ausnahmslos anerkannt und beschlossen worden seien. Er führe daher die Geschäfte nach eigenem Gutdünken wie ein Alleineigentümer. Aufgrund seiner Branchenkenntnisse sei er als einziger Gesellschafter in der Lage, das Unternehmen in seiner Gesamtheit zu führen. Der weitere Gesellschafter, der über einen Fachhochschulabschluss als Dipl.-Agraringenieur verfüge, sei auf Pflanzenbau spezialisiert. Die Beigeladene zu 3) verfüge über mehrere Betriebszweige und habe einen Jahresumsatz von ca. 2 Millionen Euro. Sein Urlaub sei nicht genehmigungspflichtig. Der Beirat sei im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen, sondern von seinem Vorgänger im Amt berufen worden. Er trete unregelmäßig und sporadisch zusammen, was aber seit Juli 2006 nicht mehr geschehen sei. Soweit er nach dem Geschäftsführervertrag Geschäfte mit einem Wert von über 40.000,- Euro genehmigen lassen müsse, sehe die Praxis völlig anders aus. Er habe, nachdem er die entsprechende Rückversicherung erhalten habe, entschieden, in eine Milchviehanlage im Wert von ca. 450.000,- Euro zu investieren. Auch im Jahre 2010 habe er Grund und Boden für einen ebenso hohen Betrag gekauft; er brauche hierfür nicht zu fragen, dies werde einfach gemacht, dies könne er einfach so verantworten.
Nachdem das Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2010 zwei Mitarbeiter der Beigeladenen zu 3), die Zeugen F und F. S, vernommen hatte, hob es mit Urteil vom selben Tag die Bescheide der Beklagten auf und stellte fest, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 3) nicht zur Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung führe. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es für die Frage, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliege, vorrangig auf die tatsächliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses ankomme; die vertraglich vereinbarte Rechtslage sei demgegenüber nachrangig, wenn auch Ausgangspunkt der Beurteilung und unter dem Aspekt der Privatautonomie zu berücksichtigen. Habe ein Gesellschafter-Geschäftsfüher einer GmbH eine Kapitalbeteiligung von unter 50 % inne, führe das nicht automatisch zur prinzipiellen Annahme einer Weisungsgebundenheit. Vielmehr sei im Einzelfall zu prüfen, ob der Geschäftsführer einen so maßgebenden Einfluss auf die Entscheidung der Gesellschaft habe, dass er jeden Beschluss, insbesondere jeden ihm nicht genehme Weisung der Gesellschafter, verhindern könne. Hieran gemessen stehe der Kläger nicht in einem selbständigen Beschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen zu 3). Hierfür spreche die Befreiung von Selbstkontrahierungsverbot und seine Stellung als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer sowie die ihm eingeräumten Rechte eines Arbeitgebers im Sinne des Arbeits- und Sozialrechts. Allein nach dem Geschäftsführervertrag, der sowohl arbeitnehmer- als auch arbeitgeberübliche Inhalte trage, sei eine Beurteilung nicht abschließend vorzunehmen. Nach den Einlassungen des Klägers, die das Sozialgericht für glaubwürdig und nachvollziehbar erachtete, weil sie sich in Übereinstimmung mit den Zeugenaussagen befänden, sei die Kammer jedoch davon überzeugt, dass der Kläger das Unternehmen der Beigeladenen zu 3) selbständig führe. Er sei Kopf und Seele des Unternehmens und keinerlei Weisungen der Gesellschafterversammlung hinsichtlich der Art und Ausführung seiner Tätigkeit unterworfen. Er habe auch als einziger eine Bürgschaft der Beigeladenen zu 3) übernommen und verfüge als einziger über die Branchenkenntnisse zur Leitung des gesamten Unternehmens. Die vertragliche Gestaltung müsse wegen der tatsächlich gelebten Gestaltung zurücktreten.
Gegen dieses ihr am 13. Dezember 2010 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 7. Januar 2011, zu deren Begründung sie vorträgt: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts gehe eine der ursprünglich getroffenen Vereinbarung entgegen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung nur dann vor, wenn eine – formlose – Abwicklung rechtlich möglich sei. Umgekehrt sei die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich, solange die Rechtsposition nicht wirksam abgedungen sei. Die im Anstellungsvertrag vom 26. Mai 2006 getroffenen Regelungen deuteten auf eine Weisungsgebundenheit hin und zeigten deutlich, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis habe begründet werden sollen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 23. November 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, dass er die Bankbürgschaft von seinem Vorgänger habe übernehmen müssen, weil anderenfalls die Bank dessen Bürgschaft nicht freigegeben habe. Seit Januar 2012 erhalte er eine monatliche Vergütung von 3.400,- EUR, ohne dass insoweit eine (schriftliche) Änderungsvereinbarung vorgenommen worden sei. Er hat ferner auf Anforderung des Gerichts Unterlagen vorgelegt, wonach die ihm ausgezahlten jährlichen Tantiemen seit Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit zwischen 2.497,- und 13.788,- Euro betrugen.
Mit Bescheid vom 21. Juni 2011 änderte die Beklagte den Bescheid vom 25. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2007 dahin, dass für den Kläger in der seit dem 1. Juli 2006 ausgeübten Beschäftigung als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 3) Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte nur durch den Berichterstatter entscheiden, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis mit diesem Vorgehen erklärt haben (§ 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben, denn die Beklagte hat in den streitgegenständlichen Bescheiden zu Recht die Versicherungspflicht des Klägers zu allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung aufgrund seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 3) seit dem 1. Juli 2006 festgestellt.
I. Gegenstand des Rechtsstreits ist auch der Bescheid der Beklagten vom 21. Juni 2011. Dieser hat die bis dahin angefochtenen o.g. Bescheide, die sich auf die (unzulässige) Feststellung einzelner Elemente der Versicherungspflicht beschränkten, in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zur Versicherungspflicht "ergänzt". Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element zu einer vollständigen Feststellung ergänzt – und erst damit einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht –, so liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten i.S.v. § 96 Abs. 1 i.V.m. § 153 Abs 1 SGG ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2011, Az.: B 12 KR 17/09 R, veröffentlicht in Juris).
II. Der Kläger unterliegt in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3) der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung.
1) Die Versicherungspflicht wird in § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) für die Krankenversicherung, § 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) für die Rentenversicherung und § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) für die soziale Pflegeversicherung geregelt. Im Bereich der Arbeitslosenversicherung bestimmt sich die Versicherungspflicht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III). Diese Vorschriften setzen für die Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (im folgenden: Versicherungspflicht) – in der hier einzig denkbaren Alternative – jeweils eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des § 7 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) voraus. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
2) Ob eine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt sind daher – anders als vom Sozialgericht zugrunde gelegt – zunächst die vertraglichen Vereinbarungen der Beteiligten, so wie sie sich aus den von ihnen getroffenen Abreden ergeben oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lassen. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006, Az.: B 12 KR 30/04 R, veröffentlicht in Juris, sowie jüngst die Urteile vom 29. August 2012, Az.: B 12 KR 25/10 R und B 12 R 14/10 R, Terminbericht Nr. 46/12).
III. Hieran gemessen ist der Kläger bei der Beigeladenen zu 3) abhängig beschäftigt.
1. Der Anstellungsvertrag vom 26. Mai 2006 sieht – abweichend von dem zunächst eingereichten nicht unterschriebenen Vertrag gleichen Datums – in seinem § 1 Abs. 2 keine ausdrückliche Weisungsunterworfenheit des Klägers (mehr) vor. Dies lässt indes nicht den Schluss zu, eine Weisungsgebundenheit bestehe rechtlich nicht. Diese ergibt sich vielmehr bereits aus dem GmbH-Gesetz (GmbHG), insbesondere mittelbar aus den die (Ab-)Bestellung des Geschäftsführers, seine Maßregelung und seine ggf. beschränkte Vertretungsbefugnis regelnden Bestimmungen in § 6 Abs. 3, § 37 Abs. 1, § 38 Abs. 1 und § 46 Nr. 5 und 6 GmbHG (Roth/Alt¬mep¬pen, GmbHG, 7.A., § 37 Rd. 3). Der Geschäftsführer einer GmbH hat gerade nicht, wie der Vorstand einer Aktiengesellschaft (§ 70 Aktiengesetz), die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten, sondern ist den im Rahmen von Gesetz, Satzung und guten Sitten bleibenden Weisungen der Gesellschafter unterworfen (Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 14. Dezember 1959, Az.: II ZR 187/57, veröffentlicht in Juris). Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits ist weder zu entscheiden, inwieweit die Weisungsabhängigkeit eines GmbH-Geschäfts¬füh¬rers durch Übertragung aller Geschäftsführungsangelegenheiten zu Lasten der Gesellschafter reduziert werden darf (vgl. hierzu Roth/Altmeppen, a.a.O., § 45 Rd. 10; Kuhn, in: Wisskirchen/Beck’scher Online-Kommentar GmbHG, Stand: 1. Juni 2012, § 37 Rd. 37f, m.w.N.), noch, ob für eine über das gesetzliche Leitbild hinaus gehende Einschränkung der Weisungsbefugnis eine Regelung im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers ausreicht oder nicht eine Satzungsregelung erforderlich ist. Denn so weit reichende Befugnisse wurden dem Kläger nicht eingeräumt. Diese wurden stattdessen – über die schon durch § 46 GmbHG gezogenen und durch den Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen zu 3) nicht berührten Begrenzungen hinaus – durch die in § 2 des Anstellungsvertrages genannten zustimmungspflichtigen Geschäfte weiter beschnitten. Die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Klägers als Geschäftsführer – und somit seine Weisungsabhängigkeit – wurden vielmehr noch über das gesetzlich geformte Leitbild der Geschäftsführerbefugnisse hinaus eingeengt.
Da der Gesellschaftsanteil des Klägers nur 5 % beträgt und bei Gesellschafterbeschlüssen die Mehrheit der anwesenden Stimmen erforderliche ist, ist er typischerweise auch nicht in der Lage, Weisungen beinhaltende Gesellschafterbeschlüsse an sich zu verhindern oder durch Gesellschafterbeschluss seinen Anstellungsvertrag zu seinen Gunsten zu ändern.
2. Ohne rechtlichen Belang ist daher, dass nach der Darstellung des Klägers die alltägliche Praxis, z.B. was die Beachtung von Genehmigungserfordernissen betrifft, teilweise anders aussah als im Anstellungsvertrag vorgesehen. Diese Praxis war rechtlich nicht zulässig, da nach § 14 des Vertrages Änderungen sowohl der Schriftform als auch der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurften, schriftliche Änderungsvereinbarungen aber nicht vorliegen.
Damit kommt es im vorliegenden Fall auch nicht darauf an, ob der Kläger das Unternehmen nach eigenem Gutdünken wie ein Alleineigentümer geführt, sich in eine im wesentlichen von ihm selbst vorgegebene Arbeitsorganisation eingefügt oder als einzige Mitarbeiter der Beigeladenen zu 3) über die erforderlichen Branchenkenntnisse zur Führung des Betriebes verfügt hat. Diese tatsächlichen Umstände ändern an der rechtlich begründeten Weisungsmöglichkeit der Gesellschaftsversammlung und der daraus resultierenden Weisungsabhängigkeit des Klägers nichts.
3. Unverkennbar enthält der Anstellungsvertrag des Klägers auch Elemente, die dem klassischen Bild einer abhängigen Beschäftigung (z.B. bei einer Fließbandarbeiterin oder einem Büroangestellten) nicht entsprechen.
a. Hierzu zählt etwa die dem Kläger eingeräumte Freiheit hinsichtlich Zeit und Ort seiner Tätigkeit. Insoweit mag allerdings schon fraglich sein, ob auf die rechtliche Möglichkeit, seinen Tätigkeitsort frei zu wählen, abgestellt werden darf, wenn die Tätigkeit aufgrund der Natur der Sache (z.B. die vom Kläger erwähnten Kontrollgänge im Stall und auf der Weide oder Mitarbeiterbesprechungen) in wesentlichen Bereichen an den Sitz des Unternehmens bzw. dessen Betriebsgrundstücke gebunden ist, zumal Kläger und Beigeladene zu 3) im o.g. Fragebogen vom 31. März 2006 übereinstimmend ein Weisungsrecht der Gesellschaft bezüglich Ort und Zeit bejahten. Unabhängig hiervon kann die Weisungsgebundenheit bei leitenden Tätigkeiten – wie im Falle des Klägers – z.B. hinsichtlich Zeit und Ort der Arbeit eingeschränkt und zugunsten einer "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (BSG, Urteil vom 25. April 2012, Az.: B 12 KR 24/10 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.), ohne dass dies eine abhängige Beschäftigung ausschlösse.
b. Untypisch für eine abhängige Beschäftigung ist ferner, dass dem Kläger einerseits durch die vertragliche Tantiemenregelung zusätzliche, maßgeblich auf sein Engagement für die Beigeladene zu 3) beruhende Gewinnchancen eingeräumt wurden, sondern durch die Übernahme der o.g. Bürgschaft auch die Gefahr besteht, dass eine negative Geschäftsentwicklung bei der Beigeladenen zu 3) unmittelbar auf sein Privatvermögen durchschlägt. Allerdings haben die bislang realisierten Gewinnchancen – mit einer Ausnahme – nicht einmal ein Drittel des dem Kläger zustehenden Jahresgehalts nach § 5 Ziffer 1 des Anstellungsvertrags und somit wirtschaftlich nur eine untergeordnete Bedeutung erreicht. Da das Verlustrisiko mit 30.000.- EUR ebenfalls das Jahresgehalt von 36.000.- EUR nicht übersteigt, kommt diesen eher unternehmertypischen Umständen keine wesentliche Bedeutung zu, zumal die bestehende Weisungsabhängigkeit des Klägers hierdurch in keiner Weise tangiert wird.
c. Auch der (indirekte) Ausschluss der ordentlichen Kündigung (§ 11 des Anstellungsvertrages), die Entgeltfortzahlung für 6 Monate im Krankheitsfall und für 3 Monate im Todesfall weichen vom gesetzlichen Leitbild eines der abhängigen Beschäftigung in der Regel gleichstehenden Arbeitsverhältnisses ab. Diesen Aspekten kommt jedoch nur eine äußerst nachrangige Bedeutung zu, da sie über die im Interesse des abhängig Beschäftigten/Arbeitnehmers begründeten Ansprüche hinausgehen und von dessen Gegenbild, dem selbständig Tätigen, fundamental abweichen.
d. Dass der Kläger vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit ist, erweitert seine weisungsfreien Handlungsmöglichkeiten nur geringfügig und fällt aufgrund dessen nicht entscheidend ins Gewicht.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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