Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AL 24/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2011 verurteilt, den Bescheid vom 17.03.2011 abzuändern und dem Kläger Ausbildungsgeld ohne Anrechnung von tatsächlich nicht geleistetem Unterhalt zu gewähren. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Anspruch auf Ausbildungsgeld für die Zeit vom 24.08.2010 bis 23.02.2012.
Der am 00.00.1993 geborene Kläger begann am 24.08.2010 eine Ausbildung als Werker im Garten- und Landschaftsbau bei der J gGmbH in Q. Auf den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Ausbildungsgeld erteilte die Beklagte den Bescheid vom 02.09.2010, mit dem sie ihm Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Ausbildungsgeld für die Ausbildung bei J für die Zeit vom 24.08.2010 bis 23.02.2012 in Höhe von 211,00 EUR monatlich bewilligte. Ausgehend von einem Gesamtbedarf von 310,00 EUR rechnete die Beklagte dabei Einkommen des Auszubildenden in Höhe von 99,00 EUR an. Nach dem Inkrafttreten des 23. Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 24.10.2010 änderte die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Ausbildungsgeld mit Bescheid vom 17.03.2011 dahingehend ab, dass Ausbildungsgeld für die Zeit vom 24.08.2010 bis 23.02.2012 in Höhe von 224,00 EUR monatlich bewilligt wurde. Hintergrund war die Anhebung des Bedarfssatzes auf 316,00 EUR. Unter Berücksichtigung der erhöhten Bedarfssätze und Freibeträge berechnete die Beklagte dabei einen Gesamtbedarf von 316,00 EUR, von dem sie anzurechnendes Einkommen des Auszubildenden in Höhe von 92,00 EUR abzog.
Den gegen den Bescheid vom 17.03.2011 eingelegten Widerspruch vom 09.11.2011 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2011 als unzulässig ab und führte hierzu aus, dass der Widerspruch verfristet sei. Gleichzeitig wertete die Beklagte das Vorbringen des Klägers als Antrag auf Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 17.03.2011 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.11.2011 verwies die Beklagte darauf, dass der vorgenannte Bescheid nicht zu beanstanden sei. Förmlich festgesetzte Unterhaltsleistungen seien nach Abzug eines Freibetrages von aktuell 242,00 EUR monatlich auf das Ausbildungsgeld anzurechnen. Die Unterhaltsurkunde des Jugendamtes Q vom 10.02.2005 ergebe, dass der Vater des Klägers, K T, die Verpflichtung habe, 100 % des jeweiligen Regelbetrages minus Kindergeld an den Kläger zu zahlen. Dies sei zum Zeitpunkt der Bewilligung 334,00 EUR monatlich, sodass sich abzüglich des Freibetrages von 242,00 EUR eine anzurechnende Unterhaltsleistung von 92,00 EUR ergebe. Auf eine tatsächliche Zahlung komme es nicht an.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die Beklagte zu Unrecht einen Betrag in Höhe von monatlich 92,00 EUR für Unterhalt anrechne. Er selber erhalte keinen Unterhalt. Seine Mutter verdiene nicht über 950,00 EUR monatlich und sein Vater sei ebenfalls leistungsunfähig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte hierzu aus, sie habe zu Recht die Unterhaltsurkunde des Jugendamtes Q vom 10.02.2005 berücksichtigt und den sich daraus ergebenden Betrag von 334,00 EUR monatlich abzüglich des Freibetrages von 242,00 EUR in Höhe von 92,00 EUR in die Berechnung des Ausbildungsgeldes einbezogen. Dass das Unterhaltsgeld tatsächlich gar nicht geleistet worden sei, spiele dabei keine Rolle. Mache der Auszubildende glaubhaft, dass seine Eltern den nach den Vorschriften dieses Gesetzes angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisteten und sei die Ausbildung auch unter Berücksichtigung des Einkommens der Ehegatten oder des Lebenspartners im Bewilligungszeitraum gefährdet, so werde nach Anhörung der Eltern ohne Anrechnung dieses Betrages Berufsausbildungsbeihilfe geleistet. Unterhaltsbetrag nach diesem Gesetz sei jedoch nur der die Freibeträge übersteigende Teil des Elterneinkommens, nicht dagegen die förmlich festgesetzte Unterhaltsleistung. Somit könnten die nichtgezahlten förmlich festgesetzten Unterhaltsleistungen bei der Berechnung des Ausbildungsgeldes nicht außer Acht gelassen werden.
Hiergegen richtet sich die am 16.01.2012 erhobene Klage, mit der der Kläger weiterhin Ausbildungsgeld ohne Anrechnung eines Unterhaltsgeldes begehrt. Zur Begründung trägt er ergänzend vor, die Beklagte habe zu Unrecht Unterhaltsleistungen als Einkommen berücksichtigt. Er erhalte weder zurzeit, noch seit über 10 Jahren, irgendwelche Unterhaltsleistungen. Zwar sei der Unterhalt tituliert, jedoch erziele sein Vater ein so geringes Einkommen, dass eine Vollstreckung keine Aussicht auf Erfolg habe und mit Unterhaltszahlungen nicht zu rechnen sei. Die Anrechnung des titulierten Betrages stelle eine Schlechterstellung gegenüber anderen Berechtigten dar, die tatsächlich den angerechneten Unterhaltsbetrag erhalten würden.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2011 zu verurteilen, den Bescheid vom 17.03.2011 abzuändern und ihm Ausbildungsgeld ohne Anrechnung von tatsächlich nicht geleistetem Unterhalt zu gewähren.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden sei und verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid. Das Gericht hat zu der Frage von Unterhaltsleistungen Auskünfte vom Vater des Klägers, K T, eingeholt. Auf den Inhalt seines Schreibens vom 23.06.2012 und die in dem Zusammenhang überwiesene Lohnabrechnungen wird verwiesen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte gemäß § 124 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 18.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2011 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger in seinen Rechten gemäß § 54 Absatz 2 Satz 1 SGG.
Zu Unrecht hat die Beklagte im Rahmen des von dem Kläger beantragten Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X abgelehnt, ihren Bescheid vom 17.03.2011 abzuändern und dem Kläger Ausbildungsgeld ohne Anrechnung von tatsächlich nicht geleistetem Unterhalt zu gewähren.
Nach § 44 Absatz 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Bei Erlass ihres Bescheides vom 17.03.2011 hat die Beklagte nach Auffassung der Kammer das Recht unrichtig angewandt, da sie den tatsächlich nicht geleisteten Unterhalt als Einkommen beim Ausbildungsgeld nicht hätte anrechnen dürfen.
Nach § 104 Absatz 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.2008 (BGBL.I Seite 2959) haben behinderte Menschen Anspruch auf Ausbildungsgeld während einer beruflichen Ausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme einschließlich einer Grundausbildung, wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht werden kann. Für das Ausbildungsgeld gelten dabei die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe entsprechend, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist (§ 104 Absatz 2 SGB III a.F.). Abweichende, den Rückgriff auf die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe weitgehend ausschließende Regelungen, die den besonderen behinderungsspezifischen Belangen des anspruchsberechtigten Personenkreises Rechnung tragen, enthalten §§ 105 bis 108 SGB III in der jeweils bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung
Der aus den genannten Vorschriften zu ermittelnde Bedarf des Klägers betrug während des hier streitigen Zeitraums seiner Ausbildung monatlich 316,00 EUR. Nach § 105 Absatz 1 Nr. 1 SGB III a.F. werden als Bedarf bei beruflicher Ausbildung 316,00 EUR monatlich zu Grunde gelegt bei Unterbringung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils, wenn der behinderte Mensch unverheiratet ist und keine Lebenspartnerschaft führt und das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Diese Voraussetzungen waren im Fall des Klägers gegeben, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
Dieser Bedarf wird zur Überzeugung der Kammer nicht durch Einkünfte des Klägers oder das Einkommen seiner Eltern gemindert. Nach den Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe sind auf den Bedarf des Auszubildenden dessen Einkommen, das Einkommen seines nicht dauernd von ihm getrenntlebenden Ehegatten/Lebenspartners und schließlich das seiner Eltern in dieser Reihenfolge anzurechnen (§ 104 Absatz 2 in Verbindung mit § 71 Absatz 1 SGB III a. F.). Für das Ausbildungsgeld gilt für die Einkommensanrechnung hiervon abweichend die Sonderregelung des § 108 SGB III a.F. Nach § 108 Absatz 2 bleibt bei der Einkommensanrechnung das Einkommen des behinderten Menschen aus Waisenrenten, Waisengeld oder aus Unterhaltsleistungen bis 242,00 EUR monatlich (Nr. 1), der Eltern bis 2909,00 EUR monatlich, des verwitweten Elternteils oder bei getrenntlebenden Eltern, das Einkommen des Elternteils, bei dem der behinderte Mensch lebt, ohne Anrechnung des Einkommens des anderen Elternteils, bis 1813,00 EUR monatlich (Nr. 2) und des Ehegatten oder Lebenspartners bis 1630,00 EUR monatlich (Nr. 3) anrechnungsfrei.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist hier nach Auffassung der Kammer allerdings nicht der sich aus der Unterhaltsurkunde des Jugendamtes Q vom 10.05.2005 ergebende Unterhalsbetrag in Höhe von 92,00 EUR anzurechnen. Zwar ergibt sich aus der vorgenannten Urkunde eine Verpflichtung des Vaters des Klägers 100 % des jeweiligen Regelbetrages minus Kindergeld zu zahlen. Ausgehend vom 24.10.2010 war dieses ein monatlicher Betrag von 334,00 EUR, von dem die Beklagte den sich aus § 108 Absatz 2 Nr. 1 SGB III a. F. ergebenden Freibetrag von 242,00 EUR in Abzug gebracht hat. Hierbei handelt es sich jedoch um fiktives tatsächlich nicht dem Kläger zugeflossenes Einkommen, was zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Die für das Ausbildungsgeld geltende Regelung über die Anrechnung des Elterneinkommens in § 108 Absatz 2 Nr. 1 SGB III a. F. umfasst aber nicht die vorliegende Fallkonstellation einer tatsächlich nicht geleisteten sondern lediglich förmlich festgesetzten Unterhaltszahlung. Die Vorschrift des § 108 SGB III a.F. enthält keine Definition des Einkommens, das deshalb gemäß § 104 Abs. 2 a.F. SGB III in Verbindung mit § 71 Abs. 2 a.F. SGB III nach § 21 BaföG begrifflich zu bestimmen ist. Als Einkommen gilt gemäß § 21 Abs. 1 BaföG grundsätzlich die Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 EStG. Dazu gehören auch Waisengelder, Waisenrenten und sonstige Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts einschließlich Unterhaltsleistungen (§ 21 Abs. 3 BaföG; Großmann in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB III K § 108 Rd-Nr. 9 Lfg. 1/12 II/12). Bei der Einkommensanrechnung ist dabei sowohl beim Auszubildenden als auch bei seinem Ehegatten oder Lebenspartner und seinen Eltern wie folgt vorzugehen: 1. Schritt: Es ist zunächst zu klären, ob der jeweilige Zufluss Einkommen ist (vgl § 21 Abs 1, 3, 4 ) 2. Schritt: Berechnung des Einkommens 3. Schritt: Verteilung des Einkommens auf den Bewilligungszeitraum ( Winkler in Beck scher Onlinekommentar Sozialrecht, § 21 BaföG Stand: 01.09.2012). Hieraus wird deutlich, dass die Einkommensanrechnung den tatsächlichen Zufluss voraussetzt.
Auch aus der Gesetzessystematik des §108 SGB III a.F. selbst ergibt sich, dass eine Anrechnung des Einkommens nur dann in Betracht kommt, sofern die dort genannten Leistungen auch tatsächlich ausgezahlt werden. So führt § 108 Absatz 2 Nr. 1 SGB III a.F. Waisenrenten, Waisengeld oder Unterhaltsleistungen gleichermaßen an. Bei Waisenrente und Waisengeld handelt es sich um monatlich von der jeweiligen Behörde geleistete Beträge. Wenn hier der Gesetzgeber Unterhaltsleistungen mit erwähnt, wäre es nicht nachvollziehbar, dass es bei diesen auf den tatsächlichen Zufluss nicht ankommen sollte. Entsprechend müssen auch Unterhaltsleistungen, um sie einer Anrechnung zuzuführen, tatsächlich erzielt werden.
Selbst wenn man nach § 108 SGB III a.F. zu einer Anrechnung von Unterhaltsbeträgen käme, könnte der Kläger sein Klagebegehren zur Überzeugung der Kammer auch auf § 104 Absatz 2 SGB III a. F in Verbindung mit § 72 Absatz 1 SGB III in der bis zum 31.03.2012 gültigen Fassung stützen.( zur Anwendung des § 72 SGB III a.F. im Rahmen des § 104 SGB III a.F. vergl. Großmann in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB III K § 104 Rd-Nr. 97,aaO)
Macht der Auszubildende glaubhaft, dass seine Eltern den nach den Vorschriften dieses Gesetzes angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten, oder kann das Einkommen der Eltern nicht berechnet werden, weil diese erforderliche Auskünfte nicht erteilen oder Urkunden nicht vorlegen, und ist die Ausbildung auch unter Berücksichtigung des Einkommens des Ehegatten oder des Lebenspartners im Bewilligungszeitraum gefährdet, so wird nach Anhörung der Eltern ohne Anrechnung dieses Betrages Berufsausbildungsbeihilfe geleistet. Von der Anhörung der Eltern kann aus wichtigem Grund abgesehen werden (§ 72 Absatz 1 SGB III a.F.).
Auch diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, zumal der Vater des Klägers schriftlich versichert hat, den angerechneten Unterhaltsbetrag nicht geleistet zu haben und auch nicht leisten zu können. Nach alledem war der Klage im tenorierten Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Anspruch auf Ausbildungsgeld für die Zeit vom 24.08.2010 bis 23.02.2012.
Der am 00.00.1993 geborene Kläger begann am 24.08.2010 eine Ausbildung als Werker im Garten- und Landschaftsbau bei der J gGmbH in Q. Auf den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Ausbildungsgeld erteilte die Beklagte den Bescheid vom 02.09.2010, mit dem sie ihm Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Ausbildungsgeld für die Ausbildung bei J für die Zeit vom 24.08.2010 bis 23.02.2012 in Höhe von 211,00 EUR monatlich bewilligte. Ausgehend von einem Gesamtbedarf von 310,00 EUR rechnete die Beklagte dabei Einkommen des Auszubildenden in Höhe von 99,00 EUR an. Nach dem Inkrafttreten des 23. Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 24.10.2010 änderte die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Ausbildungsgeld mit Bescheid vom 17.03.2011 dahingehend ab, dass Ausbildungsgeld für die Zeit vom 24.08.2010 bis 23.02.2012 in Höhe von 224,00 EUR monatlich bewilligt wurde. Hintergrund war die Anhebung des Bedarfssatzes auf 316,00 EUR. Unter Berücksichtigung der erhöhten Bedarfssätze und Freibeträge berechnete die Beklagte dabei einen Gesamtbedarf von 316,00 EUR, von dem sie anzurechnendes Einkommen des Auszubildenden in Höhe von 92,00 EUR abzog.
Den gegen den Bescheid vom 17.03.2011 eingelegten Widerspruch vom 09.11.2011 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2011 als unzulässig ab und führte hierzu aus, dass der Widerspruch verfristet sei. Gleichzeitig wertete die Beklagte das Vorbringen des Klägers als Antrag auf Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 17.03.2011 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.11.2011 verwies die Beklagte darauf, dass der vorgenannte Bescheid nicht zu beanstanden sei. Förmlich festgesetzte Unterhaltsleistungen seien nach Abzug eines Freibetrages von aktuell 242,00 EUR monatlich auf das Ausbildungsgeld anzurechnen. Die Unterhaltsurkunde des Jugendamtes Q vom 10.02.2005 ergebe, dass der Vater des Klägers, K T, die Verpflichtung habe, 100 % des jeweiligen Regelbetrages minus Kindergeld an den Kläger zu zahlen. Dies sei zum Zeitpunkt der Bewilligung 334,00 EUR monatlich, sodass sich abzüglich des Freibetrages von 242,00 EUR eine anzurechnende Unterhaltsleistung von 92,00 EUR ergebe. Auf eine tatsächliche Zahlung komme es nicht an.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die Beklagte zu Unrecht einen Betrag in Höhe von monatlich 92,00 EUR für Unterhalt anrechne. Er selber erhalte keinen Unterhalt. Seine Mutter verdiene nicht über 950,00 EUR monatlich und sein Vater sei ebenfalls leistungsunfähig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte hierzu aus, sie habe zu Recht die Unterhaltsurkunde des Jugendamtes Q vom 10.02.2005 berücksichtigt und den sich daraus ergebenden Betrag von 334,00 EUR monatlich abzüglich des Freibetrages von 242,00 EUR in Höhe von 92,00 EUR in die Berechnung des Ausbildungsgeldes einbezogen. Dass das Unterhaltsgeld tatsächlich gar nicht geleistet worden sei, spiele dabei keine Rolle. Mache der Auszubildende glaubhaft, dass seine Eltern den nach den Vorschriften dieses Gesetzes angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisteten und sei die Ausbildung auch unter Berücksichtigung des Einkommens der Ehegatten oder des Lebenspartners im Bewilligungszeitraum gefährdet, so werde nach Anhörung der Eltern ohne Anrechnung dieses Betrages Berufsausbildungsbeihilfe geleistet. Unterhaltsbetrag nach diesem Gesetz sei jedoch nur der die Freibeträge übersteigende Teil des Elterneinkommens, nicht dagegen die förmlich festgesetzte Unterhaltsleistung. Somit könnten die nichtgezahlten förmlich festgesetzten Unterhaltsleistungen bei der Berechnung des Ausbildungsgeldes nicht außer Acht gelassen werden.
Hiergegen richtet sich die am 16.01.2012 erhobene Klage, mit der der Kläger weiterhin Ausbildungsgeld ohne Anrechnung eines Unterhaltsgeldes begehrt. Zur Begründung trägt er ergänzend vor, die Beklagte habe zu Unrecht Unterhaltsleistungen als Einkommen berücksichtigt. Er erhalte weder zurzeit, noch seit über 10 Jahren, irgendwelche Unterhaltsleistungen. Zwar sei der Unterhalt tituliert, jedoch erziele sein Vater ein so geringes Einkommen, dass eine Vollstreckung keine Aussicht auf Erfolg habe und mit Unterhaltszahlungen nicht zu rechnen sei. Die Anrechnung des titulierten Betrages stelle eine Schlechterstellung gegenüber anderen Berechtigten dar, die tatsächlich den angerechneten Unterhaltsbetrag erhalten würden.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2011 zu verurteilen, den Bescheid vom 17.03.2011 abzuändern und ihm Ausbildungsgeld ohne Anrechnung von tatsächlich nicht geleistetem Unterhalt zu gewähren.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden sei und verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid. Das Gericht hat zu der Frage von Unterhaltsleistungen Auskünfte vom Vater des Klägers, K T, eingeholt. Auf den Inhalt seines Schreibens vom 23.06.2012 und die in dem Zusammenhang überwiesene Lohnabrechnungen wird verwiesen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte gemäß § 124 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 18.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2011 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger in seinen Rechten gemäß § 54 Absatz 2 Satz 1 SGG.
Zu Unrecht hat die Beklagte im Rahmen des von dem Kläger beantragten Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X abgelehnt, ihren Bescheid vom 17.03.2011 abzuändern und dem Kläger Ausbildungsgeld ohne Anrechnung von tatsächlich nicht geleistetem Unterhalt zu gewähren.
Nach § 44 Absatz 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Bei Erlass ihres Bescheides vom 17.03.2011 hat die Beklagte nach Auffassung der Kammer das Recht unrichtig angewandt, da sie den tatsächlich nicht geleisteten Unterhalt als Einkommen beim Ausbildungsgeld nicht hätte anrechnen dürfen.
Nach § 104 Absatz 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.2008 (BGBL.I Seite 2959) haben behinderte Menschen Anspruch auf Ausbildungsgeld während einer beruflichen Ausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme einschließlich einer Grundausbildung, wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht werden kann. Für das Ausbildungsgeld gelten dabei die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe entsprechend, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist (§ 104 Absatz 2 SGB III a.F.). Abweichende, den Rückgriff auf die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe weitgehend ausschließende Regelungen, die den besonderen behinderungsspezifischen Belangen des anspruchsberechtigten Personenkreises Rechnung tragen, enthalten §§ 105 bis 108 SGB III in der jeweils bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung
Der aus den genannten Vorschriften zu ermittelnde Bedarf des Klägers betrug während des hier streitigen Zeitraums seiner Ausbildung monatlich 316,00 EUR. Nach § 105 Absatz 1 Nr. 1 SGB III a.F. werden als Bedarf bei beruflicher Ausbildung 316,00 EUR monatlich zu Grunde gelegt bei Unterbringung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils, wenn der behinderte Mensch unverheiratet ist und keine Lebenspartnerschaft führt und das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Diese Voraussetzungen waren im Fall des Klägers gegeben, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
Dieser Bedarf wird zur Überzeugung der Kammer nicht durch Einkünfte des Klägers oder das Einkommen seiner Eltern gemindert. Nach den Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe sind auf den Bedarf des Auszubildenden dessen Einkommen, das Einkommen seines nicht dauernd von ihm getrenntlebenden Ehegatten/Lebenspartners und schließlich das seiner Eltern in dieser Reihenfolge anzurechnen (§ 104 Absatz 2 in Verbindung mit § 71 Absatz 1 SGB III a. F.). Für das Ausbildungsgeld gilt für die Einkommensanrechnung hiervon abweichend die Sonderregelung des § 108 SGB III a.F. Nach § 108 Absatz 2 bleibt bei der Einkommensanrechnung das Einkommen des behinderten Menschen aus Waisenrenten, Waisengeld oder aus Unterhaltsleistungen bis 242,00 EUR monatlich (Nr. 1), der Eltern bis 2909,00 EUR monatlich, des verwitweten Elternteils oder bei getrenntlebenden Eltern, das Einkommen des Elternteils, bei dem der behinderte Mensch lebt, ohne Anrechnung des Einkommens des anderen Elternteils, bis 1813,00 EUR monatlich (Nr. 2) und des Ehegatten oder Lebenspartners bis 1630,00 EUR monatlich (Nr. 3) anrechnungsfrei.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist hier nach Auffassung der Kammer allerdings nicht der sich aus der Unterhaltsurkunde des Jugendamtes Q vom 10.05.2005 ergebende Unterhalsbetrag in Höhe von 92,00 EUR anzurechnen. Zwar ergibt sich aus der vorgenannten Urkunde eine Verpflichtung des Vaters des Klägers 100 % des jeweiligen Regelbetrages minus Kindergeld zu zahlen. Ausgehend vom 24.10.2010 war dieses ein monatlicher Betrag von 334,00 EUR, von dem die Beklagte den sich aus § 108 Absatz 2 Nr. 1 SGB III a. F. ergebenden Freibetrag von 242,00 EUR in Abzug gebracht hat. Hierbei handelt es sich jedoch um fiktives tatsächlich nicht dem Kläger zugeflossenes Einkommen, was zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Die für das Ausbildungsgeld geltende Regelung über die Anrechnung des Elterneinkommens in § 108 Absatz 2 Nr. 1 SGB III a. F. umfasst aber nicht die vorliegende Fallkonstellation einer tatsächlich nicht geleisteten sondern lediglich förmlich festgesetzten Unterhaltszahlung. Die Vorschrift des § 108 SGB III a.F. enthält keine Definition des Einkommens, das deshalb gemäß § 104 Abs. 2 a.F. SGB III in Verbindung mit § 71 Abs. 2 a.F. SGB III nach § 21 BaföG begrifflich zu bestimmen ist. Als Einkommen gilt gemäß § 21 Abs. 1 BaföG grundsätzlich die Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 EStG. Dazu gehören auch Waisengelder, Waisenrenten und sonstige Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts einschließlich Unterhaltsleistungen (§ 21 Abs. 3 BaföG; Großmann in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB III K § 108 Rd-Nr. 9 Lfg. 1/12 II/12). Bei der Einkommensanrechnung ist dabei sowohl beim Auszubildenden als auch bei seinem Ehegatten oder Lebenspartner und seinen Eltern wie folgt vorzugehen: 1. Schritt: Es ist zunächst zu klären, ob der jeweilige Zufluss Einkommen ist (vgl § 21 Abs 1, 3, 4 ) 2. Schritt: Berechnung des Einkommens 3. Schritt: Verteilung des Einkommens auf den Bewilligungszeitraum ( Winkler in Beck scher Onlinekommentar Sozialrecht, § 21 BaföG Stand: 01.09.2012). Hieraus wird deutlich, dass die Einkommensanrechnung den tatsächlichen Zufluss voraussetzt.
Auch aus der Gesetzessystematik des §108 SGB III a.F. selbst ergibt sich, dass eine Anrechnung des Einkommens nur dann in Betracht kommt, sofern die dort genannten Leistungen auch tatsächlich ausgezahlt werden. So führt § 108 Absatz 2 Nr. 1 SGB III a.F. Waisenrenten, Waisengeld oder Unterhaltsleistungen gleichermaßen an. Bei Waisenrente und Waisengeld handelt es sich um monatlich von der jeweiligen Behörde geleistete Beträge. Wenn hier der Gesetzgeber Unterhaltsleistungen mit erwähnt, wäre es nicht nachvollziehbar, dass es bei diesen auf den tatsächlichen Zufluss nicht ankommen sollte. Entsprechend müssen auch Unterhaltsleistungen, um sie einer Anrechnung zuzuführen, tatsächlich erzielt werden.
Selbst wenn man nach § 108 SGB III a.F. zu einer Anrechnung von Unterhaltsbeträgen käme, könnte der Kläger sein Klagebegehren zur Überzeugung der Kammer auch auf § 104 Absatz 2 SGB III a. F in Verbindung mit § 72 Absatz 1 SGB III in der bis zum 31.03.2012 gültigen Fassung stützen.( zur Anwendung des § 72 SGB III a.F. im Rahmen des § 104 SGB III a.F. vergl. Großmann in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB III K § 104 Rd-Nr. 97,aaO)
Macht der Auszubildende glaubhaft, dass seine Eltern den nach den Vorschriften dieses Gesetzes angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten, oder kann das Einkommen der Eltern nicht berechnet werden, weil diese erforderliche Auskünfte nicht erteilen oder Urkunden nicht vorlegen, und ist die Ausbildung auch unter Berücksichtigung des Einkommens des Ehegatten oder des Lebenspartners im Bewilligungszeitraum gefährdet, so wird nach Anhörung der Eltern ohne Anrechnung dieses Betrages Berufsausbildungsbeihilfe geleistet. Von der Anhörung der Eltern kann aus wichtigem Grund abgesehen werden (§ 72 Absatz 1 SGB III a.F.).
Auch diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, zumal der Vater des Klägers schriftlich versichert hat, den angerechneten Unterhaltsbetrag nicht geleistet zu haben und auch nicht leisten zu können. Nach alledem war der Klage im tenorierten Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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