Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 251/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 61/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Entschädigung eines Arbeitsunfalls.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin war als Apothekenhelferin beschäftigt, als sie am 31.12.2007 im Verlauf einer Auseinandersetzung mit der Inhaberin der Apotheke von dieser tätlich angegriffen wurde. Wegen der Einzelheiten des Vorgangs wird auf die von der Klägerin erstattete Strafanzeige vom 31.12.2007 verwiesen. Die Beklagte zog einen Bericht des Internisten Dr. I. vom 19.02.2008 bei, der von einer Prellung der Schulter und des Oberarms rechts sowie von einer posttraumati-schen Belastungsstörung (PTBS) spricht. Die Beklagte zog einen Bericht des Arztes für Nervenheilkunde Dr. I. vom 21.04.2008 bei, der von einer Behandlung wegen einer reaktiven Depression ab 18.12.2007 nach Mobbing durch die Arbeitgeberin der Klägerin spricht. Die Beklagte holte ein Vorerkrankungsverzeichnis bei der Krankenkasse der Klägerin ein und zog einen weiteren Bericht des Arztes für Nervenheilkunde Dr. I. vom 30.10.2008 bei. Anschließend veranlasste sie eine Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. Dr. C. kam in seinem unter dem 24.03.2009 erstellten Gutachten zu dem Ergebnis, als Folge des Vorfalls vom 31.12.2007 habe sich bei der Klägerin eine mittelgradige depressive Episode eingestellt. Die hieraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 20 vom Hundert (vH) einzuschätzen. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des behandelnden Facharztes für Nerven-heilkunde Dr. X. vom 16.05.2009 ein, der auf eine Behandlungsbedürftigkeit wegen Vorschäden ab 18.12.2007 hinwies. Der daraufhin von der Beklagten um eine ergänzende Stellungnahme ersuchte Dr. C. teilte unter dem 25.06.2009 mit, im Rahmen der seit dem 18.12.2007 durchgeführten Behandlung habe noch kein Krankheitswert bestanden. Die aktuelle Symptomatik sei vor dem 31.12.2007 nicht vorhanden gewesen. Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme des Arztes für Nervenheilkunde Dr. I. vom 23.07.2009 ein und zog einen Bericht des Dipl.-Psychologen M. vom 07.01.2010 bei. Weiter holte sie eine weitere Stellungnahme von Dr. X. vom 16.03.2010 ein und veranlasste eine weitere Begutachtung der Klägerin durch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.H.-H ... Dr. H.-H. kam in ihrem unter dem 01.01.2011 erstellten Gutachten zu dem Ergebnis, eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin habe bis zum 24.07.2009 bestanden. Die danach verbleibenden Folgen entsprächen einer mittelgradigen depressiven Episode. Hieraus ergebe sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 vH. Nachdem die Beklagte erklärt hatte, die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode sei mit der Annahme einer MdE von lediglich 10 vH nicht in Einklang zu bringen, teilte Frau Dr. H.-H. unter dem 11.03.2011 mit, es bestehe bei der Klägerin lediglich eine leichte depressive Episode. Daraufhin erkannte die Beklagte das Ereignis vom 31.12.2007 mit Bescheid vom 14.06.2011 als Arbeitsunfall an, lehnte die Gewährung von Verletztenrente indessen ab. Zur Begründung führte sie aus, die verbliebenen Unfallfolgen bedingten keine rentenberechtigende MdE. Die Klägerin legte am 19.07.2011 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2011 zurückwies.
Hiergegen richtet sich die am 21.12.2011 erhobene Klage.
Die Klägerin führt aus, die bei ihr vorliegenden Folgeerscheinungen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 31.12.2007 entsprächen einer mittelgradigen depressiven Episode, so das eine rentenberechtigende MdE erreicht werde.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.06.2011 in der Fas-sung des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2011 zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 31.12.2007 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 20 vom Hundert der Vollrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts einen Befundbericht des Arztes für Nervenheilkunde Dr. I. vom 24.10.2012 eingeholt. Anschließend hat es eine Begutachtung der Klägerin durch die Fachärztin für Nervenheilkunde Dr. T. veran-lasst. Dr. T. ist in ihrem unter dem 07.05.2012 erstellten Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, bis zum 25.07.2009 hätten die aus dem Arbeitsunfall vom 31.12.2007 resultierenden Folgeschäden eine MdE von 20 vH bedingt. Im Anschluss ergebe sich eine MdE von 10 vH.
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der genannten Unterlagen verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) be-schwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 31.12.2007 keinen Anspruch auf Verletztenrente.
Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um we-nigstens 20 vom Hundert gemindert ist. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern, § 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird die Vollrente geleistet, bei einer MdE wird eine Teilrente geleistet, die in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt wird, der der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwir-kende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII.
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzu-rechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesund-heits(erst)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. statt vieler BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Für beide Bereiche der Kausalität (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Eine Verursachung liegt danach nur dann vor, wenn bei wertender Betrachtung der Versicherungsfall den Gesundheitsschaden wesentlich verursacht hat. Hierfür bedarf es nicht lediglich einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (siehe nur BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R = juris Rdnr. 13 ff.). Angesichts der bestehenden Beweisschwierigkeiten genügt für den Ursachenzusammenhang, dass das Unfallereignis selbst und nicht eine an-dere, unfallunabhängige Ursache die wesentliche Bedingung bildet (st. Rspr. des Bundessozialgerichts, vgl. nur BSG, Urteil vom 28.06.1988 – 2/9b RU 28/87 = BSGE 63, 277, 278 mit weiteren Nachweisen). Welcher Umstand als wesentlich angesehen werden muss, ist durch eine wertende Betrachtung aller in Betracht kommenden Umstände zu ermitteln. Die einzelnen Bedingungen müssen ge-geneinander abgewogen werden; ob eine von ihnen wesentlich den Erfolg mit be-wirkt hat, ist anhand ihrer Qualität zu entscheiden. Auf eine zeitliche Reihenfolge oder die Quantität kommt es nicht an. Die bloße Möglichkeit reicht demnach nicht aus (vgl. hierzu nur BSG, Urteil vom 12.11.1986 – 9 B RU 76/86 = juris). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (st. Rspr. des BSG, siehe nur Urteil vom 02.02.1978 – 8 RU 66/77 = BSGE 45, 285, 286).
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben steht zur Überzeugung der Kammer ledig-lich fest, dass der Arbeitsunfall vom 31.12.2007 wesentliche Ursache einer bei der Klägerin vorliegenden Anpassungsstörung ist. Für die von der Klägerin geltend ge-machte mittelgradige depressive Episode fehlen demgegenüber hinreichende An-haltspunkte.
Die Kammer stützt ihre Auffassung auf das von Amts wegen eingeholte Gutachten der Sachverständigen Dr. T. vom 07.05.2012. Darin hat die Sachverständige für das Gericht überzeugend nachgewiesen, dass bei der Klägerin kein episodenhafter Verlauf der Symptomatik gegeben ist, welcher einer depressiven Episode unterschiedlichen Ausmaßes zugeordnet werden könnte. Vielmehr hat sich der aufgrund des Ereignisses vom 31.12.2007 eingestellte gesundheitliche Folgeschaden mittlerweile chronifiziert und es ist zu einer Instabilisierung der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin gekommen. Deutlich wird die Diagnose einer chronifizierten depressiven Anpassungsstörung gegenüber einer depressiven Episode (mittelgradigen Ausmaßes) unter Rückgriff auf das medizinische Diagnoseklassifikationssystem "International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10. Revision (ICD-10)". Danach zeichnet sich die mit dem Diagnoseschlüssel F32 verschlüsselte depressive Episode dadurch aus, dass
"der betroffene Patient unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminde-rung von Antrieb und Aktivität [leidet]. Die Fähigkeit zu Freude, das Interesse und die Konzentration sind vermindert. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach je-der kleinsten Anstrengung auftreten. Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträch-tigt. Sogar bei der leichten Form kommen Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag wenig, reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von so genannten "somatischen" Symptomen begleitet werden, wie Interessenverlust oder Ver-lust der Freude, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung, Agitiertheit, Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust. Ab-hängig von Anzahl und Schwere der Symptome ist eine depressive Episode als leicht, mittelgradig oder schwer zu bezeichnen."
Das ICD-10 unterscheidet weiter u.a. die Ausprägungen einer leichten depressiven Episode (Diagnoseschlüssel: F32.0) und einer mittelgradigen depressiven Episode (Diagnoseschlüssel: F32.1). Bei einer leichten depressiven Episode sind
"[g]ewöhnlich mindestens zwei oder drei der oben angegebenen Symptome vorhanden. Der betroffene Patient ist im allgemeinen davon beeinträchtigt, aber oft in der Lage, die meisten Aktivitäten fortzusetzen."
Bei einer mittelgradigen depressiven Episode sind
"[g]ewöhnlich vier oder mehr der oben angegebenen Symptome vorhanden, und der betroffene Patient hat meist große Schwierigkeiten, alltägliche Aktivi-täten fortzusetzen."
Demgegenüber wird eine Anpassungsstörung (Diagnoseschlüssel: F43.2) wie folgt umschrieben:
"Hierbei handelt es sich um Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotio-naler Beeinträchtigung, die im allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Die Belastung kann das soziale Netz des Betroffenen beschädigt haben (wie bei einem Trauerfall oder Trennungserlebnissen) oder das weitere Umfeld sozialer Unterstützung oder soziale Werte (wie bei Emigration oder nach Flucht). Sie kann auch in einem größeren Entwicklungsschritt oder einer Krise bestehen (wie Schulbesuch, Elternschaft, Misserfolg, Erreichen eines ersehnten Zieles und Ruhestand). Die individuelle Prädisposition oder Vulnerabilität spielt bei dem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutsame Rolle; es ist aber dennoch davon auszugehen, dass das Krankheitsbild ohne die Belastung nicht entstanden wäre. Die Anzeichen sind unterschiedlich und umfassen depressive Stimmung, Angst oder Sorge (oder eine Mischung von diesen). Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen zu können. Störungen des Sozialverhaltens können insbesondere bei Jugendlichen ein zusätzliches Symptom sein.
Hervorstechendes Merkmal kann eine kurze oder längere depressive Reaktion oder eine Störung anderer Gefühle und des Sozialverhaltens sein."
Betrachtet man die von den Sachverständigen Dres.C., H.-H. und T. erhobenen psychopathologischen Befunde sowie das Alltagsverhalten der Klägerin, so wird deutlich, dass sich mittlerweile zwar eine Chronifizierung ihrer Erkrankung eingestellt hat und es zu einer Beeinträchtigung ihrer Persönlichkeit gekommen ist. Insgesamt aber haben sich die aus der Erkrankung resultierenden Ein-schränkungen im Laufe der Zeit deutlich verringert. So hatte der Sachverständige Dr. C. im Rahmen seines Gutachtens infolge des Ar-beitsunfalls vom 31.12.2007 von Ein- und Durchschlafstörungen, wiederkehrenden Bildern der Situation, Schwindel und Stimmungsschwankungen berichtet (Bl. 101 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Zu einer Verstärkung der Symptome habe der Freispruch der Inhaberin der Apotheke im anhängigen Strafverfahren ge-führt (Bl. 102 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Weiter war der Antrieb der Klägerin zu diesem Zeitpunkt erschwert, die Konzentrationsfähigkeit vermindert. Indessen waren Lust und Interesse an ihrem sozialen Umfeld vorhanden. So fuhr die Klägerin regelmäßig Fahrrad und traf sich in einem großen Bekanntenkreis (ebenda), überdies erledigte sie die Hausarbeit, ging einkaufen und kümmerte sich um einen ca. 900 qm großen Garten und beabsichtigte, ihr Hobby, das Marathonlaufen, wieder aufzunehmen (Bl. 103 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Im Gutachten der Sachverständigen Dr. H.-H. wird zunächst eine (nicht durchgehende) Besserung der Symptomatik beschrieben (Bl. 198 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Die Klägerin berichtete, sie könne Stress nicht so gut aushalten. Es gebe immer noch Zeiten, während derer sie unter depressiven Stimmungsschwankungen, Unruhe und Herzklopfen litt sowie unter Appetitstörungen und Magendruck. Eine Stabilisierung sei durch Aufnahme einer neuen geringfügigen Tätigkeit am 10.03.2010 eingetreten (ebenda). Der Schlaf sei noch immer gestört, Appetitstörungen indessen nur (noch) phasenweise vorhanden, ebenso ein Morgentief. Allerdings verwende sie weniger Gedanken an das traumatische Erlebnis vom 31.12.2007, als noch vor einem Jahr (Bl. 201 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Aufgrund der Erhebungen und Untersuchungen gelangte die Sachverständige Dr. H.-H. zu dem Ergebnis, die Symptomatik habe sich seit der letzten Begutachtung gebessert (Bl. 203 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Demgegenüber beschrieb die Sachverständige Dr. T. in ihrem Gutachten vom 07.05.2012, die Klägerin schlafe in der Nacht sehr unterschiedlich (Bl. 49 der Streit-akte). Jedoch ergab sich ein weitestgehend ungestörter Tagesablauf (Bl. 53 der Streitakte) und im psychopathologischen Befund ergab sich kein aufgehobene affektive Schwingungsfähigkeit und keine beeinträchtigte Antriebslage mehr, sondern eine hohe innere Anspannung. Angesichts der persönlichen Komponente der Symptomatik, die von der Sachverständigen Dr. T. herausgearbeitet und ausführlich begründet worden ist, sieht die Kammer die Diagnose einer chronifizierten depressiven Anpassungsstörung als zutreffend an. So hat die Sachverständige ausgeführt, bei differenzierter Erhebung der biographischen Anamnese und einzelner Parameter ergebe sich eine äußerst korrekte, ruhige, harmoniebedürftige Primärpersönlichkeit. Die Tendenz zur anankastischen und selbstunsicheren Persönlichkeitsstruktur werde unterstrichen durch die psychologischen Testverfahren, welche depressive Züge, eine Somatisierungstendenz und eine Konversionsneigung in dem Sinne beschreibe, dass Gefühle unterdrückt und nicht ausgelebt und Emotionen zurückgehalten wür-den. Demgegenüber vermag die Kammer für die anfänglich gestellte (und zum damaligen Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffende) Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode mittlerweile keine Anhaltspunkte mehr zu erkennen. Denn es waren nicht wenigstens vier der oben beschriebenen Symptome mehr vorhanden und die Klägerin war auch in der Lage, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen.
Erst Recht ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für die noch vom behandelnden Internisten Dr. I. gestellt Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung. Abgesehen davon, dass die Klägerin diese zuletzt nicht mehr als Unfallfolge geltend gemacht hat, so hat die Sachverständige Dr. T. überzeugend nachgewiesen, dass weder die Kriterien nach der ICD-10, noch des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. Auflage (DSM IV) hierfür erfüllt sind.
Aus der somit als Unfallfolge feststehenden Anpassungsstörung der Klägerin resul-tiert keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit. Aus Sicht der Kammer hat die Sachverständige Dr. T. auch die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin mit 10 vH zutreffend eingeschätzt. In der einschlägigen medizinischen Fachliteratur wird für eine Anpassungsstörung ein Richtwert von bis zu 20 vH genannt (vgl. etwa Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrank-heit, 8. Aufl. 2010, S. 156, mit umfangreichen Nachweisen in Fn. 86). Angesichts des Umstandes, dass eine stärkergradige sozial-kommunikative Beeinträchtigung bei der Klägerin nicht vorliegt und ein Rückzugsverhalten von der Sachverständigen Dr. T. nicht beschrieben worden ist, hält das Gericht die MdE mit 10 vH für zutreffend eingeschätzt. Dass sich bis zum 24.07.2009 eine MdE von 20 vH ergeben hat, führt nicht zu einem Anspruch auf Verletztenrente, weil zu bis diesem Zeitpunkt nach übereinstimmendem Votum der Sachverständigen Dres. H.-H. und T. noch eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bestanden hat (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Entschädigung eines Arbeitsunfalls.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin war als Apothekenhelferin beschäftigt, als sie am 31.12.2007 im Verlauf einer Auseinandersetzung mit der Inhaberin der Apotheke von dieser tätlich angegriffen wurde. Wegen der Einzelheiten des Vorgangs wird auf die von der Klägerin erstattete Strafanzeige vom 31.12.2007 verwiesen. Die Beklagte zog einen Bericht des Internisten Dr. I. vom 19.02.2008 bei, der von einer Prellung der Schulter und des Oberarms rechts sowie von einer posttraumati-schen Belastungsstörung (PTBS) spricht. Die Beklagte zog einen Bericht des Arztes für Nervenheilkunde Dr. I. vom 21.04.2008 bei, der von einer Behandlung wegen einer reaktiven Depression ab 18.12.2007 nach Mobbing durch die Arbeitgeberin der Klägerin spricht. Die Beklagte holte ein Vorerkrankungsverzeichnis bei der Krankenkasse der Klägerin ein und zog einen weiteren Bericht des Arztes für Nervenheilkunde Dr. I. vom 30.10.2008 bei. Anschließend veranlasste sie eine Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. Dr. C. kam in seinem unter dem 24.03.2009 erstellten Gutachten zu dem Ergebnis, als Folge des Vorfalls vom 31.12.2007 habe sich bei der Klägerin eine mittelgradige depressive Episode eingestellt. Die hieraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 20 vom Hundert (vH) einzuschätzen. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des behandelnden Facharztes für Nerven-heilkunde Dr. X. vom 16.05.2009 ein, der auf eine Behandlungsbedürftigkeit wegen Vorschäden ab 18.12.2007 hinwies. Der daraufhin von der Beklagten um eine ergänzende Stellungnahme ersuchte Dr. C. teilte unter dem 25.06.2009 mit, im Rahmen der seit dem 18.12.2007 durchgeführten Behandlung habe noch kein Krankheitswert bestanden. Die aktuelle Symptomatik sei vor dem 31.12.2007 nicht vorhanden gewesen. Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme des Arztes für Nervenheilkunde Dr. I. vom 23.07.2009 ein und zog einen Bericht des Dipl.-Psychologen M. vom 07.01.2010 bei. Weiter holte sie eine weitere Stellungnahme von Dr. X. vom 16.03.2010 ein und veranlasste eine weitere Begutachtung der Klägerin durch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.H.-H ... Dr. H.-H. kam in ihrem unter dem 01.01.2011 erstellten Gutachten zu dem Ergebnis, eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin habe bis zum 24.07.2009 bestanden. Die danach verbleibenden Folgen entsprächen einer mittelgradigen depressiven Episode. Hieraus ergebe sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 vH. Nachdem die Beklagte erklärt hatte, die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode sei mit der Annahme einer MdE von lediglich 10 vH nicht in Einklang zu bringen, teilte Frau Dr. H.-H. unter dem 11.03.2011 mit, es bestehe bei der Klägerin lediglich eine leichte depressive Episode. Daraufhin erkannte die Beklagte das Ereignis vom 31.12.2007 mit Bescheid vom 14.06.2011 als Arbeitsunfall an, lehnte die Gewährung von Verletztenrente indessen ab. Zur Begründung führte sie aus, die verbliebenen Unfallfolgen bedingten keine rentenberechtigende MdE. Die Klägerin legte am 19.07.2011 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2011 zurückwies.
Hiergegen richtet sich die am 21.12.2011 erhobene Klage.
Die Klägerin führt aus, die bei ihr vorliegenden Folgeerscheinungen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 31.12.2007 entsprächen einer mittelgradigen depressiven Episode, so das eine rentenberechtigende MdE erreicht werde.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.06.2011 in der Fas-sung des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2011 zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 31.12.2007 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 20 vom Hundert der Vollrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts einen Befundbericht des Arztes für Nervenheilkunde Dr. I. vom 24.10.2012 eingeholt. Anschließend hat es eine Begutachtung der Klägerin durch die Fachärztin für Nervenheilkunde Dr. T. veran-lasst. Dr. T. ist in ihrem unter dem 07.05.2012 erstellten Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, bis zum 25.07.2009 hätten die aus dem Arbeitsunfall vom 31.12.2007 resultierenden Folgeschäden eine MdE von 20 vH bedingt. Im Anschluss ergebe sich eine MdE von 10 vH.
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der genannten Unterlagen verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) be-schwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 31.12.2007 keinen Anspruch auf Verletztenrente.
Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um we-nigstens 20 vom Hundert gemindert ist. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern, § 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird die Vollrente geleistet, bei einer MdE wird eine Teilrente geleistet, die in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt wird, der der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwir-kende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII.
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzu-rechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesund-heits(erst)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. statt vieler BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Für beide Bereiche der Kausalität (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Eine Verursachung liegt danach nur dann vor, wenn bei wertender Betrachtung der Versicherungsfall den Gesundheitsschaden wesentlich verursacht hat. Hierfür bedarf es nicht lediglich einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (siehe nur BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R = juris Rdnr. 13 ff.). Angesichts der bestehenden Beweisschwierigkeiten genügt für den Ursachenzusammenhang, dass das Unfallereignis selbst und nicht eine an-dere, unfallunabhängige Ursache die wesentliche Bedingung bildet (st. Rspr. des Bundessozialgerichts, vgl. nur BSG, Urteil vom 28.06.1988 – 2/9b RU 28/87 = BSGE 63, 277, 278 mit weiteren Nachweisen). Welcher Umstand als wesentlich angesehen werden muss, ist durch eine wertende Betrachtung aller in Betracht kommenden Umstände zu ermitteln. Die einzelnen Bedingungen müssen ge-geneinander abgewogen werden; ob eine von ihnen wesentlich den Erfolg mit be-wirkt hat, ist anhand ihrer Qualität zu entscheiden. Auf eine zeitliche Reihenfolge oder die Quantität kommt es nicht an. Die bloße Möglichkeit reicht demnach nicht aus (vgl. hierzu nur BSG, Urteil vom 12.11.1986 – 9 B RU 76/86 = juris). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (st. Rspr. des BSG, siehe nur Urteil vom 02.02.1978 – 8 RU 66/77 = BSGE 45, 285, 286).
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben steht zur Überzeugung der Kammer ledig-lich fest, dass der Arbeitsunfall vom 31.12.2007 wesentliche Ursache einer bei der Klägerin vorliegenden Anpassungsstörung ist. Für die von der Klägerin geltend ge-machte mittelgradige depressive Episode fehlen demgegenüber hinreichende An-haltspunkte.
Die Kammer stützt ihre Auffassung auf das von Amts wegen eingeholte Gutachten der Sachverständigen Dr. T. vom 07.05.2012. Darin hat die Sachverständige für das Gericht überzeugend nachgewiesen, dass bei der Klägerin kein episodenhafter Verlauf der Symptomatik gegeben ist, welcher einer depressiven Episode unterschiedlichen Ausmaßes zugeordnet werden könnte. Vielmehr hat sich der aufgrund des Ereignisses vom 31.12.2007 eingestellte gesundheitliche Folgeschaden mittlerweile chronifiziert und es ist zu einer Instabilisierung der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin gekommen. Deutlich wird die Diagnose einer chronifizierten depressiven Anpassungsstörung gegenüber einer depressiven Episode (mittelgradigen Ausmaßes) unter Rückgriff auf das medizinische Diagnoseklassifikationssystem "International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10. Revision (ICD-10)". Danach zeichnet sich die mit dem Diagnoseschlüssel F32 verschlüsselte depressive Episode dadurch aus, dass
"der betroffene Patient unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminde-rung von Antrieb und Aktivität [leidet]. Die Fähigkeit zu Freude, das Interesse und die Konzentration sind vermindert. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach je-der kleinsten Anstrengung auftreten. Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträch-tigt. Sogar bei der leichten Form kommen Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag wenig, reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von so genannten "somatischen" Symptomen begleitet werden, wie Interessenverlust oder Ver-lust der Freude, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung, Agitiertheit, Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust. Ab-hängig von Anzahl und Schwere der Symptome ist eine depressive Episode als leicht, mittelgradig oder schwer zu bezeichnen."
Das ICD-10 unterscheidet weiter u.a. die Ausprägungen einer leichten depressiven Episode (Diagnoseschlüssel: F32.0) und einer mittelgradigen depressiven Episode (Diagnoseschlüssel: F32.1). Bei einer leichten depressiven Episode sind
"[g]ewöhnlich mindestens zwei oder drei der oben angegebenen Symptome vorhanden. Der betroffene Patient ist im allgemeinen davon beeinträchtigt, aber oft in der Lage, die meisten Aktivitäten fortzusetzen."
Bei einer mittelgradigen depressiven Episode sind
"[g]ewöhnlich vier oder mehr der oben angegebenen Symptome vorhanden, und der betroffene Patient hat meist große Schwierigkeiten, alltägliche Aktivi-täten fortzusetzen."
Demgegenüber wird eine Anpassungsstörung (Diagnoseschlüssel: F43.2) wie folgt umschrieben:
"Hierbei handelt es sich um Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotio-naler Beeinträchtigung, die im allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Die Belastung kann das soziale Netz des Betroffenen beschädigt haben (wie bei einem Trauerfall oder Trennungserlebnissen) oder das weitere Umfeld sozialer Unterstützung oder soziale Werte (wie bei Emigration oder nach Flucht). Sie kann auch in einem größeren Entwicklungsschritt oder einer Krise bestehen (wie Schulbesuch, Elternschaft, Misserfolg, Erreichen eines ersehnten Zieles und Ruhestand). Die individuelle Prädisposition oder Vulnerabilität spielt bei dem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutsame Rolle; es ist aber dennoch davon auszugehen, dass das Krankheitsbild ohne die Belastung nicht entstanden wäre. Die Anzeichen sind unterschiedlich und umfassen depressive Stimmung, Angst oder Sorge (oder eine Mischung von diesen). Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen zu können. Störungen des Sozialverhaltens können insbesondere bei Jugendlichen ein zusätzliches Symptom sein.
Hervorstechendes Merkmal kann eine kurze oder längere depressive Reaktion oder eine Störung anderer Gefühle und des Sozialverhaltens sein."
Betrachtet man die von den Sachverständigen Dres.C., H.-H. und T. erhobenen psychopathologischen Befunde sowie das Alltagsverhalten der Klägerin, so wird deutlich, dass sich mittlerweile zwar eine Chronifizierung ihrer Erkrankung eingestellt hat und es zu einer Beeinträchtigung ihrer Persönlichkeit gekommen ist. Insgesamt aber haben sich die aus der Erkrankung resultierenden Ein-schränkungen im Laufe der Zeit deutlich verringert. So hatte der Sachverständige Dr. C. im Rahmen seines Gutachtens infolge des Ar-beitsunfalls vom 31.12.2007 von Ein- und Durchschlafstörungen, wiederkehrenden Bildern der Situation, Schwindel und Stimmungsschwankungen berichtet (Bl. 101 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Zu einer Verstärkung der Symptome habe der Freispruch der Inhaberin der Apotheke im anhängigen Strafverfahren ge-führt (Bl. 102 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Weiter war der Antrieb der Klägerin zu diesem Zeitpunkt erschwert, die Konzentrationsfähigkeit vermindert. Indessen waren Lust und Interesse an ihrem sozialen Umfeld vorhanden. So fuhr die Klägerin regelmäßig Fahrrad und traf sich in einem großen Bekanntenkreis (ebenda), überdies erledigte sie die Hausarbeit, ging einkaufen und kümmerte sich um einen ca. 900 qm großen Garten und beabsichtigte, ihr Hobby, das Marathonlaufen, wieder aufzunehmen (Bl. 103 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Im Gutachten der Sachverständigen Dr. H.-H. wird zunächst eine (nicht durchgehende) Besserung der Symptomatik beschrieben (Bl. 198 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Die Klägerin berichtete, sie könne Stress nicht so gut aushalten. Es gebe immer noch Zeiten, während derer sie unter depressiven Stimmungsschwankungen, Unruhe und Herzklopfen litt sowie unter Appetitstörungen und Magendruck. Eine Stabilisierung sei durch Aufnahme einer neuen geringfügigen Tätigkeit am 10.03.2010 eingetreten (ebenda). Der Schlaf sei noch immer gestört, Appetitstörungen indessen nur (noch) phasenweise vorhanden, ebenso ein Morgentief. Allerdings verwende sie weniger Gedanken an das traumatische Erlebnis vom 31.12.2007, als noch vor einem Jahr (Bl. 201 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Aufgrund der Erhebungen und Untersuchungen gelangte die Sachverständige Dr. H.-H. zu dem Ergebnis, die Symptomatik habe sich seit der letzten Begutachtung gebessert (Bl. 203 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Demgegenüber beschrieb die Sachverständige Dr. T. in ihrem Gutachten vom 07.05.2012, die Klägerin schlafe in der Nacht sehr unterschiedlich (Bl. 49 der Streit-akte). Jedoch ergab sich ein weitestgehend ungestörter Tagesablauf (Bl. 53 der Streitakte) und im psychopathologischen Befund ergab sich kein aufgehobene affektive Schwingungsfähigkeit und keine beeinträchtigte Antriebslage mehr, sondern eine hohe innere Anspannung. Angesichts der persönlichen Komponente der Symptomatik, die von der Sachverständigen Dr. T. herausgearbeitet und ausführlich begründet worden ist, sieht die Kammer die Diagnose einer chronifizierten depressiven Anpassungsstörung als zutreffend an. So hat die Sachverständige ausgeführt, bei differenzierter Erhebung der biographischen Anamnese und einzelner Parameter ergebe sich eine äußerst korrekte, ruhige, harmoniebedürftige Primärpersönlichkeit. Die Tendenz zur anankastischen und selbstunsicheren Persönlichkeitsstruktur werde unterstrichen durch die psychologischen Testverfahren, welche depressive Züge, eine Somatisierungstendenz und eine Konversionsneigung in dem Sinne beschreibe, dass Gefühle unterdrückt und nicht ausgelebt und Emotionen zurückgehalten wür-den. Demgegenüber vermag die Kammer für die anfänglich gestellte (und zum damaligen Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffende) Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode mittlerweile keine Anhaltspunkte mehr zu erkennen. Denn es waren nicht wenigstens vier der oben beschriebenen Symptome mehr vorhanden und die Klägerin war auch in der Lage, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen.
Erst Recht ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für die noch vom behandelnden Internisten Dr. I. gestellt Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung. Abgesehen davon, dass die Klägerin diese zuletzt nicht mehr als Unfallfolge geltend gemacht hat, so hat die Sachverständige Dr. T. überzeugend nachgewiesen, dass weder die Kriterien nach der ICD-10, noch des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. Auflage (DSM IV) hierfür erfüllt sind.
Aus der somit als Unfallfolge feststehenden Anpassungsstörung der Klägerin resul-tiert keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit. Aus Sicht der Kammer hat die Sachverständige Dr. T. auch die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin mit 10 vH zutreffend eingeschätzt. In der einschlägigen medizinischen Fachliteratur wird für eine Anpassungsstörung ein Richtwert von bis zu 20 vH genannt (vgl. etwa Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrank-heit, 8. Aufl. 2010, S. 156, mit umfangreichen Nachweisen in Fn. 86). Angesichts des Umstandes, dass eine stärkergradige sozial-kommunikative Beeinträchtigung bei der Klägerin nicht vorliegt und ein Rückzugsverhalten von der Sachverständigen Dr. T. nicht beschrieben worden ist, hält das Gericht die MdE mit 10 vH für zutreffend eingeschätzt. Dass sich bis zum 24.07.2009 eine MdE von 20 vH ergeben hat, führt nicht zu einem Anspruch auf Verletztenrente, weil zu bis diesem Zeitpunkt nach übereinstimmendem Votum der Sachverständigen Dres. H.-H. und T. noch eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bestanden hat (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
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NRW
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