Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KA 3/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 48/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 19/12
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens,
einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1), 2), 4), 5) und 6).
Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung der Zulassung als Vertragsärztin.
Sie ist seit 1992 zur vertragsärztlichen Versorgung in A-Stadt zugelassen, seit 1996 als Allgemeinärztin.
Bezüglich der Quartale 2/2003 bis 2/2004 führte die Beigeladene zu 1) eine Plausibilitätskontrolle durch, da die Klägerin die Quartalsarbeitszeit überschritt. Am 17.3.2005 fand ein Plausibilitätsgespräch mit der Klägerin statt. Zur Verfahrensbeendigung schloss sie eine Rückzahlungsvereinbarung über 74.571,73 EUR ab.
Im anschließenden Disziplinarverfahren wurde gegen die Klägerin wegen Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten eine Geldbuße von 5000 EUR ausgesprochen.
Aufgrund einer Meldung der Beigeladenen zu 2) wurde am 7.11.2005 ein weiteres Prüfverfahren eingeleitet. Die Ermittlungen ergaben, dass die Klägerin in den Quartalen 3/2002 bis 4/2003 Leistungen für 19 bereits verstorbene Patienten abgerechnet ha tte. Die Klägerin verpflichtete sich vergleichsweise zur Rückzahlung eines Betrages von 1047,02 EUR.
Am 4.4.2008 stellte die Beigeladene zu 2) Strafanzeige wegen Doppelabrechnung von Leistungen im ambulanten wie im stationären Bereich sowie wegen der Abrechnung von Leistungen für bereits verstorbene Patienten. Dieses Verfahren endete mit dem seit 12.3.2010 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts A-Stadt vom 14.9.2009, mit dem die Klägerin wegen Betrugs in 15 Fällen im Zeitraum vom Dezember 2003 bis März 2007 zu 120 Tagessätzen a 30 EUR, das heißt einer Gesamtgeldstrafe von 3600 EUR verurteilt wurde. Die geringe Höhe der Tagessätze begründete das Gericht mit der hohen Verschuldung der Klägerin.
Am 30.6.2010 beantragte die Beigeladene zu 1, der Klägerin die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wegen schwerwiegender Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten zu entziehen. Die Klägerin habe gegen die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen, indem sie Leistungen bei im Zeitpunkt der angeblichen Leistungserbringung bereits Verstorbenen oder sich in stationärer Behandlung oder einer Reha-Einrichtung befindenden Personen abrechnete. Zulasten der Vertragsärztin müsse insbesondere berücksichtigt werden, dass bereits in den Quartalen 3/2002 bis 2/2003 sowie 4/2003 Leistungen bei Verstorbenen abgerechnet worden waren. Außerdem sei bereits am 11.1.2006 ein Disziplinarbescheid wegen des Verstoßes gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung mit einer nicht unerheblichen Geldbuße von 5000 EUR erlassen worden. Beide Verfahren hätten die Klägerin jedoch nicht von einem erneuten Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung abhalten können. Da die Klägerin bereits ein Plausibilitätsverfahren aufgrund der gleichen Abrechnungsauffälligkeiten hatte, sei von einem vorsätzlichen Handeln auszugehen. Da die Pflicht zur genauen Abrechnung als Grundpflicht eines Vertragsarztes wiederholt verletzt worden sei, habe sich die Klägerin als für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ungeeignet erwiesen. Ein Disziplinarverfahren sei nicht mehr ausreichend, sondern allein die Zulassungsentziehung sei eine angemessene Sanktion. Weder die beiden Plausibilitätsverfahren noch das Disziplinarverfahren hätten die Klägerin dazu bewegen können, ihr Verhalten zu ändern und dieses den vertragsärztlichen Bestimmungen anzupassen. Eine Disziplinarmaßnahme sei hier also nicht mehr ausreichend, um die Klägerin in Zukunft zur Einhaltung ihrer vertragsärztlichen Pflichten anzuhalten.
Der Zulassungsausschuss entzog der Klägerin aufgrund der Sitzung vom 28.7.2010 die Zulassung. Bei der Klägerin sei es über einen lange dauernden Zeitraum wiederholt zu Abrechnungsauffälligkeiten gekommen. Die Zweckrichtung ihres Handelns habe sich dabei auf die reine Gewinnerzielung bezogen. Da bereits ein Plausibilitätsverfahren aufgrund der gleichen Abrechnungsauffälligkeiten erfolgt sei, sei von vorsätzlichem Handeln auszugehen. Da die Klägerin die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung wiederholt verletzt habe, habe sie sich als für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ungeeignet erwiesen.
Den Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie weder die Krankenkasse noch die Kassenärztliche Vereinigung habe schädigen wollen. Aus dem Strafbefehl gehe hervor, dass die Schäden regelmäßig klein gewesen seien. Insgesamt sei in den Quartalen 1/2004 bis 3/2007 nur ein Schaden von 3497,39 EUR entstanden. Die Klägerin habe keinen Bereicherungsvorsatz gehabt. Die falschen Abrechnungen beruhten vielmehr auf einer fahrlässigen Kontrolle der erfolgten Abrechnungen. Die Klägerin beteuerte, dass sie nicht vorsätzlich falsch abgerechnet habe. Außerdem habe sie mittlerweile einen kompletten beruflichen Neuanfang unternommen. Seit 28.1.2010 sei sie in einer neuen Praxis tätig. Die Klägerin legte Bescheinigungen u.a. über Fortbildungen bezüglich der Bedienung von Abrechnungsprogrammen vor.
Der Beklagte wies den Widerspruch aufgrund der mündlichen Verhandlung am 2.10.2010 mit Bescheid vom 26.1.2011 zurück. Die Klägerin habe ihre vertragsärztlichen Pflichten über Jahre hinweg wiederholt gröblich verletzt. Im Vordergrund stehe der mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts A-Stadt vom 14.9.2009 festgestellte und mit 120 Tagessätzen geahndete Betrug zu Lasten der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung in 15 Fällen, das heißt bei 15 Quartalsabrechnungen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unterliege die Verwertung der Feststellungen aufgrund eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens keinerlei Einschränkungen. Bereits dieser mit Strafbefehl festgestellte Betrug stelle für sich genommen einen schwerwiegenden Verstoß gegen die vertragsärztlichen Pflichten dar und sei in jeder Hinsicht geeignet, das Vertrauen dieser Körperschaften in eine ordnungsgemäße Abrechnung so nachhaltig zu erschüttern, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zuzumuten sei. Ein vorsätzliches Fehlverhalten stehe aufgrund des Strafbefehls fest. Selbst wenn die Falschabrechnungen auf Fehler des Personals zurückzuführen wären, könnte die Klägerin nicht entlastet werden, da sie mit ihren Unterschriften auf den Abrechnungen deren Richtigkeit bestätigt habe. Sie hafte sowohl für ihr Personal als auch für die von ihr verwendeten Arbeitsmittel.
Hinzu komme, dass auch schon in früheren Jahren schwere Verstöße gegen vertragsärztliche Bestimmungen vorausgegangen wären. So habe sie bereits in der Zeit vom Quartal 3/2002 bis zum Quartalen 4/2003 angebliche Leistungen an damals bereits verstorbenen Patienten abgerechnet und sich zu einer Rückzahlung von 1447,02 EUR bereiterklärt. Bereits damals habe sie Computerprobleme geltend gemacht, es aber nicht für notwendig befunden, diese Probleme abzustellen. Des Weiteren habe sie im Zeitraum vom Quartal 2/2003 bis zum Quartal 2/2004 Leistungen in einem Umfang erbracht, dass sich an einzelnen Tagen bei ordnungsgemäßer Erbringung Arbeitszeiten von bis zu 39 h ergeben hätten. Auch hier habe es sich ganz offenkundig um Falschabrechnungen gehandelt. Diese habe die Klägerin auch zugestanden, indem sie einer Rückzahlungsvereinbarung über 74.571 EUR zugestimmt habe. Insoweit könne auf den Tatbestand des bestandskräftigen Disziplinarbescheids vom 11.1.2006 Bezug genommen werden. Vor diesem Hintergrund erscheine ein Disziplinarverfahren nicht als ausreichend, um das vertragsärztliche System vor Schäden zu schützen und die Klägerin zur Einhaltung ihrer Pflichten anzuhalten, da ein solches bereits stattgefunden habe und mit einer Geldbuße von 5000 EUR geendet habe, ohne dass die Klägerin ihr Verhalten geändert habe.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg. Mit Urteil vom 5.5.2011 wurde die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe in dem angefochtenen Bescheid in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zugrunde gelegt, dass bei der Klägerin eine gröbliche Pflichtverletzung wegen des Verstoßes gegen das Gebot zur peinlich genauen Abrechnung vorliege. Die Zulassungsentziehung sei auch nicht unverhältnismäßig. Es habe sich bereits gezeigt, dass ein Disziplinarverfahren nicht ausreichend sei, um die Klägerin zur Einhaltung ihrer Pflichten anzuhalten.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein. Zur Begründung wurde auf den bisherigen Vortrag verwiesen. Ergänzend wurde dargelegt, dass es seit 2007 nicht mehr zu Auffälligkeiten oder Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Vertragsärztin gekommen sei. Die Zulassungsentziehung sei unverhältnismäßig.
In der mündlichen Verhandlung legte der Beklagte u.a. den Disziplinarbescheid vom 13.1.2006 sowie die Rückzahlungsvereinbarung vom 18.8.2005 vor, ferner weitere Anträge der Beigeladenen zu 2 auf Wirtschaftlichkeitsprüfung wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise und eine Schadensaufstellung über die Quartale 4/2007 bis 2/2009, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin weiterhin Abrechnungen vorgenommen hat, die Zeiträume eines stationären Krankenhausaufenthalts bzw. bereits verstorbene Patienten betrafen.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 5.5.2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 26. Januar 2011 aufzuheben.
Die Beigeladenen zu 1), 2), 4), 5) und 6) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die Akte des Zulassungsausschusses und die Akte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin damit nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage der Zulassungsentziehung ist § 95 Abs. 6 SGB V in Verbindung mit § 27 der Ärzte-ZV. Danach ist die Zulassung zu entziehen, wenn ein Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt (§ 95 Abs. 6 S. 1 SGB V).
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin ihre vertragsärztlichen Pflichten grob verletzt hat. Dabei legt der Senat die Feststellungen im Strafbefehl zu Grunde. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts möglich, da der Strafbefehl einem Strafurteil gemäß § 410 Abs. 3 StPO gleichsteht (vergleiche BSG vom 27.6.2007, B 6 KA 20/07 B).
Eine Pflichtverletzung ist gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Davon ist auszugehen, wenn durch sie das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnung durch den Vertragsarzt so gestört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann (Schallen, Zulassungsverordnung, 7. Auflage, § 27 Rn. 17,18). Als gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten kommt insbesondere die unrichtige Leistungsabrechnung in Betracht. Aufgrund des Strafbefehls ist nachgewiesen, dass die Klägerin über 15 Quartale mit Betrugsvorsatz gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen hat. Bereits dieser sich über einen sehr langen Zeitraum erstreckende vorsätzliche Pflichtverstoß hat das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen nachhaltig gestört, so dass eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar ist und eine Zulassungsentziehung damit als ultima ratio notwendig ist.
Daneben zeigt auch der Umstand, dass das vorangegangene Disziplinarverfahren, mit dem ebenfalls ein Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung geahndet wurde, ohne Konsequenzen blieb, dass die Klägerin die Basis für das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit ihrer Abrechnung nachhaltig zerstört hat. Die Klägerin beteuerte und beteuert immer wieder, das sie in Zukunft alle Fehler vermeiden und die Abrechnung ordnungsgemäß erbringen würde. Eine Änderung ihres Verhaltens kann jedoch nicht festgestellt werden. Auch das Plausibilitätsgespräch im März 2005 konnte die Klägerin nicht von weiteren Falschabrechnungen abhalten. Damit ist aus der Sicht des Senats bewiesen, dass ein Disziplinarverfahren nicht mehr ausreichend ist, um die Klägerin zur Einhaltung ihrer Pflichten anzuhalten. Die Zulassungsentziehung war zwingend.
Ein Wohlverhalten, das zu einer anderen Beurteilung führen könnte, ist jedenfalls aufgrund der kurzen Zeitspanne seit der Entscheidung des Beklagten ausgeschlossen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG, § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens,
einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1), 2), 4), 5) und 6).
Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung der Zulassung als Vertragsärztin.
Sie ist seit 1992 zur vertragsärztlichen Versorgung in A-Stadt zugelassen, seit 1996 als Allgemeinärztin.
Bezüglich der Quartale 2/2003 bis 2/2004 führte die Beigeladene zu 1) eine Plausibilitätskontrolle durch, da die Klägerin die Quartalsarbeitszeit überschritt. Am 17.3.2005 fand ein Plausibilitätsgespräch mit der Klägerin statt. Zur Verfahrensbeendigung schloss sie eine Rückzahlungsvereinbarung über 74.571,73 EUR ab.
Im anschließenden Disziplinarverfahren wurde gegen die Klägerin wegen Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten eine Geldbuße von 5000 EUR ausgesprochen.
Aufgrund einer Meldung der Beigeladenen zu 2) wurde am 7.11.2005 ein weiteres Prüfverfahren eingeleitet. Die Ermittlungen ergaben, dass die Klägerin in den Quartalen 3/2002 bis 4/2003 Leistungen für 19 bereits verstorbene Patienten abgerechnet ha tte. Die Klägerin verpflichtete sich vergleichsweise zur Rückzahlung eines Betrages von 1047,02 EUR.
Am 4.4.2008 stellte die Beigeladene zu 2) Strafanzeige wegen Doppelabrechnung von Leistungen im ambulanten wie im stationären Bereich sowie wegen der Abrechnung von Leistungen für bereits verstorbene Patienten. Dieses Verfahren endete mit dem seit 12.3.2010 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts A-Stadt vom 14.9.2009, mit dem die Klägerin wegen Betrugs in 15 Fällen im Zeitraum vom Dezember 2003 bis März 2007 zu 120 Tagessätzen a 30 EUR, das heißt einer Gesamtgeldstrafe von 3600 EUR verurteilt wurde. Die geringe Höhe der Tagessätze begründete das Gericht mit der hohen Verschuldung der Klägerin.
Am 30.6.2010 beantragte die Beigeladene zu 1, der Klägerin die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wegen schwerwiegender Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten zu entziehen. Die Klägerin habe gegen die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen, indem sie Leistungen bei im Zeitpunkt der angeblichen Leistungserbringung bereits Verstorbenen oder sich in stationärer Behandlung oder einer Reha-Einrichtung befindenden Personen abrechnete. Zulasten der Vertragsärztin müsse insbesondere berücksichtigt werden, dass bereits in den Quartalen 3/2002 bis 2/2003 sowie 4/2003 Leistungen bei Verstorbenen abgerechnet worden waren. Außerdem sei bereits am 11.1.2006 ein Disziplinarbescheid wegen des Verstoßes gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung mit einer nicht unerheblichen Geldbuße von 5000 EUR erlassen worden. Beide Verfahren hätten die Klägerin jedoch nicht von einem erneuten Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung abhalten können. Da die Klägerin bereits ein Plausibilitätsverfahren aufgrund der gleichen Abrechnungsauffälligkeiten hatte, sei von einem vorsätzlichen Handeln auszugehen. Da die Pflicht zur genauen Abrechnung als Grundpflicht eines Vertragsarztes wiederholt verletzt worden sei, habe sich die Klägerin als für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ungeeignet erwiesen. Ein Disziplinarverfahren sei nicht mehr ausreichend, sondern allein die Zulassungsentziehung sei eine angemessene Sanktion. Weder die beiden Plausibilitätsverfahren noch das Disziplinarverfahren hätten die Klägerin dazu bewegen können, ihr Verhalten zu ändern und dieses den vertragsärztlichen Bestimmungen anzupassen. Eine Disziplinarmaßnahme sei hier also nicht mehr ausreichend, um die Klägerin in Zukunft zur Einhaltung ihrer vertragsärztlichen Pflichten anzuhalten.
Der Zulassungsausschuss entzog der Klägerin aufgrund der Sitzung vom 28.7.2010 die Zulassung. Bei der Klägerin sei es über einen lange dauernden Zeitraum wiederholt zu Abrechnungsauffälligkeiten gekommen. Die Zweckrichtung ihres Handelns habe sich dabei auf die reine Gewinnerzielung bezogen. Da bereits ein Plausibilitätsverfahren aufgrund der gleichen Abrechnungsauffälligkeiten erfolgt sei, sei von vorsätzlichem Handeln auszugehen. Da die Klägerin die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung wiederholt verletzt habe, habe sie sich als für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ungeeignet erwiesen.
Den Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie weder die Krankenkasse noch die Kassenärztliche Vereinigung habe schädigen wollen. Aus dem Strafbefehl gehe hervor, dass die Schäden regelmäßig klein gewesen seien. Insgesamt sei in den Quartalen 1/2004 bis 3/2007 nur ein Schaden von 3497,39 EUR entstanden. Die Klägerin habe keinen Bereicherungsvorsatz gehabt. Die falschen Abrechnungen beruhten vielmehr auf einer fahrlässigen Kontrolle der erfolgten Abrechnungen. Die Klägerin beteuerte, dass sie nicht vorsätzlich falsch abgerechnet habe. Außerdem habe sie mittlerweile einen kompletten beruflichen Neuanfang unternommen. Seit 28.1.2010 sei sie in einer neuen Praxis tätig. Die Klägerin legte Bescheinigungen u.a. über Fortbildungen bezüglich der Bedienung von Abrechnungsprogrammen vor.
Der Beklagte wies den Widerspruch aufgrund der mündlichen Verhandlung am 2.10.2010 mit Bescheid vom 26.1.2011 zurück. Die Klägerin habe ihre vertragsärztlichen Pflichten über Jahre hinweg wiederholt gröblich verletzt. Im Vordergrund stehe der mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts A-Stadt vom 14.9.2009 festgestellte und mit 120 Tagessätzen geahndete Betrug zu Lasten der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung in 15 Fällen, das heißt bei 15 Quartalsabrechnungen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unterliege die Verwertung der Feststellungen aufgrund eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens keinerlei Einschränkungen. Bereits dieser mit Strafbefehl festgestellte Betrug stelle für sich genommen einen schwerwiegenden Verstoß gegen die vertragsärztlichen Pflichten dar und sei in jeder Hinsicht geeignet, das Vertrauen dieser Körperschaften in eine ordnungsgemäße Abrechnung so nachhaltig zu erschüttern, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zuzumuten sei. Ein vorsätzliches Fehlverhalten stehe aufgrund des Strafbefehls fest. Selbst wenn die Falschabrechnungen auf Fehler des Personals zurückzuführen wären, könnte die Klägerin nicht entlastet werden, da sie mit ihren Unterschriften auf den Abrechnungen deren Richtigkeit bestätigt habe. Sie hafte sowohl für ihr Personal als auch für die von ihr verwendeten Arbeitsmittel.
Hinzu komme, dass auch schon in früheren Jahren schwere Verstöße gegen vertragsärztliche Bestimmungen vorausgegangen wären. So habe sie bereits in der Zeit vom Quartal 3/2002 bis zum Quartalen 4/2003 angebliche Leistungen an damals bereits verstorbenen Patienten abgerechnet und sich zu einer Rückzahlung von 1447,02 EUR bereiterklärt. Bereits damals habe sie Computerprobleme geltend gemacht, es aber nicht für notwendig befunden, diese Probleme abzustellen. Des Weiteren habe sie im Zeitraum vom Quartal 2/2003 bis zum Quartal 2/2004 Leistungen in einem Umfang erbracht, dass sich an einzelnen Tagen bei ordnungsgemäßer Erbringung Arbeitszeiten von bis zu 39 h ergeben hätten. Auch hier habe es sich ganz offenkundig um Falschabrechnungen gehandelt. Diese habe die Klägerin auch zugestanden, indem sie einer Rückzahlungsvereinbarung über 74.571 EUR zugestimmt habe. Insoweit könne auf den Tatbestand des bestandskräftigen Disziplinarbescheids vom 11.1.2006 Bezug genommen werden. Vor diesem Hintergrund erscheine ein Disziplinarverfahren nicht als ausreichend, um das vertragsärztliche System vor Schäden zu schützen und die Klägerin zur Einhaltung ihrer Pflichten anzuhalten, da ein solches bereits stattgefunden habe und mit einer Geldbuße von 5000 EUR geendet habe, ohne dass die Klägerin ihr Verhalten geändert habe.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg. Mit Urteil vom 5.5.2011 wurde die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe in dem angefochtenen Bescheid in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zugrunde gelegt, dass bei der Klägerin eine gröbliche Pflichtverletzung wegen des Verstoßes gegen das Gebot zur peinlich genauen Abrechnung vorliege. Die Zulassungsentziehung sei auch nicht unverhältnismäßig. Es habe sich bereits gezeigt, dass ein Disziplinarverfahren nicht ausreichend sei, um die Klägerin zur Einhaltung ihrer Pflichten anzuhalten.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein. Zur Begründung wurde auf den bisherigen Vortrag verwiesen. Ergänzend wurde dargelegt, dass es seit 2007 nicht mehr zu Auffälligkeiten oder Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Vertragsärztin gekommen sei. Die Zulassungsentziehung sei unverhältnismäßig.
In der mündlichen Verhandlung legte der Beklagte u.a. den Disziplinarbescheid vom 13.1.2006 sowie die Rückzahlungsvereinbarung vom 18.8.2005 vor, ferner weitere Anträge der Beigeladenen zu 2 auf Wirtschaftlichkeitsprüfung wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise und eine Schadensaufstellung über die Quartale 4/2007 bis 2/2009, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin weiterhin Abrechnungen vorgenommen hat, die Zeiträume eines stationären Krankenhausaufenthalts bzw. bereits verstorbene Patienten betrafen.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 5.5.2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 26. Januar 2011 aufzuheben.
Die Beigeladenen zu 1), 2), 4), 5) und 6) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die Akte des Zulassungsausschusses und die Akte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin damit nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage der Zulassungsentziehung ist § 95 Abs. 6 SGB V in Verbindung mit § 27 der Ärzte-ZV. Danach ist die Zulassung zu entziehen, wenn ein Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt (§ 95 Abs. 6 S. 1 SGB V).
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin ihre vertragsärztlichen Pflichten grob verletzt hat. Dabei legt der Senat die Feststellungen im Strafbefehl zu Grunde. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts möglich, da der Strafbefehl einem Strafurteil gemäß § 410 Abs. 3 StPO gleichsteht (vergleiche BSG vom 27.6.2007, B 6 KA 20/07 B).
Eine Pflichtverletzung ist gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Davon ist auszugehen, wenn durch sie das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnung durch den Vertragsarzt so gestört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann (Schallen, Zulassungsverordnung, 7. Auflage, § 27 Rn. 17,18). Als gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten kommt insbesondere die unrichtige Leistungsabrechnung in Betracht. Aufgrund des Strafbefehls ist nachgewiesen, dass die Klägerin über 15 Quartale mit Betrugsvorsatz gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen hat. Bereits dieser sich über einen sehr langen Zeitraum erstreckende vorsätzliche Pflichtverstoß hat das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen nachhaltig gestört, so dass eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar ist und eine Zulassungsentziehung damit als ultima ratio notwendig ist.
Daneben zeigt auch der Umstand, dass das vorangegangene Disziplinarverfahren, mit dem ebenfalls ein Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung geahndet wurde, ohne Konsequenzen blieb, dass die Klägerin die Basis für das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit ihrer Abrechnung nachhaltig zerstört hat. Die Klägerin beteuerte und beteuert immer wieder, das sie in Zukunft alle Fehler vermeiden und die Abrechnung ordnungsgemäß erbringen würde. Eine Änderung ihres Verhaltens kann jedoch nicht festgestellt werden. Auch das Plausibilitätsgespräch im März 2005 konnte die Klägerin nicht von weiteren Falschabrechnungen abhalten. Damit ist aus der Sicht des Senats bewiesen, dass ein Disziplinarverfahren nicht mehr ausreichend ist, um die Klägerin zur Einhaltung ihrer Pflichten anzuhalten. Die Zulassungsentziehung war zwingend.
Ein Wohlverhalten, das zu einer anderen Beurteilung führen könnte, ist jedenfalls aufgrund der kurzen Zeitspanne seit der Entscheidung des Beklagten ausgeschlossen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG, § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt.
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