L 16 SB 112/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 SB 682/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 SB 112/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 SB 70/11 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch Rücknahme der Klage erledigt ist.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte hatte bei dem 1932 geborenen Kläger mit Abhilfebescheid vom 22.03.2006 den Bescheid vom 21.02.2006 ergänzt und den Bescheid vom 28.03.1995 zurückgenommen sowie für den Zeitraum vom 01.01.1990 bis 31.12.2001 als Behinderung folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:

Behinderung laut Bescheid des Versorgungsamtes München II vom 02.04.2004:
1. Verlust der Finger 1 bis 4 der linken Hand, winzige Weichteilstecksplitter im Gesicht (Einzel-GdB: 50).
2. Funktionseinschränkung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule bei fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen bei häufig rezidivierende Nerven- und Muskelreizerscheinungen (Einzel-GdB: 20).
3. Seelische Störung (Einzel-GdB: 20).
4. Funktionseinschränkung beider Schultereckgelenke bei ausgeprägten muskulären Verspannungen, arthrotischen Veränderungen (Einzel-GdB:10)
5. Karpaltunnelsyndrom rechts (Einzel-GdB: 10).

Aufgrund des Urteils des Bayer. Landessozialgerichts vom 27.11.2003 würden die Schädigungsfolgen ab 01.01.1990 mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 bewertet. Daher erhöhe sich der im Bescheid vom 28.03.1995 festgestellte Gesamt-GdB von 50 nach versorgungsärztlicher und rechtlicher Beurteilung für den Zeitraum vom 01.01.1990 bis 31.12.2001 auf 60.

In diesem Verfahren erging am 02.06.2006 ein Widerspruchsbescheid, mit dem der Beklagte den Widerspruch gegen den oben genannten Bescheid vom 22.03.2006 zurückwies. Die vorliegenden Behinderungen im Bescheid vom 21.02.2006 und im Abhilfebescheid vom 22.03.2006 seien in Übereinstimmung mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" mit einem GdB von 60 ab 01.01.1990 und 70 ab 01.01.2002 richtig bewertet worden. Ein höherer GdB als 70 lasse sich auch nach erneuter Überprüfung nicht begründen.

Hiergegen hat der Kläger am 30.06.2006 beim Sozialgericht München (SG) Klage erhoben, mit der er zunächst eine Verbindung dieses Verfahrens mit anderen Verfahren aus der Kriegsopferversorgung und in der Sache die Aufhebung der Bescheide vom 28.03.1995, 21.02.2006, 22.03.2006, 02.06.2006 sowie eine Neufeststellung und die Ausstellung eines Ausweises beantragt hat.

Das SG hat eine Verbindung der Verfahren abgelehnt und den Orthopäden Dr. B. mit Erstellung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens beauftragt. Der Kläger ist zum Untersuchungstermin nicht erschienen, der Sachverständige hat das Gutachten am 22.06.2009 nach Lage der Akten erstattet. Er ist hier zum Ergebnis gekommen, dass die Behinderung des Klägers vollständig erfasst, aber der GdB insgesamt zu hoch festgesetzt worden sei.

Mit Schreiben vom 06.12.2008 hat der Kläger beantragt, vorrangig die Begutachtung in seiner Versorgungssache durchzuführen. Er hat außerdem den Vorsitzenden Richter der 29. Kammer des SG zweimal wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt; die Ablehnungsgesuche sind mit den Beschlüssen des Bayer. Landessozialgerichts vom 09.03.2009 und 12.05.2010 zurückgewiesen worden.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 22.06.2010 die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe der Beklagte zu Recht eine Erhöhung des GdB abgelehnt. Es sei nach dem Gutachten des Sachverständigen davon auszugehen, dass die bisherige Einstufung des Klägers überhöht sei. Wegen des Verbots einer Verschlimmerung sei dies vom Gericht jedoch nicht zu beachten. Im Übrigen hat das SG auf die angegriffenen Bescheide Bezug genommen.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung vom 23.07.2010 beanstandet der Kläger die Entscheidung durch Gerichtsbescheid, macht eine Neufeststellung der Anerkennung im Bescheid vom 12.06.1954 geltend sowie die Rücknahme des Bescheides vom 02.04.2004 und des Bescheides vom 22.02.2006. Die MdE der Schädigungsfolgen sei neu zu bewerten und ihm stehe "Kannversorgung" zu. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. B. sei unzureichend. Ihm - dem Kläger - gehe es um eine entsprechende Begutachtung seiner Schädigungsfolgen, nicht aber um ein Verfahren nach dem Schwerbehindertenrecht.

Ferner berichtet der Kläger darüber, dass der Beklagte am 24.08.2010 einen Änderungsbescheid bezüglich der Behinderung erlassen hat, nämlich mit einem GdB von 80 und der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Er hat außerdem beantragt, die Bundesrepublik Deutschland beizuladen.

Der Senat hat mit Schreiben vom 24.09.2010 den Kläger darauf hingewiesen, dass es im vorliegenden Verfahren um die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem SGB IX gehe, aber nicht um eine Überprüfung der Schädigungsfolgen. Darauf hat der Kläger mit dem Telefax vom 06.10.2010 unter Beifügung seines Schreibens vom 26.09.2010 an den Beklagten, das er als Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.08.2010 bezeichnet hat, folgendes erklärt: "Ein Klageverfahren nach dem Schwerbehindertenrecht wurde zu keinem Zeitpunkt beantragt". Er habe am 30.08.2005 beim Sozialgericht München Klage erhoben, die unter dem Az. S 29 V 29/05 anhängig sei.

Der Kläger beantragt,
1. über die in der Berufungsschrift vom 20.07.2010 gestellten Anträge zu entscheiden,
2. die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, beizuladen,
3. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
4. die Revision zuzulassen,
5. festzustellen, dass der Kläger schwerkriegsbeschädigt und versorgungsberechtigt nach dem BVG ist.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen wurden die Akten des SG, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:
:

Der vorliegende Rechtsstreit ist durch die vom Kläger am 06.10.2010 auch gegenüber dem Senat abgegebene Erledigungserklärung im Berufungsschriftsatz vom 20.07.2010 und im Schreiben vom 26.09.2010, das der Kläger dem Senat mit Fax vom 06.10.2010 zugeleitet hat, dass er zu keinem Zeitpunkt ein Klageverfahren nach dem Schwerbehindertenrecht beantragt hat, in vollem Umfang erledigt.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 20.12.1995, USK 95155) führt im sozialgerichtlichen Verfahren bereits die einseitige Erledigungserklärung, die jederzeit schriftlich gegenüber dem Gericht abgegeben werden kann, zur Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache. Die Erledigungserklärung stellt sich je nach prozessualer Konstellation entweder als Klagerücknahme oder als Annahme eines von der/dem Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses dar. In beiden Fällen führt die Abgabe der entsprechenden Erklärung zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 101 Abs. 2, § 102 Satz 2 SGG). Die Erledigungserklärung ist eine Prozesshandlung, die das Gericht und die Beteiligten bindet, auch wenn der Rechtsstreit materiell nicht erledigt wurde. Sie kann grundsätzlich nicht widerrufen oder wegen Irrtums angefochten werden.

Gemäß § 102 Abs. 1 SGG konnte die Erledigungserklärung bezüglich der Klage auch noch im Berufungsverfahren abgegeben werden. Denn nach dieser gesetzlichen Regelung kann der Kläger die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache. In einem derartigen Fall wird bei einem Streit darüber, ob die Klagerücknahme erklärt und ob sie wirksam ist, die Verhandlung fortgesetzt. Wird, wie hier, die Wirksamkeit der Klagerücknahme bejaht, hat das Gericht durch Urteil festzustellen, dass die Klage zurückgenommen ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 102, Rdnr. 12 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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