Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 314/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 93/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 377/12 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Nachweis der Exposition gegenüber aromatischen Aminen als Voraussetzung der Anerkennung einer Harnblasenkrebserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob die Krebserkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen ist.
Der 1959 in Italien geborene Kläger reiste 1971 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach seinem Schulabschluss begann er eine Ausbildung zum Werkzeugmacher und war von 1973 bis 1976 bei der Firma XY. in X-Stadt beschäftigt. Dort war er gegenüber Metallstäuben, Reinigungsmitteln und Ölen exponiert. Von 1976 bis 1977 arbeitete er in Italien in einer Schmiede und erlernte das Elektrodenschweißen von Baustahl. Zusätzlich verrichtete er Schlosserarbeiten und war in 50 % seiner Arbeitszeit mit dem Grundieren und Lackieren von Toren und Geländern beschäftigt. Diese Arbeiten wurden mit dem Pinsel durchgeführt. Von 1977 bis 1978 arbeitete der Kläger in der Schreinerei der Stuhlfabrik QX. in A-Stadt. Es wurden Bestuhlung, Tische und Schränke für Lokale angefertigt. Der Kläger war mit dem Sägen, Fräsen und Schleifen von Holz beschäftigt. Ca. ein Drittel seiner Arbeitszeit verbrachte er mit der Oberflächenbehandlung des Holzes durch Beizen und Lackieren an einem Tauchbecken. Ein unmittelbarer Kontakt zu den Beizen und Lacken bestand nicht. Die Holzteile wurden aufgehängt und dann halbautomatisch mit einer Maschine in ein Tauchbassin eingetaucht. Der Kläger musste die Teile an den Halbautomaten einhängen und abnehmen. Während dieser Zeit war er gegenüber den Dämpfen der Lacke und Beizen exponiert. Von 1978 bis 1992 war der Kläger in einem Steinmetzbetrieb in KL. tätig. Es waren Granit, Marmor und Kunststein zu schleifen und zu schneiden. Bei Reparaturarbeiten kamen Spachtelmassen zum Einsatz, die auch trocken geschliffen wurden. Beim Reinigen einiger Steinarten kam Salzsäure zum Einsatz, beim Auftragen von Glanz wurden Fluate verwendet. In den Jahren 1992 bis 2006 war der Kläger als Fliesenlegerhelfer bei der Firma ZQ. in B-Stadt tätig. Er führte die im Fliesenlegerhandwerk üblichen Arbeiten durch, war aber auch mit Abrissarbeiten beschäftigt. Der Kläger hatte Umgang mit den Arbeitsstoffen des Fliesenlegerhandwerks, bei vorbereitenden Arbeiten wurden auch Wände verputzt oder grundiert, es wurde Estrich verlegt und Dämmungen angebracht.
Im Jahr 1999 erkrankte der Kläger an einem Urothelcarcinom der Harnblase. Im Juli 2001 und November 2001 wurden Rezidive operiert, im Juli 2005 wurde die Diagnose eines Harnleitercarcinoms beidseits gestellt. Diese Tumore wurden ebenfalls operativ entfernt.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2005 wandte sich der Kläger an die Beklagte und bat um Anerkennung seiner Krebserkrankung als Berufskrankheit (BK). Gegenüber dem Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten gab der Kläger laut TAD-Bericht vom 22. August 2005 an, auf den Baustellen seien neben seiner Beschäftigung Parkett- und Teppichbodenverlegearbeiten mit lösemittelhaltigen Verlegewerkstoffen ausgeführt worden, auch dies könne Ursache für seine Erkrankung sein.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, wegen seiner Harnblasenerkrankung bestehe kein Anspruch auf Entschädigung, weil keine BK nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) in Verbindung mit der Nr. 1301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vorliege. Nach den Ermittlungen des TAD sei er während seiner beruflichen Tätigkeit als Schreiner, Steinmetz und Fliesenleger in der Zeit seit 1977 keiner Einwirkung von aromatischen Aminen ausgesetzt gewesen.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch vom 20. Oktober 2005 verwies der Kläger auf die verschiedenen Arbeitsstoffe, mit denen er bei seiner Tätigkeit als Fliesenleger Umgang hatte und führte aus, sehr häufig habe er in Gebäuden und Wohnungen mit Malern und auch Schreinern zusammen gearbeitet. Deshalb sei er zusätzlich den Dämpfen durch Lacke und Grundierungen, Klebstoffe und Versiegelungen, z.B. für Parkettböden und Ähnliches, ausgesetzt gewesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 3. November 2005 zurück. Es sei Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft, dass Harnblasencarcinome nur durch aromatische Amine ausgelöst werden könnten. Aromatische Amine hätten sich lediglich bis Anfang der 60er Jahre in den sog. Azo-Farbstoffen als Verunreinigung befunden. Derartige Stoffe seien nur in einer Zeit verwendet worden, als er, der Kläger, noch lange keine berufliche Tätigkeit aufgenommen haben könne. Die von ihm genannten Stoffe seien nicht geeignet, Harnblasencarcinome auszulösen, weil sie keine aromatischen Amine enthielten.
Der Kläger hat hiergegen am 2. Dezember 2005 beim Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) Klage erhoben und geltend gemacht, die Beklagte habe nicht sämtliche Materialien, mit denen er überwiegend gearbeitet habe, ermittelt und näher untersucht. Der Kläger legte eine Liste verschiedener Materialien vor, mit denen er bei seiner Tätigkeit Umgang hatte. Des Weiteren machte er geltend, er sei auch gegenüber Berufsstoffen des Maler- und Schreinerhandwerks exponiert gewesen. So seien bei zeitgleich durchgeführten Schreinerarbeiten häufig Lacke, Beizen, Versiegelung, Montageschaum und Ähnliches verwandt worden, häufig sei es auch zu Staubentwicklung bei Schleifarbeiten gekommen. Die Beklagte reichte eine Aufstellung und Sicherheitsdatenblätter von dem Kläger verwandter Arbeitsstoffe zu den Akten und vertrat weiterhin die Auffassung, der Kläger sei nicht gegenüber aromatischen Aminen exponiert gewesen.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen von dem kommissarischen Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der OG.-Universität OO., Prof. Dr. D., ein Gutachten vom 6. Juli 2007 und auf Antrag des Klägers ein weiteres arbeits- und sozialmedizinisches Fachgutachten von dem Dipl.-Chemiker, Facharzt für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, Dr. QQ., Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin in Q-Stadt vom 13. März 2008 eingeholt. Beide Sachverständigen sind zu dem Ergebnis gelangt, die haftungsbegründende Kausalität einer BK 1301 könne nicht angenommen werden, weil im Fall des Klägers eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen nicht mit Vollbeweis gesichert sei. Der Nachweis einer beruflich gefährdenden Einwirkung sei nicht zu erbringen. Als außerberuflicher Risikofaktor sei der Tabakkonsum des Klägers nicht vernachlässigbar und als Ursache der Erkrankung anzusehen.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 10. März 2009 die Klage abgewiesen.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 1. April 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 9. April 2009 am 15. April 2009 beim Sozialgericht Berufung eingelegt und vorgetragen, während seiner beruflichen Tätigkeit in den Jahren 1978 bis 2006 sei er auf Altbausanierungsbaustellen tätig gewesen. Insbesondere die Firma ZQ. sei auf Arbeiten in Altbauten spezialisiert gewesen. In den Jahren 1992 bis 2005 habe er meist in großen Wohnblöcken gearbeitet, es habe sich dabei um ca. 100 bis 150 solcher Altbauwohnungen gehandelt. Es sei üblich gewesen, dass gleichzeitig alle Handwerker, die im Innenausbau tätig seien, gearbeitet hätten. Insbesondere hätten dabei häufig und in erheblichem Umfang Holzschleifarbeiten stattgefunden, indem die alten Einbauteile aus Holz bzw. deren Farbanstriche abgekratzt bzw. abgeschliffen worden seien. Dabei sei es zu erheblicher Staubentwicklung gekommen. Diesem Staub sei er in erheblichem Umfang ausgesetzt gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2005 aufzuheben und festzustellen, dass der bei ihm diagnostizierte Harnleiter- und Harnblasenkrebs eine Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV ist,
hilfsweise den Anträgen im Schriftsatz vom 29. Februar 2012 nachzukommen, die Zeugen C. und D. zu vernehmen sowie zu ermitteln, dass in den genannten Bauobjekten, der WW. Group, des EE. B-Stadt eG sowie der RR. GmbH, Anstriche verwandt worden sind, die Azo-Farbstoffe enthalten haben, die während der Tätigkeit und im Beisein des Klägers in den Objekten abgeschliffen worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, es fehle an dem Nachweis, dass der Kläger gegenüber aromatischen Aminen exponiert gewesen sei.
Der Senat hat in einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme vom 6. September 2011 die ehemaligen Arbeitskollegen des Klägers, C. und D., als Zeugen vernommen. Hinsichtlich des Inhalts der Zeugenaussage wird auf die Sitzungsniederschrift S. 254 bis 256 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg, weil der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung seiner Harnblasenkrebserkrankung als BK im Sinne der Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV hat.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BK bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach § 1 der BKV i.V.m. Nr. 1301 der Anlage zur BKV sind BKen auch Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine. Die Krankheit als solche als auch die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen, d.h. die schädigenden beruflichen Einwirkungen durch aromatische Amine, müssen jeweils voll bewiesen, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellbar, sein, während für die Annahme eines rechtlich wesentlichen Zusammenhangs zwischen der Erkrankung und den schädigenden Einwirkungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit, ausreicht (vgl. Bundessozialgericht – BSG – SozR 3-2200 § 551 Nr. 16).
Eine Harnblasenkrebserkrankung, wie sie bei dem Kläger im Jahre 1999 diagnostiziert worden ist, zählt zu den Erkrankungen im Sinne der BK 1301. Insoweit ist ein Tatbestandsmerkmal der BK erfüllt. Jedoch muss außerdem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein, dass der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit als Werkzeugmacher, Schmied, als Mitarbeiter in der Stuhlfabrik, Mitarbeiter im Steinmetzbetrieb und als Fliesenleger gegenüber aromatischen Aminen exponiert war. Eine absolute Sicherheit ist bei der Feststellung des Sachverhalts nicht zu erzielen. Erforderlich ist jedoch eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (vgl. BSGE 6, 144; Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 128 Rdnr. 3b). Es muss ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287; 61, 127, 128).
Zu den aromatischen Aminen zählen Benzidin, Betha-Naphthylamin (2-Naphthylamin), 4 Aminodiphenyl, O-Toloudin, 4-Chlor-o-toloudin, Auramin-Herstellung, Fuchsin-Herstellung, 2,4-Diaminanisol und 2,4-Toluylendiamin. Hinsichtlich dieser Arbeitsstoffe ist ein Kausalzusammenhang für das Auftreten von Karzinomen im Bereich der ableitenden Harnwege und Harnblase gesichert (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 1122).
Nach übereinstimmender Beurteilung der während des erstinstanzlichen Verfahrens gehörten Sachverständigen kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeiten und beim Umgang mit den dabei üblichen Arbeitsstoffen gegenüber aromatischen Aminen exponiert war. Soweit der Kläger nunmehr geltend macht, er sei als Bystander bei Maler- und Schreinerarbeiten auf den verschiedenen Baustellen gegenüber aromatischen Aminen exponiert gewesen, weil er den Ausdünstungen der Farben, Lacken, Beizen sowie der Stäube beim Entfernen alter Anstriche ausgesetzt gewesen sei, ist nach Überzeugung des Senats der erforderliche Nachweis ebenfalls nicht im Vollbeweis erbracht.
Nach übereinstimmender Beurteilung der Sachverständigen Prof. Dr. D. und Dr. QQ. kommt während der Lehrzeit des Klägers zum Werkzeugmacher von 1973 bis 1976 eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen nicht in Betracht, weil derartige Substanzen nicht zu den berufstypischen Gefahrstoffen gehören. Bei seiner Tätigkeit in der Schlosserei und Schmiede in Italien wurden Grundierfarben und Lacke auf Metall aufgetragen. Nach Einschätzung des Prof. Dr. D. handelte es sich bei den Grundierungen, die eine rote Farbe hatten, mit Wahrscheinlichkeit um Bleimenige. Diese Auffassung wird auch von Dr. QQ. geteilt. Er teilt außerdem mit, dass Grundierungen für Metalle keine Azo-Farbmittel enthalten haben. Verwendet wurden Bleimenige, aber auch chromat- oder phosphathaltige anorganische Grundierungen. Bei den Decklacken handelte es sich nach Auskunft des Dr. QQ. mit Wahrscheinlichkeit um Mineralfarben und nicht um Azo-Farbmittel, weil Azo-Farbmittel üblicherweise nicht zur Beschichtung von Schlosserei- und Schmiedeartikeln verwandt wurden. Selbst bei Verwendung der außerordentlich bunten und farbintensiven Azo-Farbmittel im Einzelfall kann nach Aussage des Dr. QQ. eine relevante Exposition ausgeschlossen werden, weil der Kläger ausschließlich im Streichverfahren gearbeitet hat und im Zeitraum von 1976 bis 1977 keine Farben aus Farbpulvern mehr selbst angerührt wurden. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass nicht sicher bekannt ist, mit welchen Lacken und Farben der Kläger damals gearbeitet hat, so dass nicht im Vollbeweis gesichert ist, ob der Kläger bei den Lackierarbeiten Azo-Farbstoffe verwandt hat. Welche Lacke und Beizen für die Holzteile in der Stuhlfabrik QX. in A-Stadt in der Zeit von 1977 bis 1978 verwandt wurden, ist ebenfalls nicht bekannt. Eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen kann deshalb auch für diese Zeit nicht mit Vollbeweis gesichert werden. Nach Einschätzung des Dr. QQ. ist auch für den Fall, dass die Lacke und Beizen Buntfarben enthalten haben sollten, eine relevante Exposition des Klägers gegenüber aromatischen Aminen nicht anzunehmen, weil die Holzteile maschinell in die Beizen bzw. Lacke eingetaucht wurden und eine relevante Hautkontamination nach Angaben des Klägers nicht stattgefunden hat. Nach Aussage des Dr. QQ. kann auch nicht von einem inhalativen Kontakt ausgegangen werden, weil etwaige Azo-Farbmittel in Lacken oder Beizen bei Raumtemperatur nicht in die Atemluft übergehen. Bei seiner Tätigkeit im Steinmetzbetrieb von 1978 bis 1992 hatte der Kläger nicht mit Materialien Umgang, die anorganische Amine enthalten konnten. Auch insoweit sind sich die Sachverständigen einig. Während seiner Tätigkeit als Fliesenlegerhelfer bei der Firma ZQ. ab 1992 hatte der Kläger Umgang mit zementhaltigen Produkten wie Fliesenkleber, Fugenmörtel, Putzen, Spachtel- und Ausgleichsmassen sowie Reparaturmörtel. Zudem bestand Kontakt zu Acryl-Dichtungsmassen und Silikonkautschuk-Produkten. Der Kläger führte außerdem Lackierarbeiten mit dem Pinsel mit Jollycolourlack und Grundierungsarbeiten für Fliesen aus. Aufgrund der Angaben des Klägers hat der TAD der Beklagten in seinem Bericht vom 25. Juli 2006 eine Liste der von dem Kläger verwendeten Produkte teilweise unter Vorlage der entsprechenden Sicherheitsdatenblätter erstellt. Anhand dieser Liste ergeben sich nach Aussage der Sachverständigen keine Hinweise auf eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen. Hinsichtlich des Umgangs mit Epoxidharz-Produkten hat der Sachverständige Dr. QQ. dargelegt, dass Epoxydharz auf der Basis von Epichlorhydrin und Bisphenol A, welcher unter Verwendung von Aminen aushärtet, im Beschäftigungszeitraum des Klägers schon seit 20 Jahren nicht mehr im Einsatz war; es lediglich bis zum Ende der 60er Jahre in Einzelfällen vorgekommen ist, dass aromatische Amine als Härterkomponenten für Epoxydharze gedient haben.
Soweit der Kläger geltend macht, er sei in den Jahren ab 1978 als sog. Bystander bei Maler- und Schreinerarbeiten gegenüber aromatischen Aminen exponiert gewesen, ist der Nachweis ebenfalls nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erbracht. Sofern der Kläger sich während von Malern oder Schreinern ausgeführten Beschichtungsarbeiten in deren Umgebung aufgehalten und gegenüber aus Lacken oder Beizen dabei entstandenen Ausdünstungen exponiert gewesen sein sollte, ist ein Kontakt mit aromatischen Aminen auszuschließen. Der Kläger selbst weist in seinem Schriftsatz vom 7. Oktober 2011 auf den BK-Report 2/2011 "Aromatische Amine" (Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) und die dortigen Ausführungen im Kapitel 11.4 "Malerhandwerk" ab S. 120 hin. Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass in der hier relevanten Zeit ab 1978 ein Kontakt zur Azo-Farbstoffen, die auf der Basis von kanzerogenen aromatischen Aminen hergestellt wurden, für das Maler- und auch für das Schreinerhandwerk nicht mehr in Betracht kommt. Folglich kann auch der Kläger als sog. Bystander bei Beschichtungsarbeiten dieser Handwerker nicht gegenüber aromatischen Aminen exponiert gewesen sein. Es ist auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisbar, dass der Kläger als Bystander bei dem Abschleifen alter Anstriche gegenüber aromatischen Aminen exponiert war. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alte Anstriche überwiegend Azo-Farbstoffe mit kanzerogenen aromatischen Aminen enthalten haben. Azo-Farbmittel, bei denen zwischen Azo-Farbstoffen und Azo-Pigmenten zu unterscheiden ist (BK-Report S. 121), konnten nur in bunten Materialien enthalten sein. Klarlacke enthalten weder Farbstoffe noch Pigmente und können deshalb auch keine Azo-Farbmittel beinhalten. Dies gilt auch für weiße Farbe und Lacke, weil diese nur Weißpigmente enthalten (BK-Report S. 126). Weiße Farben und Lacke haben und hatten normalerweise einen Anteil von mindestens zwei Drittel an der Gesamtmenge der im Malerhandwerk verwendeten Materialien. Schon dieser Umstand lässt den Schluss zu, dass auch ein großer Teil alter Anstriche keine aromatischen Amine enthalten hat. Als Farbmittel für bunte Malerprodukte wurden nicht nur Azo-Farbmittel, die zu den organischen Farbmitteln gehören, verwendet. Eingesetzt wurden auch anorganische Farbmittel bzw. Pigmente und andere organische Farbmittel, die nicht zu den Azo-Farbmitteln gehören (vgl. BK-Report S. 121). Bei den Azo-Farbmitteln ist wiederum zwischen den Azo-Farbstoffen und den Azo-Pigmenten zu unterscheiden und bei den Azo-Farbstoffen zwischen solchen, die auf der Basis kanzerogener aromatischer Amine oder auf der Basis nicht krebserzeugender Amine hergestellt wurden (BK-Report S. 121). Von den Malern wurden und werden laut BK-Report (S. 122) meist deckende Produkte verarbeitet. Hierfür benötigen sie in der Regel Pigmente. Farbstoffe haben und hatten wegen ihrer fehlenden Deckkraft und insbesondere wegen ihrer Löslichkeit in Wasser oder anderen Lösungsmitteln deshalb nur eine untergeordnete Bedeutung im Malerhandwerk. Dies bedeutet wiederum, dass ein nicht unerheblicher Anteil alter Buntlackanstriche ebenfalls keine aromatischen Amine enthalten hat. Es kann auch nicht unterstellt werden, dass früher alle Farbbeizen Azo-Farbstoffe mit aromatischen Aminen enthalten haben. Objekte, die farbig gebeizt wurden, waren Schränke, Kommoden, Holzvertäfelungen oder auch Treppengeländer im Innenbereich (BK-Report S. 128). Dabei wurde eine Vielfalt von Farbstoffen bzw. Farbstofftypen für die Holzfärbung eingesetzt. Azo-Farbstoffe stellten dabei immer nur einen Teil der potentiell eingesetzten Farbstoffe dar (BK-Report S. 159 f.). So ergab eine Untersuchung von historischen Pulverbeizen auf enthaltene Azo-Farbstoffe bzw. auf freisetzbare aromatische Amine, dass in rund der Hälfte der Proben keine als krebserzeugend der Kategorie 1 oder 2 eingestuften aromatische Amine nachweisbar waren. In 22 % der Proben wurden Amine der Kategorie 1 nachgewiesen. Die Konzentration lag allerdings bei maximal 35 ppm als Summenkonzentration. Laut BK-Report ist bei dieser Größenordnung auszuschließen, dass die Beizen auf der Basis von K 1-Aminen hergestellte Azo-Farbstoffe enthielten. Das Ergebnis lässt darauf schließen, dass es sich hierbei um Verunreinigungen handelt. Bei den Proben handelte es sich größtenteils um Produkte aus den 1950er und 1960er Jahren. Laut BK-Report ist davon auszugehen, dass vor 1950 verwandte Produkte häufiger Azo-Farbstoffe enthalten haben. Nach den Ausführungen im BK-Report S. 131 kann aufgrund dieser Umstände auch aus den alltäglichen Malertätigkeiten "Abschleifen alter Anstriche" keine Exposition gegenüber Azo-Farbstoffen abgeleitet werden. Derartige Arbeiten sind zwar Verdachtshinweise, aber für sich gesehen keine Beweise. Auch wenn unterstellt wird, dass der Kläger seit 1978 des Öfteren als Bystander bei Abschleifarbeiten gegenüber Farbstäuben exponiert war, kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass er dabei auch Azo-Farbstoffen und den darin enthaltenen krebserzeugenden aromatischen Aminen ausgesetzt war.
Aufgrund der Zeugenaussagen der ehemaligen Arbeitskollegen des Klägers bei der Firma ZQ. ist davon auszugehen, dass zeitgleich mit den von der Firma ZQ. ausgeführten Arbeiten auch Parkett verlegt, geschliffen und lackiert wurde. Insoweit hat bereits die Beklagte im Termin vom 6. September 2011 zutreffend darauf hingewiesen, dass dem BK-Report "Aromatische Amine" (Kap. 11.8, S. 143 f.) keine Hinweise zu entnehmen sind, dass durch Schleifarbeiten Parkettboden eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen stattfinden kann. Dies gilt auch für das Verkleben von Parkett und für die Versiegelungsarbeiten. Laut BK-Report wurde Mosaikparkett seit Anfang der 60er Jahre und Stabparkett seit Ende der 60er Jahre mit Kunstharzklebstoffen verlegt. Diese Materialien enthalten keine aromatischen Amine. Auch wenn bei anderen Fußbodenverlegearbeiten in seltenen Fällen Epoxydharzklebstoffe verwandt wurden, konnten keine aromatischen Amine freigesetzt werden, wie dies bereits dargelegt wurde. Insgesamt ist festzustellen, dass laut BK-Report S. 133 krebserzeugende aromatische Amine als Härter in Fußbodenklebstoffen nicht vorgekommen sind.
Dem Antrag des Klägers, die Zeugen C. und D. zu befragen, dass es üblich war, dass gleichzeitig alle Gewerke, die im Innenausbau tätig sind, auf den Baustellen gearbeitet haben und dabei häufig und in erheblichem Umfang Holzschleifarbeiten stattfanden, dass alte Einbauteile aus Holz bzw. deren Farbanstriche abgekratzt bzw. abgeschliffen wurden, es dabei zu erheblicher Staubentwicklung kam und der Kläger diesem Staub in erheblichem Umfang ausgesetzt war, musste der Senat nicht nachkommen, weil der Senat – wie bereits dargelegt – von einem solchen Sachverhalt ausgeht.
Auch dem Antrag des Klägers, "zu ermitteln, dass in den genannten Bauobjekten, der WW. Group, des EE. B-Stadt eG sowie der RR. GmbH, Anstriche verwandt worden sind, die Azo-Farbstoffe enthalten haben, die während der Tätigkeit und im Beisein des Klägers in den Objekten abgeschliffen worden sind", musste der Senat nicht folgen. Hierzu hat der Kläger im Schriftsatz vom 29. Februar 2012 angegeben, er habe in den Jahren 1992 bis 2005 in Objekten der WW. Group in W-Stadt, W-Straße, in B-Stadt, T Straße xxx, Z-Straße xxx, U-Straße xxx, P-Straße, Ü-Straße, Ä-Straße, Ö-Straße xxx, L-Straße xxx und K-Straße sowie in Objekten des EE. B-Stadt eG in der J-Straße in KI. sowie der H-Straße xxx in KI. und in Objekten der RR. GmbH in der G-Straße in NR. gearbeitet. Es handele sich jeweils um große Wohnblöcke, in denen viele einzelne Wohnungen renoviert worden seien, er habe in 100 bis 150 dieser Wohnungen gearbeitet. Bei diesem Antrag des Klägers handelt es sich um einen Beweisausforschungs- bzw. ermittlungsantrag, der auch in dem vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten sozialgerichtlichen Verfahren unzulässig ist. Zwar muss das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 103 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen. Jedoch ist das Gericht nicht verpflichtet unsubstantiierten Beweisanträgen nachzugehen. Unsubstantiiert sind nicht nur Beweisanträge, die das Beweisthema nicht hinreichend konkretisieren, sondern auch Beweisanträge, die dazu dienen, unsubstantiierte Behauptungen zu stützen, etwa solche, die ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen bestimmter Tatsachen aufgestellt worden sind. Beweisanträge, die so unbestimmt bzw. unsubstantiiert sind, dass im Grunde erst die Beweisaufnahme selbst die entscheidungs- und damit beweiserheblichen Tatsachen aufdecken soll bzw. die allein den Zweck haben, dem Beweisführer, der nicht genügend Anhaltspunkte für seine Behauptungen angibt, erst die Grundlage für substantiierte Tatsachenbehauptungen zu verschaffen, brauchen dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahezulegen. (so Urteil des BSG vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 33/11 R – in juris; vgl. auch in juris Urteil des BSG vom 19. September 1979 – 11 RA 84/78 – und Beschluss des BSG vom 19. November 2009 – B 13 R 303/09 B –). Hier hat der Kläger schon die einzelnen Wohnblöcke, in denen er gearbeitet hat, nicht in allen Fällen mit vollständiger Anschrift angegeben. In einigen Fällen nennt er nur den Straßennamen, jedoch nicht die Hausnummer. Er gibt auch nicht an, in welchen Wohnungen eines von ihm bezeichneten Wohnblocks von seiner Arbeitgeberfirma Renovierungsarbeiten durchgeführt wurden. Seine Aussage, in den Wohnblöcken seien "viele einzelne Wohnungen renoviert worden", ist nicht konkret und nicht geeignet die betreffenden Wohnungen zu identifizieren. Der Kläger gibt zudem auch nicht an, um welche Art von Einbauteilen aus Holz es sich in den einzelnen Wohnungen jeweils gehandelt hat und welche Art von Farbanstrichen (weiße Farben und Lacke, Buntlacke oder Farbbeizen) jeweils abgeschliffen oder abgekratzt wurden. Dem Beweisantrag des Klägers fehlt deshalb schon die Bestimmtheit bei der Angabe der Beweismittel. Bei dem Antrag des Klägers handelt es sich deshalb um einen Beweisermittlungsantrag, dem der Senat nicht nachgehen musste.
Da folglich nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeiten gegenüber aromatischen Aminen exponiert war, kann das Krebsleiden des Klägers nicht als BK nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV anerkannt werden.
Die Berufung des Klägers war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob die Krebserkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen ist.
Der 1959 in Italien geborene Kläger reiste 1971 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach seinem Schulabschluss begann er eine Ausbildung zum Werkzeugmacher und war von 1973 bis 1976 bei der Firma XY. in X-Stadt beschäftigt. Dort war er gegenüber Metallstäuben, Reinigungsmitteln und Ölen exponiert. Von 1976 bis 1977 arbeitete er in Italien in einer Schmiede und erlernte das Elektrodenschweißen von Baustahl. Zusätzlich verrichtete er Schlosserarbeiten und war in 50 % seiner Arbeitszeit mit dem Grundieren und Lackieren von Toren und Geländern beschäftigt. Diese Arbeiten wurden mit dem Pinsel durchgeführt. Von 1977 bis 1978 arbeitete der Kläger in der Schreinerei der Stuhlfabrik QX. in A-Stadt. Es wurden Bestuhlung, Tische und Schränke für Lokale angefertigt. Der Kläger war mit dem Sägen, Fräsen und Schleifen von Holz beschäftigt. Ca. ein Drittel seiner Arbeitszeit verbrachte er mit der Oberflächenbehandlung des Holzes durch Beizen und Lackieren an einem Tauchbecken. Ein unmittelbarer Kontakt zu den Beizen und Lacken bestand nicht. Die Holzteile wurden aufgehängt und dann halbautomatisch mit einer Maschine in ein Tauchbassin eingetaucht. Der Kläger musste die Teile an den Halbautomaten einhängen und abnehmen. Während dieser Zeit war er gegenüber den Dämpfen der Lacke und Beizen exponiert. Von 1978 bis 1992 war der Kläger in einem Steinmetzbetrieb in KL. tätig. Es waren Granit, Marmor und Kunststein zu schleifen und zu schneiden. Bei Reparaturarbeiten kamen Spachtelmassen zum Einsatz, die auch trocken geschliffen wurden. Beim Reinigen einiger Steinarten kam Salzsäure zum Einsatz, beim Auftragen von Glanz wurden Fluate verwendet. In den Jahren 1992 bis 2006 war der Kläger als Fliesenlegerhelfer bei der Firma ZQ. in B-Stadt tätig. Er führte die im Fliesenlegerhandwerk üblichen Arbeiten durch, war aber auch mit Abrissarbeiten beschäftigt. Der Kläger hatte Umgang mit den Arbeitsstoffen des Fliesenlegerhandwerks, bei vorbereitenden Arbeiten wurden auch Wände verputzt oder grundiert, es wurde Estrich verlegt und Dämmungen angebracht.
Im Jahr 1999 erkrankte der Kläger an einem Urothelcarcinom der Harnblase. Im Juli 2001 und November 2001 wurden Rezidive operiert, im Juli 2005 wurde die Diagnose eines Harnleitercarcinoms beidseits gestellt. Diese Tumore wurden ebenfalls operativ entfernt.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2005 wandte sich der Kläger an die Beklagte und bat um Anerkennung seiner Krebserkrankung als Berufskrankheit (BK). Gegenüber dem Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten gab der Kläger laut TAD-Bericht vom 22. August 2005 an, auf den Baustellen seien neben seiner Beschäftigung Parkett- und Teppichbodenverlegearbeiten mit lösemittelhaltigen Verlegewerkstoffen ausgeführt worden, auch dies könne Ursache für seine Erkrankung sein.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, wegen seiner Harnblasenerkrankung bestehe kein Anspruch auf Entschädigung, weil keine BK nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) in Verbindung mit der Nr. 1301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vorliege. Nach den Ermittlungen des TAD sei er während seiner beruflichen Tätigkeit als Schreiner, Steinmetz und Fliesenleger in der Zeit seit 1977 keiner Einwirkung von aromatischen Aminen ausgesetzt gewesen.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch vom 20. Oktober 2005 verwies der Kläger auf die verschiedenen Arbeitsstoffe, mit denen er bei seiner Tätigkeit als Fliesenleger Umgang hatte und führte aus, sehr häufig habe er in Gebäuden und Wohnungen mit Malern und auch Schreinern zusammen gearbeitet. Deshalb sei er zusätzlich den Dämpfen durch Lacke und Grundierungen, Klebstoffe und Versiegelungen, z.B. für Parkettböden und Ähnliches, ausgesetzt gewesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 3. November 2005 zurück. Es sei Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft, dass Harnblasencarcinome nur durch aromatische Amine ausgelöst werden könnten. Aromatische Amine hätten sich lediglich bis Anfang der 60er Jahre in den sog. Azo-Farbstoffen als Verunreinigung befunden. Derartige Stoffe seien nur in einer Zeit verwendet worden, als er, der Kläger, noch lange keine berufliche Tätigkeit aufgenommen haben könne. Die von ihm genannten Stoffe seien nicht geeignet, Harnblasencarcinome auszulösen, weil sie keine aromatischen Amine enthielten.
Der Kläger hat hiergegen am 2. Dezember 2005 beim Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) Klage erhoben und geltend gemacht, die Beklagte habe nicht sämtliche Materialien, mit denen er überwiegend gearbeitet habe, ermittelt und näher untersucht. Der Kläger legte eine Liste verschiedener Materialien vor, mit denen er bei seiner Tätigkeit Umgang hatte. Des Weiteren machte er geltend, er sei auch gegenüber Berufsstoffen des Maler- und Schreinerhandwerks exponiert gewesen. So seien bei zeitgleich durchgeführten Schreinerarbeiten häufig Lacke, Beizen, Versiegelung, Montageschaum und Ähnliches verwandt worden, häufig sei es auch zu Staubentwicklung bei Schleifarbeiten gekommen. Die Beklagte reichte eine Aufstellung und Sicherheitsdatenblätter von dem Kläger verwandter Arbeitsstoffe zu den Akten und vertrat weiterhin die Auffassung, der Kläger sei nicht gegenüber aromatischen Aminen exponiert gewesen.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen von dem kommissarischen Leiter des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der OG.-Universität OO., Prof. Dr. D., ein Gutachten vom 6. Juli 2007 und auf Antrag des Klägers ein weiteres arbeits- und sozialmedizinisches Fachgutachten von dem Dipl.-Chemiker, Facharzt für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, Dr. QQ., Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin in Q-Stadt vom 13. März 2008 eingeholt. Beide Sachverständigen sind zu dem Ergebnis gelangt, die haftungsbegründende Kausalität einer BK 1301 könne nicht angenommen werden, weil im Fall des Klägers eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen nicht mit Vollbeweis gesichert sei. Der Nachweis einer beruflich gefährdenden Einwirkung sei nicht zu erbringen. Als außerberuflicher Risikofaktor sei der Tabakkonsum des Klägers nicht vernachlässigbar und als Ursache der Erkrankung anzusehen.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 10. März 2009 die Klage abgewiesen.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 1. April 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 9. April 2009 am 15. April 2009 beim Sozialgericht Berufung eingelegt und vorgetragen, während seiner beruflichen Tätigkeit in den Jahren 1978 bis 2006 sei er auf Altbausanierungsbaustellen tätig gewesen. Insbesondere die Firma ZQ. sei auf Arbeiten in Altbauten spezialisiert gewesen. In den Jahren 1992 bis 2005 habe er meist in großen Wohnblöcken gearbeitet, es habe sich dabei um ca. 100 bis 150 solcher Altbauwohnungen gehandelt. Es sei üblich gewesen, dass gleichzeitig alle Handwerker, die im Innenausbau tätig seien, gearbeitet hätten. Insbesondere hätten dabei häufig und in erheblichem Umfang Holzschleifarbeiten stattgefunden, indem die alten Einbauteile aus Holz bzw. deren Farbanstriche abgekratzt bzw. abgeschliffen worden seien. Dabei sei es zu erheblicher Staubentwicklung gekommen. Diesem Staub sei er in erheblichem Umfang ausgesetzt gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2005 aufzuheben und festzustellen, dass der bei ihm diagnostizierte Harnleiter- und Harnblasenkrebs eine Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV ist,
hilfsweise den Anträgen im Schriftsatz vom 29. Februar 2012 nachzukommen, die Zeugen C. und D. zu vernehmen sowie zu ermitteln, dass in den genannten Bauobjekten, der WW. Group, des EE. B-Stadt eG sowie der RR. GmbH, Anstriche verwandt worden sind, die Azo-Farbstoffe enthalten haben, die während der Tätigkeit und im Beisein des Klägers in den Objekten abgeschliffen worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, es fehle an dem Nachweis, dass der Kläger gegenüber aromatischen Aminen exponiert gewesen sei.
Der Senat hat in einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme vom 6. September 2011 die ehemaligen Arbeitskollegen des Klägers, C. und D., als Zeugen vernommen. Hinsichtlich des Inhalts der Zeugenaussage wird auf die Sitzungsniederschrift S. 254 bis 256 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg, weil der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung seiner Harnblasenkrebserkrankung als BK im Sinne der Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV hat.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BK bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach § 1 der BKV i.V.m. Nr. 1301 der Anlage zur BKV sind BKen auch Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine. Die Krankheit als solche als auch die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen, d.h. die schädigenden beruflichen Einwirkungen durch aromatische Amine, müssen jeweils voll bewiesen, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellbar, sein, während für die Annahme eines rechtlich wesentlichen Zusammenhangs zwischen der Erkrankung und den schädigenden Einwirkungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit, ausreicht (vgl. Bundessozialgericht – BSG – SozR 3-2200 § 551 Nr. 16).
Eine Harnblasenkrebserkrankung, wie sie bei dem Kläger im Jahre 1999 diagnostiziert worden ist, zählt zu den Erkrankungen im Sinne der BK 1301. Insoweit ist ein Tatbestandsmerkmal der BK erfüllt. Jedoch muss außerdem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein, dass der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit als Werkzeugmacher, Schmied, als Mitarbeiter in der Stuhlfabrik, Mitarbeiter im Steinmetzbetrieb und als Fliesenleger gegenüber aromatischen Aminen exponiert war. Eine absolute Sicherheit ist bei der Feststellung des Sachverhalts nicht zu erzielen. Erforderlich ist jedoch eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (vgl. BSGE 6, 144; Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 128 Rdnr. 3b). Es muss ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287; 61, 127, 128).
Zu den aromatischen Aminen zählen Benzidin, Betha-Naphthylamin (2-Naphthylamin), 4 Aminodiphenyl, O-Toloudin, 4-Chlor-o-toloudin, Auramin-Herstellung, Fuchsin-Herstellung, 2,4-Diaminanisol und 2,4-Toluylendiamin. Hinsichtlich dieser Arbeitsstoffe ist ein Kausalzusammenhang für das Auftreten von Karzinomen im Bereich der ableitenden Harnwege und Harnblase gesichert (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 1122).
Nach übereinstimmender Beurteilung der während des erstinstanzlichen Verfahrens gehörten Sachverständigen kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeiten und beim Umgang mit den dabei üblichen Arbeitsstoffen gegenüber aromatischen Aminen exponiert war. Soweit der Kläger nunmehr geltend macht, er sei als Bystander bei Maler- und Schreinerarbeiten auf den verschiedenen Baustellen gegenüber aromatischen Aminen exponiert gewesen, weil er den Ausdünstungen der Farben, Lacken, Beizen sowie der Stäube beim Entfernen alter Anstriche ausgesetzt gewesen sei, ist nach Überzeugung des Senats der erforderliche Nachweis ebenfalls nicht im Vollbeweis erbracht.
Nach übereinstimmender Beurteilung der Sachverständigen Prof. Dr. D. und Dr. QQ. kommt während der Lehrzeit des Klägers zum Werkzeugmacher von 1973 bis 1976 eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen nicht in Betracht, weil derartige Substanzen nicht zu den berufstypischen Gefahrstoffen gehören. Bei seiner Tätigkeit in der Schlosserei und Schmiede in Italien wurden Grundierfarben und Lacke auf Metall aufgetragen. Nach Einschätzung des Prof. Dr. D. handelte es sich bei den Grundierungen, die eine rote Farbe hatten, mit Wahrscheinlichkeit um Bleimenige. Diese Auffassung wird auch von Dr. QQ. geteilt. Er teilt außerdem mit, dass Grundierungen für Metalle keine Azo-Farbmittel enthalten haben. Verwendet wurden Bleimenige, aber auch chromat- oder phosphathaltige anorganische Grundierungen. Bei den Decklacken handelte es sich nach Auskunft des Dr. QQ. mit Wahrscheinlichkeit um Mineralfarben und nicht um Azo-Farbmittel, weil Azo-Farbmittel üblicherweise nicht zur Beschichtung von Schlosserei- und Schmiedeartikeln verwandt wurden. Selbst bei Verwendung der außerordentlich bunten und farbintensiven Azo-Farbmittel im Einzelfall kann nach Aussage des Dr. QQ. eine relevante Exposition ausgeschlossen werden, weil der Kläger ausschließlich im Streichverfahren gearbeitet hat und im Zeitraum von 1976 bis 1977 keine Farben aus Farbpulvern mehr selbst angerührt wurden. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass nicht sicher bekannt ist, mit welchen Lacken und Farben der Kläger damals gearbeitet hat, so dass nicht im Vollbeweis gesichert ist, ob der Kläger bei den Lackierarbeiten Azo-Farbstoffe verwandt hat. Welche Lacke und Beizen für die Holzteile in der Stuhlfabrik QX. in A-Stadt in der Zeit von 1977 bis 1978 verwandt wurden, ist ebenfalls nicht bekannt. Eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen kann deshalb auch für diese Zeit nicht mit Vollbeweis gesichert werden. Nach Einschätzung des Dr. QQ. ist auch für den Fall, dass die Lacke und Beizen Buntfarben enthalten haben sollten, eine relevante Exposition des Klägers gegenüber aromatischen Aminen nicht anzunehmen, weil die Holzteile maschinell in die Beizen bzw. Lacke eingetaucht wurden und eine relevante Hautkontamination nach Angaben des Klägers nicht stattgefunden hat. Nach Aussage des Dr. QQ. kann auch nicht von einem inhalativen Kontakt ausgegangen werden, weil etwaige Azo-Farbmittel in Lacken oder Beizen bei Raumtemperatur nicht in die Atemluft übergehen. Bei seiner Tätigkeit im Steinmetzbetrieb von 1978 bis 1992 hatte der Kläger nicht mit Materialien Umgang, die anorganische Amine enthalten konnten. Auch insoweit sind sich die Sachverständigen einig. Während seiner Tätigkeit als Fliesenlegerhelfer bei der Firma ZQ. ab 1992 hatte der Kläger Umgang mit zementhaltigen Produkten wie Fliesenkleber, Fugenmörtel, Putzen, Spachtel- und Ausgleichsmassen sowie Reparaturmörtel. Zudem bestand Kontakt zu Acryl-Dichtungsmassen und Silikonkautschuk-Produkten. Der Kläger führte außerdem Lackierarbeiten mit dem Pinsel mit Jollycolourlack und Grundierungsarbeiten für Fliesen aus. Aufgrund der Angaben des Klägers hat der TAD der Beklagten in seinem Bericht vom 25. Juli 2006 eine Liste der von dem Kläger verwendeten Produkte teilweise unter Vorlage der entsprechenden Sicherheitsdatenblätter erstellt. Anhand dieser Liste ergeben sich nach Aussage der Sachverständigen keine Hinweise auf eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen. Hinsichtlich des Umgangs mit Epoxidharz-Produkten hat der Sachverständige Dr. QQ. dargelegt, dass Epoxydharz auf der Basis von Epichlorhydrin und Bisphenol A, welcher unter Verwendung von Aminen aushärtet, im Beschäftigungszeitraum des Klägers schon seit 20 Jahren nicht mehr im Einsatz war; es lediglich bis zum Ende der 60er Jahre in Einzelfällen vorgekommen ist, dass aromatische Amine als Härterkomponenten für Epoxydharze gedient haben.
Soweit der Kläger geltend macht, er sei in den Jahren ab 1978 als sog. Bystander bei Maler- und Schreinerarbeiten gegenüber aromatischen Aminen exponiert gewesen, ist der Nachweis ebenfalls nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erbracht. Sofern der Kläger sich während von Malern oder Schreinern ausgeführten Beschichtungsarbeiten in deren Umgebung aufgehalten und gegenüber aus Lacken oder Beizen dabei entstandenen Ausdünstungen exponiert gewesen sein sollte, ist ein Kontakt mit aromatischen Aminen auszuschließen. Der Kläger selbst weist in seinem Schriftsatz vom 7. Oktober 2011 auf den BK-Report 2/2011 "Aromatische Amine" (Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) und die dortigen Ausführungen im Kapitel 11.4 "Malerhandwerk" ab S. 120 hin. Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass in der hier relevanten Zeit ab 1978 ein Kontakt zur Azo-Farbstoffen, die auf der Basis von kanzerogenen aromatischen Aminen hergestellt wurden, für das Maler- und auch für das Schreinerhandwerk nicht mehr in Betracht kommt. Folglich kann auch der Kläger als sog. Bystander bei Beschichtungsarbeiten dieser Handwerker nicht gegenüber aromatischen Aminen exponiert gewesen sein. Es ist auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisbar, dass der Kläger als Bystander bei dem Abschleifen alter Anstriche gegenüber aromatischen Aminen exponiert war. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alte Anstriche überwiegend Azo-Farbstoffe mit kanzerogenen aromatischen Aminen enthalten haben. Azo-Farbmittel, bei denen zwischen Azo-Farbstoffen und Azo-Pigmenten zu unterscheiden ist (BK-Report S. 121), konnten nur in bunten Materialien enthalten sein. Klarlacke enthalten weder Farbstoffe noch Pigmente und können deshalb auch keine Azo-Farbmittel beinhalten. Dies gilt auch für weiße Farbe und Lacke, weil diese nur Weißpigmente enthalten (BK-Report S. 126). Weiße Farben und Lacke haben und hatten normalerweise einen Anteil von mindestens zwei Drittel an der Gesamtmenge der im Malerhandwerk verwendeten Materialien. Schon dieser Umstand lässt den Schluss zu, dass auch ein großer Teil alter Anstriche keine aromatischen Amine enthalten hat. Als Farbmittel für bunte Malerprodukte wurden nicht nur Azo-Farbmittel, die zu den organischen Farbmitteln gehören, verwendet. Eingesetzt wurden auch anorganische Farbmittel bzw. Pigmente und andere organische Farbmittel, die nicht zu den Azo-Farbmitteln gehören (vgl. BK-Report S. 121). Bei den Azo-Farbmitteln ist wiederum zwischen den Azo-Farbstoffen und den Azo-Pigmenten zu unterscheiden und bei den Azo-Farbstoffen zwischen solchen, die auf der Basis kanzerogener aromatischer Amine oder auf der Basis nicht krebserzeugender Amine hergestellt wurden (BK-Report S. 121). Von den Malern wurden und werden laut BK-Report (S. 122) meist deckende Produkte verarbeitet. Hierfür benötigen sie in der Regel Pigmente. Farbstoffe haben und hatten wegen ihrer fehlenden Deckkraft und insbesondere wegen ihrer Löslichkeit in Wasser oder anderen Lösungsmitteln deshalb nur eine untergeordnete Bedeutung im Malerhandwerk. Dies bedeutet wiederum, dass ein nicht unerheblicher Anteil alter Buntlackanstriche ebenfalls keine aromatischen Amine enthalten hat. Es kann auch nicht unterstellt werden, dass früher alle Farbbeizen Azo-Farbstoffe mit aromatischen Aminen enthalten haben. Objekte, die farbig gebeizt wurden, waren Schränke, Kommoden, Holzvertäfelungen oder auch Treppengeländer im Innenbereich (BK-Report S. 128). Dabei wurde eine Vielfalt von Farbstoffen bzw. Farbstofftypen für die Holzfärbung eingesetzt. Azo-Farbstoffe stellten dabei immer nur einen Teil der potentiell eingesetzten Farbstoffe dar (BK-Report S. 159 f.). So ergab eine Untersuchung von historischen Pulverbeizen auf enthaltene Azo-Farbstoffe bzw. auf freisetzbare aromatische Amine, dass in rund der Hälfte der Proben keine als krebserzeugend der Kategorie 1 oder 2 eingestuften aromatische Amine nachweisbar waren. In 22 % der Proben wurden Amine der Kategorie 1 nachgewiesen. Die Konzentration lag allerdings bei maximal 35 ppm als Summenkonzentration. Laut BK-Report ist bei dieser Größenordnung auszuschließen, dass die Beizen auf der Basis von K 1-Aminen hergestellte Azo-Farbstoffe enthielten. Das Ergebnis lässt darauf schließen, dass es sich hierbei um Verunreinigungen handelt. Bei den Proben handelte es sich größtenteils um Produkte aus den 1950er und 1960er Jahren. Laut BK-Report ist davon auszugehen, dass vor 1950 verwandte Produkte häufiger Azo-Farbstoffe enthalten haben. Nach den Ausführungen im BK-Report S. 131 kann aufgrund dieser Umstände auch aus den alltäglichen Malertätigkeiten "Abschleifen alter Anstriche" keine Exposition gegenüber Azo-Farbstoffen abgeleitet werden. Derartige Arbeiten sind zwar Verdachtshinweise, aber für sich gesehen keine Beweise. Auch wenn unterstellt wird, dass der Kläger seit 1978 des Öfteren als Bystander bei Abschleifarbeiten gegenüber Farbstäuben exponiert war, kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass er dabei auch Azo-Farbstoffen und den darin enthaltenen krebserzeugenden aromatischen Aminen ausgesetzt war.
Aufgrund der Zeugenaussagen der ehemaligen Arbeitskollegen des Klägers bei der Firma ZQ. ist davon auszugehen, dass zeitgleich mit den von der Firma ZQ. ausgeführten Arbeiten auch Parkett verlegt, geschliffen und lackiert wurde. Insoweit hat bereits die Beklagte im Termin vom 6. September 2011 zutreffend darauf hingewiesen, dass dem BK-Report "Aromatische Amine" (Kap. 11.8, S. 143 f.) keine Hinweise zu entnehmen sind, dass durch Schleifarbeiten Parkettboden eine Exposition gegenüber aromatischen Aminen stattfinden kann. Dies gilt auch für das Verkleben von Parkett und für die Versiegelungsarbeiten. Laut BK-Report wurde Mosaikparkett seit Anfang der 60er Jahre und Stabparkett seit Ende der 60er Jahre mit Kunstharzklebstoffen verlegt. Diese Materialien enthalten keine aromatischen Amine. Auch wenn bei anderen Fußbodenverlegearbeiten in seltenen Fällen Epoxydharzklebstoffe verwandt wurden, konnten keine aromatischen Amine freigesetzt werden, wie dies bereits dargelegt wurde. Insgesamt ist festzustellen, dass laut BK-Report S. 133 krebserzeugende aromatische Amine als Härter in Fußbodenklebstoffen nicht vorgekommen sind.
Dem Antrag des Klägers, die Zeugen C. und D. zu befragen, dass es üblich war, dass gleichzeitig alle Gewerke, die im Innenausbau tätig sind, auf den Baustellen gearbeitet haben und dabei häufig und in erheblichem Umfang Holzschleifarbeiten stattfanden, dass alte Einbauteile aus Holz bzw. deren Farbanstriche abgekratzt bzw. abgeschliffen wurden, es dabei zu erheblicher Staubentwicklung kam und der Kläger diesem Staub in erheblichem Umfang ausgesetzt war, musste der Senat nicht nachkommen, weil der Senat – wie bereits dargelegt – von einem solchen Sachverhalt ausgeht.
Auch dem Antrag des Klägers, "zu ermitteln, dass in den genannten Bauobjekten, der WW. Group, des EE. B-Stadt eG sowie der RR. GmbH, Anstriche verwandt worden sind, die Azo-Farbstoffe enthalten haben, die während der Tätigkeit und im Beisein des Klägers in den Objekten abgeschliffen worden sind", musste der Senat nicht folgen. Hierzu hat der Kläger im Schriftsatz vom 29. Februar 2012 angegeben, er habe in den Jahren 1992 bis 2005 in Objekten der WW. Group in W-Stadt, W-Straße, in B-Stadt, T Straße xxx, Z-Straße xxx, U-Straße xxx, P-Straße, Ü-Straße, Ä-Straße, Ö-Straße xxx, L-Straße xxx und K-Straße sowie in Objekten des EE. B-Stadt eG in der J-Straße in KI. sowie der H-Straße xxx in KI. und in Objekten der RR. GmbH in der G-Straße in NR. gearbeitet. Es handele sich jeweils um große Wohnblöcke, in denen viele einzelne Wohnungen renoviert worden seien, er habe in 100 bis 150 dieser Wohnungen gearbeitet. Bei diesem Antrag des Klägers handelt es sich um einen Beweisausforschungs- bzw. ermittlungsantrag, der auch in dem vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten sozialgerichtlichen Verfahren unzulässig ist. Zwar muss das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 103 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen. Jedoch ist das Gericht nicht verpflichtet unsubstantiierten Beweisanträgen nachzugehen. Unsubstantiiert sind nicht nur Beweisanträge, die das Beweisthema nicht hinreichend konkretisieren, sondern auch Beweisanträge, die dazu dienen, unsubstantiierte Behauptungen zu stützen, etwa solche, die ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen bestimmter Tatsachen aufgestellt worden sind. Beweisanträge, die so unbestimmt bzw. unsubstantiiert sind, dass im Grunde erst die Beweisaufnahme selbst die entscheidungs- und damit beweiserheblichen Tatsachen aufdecken soll bzw. die allein den Zweck haben, dem Beweisführer, der nicht genügend Anhaltspunkte für seine Behauptungen angibt, erst die Grundlage für substantiierte Tatsachenbehauptungen zu verschaffen, brauchen dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahezulegen. (so Urteil des BSG vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 33/11 R – in juris; vgl. auch in juris Urteil des BSG vom 19. September 1979 – 11 RA 84/78 – und Beschluss des BSG vom 19. November 2009 – B 13 R 303/09 B –). Hier hat der Kläger schon die einzelnen Wohnblöcke, in denen er gearbeitet hat, nicht in allen Fällen mit vollständiger Anschrift angegeben. In einigen Fällen nennt er nur den Straßennamen, jedoch nicht die Hausnummer. Er gibt auch nicht an, in welchen Wohnungen eines von ihm bezeichneten Wohnblocks von seiner Arbeitgeberfirma Renovierungsarbeiten durchgeführt wurden. Seine Aussage, in den Wohnblöcken seien "viele einzelne Wohnungen renoviert worden", ist nicht konkret und nicht geeignet die betreffenden Wohnungen zu identifizieren. Der Kläger gibt zudem auch nicht an, um welche Art von Einbauteilen aus Holz es sich in den einzelnen Wohnungen jeweils gehandelt hat und welche Art von Farbanstrichen (weiße Farben und Lacke, Buntlacke oder Farbbeizen) jeweils abgeschliffen oder abgekratzt wurden. Dem Beweisantrag des Klägers fehlt deshalb schon die Bestimmtheit bei der Angabe der Beweismittel. Bei dem Antrag des Klägers handelt es sich deshalb um einen Beweisermittlungsantrag, dem der Senat nicht nachgehen musste.
Da folglich nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeiten gegenüber aromatischen Aminen exponiert war, kann das Krebsleiden des Klägers nicht als BK nach Nr. 1301 der Anlage zur BKV anerkannt werden.
Die Berufung des Klägers war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 SGG.
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