Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 21 KA 788/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 59/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 4/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Aufhebung einer durch die Verwaltung angeordneten sofortigen Vollziehung der Entziehung der Zulassung eines Vertragsarztes in einem gerichtlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahren entfaltet Wirkung nur ex nunc, nicht Wirkung ex tunc.
2. Die Anordnung des Sofortvollzuges kann auch durch den Zulassungsausschuss erfolgen.
2. Die Anordnung des Sofortvollzuges kann auch durch den Zulassungsausschuss erfolgen.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Januar 2011 aufgehoben und die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 10.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2009 abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die vollständige Vergütung der vom Kläger im Quartal 2/07 erbrachten Leistungen streitig. Der Kläger nahm als Allgemeinarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Dem Kläger wurde mit Bescheid des Zulassungsausschusses Ärzte - Niederbayern - vom 15.05.2007 (Beschluss vom 18.04.2007) die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung entzogen. Zugleich wurde die sofortige Vollziehung der Entscheidung angeordnet. Das Sozialgericht München hat mit Beschluss vom 09.07.2007 (Az.: S 39 KA 778/07 ER) die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben, weil diese Anordnung durch den Zulassungsausschuss mangels einer Rechtsgrundlage rechtswidrig sei.
Die Beklagte hat dem Kläger mit Honorarbescheid vom 10.10.2007 für das Quartal 2/2007 eine Restzahlung von 11.711,31 EUR zuerkannt. Dem Bescheid lag ein Richtigstellungsbescheid vom selben Tage bei, in dem umfangreiche Kürzungen nach dem Berichtigungskürzel MF 0019 erfolgt sind (MF 0019: "Die Leistungen wurden aufgrund der telefonischen/schriftlichen Mitteilung berichtigt"). Die Beklagte hat alle vom Kläger im Quartal 2/07 nach dem 15.05.2007 (= Datum des Bescheides des Zulassungsausschusses) erbrachten und abgerechneten Leistungen sachlich und rechnerisch berichtigt.
Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 17.10.2007. Der Honorarbescheid für das Quartal 2/2007 habe nicht berücksichtigt, dass das Sozialgericht München im Verfahren S 39 KA 778/07 ER den Sofortvollzug des Zulassungsentzugs aufgehoben habe. Im Übrigen seien die Berechnungen nicht nachvollziehbar.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2009 zurückgewiesen. Zu der hiesigen Problematik wird im Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass aufgrund des Zulassungsentzuges, welcher dem Kläger am 16.05.2007 zugestellt worden sei, dieser bis einschließlich 15.05.2007 insgesamt 258.135,0 Punkte zur Abrechnung gebracht und vergütet erhalten habe. Hinsichtlich des laufenden Verfahrens vor dem Sozialgericht seien die Abschlagszahlungen zum damaligen Zeitpunkt ausgesetzt worden, es sei lediglich für den Monat Juni die Überweisung einer Abschlagszahlung in Höhe von 4.400,- EUR erfolgt. Am 28.09.2007 habe der Kläger für das Quartal 2/2007 eine Restzahlung in Höhe von 8.374,16 EUR erhalten, wodurch die noch offenen Ansprüche des Klägers vollständig vergütet worden seien.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid richtet sich die Klage vom 07.10.2009, die mit Schriftsatz vom 15.06.2010 näher begründet wurde. Der angefochtene Bescheid vom 23.09.2009 verletze den Kläger in seinen Rechten. Zum einen sei gegen den Zulassungsentzug einstweiliger Rechtsschutz beim Sozialgericht München beantragt worden, zum anderen sei die Hauptsache gegen den Zulassungsentzug bis heute nicht entschieden. Eine Aussetzung, wie von der Beklagten auf Seite 5 des Bescheides dargestellt, sei im Hinblick auf den Suspensiveffekt des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens unzulässig. Die angebliche Restzahlung in Höhe von 8.374,16 EUR habe diese rechtlichen Ausgangsbedingungen nicht berücksichtigt. Die offenen Ansprüche des Klägers seien durch diese Restzahlung nicht vollständig vergütet worden. Bei der Akteneinsicht sei festgestellt worden, dass der Richtigstellungsbescheid vom 10.10.2007 in sich nicht nachvollziehbar und nicht schlüssig sei.
Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 28.01.2011 den Richtigstellungsbescheid vom 10.10.2007 insgesamt und den Honorarbescheid vom 10.10.2007 insoweit aufgehoben, als mit ihm die in dem Richtigstellungsbescheid abgesetzten Leistungen nicht vergütet worden seien, und die Beklagte wurde verurteilt, alle von dem Kläger im Quartal 2/2007 erbrachten und abgerechneten Leistungen zu berücksichtigen und zu vergüten.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.01.2011 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.07.2011 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt, die mit Schriftsatz vom 27.01.2012 begründet wurde. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Vergütung der streitgegenständlichen Leistungen, weil er im Quartal 2/07 ab 16.05.2007 nicht mehr zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt gewesen sei. Der Zulassungsausschuss Ärzte-Niederbayern habe die Zulassung des Klägers mit Beschluss/Bescheid vom 18.04.2007/15.05.2007 - zugestellt am 16.05.2007 - entzogen und diese Entscheidung für sofort vollziehbar erklärt. Der Umstand, dass das Sozialgericht München die sofortige Vollziehung des Zulassungsentzugs für rechtswidrig erachtet habe und mit Beschluss vom 09.07.2007 - Az.: S 39 KA 778/07 ER - aufgehoben und das Bayer. Landessozialgericht die dagegen eingelegte Beschwerde mit Beschluss vom 22.08.2008 - Az.: L 12 B 650/07 KA ER - zurückgewiesen habe, ändere daran nichts, denn der Sofortvollzug entfalle mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) und nicht ex tunc erst mit der Zustellung des Beschlusses des Bayer. Landessozialgerichts vom 22.08.2008. Die Feststellungen des Sozialgerichts München, wonach der Bescheid des Zulassungsausschusses nicht nur "(absolut) rechtswidrig, sondern - angesichts der eindeutigen und klaren Regelung in § 97 Abs. 4 SGB V - fast schon nichtig sein solle", seien bereits als solche nicht nachvollziehbar und ohne konkrete Aussage. Die Entscheidung des Zulassungsausschusses sei ein Verwaltungsakt, der mit der Bekanntgabe wirksam geworden sei (§ 39 Abs. 1 SGB X). Als solcher sei und bleibe er wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sei (§ 39 Abs. 2 SGB X). Nur ein nichtiger Verwaltungsakt sei unwirksam (§ 39 Abs. 3 SGB X). Nichtig sei ein Verwaltungsakt nur unter den in § 40 Abs. 1 und 2 SGB X geregelten Voraussetzungen. Diese seien vorliegend nicht gegeben. Die Entscheidung des Zulassungsausschusses Ärzte-Niederbayern sei kein Fall der absoluten sachlichen Unzuständigkeit. Der Zulassungsausschuss sei die zuständige Stelle zur Beschlussfassung und Entscheidung in Zulassungssachen und damit auch für die Entscheidung über die Entziehung der Zulassung (§ 96 Abs. 1 und § 95 Abs. 6 SGB V). Als solche sei er auch gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG für die Anordnung der sofortigen Vollziehung seiner Entscheidung zuständig (vgl. juris Praxiskommentar, § 97 SGB V Rn. 41). Es sei bekannt, dass das Bayer. Landessozialgericht bisher in einigen Entscheidungen - insbesondere auch mit Beschluss vom 22.08.2008, Az.: L 12 B 650/07 KA ER, bezogen auf den Kläger - die Ansicht vertreten habe, dass der Zulassungsausschuss keine Kompetenz zur Anordnung eines Sofortvollzuges habe. Die Rechtsmeinung des Bayer. Landessozialgerichts sei bislang höchstrichterlich nicht bestätigt worden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe sich in seinem Urteil vom 11.03.2009 - Az.: B 6 KA 15/08 R (Rdnr. 30) - auf die nicht weiter kommentierte Feststellung beschränkt, dass umstritten sei, ob der Zulassungsausschuss zur Anordnung der sofortigen Vollziehung berechtigt sei. Prof. Dr. C., Richter am BSG in dem für Vertragsarztrechtsangelegenheiten zuständigen 6. Senat, vertrete jedenfalls die Ansicht, dass der Zulassungsausschuss, wie jede andere Stelle, die Verwaltungsakte erlasse, auch über die Kompetenz zur Anordnung der sofortigen Vollziehung verfüge. Den Verbleib des § 97 Abs. 4 SGB V nach Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes sehe er allein in Klarstellungsgründen, weil der Berufungsausschuss im SGB V nicht als Widerspruchsbehörde bezeichnet sei (vgl. Festschrift
10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, S. 339 f.). Des Weiteren lägen rechtskräftige Entscheidungen von Sozialgerichten vor, die ausdrücklich bestätigten, dass der Zulassungsausschuss befugt sei, die sofortige Vollziehung seines Beschlusses anzuordnen (vgl. SG Marburg, Beschlüsse vom 19.07.2007 und 28.11.2007, Az.: S 12 KA 287/07 ER und Az.: S 12 KA 457/07 ER). Eine offensichtliche und absolute sachliche Unzuständigkeit des Zulassungsausschusses Ärzte-Niederbayern für die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei bei diesem Sachstand niemals gegeben. Im Vertragsarztrecht gelte in Zulassungssachen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Grundsatz, dass die Entscheidungen der Zulassungsinstanzen statusbegründenden Charakter haben und dass Statusentscheidungen nicht rückwirkend getroffen werden könnten. Die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung könne rückwirkend weder zuerkannt noch aberkannt werden, weil nach der Ordnungsfunktion der vertragsärztlichen Statusentscheidungen zum Schutz von Leistungserbringern und Versicherten zu Beginn einer ärztlichen Tätigkeit feststehen müsse, ob diese innerhalb oder außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werde (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 28.01.1998, Az.: B 6 KA 41/96 R). Dies gelte auch für Entscheidungen der Sozialgerichte mit der Folge, dass diese ex nunc und nicht ex tunc wirken. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses Ärzte-Niederbayern vom 18.04.2007/15.05.2007 sei daher aufgrund des Beschlusses des Bayer. Landessozialgerichts vom 22.08.2008 erst mit Zustellung von letzterem eingetreten. Für die Verbindlichkeit des Sofortvollzugs der Entziehung der Zulassung und damit des Verbots zur weiteren Teilnahme des Klägers an der vertragsärztlichen Versorgung sei es unerheblich, ob die Voraussetzungen für diese Anordnung erfüllt gewesen seien. Dennoch sei darauf hinzuweisen, dass das für die Anordnung der sofortigen Vollziehung erforderliche öffentliche Interesse an der Zulassungsentziehung des Klägers vorliegend gegeben gewesen sei (Hinweis auf Beschlüsse des Sozialgerichts München vom 07.12.2007 - Az.: S 21 KA 1082/07 ER und des Bayer. Landessozialgericht vom 14.08.2008 - Az.: L 12 KA 52/09 B ER).
Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.01.2011 - Az.: S 21 KA 788/09 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellt den Antrag,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 12.03.2012 vorgetragen, dass die Zulassungsentziehung durch den Zulassungsausschuss aufgrund des Beschlusses/Bescheides vom 18.04.2007/15.05.2007 dem Kläger am 16.05.2007 zugestellt worden sei. Die Beklagte habe dem Bevollmächtigten des Klägers daraufhin mit Fax vom 16.05.2007 mitgeteilt, dass dieser ab sofort nicht mehr berechtigt sei, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen und abzurechnen. Diesen Standpunkt habe die Beklagte mit Schreiben vom 14.06.2007 und 18.06.2007 bekräftigt, nachdem diesseits auf die Antragstellung nach § 86b SGG hingewiesen worden sei. Das im Richtigstellungsbescheid vom 10.10.2007 angegebene Berichtigungskürzel "MF 0019" nehme Bezug auf die Zulassungsentziehung und die genannten Schreiben der Beklagten. Dies ergebe sich auch aus der Begründung des Widerspruchsbescheides, wo es heiße, aufgrund des Zulassungsentzuges, welcher dem Kläger am 16.05.2007 zugestellt worden sei, habe der Kläger bis einschließlich 15.05.2007 insgesamt 258.135,0 Punkte zur Abrechnung gebracht und vergütet erhalten. Gegen die Bescheide für Quartal 2/2007 sei am 17.10.2007 Widerspruch eingelegt worden. Das Sozialgericht München habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Beschluss des Sozialgerichts München vom 09.07.2007 (Az.: L 39 KA 778/07 ER), bestätigt durch Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 22.08.2008
(Az.: L 12 B 650/07 KA ER), aufgehoben. Die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung durch den Berufungsausschuss unter Anordnung der sofortigen Vollziehung sei mit Beschluss vom 14.08.2007, zugestellt am 06.11.2007, erfolgt. Daraufhin habe sich die Beklagte mit Schreiben vom 09.11.2007 geäußert, dass der Kläger aufgrund dieses Beschlusses ab dem 06.11.2007 nicht mehr berechtigt sei, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen. Im Umkehrschluss sei hieraus zu folgern, dass auch die Beklagte davon ausgegangen sei, dass zuvor eine Berechtigung des Klägers bestanden habe. Dies werde auch durch den Umstand bestätigt, dass für das Quartal 3/2007 wieder Honorar in Höhe von 16.715,29 EUR festgesetzt worden sei. Dem Kläger stehe vertragsärztliches Honorar über den 16.05.2007 hinaus zu. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Zulassungsausschuss sei rechtswidrig. Die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung habe im Regelfall Rückwirkung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 86b Rn. 19 SGG-Kommentar). Das Sozialgericht habe auch keine anderweitige vom Regelfall abweichende Entscheidung getroffen. Es wäre auch nicht sachgerecht, den Kläger als Adressaten eines rechtswidrigen Zulassungsentziehungsbescheides auf eine ex nunc-Aufhebung zu verweisen. Da die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtswidrig und mit ex tunc-Wirkung sei aufgehoben worden sei, habe die Anrufung des Berufungsausschusses vom 16.05.2007 gemäß § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB V aufschiebende Wirkung. Die Folge der aufschiebenden Wirkung sei, dass aus dem Bescheid über die Entziehung der Zulassung keine Folgen gezogen werden dürften. Der Status bleibe vielmehr erhalten, auch die aufschiebende Wirkung habe ex tunc-Wirkung. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Berufungsausschuss vom 14.08.2007 bzw. durch Bescheid vom 05.11.2007 wirke gemäß § 97 Abs. 4 SGB V nicht zurück.
Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts München mit dem Az.: S 21 KA 788/09 und die Berufungsakte mit dem Az.: L 12 KA 59/11 zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren weiteren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.
Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 28. Januar 2011 zu Unrecht den Richtigstellungsbescheid der Beklagten vom 10.10.2007 in vollem Umfang und den Honorarbescheid der Beklagten vom 10.10.2007 insoweit aufgehoben, als dem Kläger die in dem Richtigstellungsbescheid abgesetzten Leistungen nicht vergütet wurden, und hat deswegen zu Unrecht den Beklagten verurteilt, alle - auch die ab dem 16.05.2007 - vom Kläger im Quartal 2/2007 erbrachten und abgerechneten Leistungen zu berücksichtigen und anschließend zu vergüten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung der streitgegenständlichen von ihm erbrachten und abgerechneten Leistungen ab dem 16.05.2007, weil er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt war. Dies ergibt sich daraus, dass der Zulassungsausschuss Ärzte-Niederbayern dem Kläger mit Beschluss/Bescheid vom 18.04.2007/15.05.2007 - zugestellt am 16.05.2007 - die Zulassung entzogen hat und diese Entscheidung für sofort vollziehbar erklärt hat.
Bei der Entscheidung des Zulassungsausschusses zur Entziehung der Zulassung des Klägers handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der mit der Bekanntgabe wirksam geworden ist (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dieser Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben und durch Zeitablauf oder andere Weise erledigt ist. Derartiges ist vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, wobei es unerheblich ist, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig oder rechtmäßig ist. Die Entziehung der Zulassung ist mittlerweile bestandskräftig geworden.
Der Sofortvollzug der Zulassungsentziehung ist allerdings selbst kein Verwaltungsakt, weil er keine Rechtsfolgeanordnung und damit keine Regelung i.S.v. § 31 SGB X aufweist, sondern als unselbständiger Teil des Verwaltungsaktes der Zulassungsentziehung lediglich die Wirksamkeit dieses Verwaltungsakts bewirkt bzw. mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ein Vollziehungshindernis beseitigt. Der Sofortvollzug ist also eine auf die Dimension "Zeit" bezogene Nebenentscheidung zum Verwaltungsakt, die eine rechtliche Aussage zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verwaltungsakts trifft.
Die Wirksamkeit des Sofortvollzugs durch Beschluss/Bescheid des Zulassungsausschusses Ärzte-Niederbayern vom 18.04.2007/15.05.2007 entfällt nicht deswegen, weil diese Entscheidung mit Beschluss des Sozialgerichts München vom 09.07.2007 (Az.: S 39 KA 778/07 ER) - bestätigt durch den Beschluss des Bayer. LSG vom 22.08.2008 (Az.: L 12 B 650/07 KA ER) - aufgehoben wurde. Denn diese Entscheidung entfaltet Wirksamkeit erst mit Zustellung des Beschlusses des Bayer. Landessozialgerichts vom 22.08.2008. Die Aufhebung dieses Sofortvollzugs durch das Sozialgerichts München - bestätigt durch den Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts - entfaltet insbesondere nur ex nunc-Wirkung. Zwar ist im Grundsatz davon auszugehen, dass die aufschiebende Wirkung ebenso wie der Sofortvollzug ex tunc wirken, d.h. sie entfallen mit rückwirkender Kraft und gelten von ihrem Beginn an als nicht eingetreten. In Fällen, wo die ex tunc-Wirkung aber "nicht passt", was an der "konkreten" Rechtsfolge und deren Ordnungsfunktion auszurichten ist (vgl. Redecker/von Oertzen, VwGO, 14. Auflage 2004, § 80 Rn. 5) endet die aufschiebende Wirkung bzw. hier der Sofortvollzug erst ex nunc. So stellt sich die Sach- und Rechtslage im Bereich des Vertragsarztrechts dar (vgl. etwa BSG, Urteil vom 28.01.1998 - Az.: B 6 KA 41/96 R = SozR 3-1500 § 97 Nr. 3 S. 8). Für das Vertragsarztrecht ist es unerlässlich, dass bereits im Zeitpunkt der Leistungserbringung feststehen muss, ob eine Kassenbehandlung (oder nur eine Privatbehandlung) vorliegt, so dass ein rückwirkender Wegfall der aufschiebenden Wirkung bzw. des angeordneten Sofortvollzugs mit der Folge nachträglicher Anerkennung von Kassenbehandlungen nicht vertretbar ist.
Auf die Frage, ob der Zulassungsausschuss seinerseits einen Sofortvollzug seiner Entscheidung anordnen kann, oder dies ausschließlich dem Berufungsausschuss (§ 97 Abs. 4 SGB V) vorbehalten ist, kommt es nach alledem nicht entscheidungserheblich an.
Der Senat stellt gleichwohl im Rahmen des hiesigen Hauptsacheverfahrens - trotz der anderslautenden Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (L 12 B 650/07 KA, Beschluss vom 22.08.2008) - fest, dass er nicht mehr an der Auffassung festhält, dass nur der Berufungsausschuss wegen § 97 Abs. 4 SGB V den Sofortvollzug seiner Entscheidung anordnen kann, sondern dieses Recht seit der umfassenden Normierung des einstweiligen Rechtsschutzes im Sozialgerichtsgesetz durch Gesetz vom 17.08.2001 (BGBl I S. 2144) auch dem Zulassungsausschuss zusteht. Gemäß § 86a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGG kann die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat, unter den dort genannten Voraussetzungen auch den Sofortvollzug dieser Entscheidung anordnen. Diese Ermächtigungsnorm geht als jüngere und speziellere Regelung der in § 97 Abs. 4 SGB V enthaltenen Regelung vor, wonach "der Berufungsausschuss die sofortige Vollziehung seiner Entscheidung anordnen kann" (in der seit 01.01.1989 unverändert geltenden Fassung durch das "Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen, GRG vom 20.12.1998, BGBl I S. 2477, für die Zeit vor dem 01.01.1989 gleichlautend § 368 b Abs. 3 RVO). Es gibt keinen Anhaltspunkt dahingehend, dass die unveränderte Geltung des § 97 Abs. 4 SGB V den Zulassungsausschuss von der neuen umfassenden Kompetenz der Anordnung sofortiger Vollziehbarkeit - wie sie jeder Verwaltungsakte erlassenden Stelle zusteht - ausschließen wollte. Dem unveränderten § 97 Abs. 4 SGB V kommt vielmehr lediglich noch eine klarstellende Funktion insofern zu, als der Berufungsausschuss im SGB V nicht als Widerspruchsstelle bezeichnet wird, (vgl. zum Ganzen: C., Festschrift 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft im DAV, S. 339/340). Auch im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG muss die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit - insbesondere auch im Zusammenhang mit Konkurrentenklagen - in jeder Phase des Verwaltungsverfahrens möglich sein.
Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
II. Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die vollständige Vergütung der vom Kläger im Quartal 2/07 erbrachten Leistungen streitig. Der Kläger nahm als Allgemeinarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Dem Kläger wurde mit Bescheid des Zulassungsausschusses Ärzte - Niederbayern - vom 15.05.2007 (Beschluss vom 18.04.2007) die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung entzogen. Zugleich wurde die sofortige Vollziehung der Entscheidung angeordnet. Das Sozialgericht München hat mit Beschluss vom 09.07.2007 (Az.: S 39 KA 778/07 ER) die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben, weil diese Anordnung durch den Zulassungsausschuss mangels einer Rechtsgrundlage rechtswidrig sei.
Die Beklagte hat dem Kläger mit Honorarbescheid vom 10.10.2007 für das Quartal 2/2007 eine Restzahlung von 11.711,31 EUR zuerkannt. Dem Bescheid lag ein Richtigstellungsbescheid vom selben Tage bei, in dem umfangreiche Kürzungen nach dem Berichtigungskürzel MF 0019 erfolgt sind (MF 0019: "Die Leistungen wurden aufgrund der telefonischen/schriftlichen Mitteilung berichtigt"). Die Beklagte hat alle vom Kläger im Quartal 2/07 nach dem 15.05.2007 (= Datum des Bescheides des Zulassungsausschusses) erbrachten und abgerechneten Leistungen sachlich und rechnerisch berichtigt.
Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 17.10.2007. Der Honorarbescheid für das Quartal 2/2007 habe nicht berücksichtigt, dass das Sozialgericht München im Verfahren S 39 KA 778/07 ER den Sofortvollzug des Zulassungsentzugs aufgehoben habe. Im Übrigen seien die Berechnungen nicht nachvollziehbar.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2009 zurückgewiesen. Zu der hiesigen Problematik wird im Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass aufgrund des Zulassungsentzuges, welcher dem Kläger am 16.05.2007 zugestellt worden sei, dieser bis einschließlich 15.05.2007 insgesamt 258.135,0 Punkte zur Abrechnung gebracht und vergütet erhalten habe. Hinsichtlich des laufenden Verfahrens vor dem Sozialgericht seien die Abschlagszahlungen zum damaligen Zeitpunkt ausgesetzt worden, es sei lediglich für den Monat Juni die Überweisung einer Abschlagszahlung in Höhe von 4.400,- EUR erfolgt. Am 28.09.2007 habe der Kläger für das Quartal 2/2007 eine Restzahlung in Höhe von 8.374,16 EUR erhalten, wodurch die noch offenen Ansprüche des Klägers vollständig vergütet worden seien.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid richtet sich die Klage vom 07.10.2009, die mit Schriftsatz vom 15.06.2010 näher begründet wurde. Der angefochtene Bescheid vom 23.09.2009 verletze den Kläger in seinen Rechten. Zum einen sei gegen den Zulassungsentzug einstweiliger Rechtsschutz beim Sozialgericht München beantragt worden, zum anderen sei die Hauptsache gegen den Zulassungsentzug bis heute nicht entschieden. Eine Aussetzung, wie von der Beklagten auf Seite 5 des Bescheides dargestellt, sei im Hinblick auf den Suspensiveffekt des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens unzulässig. Die angebliche Restzahlung in Höhe von 8.374,16 EUR habe diese rechtlichen Ausgangsbedingungen nicht berücksichtigt. Die offenen Ansprüche des Klägers seien durch diese Restzahlung nicht vollständig vergütet worden. Bei der Akteneinsicht sei festgestellt worden, dass der Richtigstellungsbescheid vom 10.10.2007 in sich nicht nachvollziehbar und nicht schlüssig sei.
Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 28.01.2011 den Richtigstellungsbescheid vom 10.10.2007 insgesamt und den Honorarbescheid vom 10.10.2007 insoweit aufgehoben, als mit ihm die in dem Richtigstellungsbescheid abgesetzten Leistungen nicht vergütet worden seien, und die Beklagte wurde verurteilt, alle von dem Kläger im Quartal 2/2007 erbrachten und abgerechneten Leistungen zu berücksichtigen und zu vergüten.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.01.2011 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.07.2011 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt, die mit Schriftsatz vom 27.01.2012 begründet wurde. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Vergütung der streitgegenständlichen Leistungen, weil er im Quartal 2/07 ab 16.05.2007 nicht mehr zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt gewesen sei. Der Zulassungsausschuss Ärzte-Niederbayern habe die Zulassung des Klägers mit Beschluss/Bescheid vom 18.04.2007/15.05.2007 - zugestellt am 16.05.2007 - entzogen und diese Entscheidung für sofort vollziehbar erklärt. Der Umstand, dass das Sozialgericht München die sofortige Vollziehung des Zulassungsentzugs für rechtswidrig erachtet habe und mit Beschluss vom 09.07.2007 - Az.: S 39 KA 778/07 ER - aufgehoben und das Bayer. Landessozialgericht die dagegen eingelegte Beschwerde mit Beschluss vom 22.08.2008 - Az.: L 12 B 650/07 KA ER - zurückgewiesen habe, ändere daran nichts, denn der Sofortvollzug entfalle mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) und nicht ex tunc erst mit der Zustellung des Beschlusses des Bayer. Landessozialgerichts vom 22.08.2008. Die Feststellungen des Sozialgerichts München, wonach der Bescheid des Zulassungsausschusses nicht nur "(absolut) rechtswidrig, sondern - angesichts der eindeutigen und klaren Regelung in § 97 Abs. 4 SGB V - fast schon nichtig sein solle", seien bereits als solche nicht nachvollziehbar und ohne konkrete Aussage. Die Entscheidung des Zulassungsausschusses sei ein Verwaltungsakt, der mit der Bekanntgabe wirksam geworden sei (§ 39 Abs. 1 SGB X). Als solcher sei und bleibe er wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sei (§ 39 Abs. 2 SGB X). Nur ein nichtiger Verwaltungsakt sei unwirksam (§ 39 Abs. 3 SGB X). Nichtig sei ein Verwaltungsakt nur unter den in § 40 Abs. 1 und 2 SGB X geregelten Voraussetzungen. Diese seien vorliegend nicht gegeben. Die Entscheidung des Zulassungsausschusses Ärzte-Niederbayern sei kein Fall der absoluten sachlichen Unzuständigkeit. Der Zulassungsausschuss sei die zuständige Stelle zur Beschlussfassung und Entscheidung in Zulassungssachen und damit auch für die Entscheidung über die Entziehung der Zulassung (§ 96 Abs. 1 und § 95 Abs. 6 SGB V). Als solche sei er auch gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG für die Anordnung der sofortigen Vollziehung seiner Entscheidung zuständig (vgl. juris Praxiskommentar, § 97 SGB V Rn. 41). Es sei bekannt, dass das Bayer. Landessozialgericht bisher in einigen Entscheidungen - insbesondere auch mit Beschluss vom 22.08.2008, Az.: L 12 B 650/07 KA ER, bezogen auf den Kläger - die Ansicht vertreten habe, dass der Zulassungsausschuss keine Kompetenz zur Anordnung eines Sofortvollzuges habe. Die Rechtsmeinung des Bayer. Landessozialgerichts sei bislang höchstrichterlich nicht bestätigt worden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe sich in seinem Urteil vom 11.03.2009 - Az.: B 6 KA 15/08 R (Rdnr. 30) - auf die nicht weiter kommentierte Feststellung beschränkt, dass umstritten sei, ob der Zulassungsausschuss zur Anordnung der sofortigen Vollziehung berechtigt sei. Prof. Dr. C., Richter am BSG in dem für Vertragsarztrechtsangelegenheiten zuständigen 6. Senat, vertrete jedenfalls die Ansicht, dass der Zulassungsausschuss, wie jede andere Stelle, die Verwaltungsakte erlasse, auch über die Kompetenz zur Anordnung der sofortigen Vollziehung verfüge. Den Verbleib des § 97 Abs. 4 SGB V nach Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes sehe er allein in Klarstellungsgründen, weil der Berufungsausschuss im SGB V nicht als Widerspruchsbehörde bezeichnet sei (vgl. Festschrift
10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, S. 339 f.). Des Weiteren lägen rechtskräftige Entscheidungen von Sozialgerichten vor, die ausdrücklich bestätigten, dass der Zulassungsausschuss befugt sei, die sofortige Vollziehung seines Beschlusses anzuordnen (vgl. SG Marburg, Beschlüsse vom 19.07.2007 und 28.11.2007, Az.: S 12 KA 287/07 ER und Az.: S 12 KA 457/07 ER). Eine offensichtliche und absolute sachliche Unzuständigkeit des Zulassungsausschusses Ärzte-Niederbayern für die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei bei diesem Sachstand niemals gegeben. Im Vertragsarztrecht gelte in Zulassungssachen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Grundsatz, dass die Entscheidungen der Zulassungsinstanzen statusbegründenden Charakter haben und dass Statusentscheidungen nicht rückwirkend getroffen werden könnten. Die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung könne rückwirkend weder zuerkannt noch aberkannt werden, weil nach der Ordnungsfunktion der vertragsärztlichen Statusentscheidungen zum Schutz von Leistungserbringern und Versicherten zu Beginn einer ärztlichen Tätigkeit feststehen müsse, ob diese innerhalb oder außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werde (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 28.01.1998, Az.: B 6 KA 41/96 R). Dies gelte auch für Entscheidungen der Sozialgerichte mit der Folge, dass diese ex nunc und nicht ex tunc wirken. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses Ärzte-Niederbayern vom 18.04.2007/15.05.2007 sei daher aufgrund des Beschlusses des Bayer. Landessozialgerichts vom 22.08.2008 erst mit Zustellung von letzterem eingetreten. Für die Verbindlichkeit des Sofortvollzugs der Entziehung der Zulassung und damit des Verbots zur weiteren Teilnahme des Klägers an der vertragsärztlichen Versorgung sei es unerheblich, ob die Voraussetzungen für diese Anordnung erfüllt gewesen seien. Dennoch sei darauf hinzuweisen, dass das für die Anordnung der sofortigen Vollziehung erforderliche öffentliche Interesse an der Zulassungsentziehung des Klägers vorliegend gegeben gewesen sei (Hinweis auf Beschlüsse des Sozialgerichts München vom 07.12.2007 - Az.: S 21 KA 1082/07 ER und des Bayer. Landessozialgericht vom 14.08.2008 - Az.: L 12 KA 52/09 B ER).
Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.01.2011 - Az.: S 21 KA 788/09 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellt den Antrag,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 12.03.2012 vorgetragen, dass die Zulassungsentziehung durch den Zulassungsausschuss aufgrund des Beschlusses/Bescheides vom 18.04.2007/15.05.2007 dem Kläger am 16.05.2007 zugestellt worden sei. Die Beklagte habe dem Bevollmächtigten des Klägers daraufhin mit Fax vom 16.05.2007 mitgeteilt, dass dieser ab sofort nicht mehr berechtigt sei, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen und abzurechnen. Diesen Standpunkt habe die Beklagte mit Schreiben vom 14.06.2007 und 18.06.2007 bekräftigt, nachdem diesseits auf die Antragstellung nach § 86b SGG hingewiesen worden sei. Das im Richtigstellungsbescheid vom 10.10.2007 angegebene Berichtigungskürzel "MF 0019" nehme Bezug auf die Zulassungsentziehung und die genannten Schreiben der Beklagten. Dies ergebe sich auch aus der Begründung des Widerspruchsbescheides, wo es heiße, aufgrund des Zulassungsentzuges, welcher dem Kläger am 16.05.2007 zugestellt worden sei, habe der Kläger bis einschließlich 15.05.2007 insgesamt 258.135,0 Punkte zur Abrechnung gebracht und vergütet erhalten. Gegen die Bescheide für Quartal 2/2007 sei am 17.10.2007 Widerspruch eingelegt worden. Das Sozialgericht München habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Beschluss des Sozialgerichts München vom 09.07.2007 (Az.: L 39 KA 778/07 ER), bestätigt durch Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 22.08.2008
(Az.: L 12 B 650/07 KA ER), aufgehoben. Die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung durch den Berufungsausschuss unter Anordnung der sofortigen Vollziehung sei mit Beschluss vom 14.08.2007, zugestellt am 06.11.2007, erfolgt. Daraufhin habe sich die Beklagte mit Schreiben vom 09.11.2007 geäußert, dass der Kläger aufgrund dieses Beschlusses ab dem 06.11.2007 nicht mehr berechtigt sei, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen. Im Umkehrschluss sei hieraus zu folgern, dass auch die Beklagte davon ausgegangen sei, dass zuvor eine Berechtigung des Klägers bestanden habe. Dies werde auch durch den Umstand bestätigt, dass für das Quartal 3/2007 wieder Honorar in Höhe von 16.715,29 EUR festgesetzt worden sei. Dem Kläger stehe vertragsärztliches Honorar über den 16.05.2007 hinaus zu. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Zulassungsausschuss sei rechtswidrig. Die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung habe im Regelfall Rückwirkung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 86b Rn. 19 SGG-Kommentar). Das Sozialgericht habe auch keine anderweitige vom Regelfall abweichende Entscheidung getroffen. Es wäre auch nicht sachgerecht, den Kläger als Adressaten eines rechtswidrigen Zulassungsentziehungsbescheides auf eine ex nunc-Aufhebung zu verweisen. Da die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtswidrig und mit ex tunc-Wirkung sei aufgehoben worden sei, habe die Anrufung des Berufungsausschusses vom 16.05.2007 gemäß § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB V aufschiebende Wirkung. Die Folge der aufschiebenden Wirkung sei, dass aus dem Bescheid über die Entziehung der Zulassung keine Folgen gezogen werden dürften. Der Status bleibe vielmehr erhalten, auch die aufschiebende Wirkung habe ex tunc-Wirkung. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Berufungsausschuss vom 14.08.2007 bzw. durch Bescheid vom 05.11.2007 wirke gemäß § 97 Abs. 4 SGB V nicht zurück.
Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts München mit dem Az.: S 21 KA 788/09 und die Berufungsakte mit dem Az.: L 12 KA 59/11 zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren weiteren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.
Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 28. Januar 2011 zu Unrecht den Richtigstellungsbescheid der Beklagten vom 10.10.2007 in vollem Umfang und den Honorarbescheid der Beklagten vom 10.10.2007 insoweit aufgehoben, als dem Kläger die in dem Richtigstellungsbescheid abgesetzten Leistungen nicht vergütet wurden, und hat deswegen zu Unrecht den Beklagten verurteilt, alle - auch die ab dem 16.05.2007 - vom Kläger im Quartal 2/2007 erbrachten und abgerechneten Leistungen zu berücksichtigen und anschließend zu vergüten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung der streitgegenständlichen von ihm erbrachten und abgerechneten Leistungen ab dem 16.05.2007, weil er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt war. Dies ergibt sich daraus, dass der Zulassungsausschuss Ärzte-Niederbayern dem Kläger mit Beschluss/Bescheid vom 18.04.2007/15.05.2007 - zugestellt am 16.05.2007 - die Zulassung entzogen hat und diese Entscheidung für sofort vollziehbar erklärt hat.
Bei der Entscheidung des Zulassungsausschusses zur Entziehung der Zulassung des Klägers handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der mit der Bekanntgabe wirksam geworden ist (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dieser Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben und durch Zeitablauf oder andere Weise erledigt ist. Derartiges ist vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, wobei es unerheblich ist, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig oder rechtmäßig ist. Die Entziehung der Zulassung ist mittlerweile bestandskräftig geworden.
Der Sofortvollzug der Zulassungsentziehung ist allerdings selbst kein Verwaltungsakt, weil er keine Rechtsfolgeanordnung und damit keine Regelung i.S.v. § 31 SGB X aufweist, sondern als unselbständiger Teil des Verwaltungsaktes der Zulassungsentziehung lediglich die Wirksamkeit dieses Verwaltungsakts bewirkt bzw. mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ein Vollziehungshindernis beseitigt. Der Sofortvollzug ist also eine auf die Dimension "Zeit" bezogene Nebenentscheidung zum Verwaltungsakt, die eine rechtliche Aussage zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verwaltungsakts trifft.
Die Wirksamkeit des Sofortvollzugs durch Beschluss/Bescheid des Zulassungsausschusses Ärzte-Niederbayern vom 18.04.2007/15.05.2007 entfällt nicht deswegen, weil diese Entscheidung mit Beschluss des Sozialgerichts München vom 09.07.2007 (Az.: S 39 KA 778/07 ER) - bestätigt durch den Beschluss des Bayer. LSG vom 22.08.2008 (Az.: L 12 B 650/07 KA ER) - aufgehoben wurde. Denn diese Entscheidung entfaltet Wirksamkeit erst mit Zustellung des Beschlusses des Bayer. Landessozialgerichts vom 22.08.2008. Die Aufhebung dieses Sofortvollzugs durch das Sozialgerichts München - bestätigt durch den Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts - entfaltet insbesondere nur ex nunc-Wirkung. Zwar ist im Grundsatz davon auszugehen, dass die aufschiebende Wirkung ebenso wie der Sofortvollzug ex tunc wirken, d.h. sie entfallen mit rückwirkender Kraft und gelten von ihrem Beginn an als nicht eingetreten. In Fällen, wo die ex tunc-Wirkung aber "nicht passt", was an der "konkreten" Rechtsfolge und deren Ordnungsfunktion auszurichten ist (vgl. Redecker/von Oertzen, VwGO, 14. Auflage 2004, § 80 Rn. 5) endet die aufschiebende Wirkung bzw. hier der Sofortvollzug erst ex nunc. So stellt sich die Sach- und Rechtslage im Bereich des Vertragsarztrechts dar (vgl. etwa BSG, Urteil vom 28.01.1998 - Az.: B 6 KA 41/96 R = SozR 3-1500 § 97 Nr. 3 S. 8). Für das Vertragsarztrecht ist es unerlässlich, dass bereits im Zeitpunkt der Leistungserbringung feststehen muss, ob eine Kassenbehandlung (oder nur eine Privatbehandlung) vorliegt, so dass ein rückwirkender Wegfall der aufschiebenden Wirkung bzw. des angeordneten Sofortvollzugs mit der Folge nachträglicher Anerkennung von Kassenbehandlungen nicht vertretbar ist.
Auf die Frage, ob der Zulassungsausschuss seinerseits einen Sofortvollzug seiner Entscheidung anordnen kann, oder dies ausschließlich dem Berufungsausschuss (§ 97 Abs. 4 SGB V) vorbehalten ist, kommt es nach alledem nicht entscheidungserheblich an.
Der Senat stellt gleichwohl im Rahmen des hiesigen Hauptsacheverfahrens - trotz der anderslautenden Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (L 12 B 650/07 KA, Beschluss vom 22.08.2008) - fest, dass er nicht mehr an der Auffassung festhält, dass nur der Berufungsausschuss wegen § 97 Abs. 4 SGB V den Sofortvollzug seiner Entscheidung anordnen kann, sondern dieses Recht seit der umfassenden Normierung des einstweiligen Rechtsschutzes im Sozialgerichtsgesetz durch Gesetz vom 17.08.2001 (BGBl I S. 2144) auch dem Zulassungsausschuss zusteht. Gemäß § 86a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGG kann die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat, unter den dort genannten Voraussetzungen auch den Sofortvollzug dieser Entscheidung anordnen. Diese Ermächtigungsnorm geht als jüngere und speziellere Regelung der in § 97 Abs. 4 SGB V enthaltenen Regelung vor, wonach "der Berufungsausschuss die sofortige Vollziehung seiner Entscheidung anordnen kann" (in der seit 01.01.1989 unverändert geltenden Fassung durch das "Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen, GRG vom 20.12.1998, BGBl I S. 2477, für die Zeit vor dem 01.01.1989 gleichlautend § 368 b Abs. 3 RVO). Es gibt keinen Anhaltspunkt dahingehend, dass die unveränderte Geltung des § 97 Abs. 4 SGB V den Zulassungsausschuss von der neuen umfassenden Kompetenz der Anordnung sofortiger Vollziehbarkeit - wie sie jeder Verwaltungsakte erlassenden Stelle zusteht - ausschließen wollte. Dem unveränderten § 97 Abs. 4 SGB V kommt vielmehr lediglich noch eine klarstellende Funktion insofern zu, als der Berufungsausschuss im SGB V nicht als Widerspruchsstelle bezeichnet wird, (vgl. zum Ganzen: C., Festschrift 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft im DAV, S. 339/340). Auch im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG muss die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit - insbesondere auch im Zusammenhang mit Konkurrentenklagen - in jeder Phase des Verwaltungsverfahrens möglich sein.
Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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