Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AS 934/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 963/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Mehrbedarf wegen Fahrten zum inhaftierten Sohn
Häufigere Fahrten, um einen inhaftierten Sohn aus der JVA zum Hafturlaub abzuholen, können einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II darstellen. Der Bedarf ist aber nicht unabweisbar, wenn die Abholung nicht Voraussetzung des Hafturlaubs ist. Die Benutzung eines PKW ist nicht unabweisbar, wenn ein preiswerter öffentlicher Personennahverkehr (hier Bayern-Ticket) möglich ist.
Häufigere Fahrten, um einen inhaftierten Sohn aus der JVA zum Hafturlaub abzuholen, können einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II darstellen. Der Bedarf ist aber nicht unabweisbar, wenn die Abholung nicht Voraussetzung des Hafturlaubs ist. Die Benutzung eines PKW ist nicht unabweisbar, wenn ein preiswerter öffentlicher Personennahverkehr (hier Bayern-Ticket) möglich ist.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23. November 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.07.2010 unter Berücksichtigung eines atypischen Mehrbedarfs aufgrund von Fahrten zu seinem inhaftierten Sohn.
Der 1960 geborene Kläger bildet mit seiner 1966 geborenen Frau sowie ihren am 1988, 1993 und 1993 geborenen Kindern eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 SGB II. Mit Bescheid vom 23.12.2009 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 01.01.2010 bis 30.06.2010. Der Kläger erhielt dabei für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.05.2010 monatlich 464,86 Euro (Regelleistung 323,- Euro und Leistungen für Unterkunft und Heizung von 141,86 Euro). Für Juni 2010 reduzierte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 06.07.2010 die Leistung des Klägers auf 413,86 Euro (Regelleistung: 271,97 Euro, Leistungen für Unterkunft und Heizung: 141,86 Euro), weil die Ehefrau nunmehr am Wohnort 496,77 Euro Erwerbseinkommen (brutto) erzielte. Mit Bescheid vom 24.06.2010 wurden Leistungen für den folgenden Bewilligungszeitraum bewilligt.
Am 05.06.2010 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme von Fahrtkosten anlässlich von Hafturlauben seines weiteren (ebenso 1988 geborenen) Sohnes C., der seit dem Frühjahr 2009 inhaftiert gewesen war und im Juli 2010 entlassen werden sollte.
Mit Bescheid vom 09.06.2010 lehnte der Beklagte die Übernahme der Fahrtkosten zur Abholung mit der Begründung ab, dass der Sohn weder Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei, noch ein unabweisbarer Bedarf bestünde.
Mit Widerspruch vom 14.06.2010 führte der Kläger an, dass der Sohn zum Zweck der Resozialisierung alle 14 Tage ca. fünf Tage Freigang bekomme. Bis zur seiner Entlassung entstünden so alle 14 Tage Fahrtkosten für ca. 800 km mit dem Pkw.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2010 zurückgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten. Der Sohn habe nur einmal monatlich Hafturlaub. Der Sohn habe aus der Arbeit während der Haft eigenes Einkommen, von dem die Reisekosten finanziert werden könnten. Überdies seien keine konkreten Kosten genannt und die deutlich kostengünstigere Zugreise nicht genutzt worden.
Der Kläger erhob am 02.08.2010 dagegen Klage zum Sozialgericht Augsburg. Er begehrte die Erstattung der Fahrtkosten, die ihm anlässlich der Besuche bzw. Hafturlaube seines mittlerweile aus der Haft entlassenen Sohnes entstanden seien. Die Entfernung zwischen dem Wohnort und der JVA betrage 177,7 km. Die einfache Fahrt mit dem Zug dauere zwischen 2 Stunden 27 Minuten und 3 Stunden 33 Minuten. Der Fahrpreis liege zwischen 36,- und 42,- Euro. Der Sohn C. habe am 16.01.2010 und am 13.02.2010 Ausgang erhalten. An diesen Tagen habe der Kläger seinen Sohn besucht. Vom 05.03.2010 bis zum 19.03.2010, 16.04.2010 bis 18.04.2010 sowie 24.05.2010 bis 26.05.2010 habe der Sohn Hafturlaub gewährt bekommen. Hafturlaub werde von der Haftanstalt nur genehmigt, wenn die gefangene Person von einem Angehören abgeholt werde. Aus diesem Grund habe der Kläger seinen Sohn zu den genannten Terminen jeweils abgeholt und wieder zurück gebracht. Auch am Tage der Entlassung (09.07.2010) habe er C. abgeholt.
Der Kläger habe einen laufenden, unabweisbaren Bedarf der sich aus Art.1 Abs.1 in Verbindung mit Art. 20 Abs.1 des Grundgesetzes bzw. aus § 21 Abs.6 SGB II ergebe. Dem Kläger sei eine Zugfahrt nicht zumutbar gewesen, da eine Abholung bis 9:00 Uhr habe erfolgen müssen. Das Bayern-Ticket habe deshalb nicht genutzt werden können. Schließlich seien derartige Ausgaben für Verkehr nicht von der Regelleistung gedeckt. Daher habe der Kläger Anspruch auf Erstattung der Kosten in Höhe von 0,30 Euro pro gefahrenen Kilometer.
Im Schreiben der JVA vom 08.09.2010 wird ausgeführt, dass das Reisemittel für den Hafturlaub freigestellt sei. Die Rückreise zur JVA habe der Inhaftierte eigenverantwortlich zu gestalten; eine Begleitung sei dabei nicht erforderlich. Auch den Antritt des Hafturlaubs habe der Inhaftierte eigenverantwortlich zu planen. Hafturlaub könne nur genehmigt werden, wenn eine Urlaubsadresse vorliege. Wenn die Hafturlauber eine Abholung durch Angehörige angeben würden, dann werde die Abholung generell als notwendige Voraussetzung für den Urlaub betrachtet, damit der Inhaftierte auch an der angegebenen Urlaubsadresse ankomme. Die Abholungen würden in der Regel zwischen 8.00 und 9.00 Uhr erfolgen. Ein späterer Zeitpunkt könne durchaus vereinbart werden. Von fünf Hafturlauben sei C. dreimal von den Angehörigen abgeholt worden. Zweimal sei er mit dem Zug gefahren.
Mit Urteil vom 23.11.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es bestehe kein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Fahrtkosten nach § 21 Abs. 6 SGB II bzw. Art 1 Abs. 1 i.V.m. Art 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Bei den Fahrten zur Ermöglichung der Hafturlaube handle es sich um einen Bedarf des inhaftierten Sohnes. Außerdem habe der Sohn die Hafturlaube mit der Bahn antreten können, wenn er nicht vorab eine Abholung durch Angehörige angegeben habe. Für die Rückkehr sei von vornherein keine Begleitung erforderlich gewesen. Die Besuchsfahren für die Ausgangstage seien dagegen kein unabweisbarer existentieller Bedarf des Klägers. Es bestehe auch kein Anspruch auf ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II. Das Urteil wurde dem Kläger am 03.12.2010 zugestellt.
Am 29.12.2010 hat der Kläger Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts eingelegt. Der Kläger und sein Sohn seien der Auffassung gewesen, dass die persönliche Abholung und Begleitung bei der Rückfahrt Voraussetzungen für den Hafturlaub gewesen seien. Bei den Fahrtkosten des Vaters habe es sich um dessen eigenen Bedarf gehandelt. Es sei dem Kläger nicht zumutbar gewesen, mit dem Zug zu fahren. Er habe seinen Sohn möglichst frühzeitig aus der JVA abholen wollen. Das Bayern-Ticket gelte erst ab 9:00 Uhr. Der Anteil für öffentlichen Nahverkehr in der Regelleistung liege bei einer Regelleistung von 323,- Euro unter 13,- Euro monatlich und decke die entstandenen Fahrtkosten bei weitem nicht ab.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.11.2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 09.06.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Fahrtkosten anlässlich der Besuche seines Sohnes C. am 16.01.2010 und 13.02.2010 sowie die Fahrkosten anlässlich der Abholungen und Wiederbringens des Sohnes am 15.03.2010 und 19.03.2010, 16.04. und 18.04.2010 sowie 24.06. und 26.05.2010 und der Abholung des Sohnes am 09.07.2010 in Höhe von 0,30 Euro pro gefahrenen Kilometer zu erstatten.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass es sich nicht um einen unabweisbaren besonderen Mehrbedarf handle. Der Kläger habe die Möglichkeit gehabt, erhebliche Kosten zu vermeiden. Die Nutzung eines Bayerntickets für zwei Personen zum Preis von 28,- Euro sei zumutbar gewesen. Die Kosten der Rückführung seien mangels Notwendigkeit nicht erforderlich.
Die Beteiligten wurden zum Erlass eines Beschlusses nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte des Beklagten und die Akten des Sozialgerichts und des Berufungsgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG). Die Berufungssumme von 750,- Euro wird überschritten (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Kläger begehrt für neun Fahrten (je hin und zurück) jeweils rund 105,- Euro (rund 350 km mal 0,30 Euro = 105,- Euro).
Die Berufung ist nicht begründet. Sie wird durch einstimmigen Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG als unbegründet zurückgewiesen. Eine weitere mündliche Verhandlung wird nicht für erforderlich gehalten. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Mehrbedarf wegen eines Härtefalls nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09) kann nicht berücksichtigt werden.
Streitgegenstand ist die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.07.2010. Der Kläger hatte mit seinem Antrag vom 05.06.2010 die Überprüfung der bisherigen Bewilligung wegen der Berücksichtigung der Fahrtkosten geltend gemacht. Zulässiger Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 09.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2010. Dieser schließt das Überprüfungsverfahren über den Bewilligungszeitraum 01.01.2010 bis 30.06.2010 ab. Dieser Zeitraum war zuvor mit Bescheid vom 23.12.2009 und Änderungsbescheid vom 06.07.2010 geregelt worden.
Die nachfolgende Bewilligung für die Folgezeit (Bescheid vom 24.06.2010, mit zutreffender Rechtsbehelfsbelehrung) wurde vom Kläger dagegen nicht angegriffen und auch nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens. Nur ergänzend wird angemerkt, dass in diese Zeit nur die Abholfahrt zur Entlassung am 09.07.2010 fällt; hierfür hat nicht einmal der Kläger behauptet, dass die Abholung eine Voraussetzung der Entlassung war.
Die Leistungsansprüche für den genannten Zeitraum sind im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (BSG, Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 9/06 R). Die Regelleistung hat der Beklagte zutreffend mit 323,- Euro bemessen. Die Kosten der Unterkunft wurden - abzüglich der Warmwasserpauschale - übernommen. Im Juni 2010 wurde das Erwerbseinkommens der Ehefrau richtig bereinigt nach § 11 Abs.2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 6 SGB II a.F. i.V.m. § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB a.F. Auch die Verteilung des bereinigten Einkommens auf die Bedarfgemeinschaft nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II ist zutreffend erfolgt.
Der Kläger hat auch unter Berücksichtigung der verbleibenden acht Fahrten zwischen 13.02.2010 und 26.05.2010 keinen Anspruch auf höhere Leistungen. § 21 Abs. 6 SGB II trat erst ab dem 03.06.2010 in Kraft und ist daher nicht entscheidungsrelevant.
Die Fahrtkosten für den Besuch am 16.01.2010 sind bereits mangels einer Anspruchsgrundlage nicht erstattungsfähig. Die vom BVerfG im Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, geschaffene Anspruchsgrundlage gilt nur für die Zeit ab der Verkündung dieses Urteils und damit nicht für Leistungszeiträume vor dem 09.02.2010 (BVerfG: Beschluss vom 24.03.2010, 1 BvR 395/09).
Auch die bei den weiteren sieben Fahrten entstandenen Kosten sind nicht geeignet, die durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien auszufüllen, um einen Mehrbedarf aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zu begründen. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen für einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht.
In der Entscheidung hatte das BVerfG ausgeführt, dass ein pauschaler Regelleistungsbetrag nach seiner Konzeption nur den durchschnittlichen Bedarf decken kann. Ein in Sonderfällen auftretender Bedarf nicht erfasster Art oder atypischen Umfangs werde von der Statistik nicht aussagekräftig ausgewiesen. Mithin könne sich die Regelleistung auch nicht hierauf erstrecken. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gebiete jedoch, auch einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf zu decken, wenn dies im Einzelfall für ein menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich sei. Der Mehrbedarf ist aber vorrangig durch alle verfügbaren Mittel zu decken. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Die vom Kläger geltend gemachten Kosten waren weder unabweisbar noch in der Höhe erheblich.
Die drei Fahrten (hin und zurück) zur Begleitung des Sohnes zurück in die JVA waren schon nicht unabweisbar. Der 21-jährige Sohn hätte ohne Weiteres mit öffentlichen Verkehrsmitteln alleine zurück zur JVA fahren können. Dass ihn sein Vater in lobenswerter Verbundenheit zurück in die JVA begleitete, macht diese Fahrten nicht zum existenznotwendigen Bedarf.
Allenfalls die Fahrt zum Ausgang am 13.02.2010 und die drei Fahrten, um den Kläger am 05.03.2010, 16.04.2010 und 24.05.2010 zum Hafturlaub abzuholen, könnten ein unabweisbarer Bedarf des Klägers sein. Auch wenn die Abholung und der Hafturlaub im überwiegenden Interesse des Sohnes lagen, sieht das Berufungsgericht auch einen Bedarf des Vaters, der seinen Sohn bei dessen sozialer Reintegration unterstützen wollte. Die Situation ist vergleichbar den Besuchen eines dauerhaft Inhaftierten oder im Krankenhaus Befindlichen (vgl. Münder, LPK SGB II, 4. Auflage 2011, § 21 Rn. 43).
Die JVA hat mit Schreiben vom 08.09.2010 dargelegt, dass eine Abholung dann notwendig war, wenn im Urlaubsantrag eine Abholung angekündigt wurde. Dem Sohn waren zwei Urlaube genehmigt worden, obwohl er nicht abgeholt wurde und alleine mit der Bahn gefahren ist. Dies zeigt, dass es durchaus möglich war, Urlaube ohne Abholung durch Angehörige zu erhalten. Dann spricht wenig dafür, dass die Abholung zu den anderen Urlauben ein unabweisbarer Bedarf des Klägers war. Sein Sohn hätte sich - unter Hinweis auf die angespannte Finanzlage seiner Angehörigen - um Urlaube ohne Abholung bemühen müssen.
Dies kann letztlich offen bleiben, weil es nicht erforderlich war, die Fahrten mit dem Pkw zu absolvieren, um den Sohn um 9.00 Uhr abzuholen. Der Kläger hätte bei seinen Fahrten den Zug und das günstige Bayern-Ticket benutzen müssen. Nur ein unabweisbarer Bedarf kann berücksichtigt werden. Es geht um die Sicherstellung des Existenzminimums. Einsparungsmöglichkeiten sind zu nutzen (so ausdrücklich BVerfG, Urteil vom 09.02.2010, Rn. 208). Allenfalls dieser finanzielle Bedarf war unabweisbar. Er war aber nicht erheblich.
Ein Bayern-Ticket für eine Person kostete im strittigen Zeitraum 20,- Euro, für bis zu fünf Personen 28,- Euro. In jedem Monat fiel nur eine einzige Hin- und Rückfahrt an. Bei Kostenteilung mit dem Sohn, der in der JVA Einkommen erzielte und in dessen vorwiegendem Interesse die Abholungen erfolgten, wäre bei den Abholungen nur ein Betrag von 14,- Euro monatlich angefallen. Damit wich dieser Bedarf nicht erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf ab. Er war nicht so erheblich, dass - unter Berücksichtigung sonstiger Einsparmöglichkeiten - der übrige existentielle Bedarf nicht mehr gewährleistet war. Eine Einsparmöglichkeit des Klägers bestand zum Beispiel darin, auf sein Auto zu verzichten. Der Kläger wohnte in der strittigen Zeit mitten in einer größeren Stadt. Außerdem ging es angesichts der absehbaren Entlassung des Sohnes nur um einige wenige Fahrten, so dass auch ein Rückgriff auf das Ansparpotential, das in der Regelleistung enthalten ist, zumutbar war.
Nach alledem kann der Senat einen erheblichen und unabweisbaren Mehrbedarf nicht erkennen. Damit ist der Bescheid des Beklagten vom 09.06.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2010 rechtlich nicht zu beanstanden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SG ersichtlich sind.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.07.2010 unter Berücksichtigung eines atypischen Mehrbedarfs aufgrund von Fahrten zu seinem inhaftierten Sohn.
Der 1960 geborene Kläger bildet mit seiner 1966 geborenen Frau sowie ihren am 1988, 1993 und 1993 geborenen Kindern eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 SGB II. Mit Bescheid vom 23.12.2009 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 01.01.2010 bis 30.06.2010. Der Kläger erhielt dabei für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.05.2010 monatlich 464,86 Euro (Regelleistung 323,- Euro und Leistungen für Unterkunft und Heizung von 141,86 Euro). Für Juni 2010 reduzierte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 06.07.2010 die Leistung des Klägers auf 413,86 Euro (Regelleistung: 271,97 Euro, Leistungen für Unterkunft und Heizung: 141,86 Euro), weil die Ehefrau nunmehr am Wohnort 496,77 Euro Erwerbseinkommen (brutto) erzielte. Mit Bescheid vom 24.06.2010 wurden Leistungen für den folgenden Bewilligungszeitraum bewilligt.
Am 05.06.2010 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme von Fahrtkosten anlässlich von Hafturlauben seines weiteren (ebenso 1988 geborenen) Sohnes C., der seit dem Frühjahr 2009 inhaftiert gewesen war und im Juli 2010 entlassen werden sollte.
Mit Bescheid vom 09.06.2010 lehnte der Beklagte die Übernahme der Fahrtkosten zur Abholung mit der Begründung ab, dass der Sohn weder Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei, noch ein unabweisbarer Bedarf bestünde.
Mit Widerspruch vom 14.06.2010 führte der Kläger an, dass der Sohn zum Zweck der Resozialisierung alle 14 Tage ca. fünf Tage Freigang bekomme. Bis zur seiner Entlassung entstünden so alle 14 Tage Fahrtkosten für ca. 800 km mit dem Pkw.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2010 zurückgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten. Der Sohn habe nur einmal monatlich Hafturlaub. Der Sohn habe aus der Arbeit während der Haft eigenes Einkommen, von dem die Reisekosten finanziert werden könnten. Überdies seien keine konkreten Kosten genannt und die deutlich kostengünstigere Zugreise nicht genutzt worden.
Der Kläger erhob am 02.08.2010 dagegen Klage zum Sozialgericht Augsburg. Er begehrte die Erstattung der Fahrtkosten, die ihm anlässlich der Besuche bzw. Hafturlaube seines mittlerweile aus der Haft entlassenen Sohnes entstanden seien. Die Entfernung zwischen dem Wohnort und der JVA betrage 177,7 km. Die einfache Fahrt mit dem Zug dauere zwischen 2 Stunden 27 Minuten und 3 Stunden 33 Minuten. Der Fahrpreis liege zwischen 36,- und 42,- Euro. Der Sohn C. habe am 16.01.2010 und am 13.02.2010 Ausgang erhalten. An diesen Tagen habe der Kläger seinen Sohn besucht. Vom 05.03.2010 bis zum 19.03.2010, 16.04.2010 bis 18.04.2010 sowie 24.05.2010 bis 26.05.2010 habe der Sohn Hafturlaub gewährt bekommen. Hafturlaub werde von der Haftanstalt nur genehmigt, wenn die gefangene Person von einem Angehören abgeholt werde. Aus diesem Grund habe der Kläger seinen Sohn zu den genannten Terminen jeweils abgeholt und wieder zurück gebracht. Auch am Tage der Entlassung (09.07.2010) habe er C. abgeholt.
Der Kläger habe einen laufenden, unabweisbaren Bedarf der sich aus Art.1 Abs.1 in Verbindung mit Art. 20 Abs.1 des Grundgesetzes bzw. aus § 21 Abs.6 SGB II ergebe. Dem Kläger sei eine Zugfahrt nicht zumutbar gewesen, da eine Abholung bis 9:00 Uhr habe erfolgen müssen. Das Bayern-Ticket habe deshalb nicht genutzt werden können. Schließlich seien derartige Ausgaben für Verkehr nicht von der Regelleistung gedeckt. Daher habe der Kläger Anspruch auf Erstattung der Kosten in Höhe von 0,30 Euro pro gefahrenen Kilometer.
Im Schreiben der JVA vom 08.09.2010 wird ausgeführt, dass das Reisemittel für den Hafturlaub freigestellt sei. Die Rückreise zur JVA habe der Inhaftierte eigenverantwortlich zu gestalten; eine Begleitung sei dabei nicht erforderlich. Auch den Antritt des Hafturlaubs habe der Inhaftierte eigenverantwortlich zu planen. Hafturlaub könne nur genehmigt werden, wenn eine Urlaubsadresse vorliege. Wenn die Hafturlauber eine Abholung durch Angehörige angeben würden, dann werde die Abholung generell als notwendige Voraussetzung für den Urlaub betrachtet, damit der Inhaftierte auch an der angegebenen Urlaubsadresse ankomme. Die Abholungen würden in der Regel zwischen 8.00 und 9.00 Uhr erfolgen. Ein späterer Zeitpunkt könne durchaus vereinbart werden. Von fünf Hafturlauben sei C. dreimal von den Angehörigen abgeholt worden. Zweimal sei er mit dem Zug gefahren.
Mit Urteil vom 23.11.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es bestehe kein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Fahrtkosten nach § 21 Abs. 6 SGB II bzw. Art 1 Abs. 1 i.V.m. Art 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Bei den Fahrten zur Ermöglichung der Hafturlaube handle es sich um einen Bedarf des inhaftierten Sohnes. Außerdem habe der Sohn die Hafturlaube mit der Bahn antreten können, wenn er nicht vorab eine Abholung durch Angehörige angegeben habe. Für die Rückkehr sei von vornherein keine Begleitung erforderlich gewesen. Die Besuchsfahren für die Ausgangstage seien dagegen kein unabweisbarer existentieller Bedarf des Klägers. Es bestehe auch kein Anspruch auf ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II. Das Urteil wurde dem Kläger am 03.12.2010 zugestellt.
Am 29.12.2010 hat der Kläger Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts eingelegt. Der Kläger und sein Sohn seien der Auffassung gewesen, dass die persönliche Abholung und Begleitung bei der Rückfahrt Voraussetzungen für den Hafturlaub gewesen seien. Bei den Fahrtkosten des Vaters habe es sich um dessen eigenen Bedarf gehandelt. Es sei dem Kläger nicht zumutbar gewesen, mit dem Zug zu fahren. Er habe seinen Sohn möglichst frühzeitig aus der JVA abholen wollen. Das Bayern-Ticket gelte erst ab 9:00 Uhr. Der Anteil für öffentlichen Nahverkehr in der Regelleistung liege bei einer Regelleistung von 323,- Euro unter 13,- Euro monatlich und decke die entstandenen Fahrtkosten bei weitem nicht ab.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.11.2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 09.06.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Fahrtkosten anlässlich der Besuche seines Sohnes C. am 16.01.2010 und 13.02.2010 sowie die Fahrkosten anlässlich der Abholungen und Wiederbringens des Sohnes am 15.03.2010 und 19.03.2010, 16.04. und 18.04.2010 sowie 24.06. und 26.05.2010 und der Abholung des Sohnes am 09.07.2010 in Höhe von 0,30 Euro pro gefahrenen Kilometer zu erstatten.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass es sich nicht um einen unabweisbaren besonderen Mehrbedarf handle. Der Kläger habe die Möglichkeit gehabt, erhebliche Kosten zu vermeiden. Die Nutzung eines Bayerntickets für zwei Personen zum Preis von 28,- Euro sei zumutbar gewesen. Die Kosten der Rückführung seien mangels Notwendigkeit nicht erforderlich.
Die Beteiligten wurden zum Erlass eines Beschlusses nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte des Beklagten und die Akten des Sozialgerichts und des Berufungsgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG). Die Berufungssumme von 750,- Euro wird überschritten (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Kläger begehrt für neun Fahrten (je hin und zurück) jeweils rund 105,- Euro (rund 350 km mal 0,30 Euro = 105,- Euro).
Die Berufung ist nicht begründet. Sie wird durch einstimmigen Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG als unbegründet zurückgewiesen. Eine weitere mündliche Verhandlung wird nicht für erforderlich gehalten. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Mehrbedarf wegen eines Härtefalls nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09) kann nicht berücksichtigt werden.
Streitgegenstand ist die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.07.2010. Der Kläger hatte mit seinem Antrag vom 05.06.2010 die Überprüfung der bisherigen Bewilligung wegen der Berücksichtigung der Fahrtkosten geltend gemacht. Zulässiger Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 09.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2010. Dieser schließt das Überprüfungsverfahren über den Bewilligungszeitraum 01.01.2010 bis 30.06.2010 ab. Dieser Zeitraum war zuvor mit Bescheid vom 23.12.2009 und Änderungsbescheid vom 06.07.2010 geregelt worden.
Die nachfolgende Bewilligung für die Folgezeit (Bescheid vom 24.06.2010, mit zutreffender Rechtsbehelfsbelehrung) wurde vom Kläger dagegen nicht angegriffen und auch nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens. Nur ergänzend wird angemerkt, dass in diese Zeit nur die Abholfahrt zur Entlassung am 09.07.2010 fällt; hierfür hat nicht einmal der Kläger behauptet, dass die Abholung eine Voraussetzung der Entlassung war.
Die Leistungsansprüche für den genannten Zeitraum sind im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (BSG, Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 9/06 R). Die Regelleistung hat der Beklagte zutreffend mit 323,- Euro bemessen. Die Kosten der Unterkunft wurden - abzüglich der Warmwasserpauschale - übernommen. Im Juni 2010 wurde das Erwerbseinkommens der Ehefrau richtig bereinigt nach § 11 Abs.2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 6 SGB II a.F. i.V.m. § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB a.F. Auch die Verteilung des bereinigten Einkommens auf die Bedarfgemeinschaft nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II ist zutreffend erfolgt.
Der Kläger hat auch unter Berücksichtigung der verbleibenden acht Fahrten zwischen 13.02.2010 und 26.05.2010 keinen Anspruch auf höhere Leistungen. § 21 Abs. 6 SGB II trat erst ab dem 03.06.2010 in Kraft und ist daher nicht entscheidungsrelevant.
Die Fahrtkosten für den Besuch am 16.01.2010 sind bereits mangels einer Anspruchsgrundlage nicht erstattungsfähig. Die vom BVerfG im Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, geschaffene Anspruchsgrundlage gilt nur für die Zeit ab der Verkündung dieses Urteils und damit nicht für Leistungszeiträume vor dem 09.02.2010 (BVerfG: Beschluss vom 24.03.2010, 1 BvR 395/09).
Auch die bei den weiteren sieben Fahrten entstandenen Kosten sind nicht geeignet, die durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien auszufüllen, um einen Mehrbedarf aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zu begründen. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen für einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht.
In der Entscheidung hatte das BVerfG ausgeführt, dass ein pauschaler Regelleistungsbetrag nach seiner Konzeption nur den durchschnittlichen Bedarf decken kann. Ein in Sonderfällen auftretender Bedarf nicht erfasster Art oder atypischen Umfangs werde von der Statistik nicht aussagekräftig ausgewiesen. Mithin könne sich die Regelleistung auch nicht hierauf erstrecken. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gebiete jedoch, auch einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf zu decken, wenn dies im Einzelfall für ein menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich sei. Der Mehrbedarf ist aber vorrangig durch alle verfügbaren Mittel zu decken. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Die vom Kläger geltend gemachten Kosten waren weder unabweisbar noch in der Höhe erheblich.
Die drei Fahrten (hin und zurück) zur Begleitung des Sohnes zurück in die JVA waren schon nicht unabweisbar. Der 21-jährige Sohn hätte ohne Weiteres mit öffentlichen Verkehrsmitteln alleine zurück zur JVA fahren können. Dass ihn sein Vater in lobenswerter Verbundenheit zurück in die JVA begleitete, macht diese Fahrten nicht zum existenznotwendigen Bedarf.
Allenfalls die Fahrt zum Ausgang am 13.02.2010 und die drei Fahrten, um den Kläger am 05.03.2010, 16.04.2010 und 24.05.2010 zum Hafturlaub abzuholen, könnten ein unabweisbarer Bedarf des Klägers sein. Auch wenn die Abholung und der Hafturlaub im überwiegenden Interesse des Sohnes lagen, sieht das Berufungsgericht auch einen Bedarf des Vaters, der seinen Sohn bei dessen sozialer Reintegration unterstützen wollte. Die Situation ist vergleichbar den Besuchen eines dauerhaft Inhaftierten oder im Krankenhaus Befindlichen (vgl. Münder, LPK SGB II, 4. Auflage 2011, § 21 Rn. 43).
Die JVA hat mit Schreiben vom 08.09.2010 dargelegt, dass eine Abholung dann notwendig war, wenn im Urlaubsantrag eine Abholung angekündigt wurde. Dem Sohn waren zwei Urlaube genehmigt worden, obwohl er nicht abgeholt wurde und alleine mit der Bahn gefahren ist. Dies zeigt, dass es durchaus möglich war, Urlaube ohne Abholung durch Angehörige zu erhalten. Dann spricht wenig dafür, dass die Abholung zu den anderen Urlauben ein unabweisbarer Bedarf des Klägers war. Sein Sohn hätte sich - unter Hinweis auf die angespannte Finanzlage seiner Angehörigen - um Urlaube ohne Abholung bemühen müssen.
Dies kann letztlich offen bleiben, weil es nicht erforderlich war, die Fahrten mit dem Pkw zu absolvieren, um den Sohn um 9.00 Uhr abzuholen. Der Kläger hätte bei seinen Fahrten den Zug und das günstige Bayern-Ticket benutzen müssen. Nur ein unabweisbarer Bedarf kann berücksichtigt werden. Es geht um die Sicherstellung des Existenzminimums. Einsparungsmöglichkeiten sind zu nutzen (so ausdrücklich BVerfG, Urteil vom 09.02.2010, Rn. 208). Allenfalls dieser finanzielle Bedarf war unabweisbar. Er war aber nicht erheblich.
Ein Bayern-Ticket für eine Person kostete im strittigen Zeitraum 20,- Euro, für bis zu fünf Personen 28,- Euro. In jedem Monat fiel nur eine einzige Hin- und Rückfahrt an. Bei Kostenteilung mit dem Sohn, der in der JVA Einkommen erzielte und in dessen vorwiegendem Interesse die Abholungen erfolgten, wäre bei den Abholungen nur ein Betrag von 14,- Euro monatlich angefallen. Damit wich dieser Bedarf nicht erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf ab. Er war nicht so erheblich, dass - unter Berücksichtigung sonstiger Einsparmöglichkeiten - der übrige existentielle Bedarf nicht mehr gewährleistet war. Eine Einsparmöglichkeit des Klägers bestand zum Beispiel darin, auf sein Auto zu verzichten. Der Kläger wohnte in der strittigen Zeit mitten in einer größeren Stadt. Außerdem ging es angesichts der absehbaren Entlassung des Sohnes nur um einige wenige Fahrten, so dass auch ein Rückgriff auf das Ansparpotential, das in der Regelleistung enthalten ist, zumutbar war.
Nach alledem kann der Senat einen erheblichen und unabweisbaren Mehrbedarf nicht erkennen. Damit ist der Bescheid des Beklagten vom 09.06.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2010 rechtlich nicht zu beanstanden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SG ersichtlich sind.
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