L 5 KR 588/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 815/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 588/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 04.10.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Behandlungs-, Fahr- und Unterbringungskosten.

Der am 00.00.1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Er litt in der Vergangenheit u.a. unter einer Neigung zu Entzündungen im Mund-/ Kieferbereich, Zittern und Muskelkrämpfen, Gelenkschmerzen, Kribbeln, Haarausfall im Bereich des vorderen Haupthaars, Augenflimmern, Kopfschmerzen, Nachtschweiß, Energielosigkeit, Depression, Unruhe, Hyperaktivität, Licht- und Lärmempfindlichkeit sowie Schlaflosigkeit.

Am 09.03.2009 begab er sich in die privatärztliche Behandlung des zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnarztes Dr. M. Dort wurde (bereits) am 09.03.2009 eine Sequestrotomie - eine Entfernung tiefliegender Fremdkörper - im Bereich sämtlicher vier Kieferquadranten begonnen, nachdem Dr. M im Rahmen einer Cavitat-Ultraschalluntersuchung zu dem Ergebnis gelangt war, dass sich im Kiefer chronische Entzündungen befänden und im Bereich des linken Unterkiefers (regio 36 bis 39) ein ca. 3 cm3 großer "Amalgamklumpen" eingeschlossen sei. Weitere Sequestrotomien und Osteotomien folgten am 06.04.2009, 05.05.2009, 15.06.2009, 15.07.2009, 16.08.2009, 15.09.2009, 26.10.2009, 04.01.2010 und am 08.02.2010. Daneben unterzog sich der Kläger bei Dr. M einer hämatogenen Oxydationstherapie, einer Relux-LED-Lichttherapie, niederfrequenter Reizstromtherapie sowie einer Ultraschall-Therapie. Insgesamt berechnete Dr. M dem Kläger für ärztliche und zahnärztliche Leistungen (einschließlich Kosten für Eigen- und Fremdlabor) einen Betrag i.H.v. 18.595,62 Euro nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und Zahnärzte (GOZ). Darüber hinaus sind bei dem Kläger Kosten für Arzneimittel von 719,00 Euro sowie Beförderungs- und Unterbringungskosten i.H.v. 3.096,50 Euro, insgesamt 22.411,51 Euro angefallen.

Am 15.06.2009 (Schreiben vom 12.06.2009), beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenerstattung/-übernahme für die bei Dr. M durchgeführte Behandlung sowie für weitere entstandene und noch entstehenden Kosten. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass er seit 2004 ernste gesundheitliche Probleme mit häufiger Arbeitsunfähigkeit gehabt habe. Keiner der konsultierten Ärzte habe eine Ursache dafür feststellen können, bis Dr. M im Frühjahr 2009 eine chronische Kieferostitis festgestellt und diese operativ behandelt habe. Er fügte dem Antrag einen Befund-/Diagnose- und Therapieplan von Dr. M vom 09.03.2009, Operationsberichte vom 09.03.2009, 06.04.2009 und 05.05.2009 sowie Rechnungen vom 26.05.2009, 12.05.2009, 11.05.2009, 28.04,2009, 27.04.2009, 20.03.2009, 17.03.2009 und 16.03.2009 über insgesamt 8.809,22 Euro bei.

Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung und -übernahme ab und teilte mit, dass es sich nicht um zur vertragszahnärztlichen Behandlung gehörende Maßnahmen handele (Bescheid vom 24.06.2009).

Im Widerspruchsverfahren schaltete die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser vertrat in einer nach Aktenlage unter Verwertung weiterer allgemein- und zahnärztlicher Befunde verfassten Stellungnahme vom 30.12.2009 die Auffassung, dass die von Dr. M durchgeführte Behandlung nicht indiziert und notwendig gewesen sei. Therapiebedürftige Entzündungen und Vergiftungen hätten sich im zeitlichen Zusammenhang zu den Eingriffen weder röntgenologisch noch allgemeinmedizinisch dargestellt. Die Behauptung eines Zusammenhangs zwischen den von Dr. M durch ungeeignete diagnostische Technik erhobenen Befunden und den Beschwerden des Klägers entbehre jeder Grundlage. Abgesehen davon kämen zur Behandlung nachgewiesener Entzündungen oder von Amalgampartikeln im Kiefer vertragszahnärztliche Methoden in Betracht.

Den Widerspruch wies die Beklagte zurück und nahm im Wesentlichen Bezug auf die Ausführungen des MDK. Sie wies ferner drauf hin, dass das Auffüllen von Kieferknochendefekten mit alloplastischen Materialien keine von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu erbringende Leistung sei. Auch die Kostenübernahme für funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen sei nach § 28 Abs. 2 Satz 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ausgeschlossen. Zudem habe der Kläger den Beschaffungsweg nicht eingehalten, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Kostenerstattung ausgeschlossen sei (Widerspruchsbescheid vom 16.06.2010).

Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen: Er leide - vermutlich in Folge einer lang zurückliegenden Zahnextraktion - seit Jahren unter einer Amalgamvergiftung. Diese habe aber erst Dr. M im Jahr 2009 diagnostiziert. Vor allem in den letzten zwei bis drei Jahren habe sich sein gesundheitlicher Zustand erheblich verschlimmert. Die operative Entfernung der Amalgamreste aus dem Kiefer - allein in Regio 37 sei der Amalgamkörper ca. 3 cm³ groß gewesen - sei notwendig und unaufschiebbar gewesen. Er habe sich in einer Lage befunden, die die Notwendigkeit des sofortigen, keinen Aufschub duldenden medizinischen Eingriffs mit sich gebracht habe. Wenngleich die Behandlung in mehreren Abschnitten durchgeführt worden sei, sei eine vorherige Kontaktaufnahme mit der Beklagten nicht möglich gewesen. Dies habe auch Dr. M bestätigt, der bei weiterer Therapieverzögerung eine Gefahr für Leib und Leben angenommen habe. Jedenfalls habe angesichts des der Beklagten bekannten langjährigen Krankheitsverlaufs eine erhöhte Beratungspflicht der Beklagten bestanden. Dieser habe die Beklagte jedoch nicht entsprochen.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.06.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16.06.2010 zu verurteilen, an ihn 22.411,51 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug genommen und entgegnet: Ein Anspruch aus § 13 Abs. 3 SGB V scheide bereits deshalb aus, weil es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt habe. Auch bestehe kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch.

Der Kläger hat Arzt- und Krankenhausberichte vorgelegt.

Dr. M hat in einem Bericht vom 21.09.2010 mitgeteilt: Der Kläger habe sich bei seiner Erstvorstellung in einer derartig schlechten Allgemeinsituation befunden, dass zahnärztlicherseits davon habe ausgegangen werden müssen, dass bei weiterer Therapieverzögerung aufgrund der Quecksilberintoxikation Gefahr für Leib und Leben des Klägers (z.B. drohende Suizidgefahr) bestanden hätte. Es habe sich um eine chirurgische Notfallmaßnahme gehandelt.

Durch Gerichtsbescheid vom 04.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und u.a. ausgeführt: Ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 1 SGB V bestehe nicht. Denn es seien keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für eine Unaufschiebbarkeit der selbst beschafften Leistung erkennbar, weil der Kläger vor Beginn der Behandlung den Termin bei Dr. M habe vereinbaren und nach N anreisen müssen. Auch für die weiteren Behandlungen sei er jeweils erneut nach N angereist. Es sei ihm somit durchaus möglich gewesen, zuvor bei der Beklagten einen Antrag auf Sachleistung oder Kostenübernahme zu stellen. Bei der von Dr. M angegebenen, ggf. bestehenden Suizidgefahr wäre eine sofortige psychologische, nicht aber sofortige zahnärztliche Behandlung indiziert gewesen. Auch ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V komme nicht in Betracht, weil es an einem Kausalzusammenhang zwischen einer zu Unrecht abgelehnten Leistung und dadurch entstandenen Kosten fehle. Der Kläger habe die Behandlungen durchführen lassen, ohne sich mit der Beklagten hinsichtlich einer Kostenübernahme in Verbindung zu setzen. Er habe sich zur Durchführung der Therapie entschlossen, ohne eine Entscheidung der Beklagten abzuwarten bzw. überhaupt in die Wege zu leiten. Seine Entscheidung habe der Kläger somit unabhängig von einer Entscheidung der Beklagten getroffen. Da es sich um eine einheitliche Behandlung (komplette Sanierung) gehandelt habe, habe auch für die nach Erlass des ablehnenden Bescheides noch stattgehabten Behandlungen kein neuer Entschluss des Klägers zur Durchführung vorgelegen. Die Entscheidung der Beklagten sei folglich nicht geeignet gewesen, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. Zudem habe die Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt. Ein Sachleistungsanspruch auf die durchgeführte Cavitat-Sonographie habe ebenso wenig bestanden wie auf die weiteren privatärztlichen Behandlungen durch Dr. M, zumal die Behandlung von entzündlichen Kieferostitiden ggf. Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung sei. Darüber hinaus bestünden Zweifel, ob der Kläger einer rechtswirksamen Vergütungsforderung ausgesetzt sei. Die Erstattung der Kosten für die Arzneimittel und sonstigen, selbstbeschafften Mittel scheitere bereits daran, dass eine vertragsärztliche Verordnung nicht vorliege. Fahr- und Unterkunftskosten könne der Kläger ebenfalls nicht beanspruchen.

Gegen den ihm am 12.10.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25.10.2011 Berufung eingelegt:

Der Kläger hält an seiner im Klageverfahren vertretenen Auffassung fest und bringt vor: Vor Behandlungsbeginn am 09.03.2009 habe er sich in einem derart desolaten psychischen und physischen Zustand befunden, dass keine Möglichkeit bestanden habe, mit der Beklagten Kontakt aufzunehmen und die Gewährung der streitigen Leistungen als Sachleistung zu beantragen. Er habe noch vor Behandlungsbeginn in seinem Hotelzimmer in N einen Zusammenbruch erlitten und sich insbesondere angesichts eines möglichen Suizides in Lebensgefahr befunden. Angesichts dessen ergebe sich der Erstattungsanspruch auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur grundrechtsorientierten Auslegung der leistungsrechtlichen Regelungen des SGB V.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 04.10.2011 zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung des mit der Klage geltend gemachten Betrages hat und sich der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24.06.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2010 als rechtmäßig i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) darstellt. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf den Inhalt des angefochtenen Gerichtsbescheides und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ist folgendes zu berücksichtigen:

Auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger - unterstützt durch die Ausführungen des Dr. M in dem Bericht vom 21.06.2010 - geltend macht, aufgrund seiner im Zeitpunkt des Behandlungsbeginns am 09.03.2009 desolaten physischen und psychischen Verfassung aus medizinischen keinerlei Möglichkeit gehabt zu haben, sich bei der Beklagten zwecks Sachleistungsgewährung in Verbindung zu setzen, liegen objektiv keine Anhaltspunkte dafür vor, die die Annahme einer unaufschiebbaren Leistung i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB V rechtfertigen könnten.

In dem von Dr. M am 09.03.2009 Befund-/Diagnose- und Therapieplan ist unter "Allgemeinanamnese" vermerkt, dass der Kläger u.a. an Kopfschmerzen mit eingeschränkter Sehfähigkeit, (seit 20 Jahren) an Durchfallerscheinungen sowie unter Schlaf- und Gedächtnisstörungen leide. Dr. M hat in dem Bericht ferner mitgeteilt, dass der Kläger Abklärung dahingehend wünsche, ob chronische Belastungen im Zahn- und Kieferbereich vorlägen. Nach Darstellung der durchgeführten Untersuchungen (Cavitat-Ultraschall, Biofunktioneller Einzel-Zahntest, Material-/Metall-Verträglichkeitstest) führt Dr. M zusammenfassend aus, dass sämtliche durchgeführten Testungen gezeigt hätten, dass eine Störfeldsanierung in den angegebenen Bereichen medizinisch angezeigt und zu empfehlen sei, zusätzlich eine subtoxisch-allergische Belastung durch dentale Schwermetalle (insbesondere Amalgam) bestehe und diese Metalle entfernt werden sollten, wobei die Entfernung eines Amalgamrestes im linken Unterkiefer augenblicklich Priorität habe. Dem Bericht lässt sich zwar entnehmen, dass unter Zugrundelegung des von Dr. M vertretenen Therapiemodells durchaus ein gewisser Handlungsbedarf bestand. Es lässt sich aber nicht der geringste Anhaltspunkt dafür finden, dass ein sofortiges Einschreiten zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben schlechterdings unumgänglich, jeder zeitliche Aufschub medizinisch unvertretbar und der Kläger somit gehindert war, sich vor Behandlungsbeginn mit der Beklagten in Verbindung zu setzen. Angesichts dessen sind die Ausführungen des Dr. M in dem Bericht vom 21.09.2010 nicht nachvollziehbar, zumal es nahegelegen hätte, eine für den Kläger bestehende unmittelbare Gefahrensituation bereits deutlich in dem Bericht vom 09.03.2009 hervorzuheben. Darüber hinaus hätte es sich nach Ansicht des Senats in einer derart dramatischen Situation, wie in dem Bericht vom 21.09.2010 dargestellt, aufdrängen müssen, nicht nur auf zahnmedizinischem, sondern auch auf allgemeinmedizinischem Fachgebiet aktiv zu werden und entsprechende Ärzte beizuziehen oder - insbesondere bei akuter Suizidgefahr - stationäre Krankenhausbehandlung zu veranlassen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Dr. M in dem von ihm verfassten Buch "Gesunde Zähne - Gesunder Mensch", die sich auf S. 43 unter der Überschrift "Fallbeispiel: chronischer Durchfall" in anonymisierter Form mit der Behandlung des Klägers befassen. Dort ist lediglich davon die Rede, dass chronische Durchfälle den Kläger dermaßen geschwächt hätten, dass er schließlich arbeitsunfähig geworden sei. Der Kläger wird zwar mit den Worten zitiert: "Ich sah aus wie eine wandelnde Leiche, blass, verlor ständig an Gewicht, bald wog ich nur noch 60 Kilo!". Letztlich lässt sich auch diesen Darlegungen nicht das medizinisch bedingte Unvermögen des Klägers ableiten, sich vor Aufnahme der Behandlung mit der Beklagten in Verbindung zu setzen.

Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage erklärt, dass er im Dezember 2008/Januar 2009 mit der Praxis Dr. M telefoniert und einen Termin vereinbart habe. Wenn der Kläger jedoch in der Lage war, einen Termin zu vereinbaren und - so seine weiteren Darlegungen - möglicherweise im Anschluss um eine Vorverlegung gebeten hat, erschließt es sich dem Senat nicht, aus welchen Gründen bei ihm das medizinisch bedingte Unvermögen bestanden haben soll, sich vorab mit der Beklagten in Verbindung zu setzen.

Das SG hat ferner zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger hinsichtlich der Inanspruchnahme (privat-)zahnärztlicher Leistungen bei Dr. M bei Antragstellung im Juni 2009 auf die Inanspruchnahme der Gesamtbehandlung festgelegt war, so dass der angefochtene Bescheid vom 24.06.2009 nicht ursächlich für die dem Kläger entstandenen Kosten war und somit ein Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V ebenfalls nicht in Betracht kommt.

Soweit es um die Behandlung von Entzündungen des Kiefers ging, haben sowohl das SG als auch der MDK zutreffend darauf verwiesen, dass eine solche Behandlung - insbesondere die von Dr. M in den Rechnungen vom 16.03.2009, 28.04.2009, 12.05.2009, 29.06.2009, 24.11.2009 und 15.02.2010 mit der Nr. 2651 des Gebührenverzeichnisses der GOÄ abgerechnete "Entfernung tiefliegender Fremdkörper oder Sequestrotomie durch Osteotomie aus dem Kiefer" - auch im Rahmen des vertragsärztlichen Leistungssystems möglich gewesen wäre. Denn unter Nr. 53 Ost3 benennt der Einheitliche Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) die Sequestrotomie (Bewertungszahl: 72) als abrechnungsfähige Leistung. Vergleichbare Erwägungen gelten im Hinblick auf die unter dem 22.07.2009, 26.08.2009 und 30.09.2009 jeweils mit der Ziffer 3030 des Gebührenverzeichnisses der GOZ berechnete "Entfernung eines Zahnes oder eines enossalen Implantats durch Osteotomie". Diese Leistungen sind (einschließlich Wundversorgung) zu Lasten der GKV unter Nr. 47a Ost3 Bema-Z (Bewertungszahl: 58) abrechenbar. Dass auch die erforderlichen Infiltrations- und Leitungsanästhesien sowie Nachbehandlungen nach einem chirurgischen Eingriff im Rahmen der GKV zu erbringen und abzurechnen sind, bedarf keiner vertieften Erörterung und ergibt sich aus den Nrn. 40I, 41LI sowie 38N Bema-Z.

In diesem Zusammenhang ist - ohne dass es darauf noch für die Beurteilung des Falles ankommt - zu berücksichtigen, dass ein Vergütungsanspruch des Vertrags(zahn)arztes gegen Versicherte in der GKV die Ausnahme darstellt. Nach § 7 Abs. 7 Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte (EKV-Z) darf ein Vertragszahnarzt von einem Versicherten eine Vergütung für Leistungen, die im Bema-Z enthalten sind, nur fordern, wenn der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich wünscht, die Behandlung auf eigene Kosten durchführen zu lassen (Satz 2). Der Vertragszahnarzt soll sich den Wunsch des Versicherten, die Behandlung auf eigene Kosten durchführen zu lassen, schriftlich bestätigen lassen (Satz 3). Hier sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger gegenüber Dr. M ausdrücklich den Wunsch einer Privatbehandlung geäußert hat. Auch eine schriftliche Bestätigung des Klägers liegt nicht vor. Zwar regelt § 7 Abs. 7 Satz 3 EKV-Z lediglich, dass sich der Vertragsarzt eine schriftliche Bestätigung des Versicherten erteilen lassen "soll". Dies bedeutet jedoch nur, dass die Erteilung einer schriftlichen Bestätigung den Regelfall darstellt und nur in Ausnahmefällen von einer solchen Bestätigung abgesehen werden darf. Anhaltspunkte dafür, dass ein derartiger Ausnahmefall vorgelegen hat, sind nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund dürfte hier hinsichtlich der Behandlung der Entzündung des Kiefers ein Verstoß gegen § 32 SGB I vorliegen, wonach privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften SGB abweichen, nichtig sind. Erfasst werden von § 32 SGB I nicht nur die nach § 68 SGB I als besondere Teile geltenden (förmlichen) Gesetze, sondern auch die auf der Grundlage des SGB erlassenen untergesetzlichen Normen wie z.B. Rechtsverordnungen, Satzungen und öffentlich-rechtlichen Verträge sowie Richtlinien mit Normcharakter (vgl. nur Gutzler in: BeckOK SGB, § 32 SGB I, Rdn. 13 m.w.N.). Daher führt auch der Verstoß gegen § 7 Abs. 7 Satz 3 EKV-Z hier zur Nichtigkeit der (wohl) mündlich zwischen Dr. M und dem Kläger geschlossenen Vereinbarung über die Erbringung privatzahnärztlicher Leistungen, soweit diese gleichzeitig Leistungen der GKV sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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