L 5 AS 879/12 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 21 AS 3047/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 879/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2. wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Oktober 2012 abgeändert.

Die Antragsgegnerin zu 2. wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig - Zug um Zug gegen die schriftliche Zustimmung zur Eintragung einer Grundschuld in das Grundstück A. W.,.M. sowie die schriftliche Abtretung der aus dem Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung B. vom 21. November 2012 an den Antragsteller auszuzahlenden Nachzahlungsbeträge - vorläufig Leistungen für rückständige Energiekosten in Höhe von 6.401,10 EUR als Darlehen zu bewilligen und an die S GmbH M. auszuzahlen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin zu 2. hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin zu 2. und Beschwerdeführerin wendet sich in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die durch das Sozialgericht Magdeburg ausgesprochene Verpflichtung, dem Antragsteller und Beschwerdegegner vorläufig ein Darlehen in Höhe von 6.401,10 EUR gemäß § 22 Abs. 8 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu bewilligen und an den Stromversorger auszuzahlen.

Der am ... 1965 geborene Antragsteller ist wegen Gehörlosigkeit als schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 100 sowie den Merkzeichen G und RF anerkannt. Er bezieht vom Antragsgegner zu 1. seit dem Jahr 2006 Leistungen nach dem SGB II.

Er hatte im April 2006 ein im Jahr 1888 erbautes Gebäude für 9.500 EUR ersteigert, welches er seit dem 18. Mai 2006 bewohnt. Die Wohnfläche beträgt 110 m², nutzbar sind nach seinen Angaben 65 m². Das Grundstück ist unbelastet. Ein Hausbesuch vom 6. Dezember 2010 beschreibt eine stark eingeschränkte Nutzbarkeit des Hauses und massiven Sanierungsbedarf. Die Beheizung des Hauses erfolgt ausschließlich mit elektrisch betriebenen Plattenheizkörpern und Heizlüftern. Der Antragsteller hat einen Stromversorgungsvertrag mit der S. M. GmbH (im Folgenden: S. ) und bezieht teilweise Nacht- (NT) und teilweise Allgemeinstrom (HT). Eine gesonderte Erfassung des Haushaltsstroms erfolgt nicht.

Der Antragsgegner zu 1. bewilligte als Kosten der Heizung ab Beginn des Leistungsbezugs nur die Heizkosten, die er nach seiner Richtlinie für angemessen ansah. Die von der S. erhobenen Abschläge überstiegen den vom Antragsgegner zu 1. vorgesehenen Betrag für die Heizkosten. Alle Jahresabrechnungen der S. zwischen dem 19. Juli 2007 und dem 11. April 2011 basierten auf Schätzungen des Stromverbrauchs. Diese Jahresabrechnungen wurden von dem Antragsteller jeweils nicht gerügt. Die nach der Schätzung erhobenen künftigen Abschläge teilte er dem Antragsgegner zu 1. mit. Dieser legte die Abschläge seiner Leistungsberechnung zugrunde und schätzte den abzuziehenden Anteil der Abschlagszahlungen, die auf den Haushaltsstrom entfallen. Bis Ende 2010 nahm er einen Abzug für die Warmwasserbereitung vor. Aktenkundig hatte der Antragsteller mehrfach angegeben, dass die bewilligen Heizkosten nicht ausreichten und der von der S. geschätzte Stromverbrauch deutlich unter den tatsächlichen Zählerständen liege. Wegen seiner Zahlungsunfähigkeit sei er zur Vermeidung einer Stromversorgungssperre gezwungen, bis zur Übernahme der tatsächlichen Heizkosten der S. die aktuellen Verbrauchswerte vorzuenthalten (so etwa im Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 8. Juli 2008 beim Sozialgericht Magdeburg, Schreiben vom 31. Oktober 2009 an den Antragsgegner zu 1.).

Unter dem 2. August 2012 teilte der Antragsteller der S. die tatsächlichen Stromstände für die Jahre 2008 bis 2012 mit und beantragte eine Aktualisierung seiner Abschlagszahlungen. Die S nahm noch am gleichen Tag eine Nachberechnung für die Zeit vom 3. April bis 31. Juli 2012 vor und erhob einen Nachzahlungsbetrag für Strom und Wasser in Höhe von 7.018,40 EUR. Gleichzeitig erhöhte sie die Abschlagszahlung auf 259 EUR/Monat. Eine Änderung der Nachberechnungsforderung lehnte die S. unter dem 23. August 2012 ab. Die Rechnungen der Jahre 2008 bis 2012 seien vom Antragsteller akzeptiert worden; eine Aufteilung des Verbrauchs auf die verschiedenen Zeitzonen sei nicht vorgeschrieben. Die S. kündigte die Einstellung der Stromversorgung an, falls der ausstehende Betrag nicht beglichen werde. Ein vom Antragsteller angestrengtes Einstweiliges Verfügungsverfahren vor dem Amtsgericht Magdeburg (121 C 2667/12) hat dieser auf Anraten des Amtsgerichts im Termin am 4. Oktober 2012 zurückgenommen. Der Vertreter der S ... hat zu Protokoll gegeben, auf eine Sperrung der Stromanschlüsse nur zu verzichten, wenn die noch offenen Kosten beglichen würden.

Am 31. August 2012 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner zu 1. die Übernahme der Heizkostennachzahlung als Beihilfe, hilfsweise als Darlehen sowie eine Anpassung des laufenden Bewilligungsbescheids.

Am 9. September 2012 hat er beim Sozialgericht Magdeburg einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Er sei aufgrund einer depressiven Erkrankung jahrelang nicht in der Lage gewesen, der S die tatsächlichen Verbrauchswerte mitzuteilen und das Risiko einer Stromunterbrechung einzugehen. Der Antragsgegner zu 1. habe von den zu geringen Schätzwerten gewusst. Auch sei diesem bekannt, dass nur ein Stromzähler existiere. Seine echten Heizkosten lägen deutlich über dem in der Richtlinie festgelegten Betrag. Er sei auf eine Stromversorgung angewiesen, da er anderenfalls das Haus nicht bewohnen könne und die Nutzung von Internet und SMS als Kommunikationsmittel für ihn unerlässlich sei. Ein Wechsel des Stromanbieters sei angesichts der Schulden nicht möglich.

Der Antragsgegner zu 1. hat eingewendet, dass für die Übernahme von Mietschulden nach dem Beschluss der Trägerversammlung gemäß § 44c Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB II vom 10. Januar 2011 die Antragsgegnerin zu 2. zuständig sei. Daraufhin hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 27. September 2012 die Antragsgegnerin zu 2. notwendig beigeladen. Diese hat gerügt, dass sie die Verwaltungsakten des Antragsgegners zu 1. nicht kenne. Ferner hat sie - vorläufig - die Voraussetzungen für eine Schuldübernahme verneint.

Die S. hat mitgeteilt, zur Grundversorgung nicht mehr verpflichtet zu sein und hat eine Versorgungsunterbrechung zum 19. Oktober 2012 angekündigt.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 16. Oktober 2012 den Antragsgegner zu 1. verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 12. September 2012 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 311,33 EUR/Monat zu bewilligen. Dabei hat es als Kosten des Heizstroms einen Betrag von 234 EUR/Monat geschätzt. Ferner hat es die Antragsgegnerin zu 2. verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen für rückständige Energiekosten i.H.v. 6.401,10 EUR als Darlehen zu bewilligen und den Darlehensbetrag an die S. auszuzahlen. Die Entscheidung ergehe im Wege einer Folgenabwägung. Die angekündigte Unterbrechung der Energie- und Wasserzufuhr würde zu einer faktischen Unbewohnbarkeit der Wohnung führen. Zwar sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsteller seit 2008 die Zählerstände nicht mitgeteilt habe. Andererseits habe er mehrfach den Antragsgegner zu 1. auf dieses Problem aufmerksam gemacht. Zu Recht habe dieser die jeweils erhobenen Abschläge zugrunde gelegt. Ob der Antragsteller sich erfolgreich an einen anderen Stromlieferanten zur Aufrechterhaltung der Energielieferung wenden könne, sei offen und aus Zeitgründen nicht abschließend zu klären.

Gegen diesen Beschluss hat - nur - die Antragsgegnerin zu 2. am 16. Oktober 2012 Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, die vorgenommene Folgenabwägung sei mangels richtig ermittelten Sachverhalts unzulässig gewesen. Das Sozialgericht hätte die S. wegen einer möglichen Stundung der Stromrückstände befragen müssen. Eine Prüfung des Einsatzes von Vermögen oder einer Beleihung des Grundstücks sei nicht erfolgt. Möglicherweise sei noch ein Kaminofen zum Heizen vorhanden. Es bestehe die Gefahr künftiger Stromschulden. Es drohe keine Obdachlosigkeit, da in M. ausreichend Wohnraum verfügbar sei. Die Frage der Stromschuldenübernahme sei daher in ihr Ermessen gestellt. Sie habe mangels früherer Beiladung gar keine Entscheidung treffen können. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege nicht vor, da der Antragsteller möglicherweise grob fahrlässig oder vorsätzlich die Stromschulden verursacht habe. Die Heizkosten für das während des Leistungsbezugs erworbene Haus dürften unangemessen hoch sein und eine Schuldübernahme nicht rechtfertigen. Der Antragsteller habe die Möglichkeit, den Stromanbieter zu wechseln. Es bestehe keine Pflicht, andere Stromanbieter zu benennen, welche die Stromversorgung übernehmen würden. Da das Sozialgericht von einem Anspruch auf höhere Heizkosten ausgehe, richte sich der nach Zahlungsanspruch nach § 22 Abs. 1 SGB II und sei an den Antragsgegner zu 1. zu richten. Schließlich hätte das Sozialgericht wenigstens eine dingliche Sicherung der Rückzahlungsforderung anordnen müssen.

Die Antragsgegnerin zu 2. beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Oktober 2012 aufzuheben, soweit sie zur Bewilligung eines Darlehens in Höhe von 6.401,10 EUR und Auszahlung an die S. verpflichtet worden ist.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Er habe schon gegenüber dem Sozialgericht sein Einverständnis mit der Eintragung einer Grundschuld mitgeteilt. Er gehe davon aus, dass die Stromschulden sich in einen Anspruch auf Heizkosten umwandelten. Er habe regelmäßig die Abschläge gezahlt und Nachzahlungen von dem Antragsgegner zu 1. an die S. weitergeleitet. Nachdem dieser den angefochtenen Beschluss umgesetzt und höhere Heizkosten bewilligt habe, zahle er ab November 2012 den höheren Abschlag an die S.

Der Antragsteller hat den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung B. (DRV) vom 21. November 2012 übersandt. Danach ist ihm ab 1. Dezember 2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bewilligt worden. Die laufende Rente von 654,46 EUR/Monat beginnt ab 1. Januar 2013. Von dem noch einbehaltenen Nachzahlungsbetrag i.H.v. 38.673,67 EUR rechne er mit einem ihm verbleibenden Restbetrag von ca. 3.500 EUR. Diesen könne er zur Schuldentilgung einsetzen.

Der Antragsgegner zu 1. hat mit Bescheiden vom 5. und 6. November 2012 den Beschluss des Sozialgerichts ausgeführt und unter Berücksichtigung monatlicher Heizkosten von 234 EUR höhere Leistungen bewilligt. Dabei hat er als Kosten der Unterkunft und Heizung insgesamt 311,33 EUR zugrunde gelegt. Von der Regelleistung würden 20 % für die Tilgung von Krediten für die Neuanschaffung eines Kühlschranks und die Reparatur der Waschmaschine einbehalten. Die Existenz von einzusetzendem Schonvermögen ergebe sich aus den Verwaltungsakten nicht.

Die S. hat am 28. November 2012 telefonisch mitgeteilt, dass der aktuelle Schuldenstand für Abschläge und Rückstände 6.401,10 EUR betrage.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten des Antragsgegners haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2. ist rechtzeitig erhoben und zulässig gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie statthaft i.S.v. § 172 Abs. 3 Ziffer 1 SGG. Der Streitwert liegt hier über 750 EUR.

Sie ist als notwendig Beigeladene auch beschwerdebefugt, da der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg sie materiell beschwert.

2. Die Beschwerde ist jedoch lediglich in geringem Umfang begründet, soweit das Sozialgericht die Antragsgegnerin zu 2. zur vorläufigen darlehensweisen Übernahme der Stromschulden in Höhe von 6.401,10 EUR ohne Absicherung eines möglichen Rückzahlungsanspruchs - für den Fall des Unterliegens des Antragstellers in der Hauptsache - verpflichtet hat. Im Übrigen ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.

Soweit die Antragsgegnerin zu 2. eine unzureichende Sachverhaltsermittlung durch das Sozialgericht rügt, verkennt sie das Wesen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens. Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. § 86b Rn. 16b).

Soweit die Antragsgegnerin zu 1. bemängelt, den Sachverhalt nicht zu kennen, handelt es sich um ein internes Problem des Informationsaustauschs zwischen der Gemeinsamen Einrichtung i.S.v. § 44b SGB II, dem Antragsgegner zu 1. und der Antragsgegnerin zu 2. als kommunalem Leistungsträger, bei einer Auftragsübertragung nach § 44b Abs. 4 SGB II, das in diesem Verhältnis zu lösen ist. Es kann nicht auf dem Rücken der Leistungsbezieher ausgetragen werden. Im Übrigen war der Antragsgegnerin zu 1. der geltend gemachte Anspruch des Antragstellers spätestens seit dem Beiladungsbeschluss bekannt. Sie hätte ausreichend Gelegenheit gehabt, der ihr nach § 20 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) obliegenden Pflicht der Ermittlung von Amts wegen nachzukommen.

Unter Anwendung der vorgenannten Maßstäbe ist die sozialgerichtliche Entscheidung grundsätzlich nicht zu beanstanden.

a. Der Senat hat keine Bedenken hinsichtlich der vom Sozialgericht angenommenen vorläufigen Zuständigkeit der Antragsgegnerin zu 2. für die Übernahme des von der S geforderten Betrags.

Die Antragsgegnerin zu 2. nimmt gemäß dem Beschluss der Trägerversammlung nach § 44c Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB II vom 10. Januar 2011 unter anderem die Aufgaben der Schuldenübernahme gemäß § 22 Abs. 8 SGB II wahr. Diese Vorgehensweise einer Ausgliederung und Übertragung einzelner Teilaufgaben in die Zuständigkeit eines der Träger der gemeinsamen Einrichtung ist in § 44b Abs. 4 SGB II ausdrücklich vorgesehen.

Ob es sich bei dem Nachforderungsbetrag um Stromschulden gemäß § 22 Abs. 8 SGB II handelt, oder aber um Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II, welche vom Antragsgegner zu 1. bislang nicht in hinreichender Höhe erbracht worden sind, lässt sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend klären. Es war jedoch sachgerecht, die Antragsgegnerin zu 2. nach § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen und zur vorläufigen Kostenübernahme zu verpflichten. Denn es liegt auf der Hand, dass es sich nicht um laufende Unterkunftskosten für den Monat August 2012, dem Monat der Zwischenrechnung, handelt. Vielmehr hat die S. aufgrund der Zählerstandsnachberechnung Forderungen für die Vergangenheit geltend gemacht. Daher war - bei der hier gebotenen summarischen Prüfung - die Zuständigkeit der Antragsgegnerin zu 2. anzunehmen.

Ob sich es sich dabei um den in der Zwischenrechnung ausgewiesenen Zeitraum vom 3. April bis zum 31. Juli 2012 handelt, ist zu bezweifeln. Denn erkennbar geht es um eine Nachberechnung für die Jahre seit 2008. Die Sichtweise der S. hat Auswirkungen auf die Forderungshöhe, da die Nachberechnung auf der Grundlage der aktuellen Strompreise erfolgt ist. Daher werden der Antragsgegner zu 1. und/oder die Antragsgegnerin zu 2. im Hauptsacheverfahren zu prüfen haben, ob und wie der Antragsteller zivilrechtlich gegen diese möglicherweise überhöhte Stromnachforderung vorgehen kann und mit welchen Hilfestellungen sie ihn in die Lage versetzen können, die notwendigen Schritte zu unternehmen (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 8/09 R (23) bei einer zivilrechtlich unwirksamen Staffelmiete). Eine Reduzierung der Nachforderung liegt im Interesse des kommunalen Leistungsträgers.

b. Der Anordnungsanspruch für die vorläufige Verpflichtung zur Übernahme der Stromschulden im Wege eines Darlehens ergibt sich aus § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II. Danach sollen Schulden der Unterkunft und Heizung übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

a.a. Nach den glaubhaft gemachten Angaben des Antragstellers ist die Schuldenübernahme gerechtfertigt.

Er hat ständig auf die unzureichenden Heizkosten entsprechend der von dem Antragsgegner zu 1. angewendeten Richtlinie in seinem Einzelfall hingewiesen. Ferner hat er diesen von dem Abweichen der Verbrauchswerte nach Schätzung von den tatsächlichen Zählerständen mehrfach ausdrücklich in Kenntnis gesetzt. Diesem musste bewusst sein, dass im Fall einer Abrechnung nach tatsächlichem Verbrauch eine Nachforderung drohte.

Es ist auch nicht offensichtlich, dass die Höhe der Heizkostennachforderung auf unwirtschaftliches Verbrauchsverhalten des Antragstellers zurückzuführen wäre. Vielmehr ergibt sich aus seiner Schilderung, die sich mit den Ergebnissen des Hausbesuchs vom 30. Dezember 2010 deckt, dass er jahrelang in einem im Winter ausgekühlten Gebäude mit unzureichender Heizungsausstattung gelebt hat. Soweit ersichtlich, hat der Antragsgegner zu 1. in der Vergangenheit auch nicht auf Maßnahmen zur Reduzierung der Heizkosten oder einen Wohnungswechsel wegen überhöhter Heizkosten hingewirkt.

Für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann dahinstehen, ob die in der Richtlinie des Antragsgegners zu 1. enthaltenen Höchstwerte der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts genügen. Gleichfalls kann offen bleiben, ob die vom Antragsteller geschätzten Verbrauchswerte sich im Rahmen des Bundesdeutschen Heizspiegels bewegen. Denn selbst bei einem Überschreiten dieser Höchstwerte ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, ob die Heizkosten nicht auf unwirtschaftliches Verbrauchsverhalten zurückzuführen und damit doch als Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen sind (BSG, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 70/08 R (19)). Angesichts des baulichen Zustands des Hauses hält es der Senat für plausibel, dass die hohen Heizkosten nicht auf unwirtschaftliches Verbrauchsverhalten zurückzuführen sind.

Soweit eine Differenzierung zwischen Haushaltsstrom und Heizstrom nicht möglich ist, ist dies ebenfalls nicht auf ein Verschulden des Antragstellers zurückzuführen. Dem Antragsgegner zu 1. war seit dem Einzug bekannt, dass nur ein Stromzähler existiert. Zur exakten Ermittlung der Verbrauchswerte der Stromheizungen hätte es ihm oblegen, auf die Anschaffung eines zweiten Zählers hinzuwirken.

Nach seinen Angaben hat der Antragsteller auch die ihm bewilligten Pauschalen für die Heizkosten sowie sonstige Nachzahlbeträge jeweils vollständig an die S überwiesen.

Die Bedenken der Antragsgegnerin zu 2. hinsichtlich der künftigen Anhäufung von Stromschulden sind derzeit unbegründet. Der Antragsteller hat nach Erhalt der Änderungsbescheide des Antragsgegners zu 1. vom 5. und 6. November 2012 den Dauerauftrag an die S. geändert. Nach deren telefonischer Mitteilung vom 28. November 2012 beträgt der Schuldenstand weiterhin 6.401,10 EUR und hat sich nicht erhöht. Im Übrigen wird der Antragsteller wegen der ab 1. Januar 2013 bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer künftig nicht mehr Leistungsbezug nach dem SGB II stehen.

b.b. Die Schuldenübernahme ist auch notwendig zur Sicherung der Unterkunft.

Der Einwand der Antragsgegnerin zu 2., der Antragsteller hätte mit der S. eine Tilgungsvereinbarung aushandeln können, geht fehl. Denn ausweislich des vorliegenden Sitzungsprotokolls des Amtsgerichts Magdeburg vom 4. Oktober 2012 will die S. nur auf eine Sperrung des Stromanschluss verzichten, wenn die noch offenen Kosten vollständig übernommen werden.

Ein Verweis auf leerstehenden Wohnraum in M kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zum einen sieht § 22 Abs. 8 SGB II die Schuldenübernahme "zur Sicherung der Unterkunft" vor. Der Gesetzgeber geht also nicht vom Regelfall des Verlassenmüssens der bisher bewohnten Wohnung anstelle einer Schuldenübernahme aus. Zum anderen reicht ein Verweis auf einen entspannten Wohnungsmarkt nicht aus. Eine Ersatzwohnung müsste gegebenenfalls konkret angeboten bzw. vermittelt werden (BSG, Urteil vom 17. Juni 2010, B 14 AS 48/09 R (30)).

c.c. Die Unterbrechung der Stromversorgung würde für den Antragsteller die faktische Unbewohnbarkeit der Wohnung bedeuten. Dies gilt hinsichtlich der fehlenden Heizbarkeit in den Wintermonaten. Zudem ist vorläufig zu berücksichtigen, dass der Antragsteller aufgrund seiner Behinderung in besonderem Maß auf eine Stromversorgung zur Kommunikation angewiesen ist.

Da nach der hier gebotenen summarischen Prüfung ein Fall des § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II vorliegt, gehen die Ausführungen der Antragsgegnerin zu 2. hinsichtlich eines Anspruchs des Antragstellers auf lediglich ermessensfehlerfreie Entscheidung fehl. Im Übrigen käme auch dem Umstand, dass diese bislang keine Entscheidung getroffen hat, keine Bedeutung zu. Sie hat durch ihre bisherigen Stellungnahmen deutlich zum Ausdruck gebracht, eine darlehensweise Kostenübernahme abzulehnen.

d.d. Der Senat hat keinen Hinweis darauf, dass der Antragsteller über Vermögen verfügt, welches er zur Schuldentilgung einsetzen könnte. Die diesbezüglichen Behauptungen der Antragsgegnerin zu 2. entbehren eines konkreten Anhaltspunkts. Das Girokonto bei der P.bank wies zum 16. November 2012 ein Guthaben von 167,27 EUR aus. Nach Angaben des Antragstellers musste er am darauf folgenden Wochenende 90 EUR für den Lebensunterhalt abheben. Das.sparbuch weist ein Guthaben von 1,00 EUR aus. Auf dem Bausparkonto bei der B war zum 31. Dezember 2011 ein Guthaben von 75,56 EUR vorhanden.

Auch der Antragsgegner zu 1. hat keinerlei Hinweise auf zumutbar einzusetzendes Vermögen in den Verwaltungsakten gefunden.

c. Das Sozialgericht hat auch zu Recht das Vorliegen eines Anordnungsgrunds angenommen.

Die S. hat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass ohne die Schuldentilgung die Stromversorgung eingestellt wird. Ein vom Antragsteller angestrengtes einstweiliges Verfügungsverfahren vor dem Amtsgericht Magdeburg hat er wegen fehlender Erfolgsaussicht zurücknehmen müssen.

Auch der Umstand, dass ab 1. Januar 2013 die laufende Rentenzahlung erfolgen wird, führt nicht zum Wegfall des Anordnungsgrunds. Die S. hat die Stromsperre letztmals zum 22. November 2012 angekündigt. Der mutmaßliche Nachzahlungsbetrag der DRV wird erst nach Prüfung aller Ansprüche anderer Sozialleistungsträger zur Verfügung stehen.

Nach den glaubhaften Angaben des Antragstellers ist auch angesichts der aufgelaufenen Schulden kein anderer Stromanbieter bereit, die Stromversorgung übernehmen. Soweit die Antragsgegnerin zu 2. dies bezweifelt, hätte es ihr - im Rahmen der während des laufenden Rechtsstreits nicht aufgehobenen Amtsermittlungspflicht - oblegen, mindestens einen zur Stromversorgung bereiten Anbieter zu benennen. Die bloße Behauptung, dass ein anderer versorgungsbereiter Anbieter zur Verfügung stehen könne, reicht nicht aus, um die Glaubhaftmachung zu erschüttern.

d. Zur Absicherung des Darlehens hält es der Senat für angemessen, dem Antragsteller eine Zustimmung zur Eintragung einer Grundschuld zugunsten der Antragsgegnerin zu 2. abzufordern sowie eine Abtretung des noch an ihn auszubezahlenden Restnachzahlungsbetrags von der Deutschen Rentenversicherung B. schriftlich zu erklären. Dies entspricht auch dem Willen des Antragstellers.

Die Anordnung einer sofortigen Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 42a Abs. 2 SGB II hält der Senat nicht für erforderlich. Denn diese Beträge beträfen lediglich den Monat Dezember 2012. Ab Januar 2013 wird der Antragsteller nicht mehr im Leistungsbezug stehen.

3. Die Kostenentscheidung oder § 193 SGG.

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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