L 10 U 2368/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 1340/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2368/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.04.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Unfallfolge und die Gewährung von Verletztenrente.

Der am 1953 geborene Kläger war als selbstständiger Maler- und Lackierermeister bei der Beklagten versichert und in allen Bereichen seines Betriebes tätig. Seit Februar 2010 bezieht er nach eigenen Angaben Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bl. 11 SG-Akte).

Im November 1996 stürzte der Kläger aus 3 bis 4 m Höhe und zog sich eine Kontusion beider Oberarme und Schultergelenke zu (Bericht Dr. D. , Bl. 25 VA). Er wurde deshalb bis April 1997 von Dr. D. , frühere Praxiskollegin von Dr. D. , zwischenzeitlich in Pension, konservativ behandelt. Danach erfolgten wegen dieses Unfalles keine Behandlungen mehr (sachverständige Zeugenauskunft von Dr. D. , Bl. 36 SG-Akte).

Am 20.10.2008 suchte der Kläger Dr. D. wegen rechtsseitiger Schulterbeschwerden auf. Er gab an, am 26.08.2008 um 11:45 Uhr auf einer Baustelle beim Begehen einer Gerüstleiter ausgerutscht zu sein, sich gerade noch mit dem rechten Arm abgefangen und festgehalten zu haben, worauf ein plötzlich einschießender Schmerz im Schulterbereich mit ausgeprägter konsekutiver Bewegungseinschränkung aufgetreten sei (Bericht von Dr. D. , Bl. 24 VA). Die Anhebung des Armes war bis max. 70° möglich, ein Schulter-/Nackengriff war nicht möglich (sachverständige Zeugenauskunft von Dr. D. , Bl. 32 SG-Akte). Nachdem konservative Behandlungen erfolglos geblieben waren, bestand ab 17.11.2008 Arbeitsunfähigkeit (Bericht von Dr. D. , Bl. 25 Rückseite VA) und Dr. D. veranlasste eine am 29.11.2008 durchgeführte Kernspintomografie (= Magnetresonanztomografie - MRT -), die eine Ruptur der Supraspinatus- und Subscapularissehne mit Luxation der langen Bizepssehne, eine AC-Gelenksarthrose mit Acromionsporn sowie einen Gelenkerguss ergab (Bl. 2 VA). Gegenüber Prof. Dr. W. , Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. , gab der Kläger an, auf einer Baustelle auf einem Gerüst ausgerutscht und in eine Öffnung im Gerüstboden gefallen zu sein. Er habe sich dabei um die eigene Achse gedreht, mit dem rechten Arm nach vorne gegriffen, um sich an einer Gerüststange festzuhalten, sei dann jedoch abgerutscht und gestürzt. Er habe Schmerzmittel genommen und weitergearbeitet (Bericht des Prof. Dr. W. , Bl. 28 VA). In seiner am 23.12.2008 verfassten Unfallanzeige an die Beklagte gab der Kläger an, am 26.08.2008 um 11:45 Uhr beim Begehen der Gerüstleiter ausgerutscht und sich gerade noch mit dem rechten Arm festgehalten zu haben, um Schlimmeres zu verhindern. Er habe bis zum 14.11.2008 weitergearbeitet. Die ursprünglich im Dezember 2008 vorgesehene Arthroskopie des rechten Schultergelenkes unterblieb, nachdem der Kläger am Aufnahmetag "nach intensiver Eigenbeübung inclusive Hanteltraining eine fast freie Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes bei deutlicher Schmerzreduktion" demonstriert hatte (Bericht des Prof. Dr. W. , Bl. 28 VA). Anfang März 2009 stellte sich der Kläger erneut bei Prof. Dr. W. vor und gab an, er habe nunmehr durch seine übliche Belastung während seiner Tätigkeit als Maler und Lackierer mit Über-Kopf-Arbeiten wieder deutlich zunehmende Beschwerden bekommen. Im April 2009 erfolgte eine Arthroskopie mit Dekompression und Naht der Rotatorenmanschette, bei der sich allerdings die Subscapularissehne intakt zeigte (Bl. 38 VA). Trotz weiterer Behandlung verblieb eine Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks mit Kraftminderung.

Zur weiteren Abklärung holte die Beklagte ein Gutachten von Privatdozent Dr. T. (Bl. 46 ff. VA) mit ergänzender Stellungnahme (Bl. 64 VA) ein. Ihm gegenüber gab der Kläger an, beim Begehen einer Gerüstleiter gestolpert und auf den Rücken gefallen zu sein, wobei er sich mit dem rechten ausgestreckten Arm am Geländer festgehalten habe. Privatdozent Dr. T. ging von einer Zerrung im Bereich der Rotatorenmanschette mit entzündlicher Reaktion der Gelenkschleimhaut aus (Bl. 64 VA) und vertrat zunächst angesichts der vorbestehenden degenerativen Vorschädigung die Auffassung, dass lediglich das Akutereignis sowie die folgenden acht Wochen als Arbeitsunfall zu werten seien. In seiner ergänzenden Stellungnahme meinte er, wegen fehlender Beschwerdebesserung sei das angeschuldigte Ereignis angesichts vorbestehende Beschwerdefreiheit rechtlich wesentlich für den eingetretenen Schaden und es handele sich nicht um eine vorübergehende Verschlimmerung. Der die Beklagte beratende Dr. K. bejahte unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bis 25.10.2008 und empfahl, eine Schulterzerrung rechts bei Vorschaden als Unfallfolge anzuerkennen. Hierauf gestützt und ausgehend von einer ausgeheilten Schulterprellung rechts bei Vorschaden lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.01.2010 und Widerspruchsbescheid vom 26.03.2010 die Gewährung einer Verletztenrente ab.

In seiner Anhörung vor dem am 23.4.2010 angerufenen Sozialgericht Reutlingen hat der Kläger angegeben, nach dem Unfall, der sich in der Dämmerung ereignet habe, Schmerzmittel genommen zu haben. Er sei nicht zum Arzt gegangen, weil sein Auftraggeber darauf bestanden habe, dass er das Haus fertig stelle. Es seien noch gewisse Arbeiten, wie Streichen der Garage, der Fenster und der Balkongeländer sowie der Dachrinnen auszuführen gewesen. Der Kläger hat ein Gutachten des Prof. Dr. W. mit ergänzender Stellungnahme für seine private Versicherung vorgelegt. Prof. Dr. W. hat einen ursächlichen Zusammenhang bejaht, und dies mit dem generell geeigneten Unfallereignis, dem MRT-Befund und dem klinischen Verlauf begründet sowie den mitwirkenden Anteil des Vorschadens mit 50 % angesetzt.

Das Sozialgericht hat im Zuge der Sachaufklärung unter anderem ein Gutachten bei Prof. Dr. L. , A.-Klinik H., eingeholt. Ihm gegenüber hat der Kläger angegeben, auf einem Gerüst ausgerutscht, in eine Öffnung im Gerüstboden gestürzt zu sein und sich mit dem rechten Arm an einer Gerüststange festgehalten zu haben. Der gerichtliche Sachverständige hat das bestehende Funktionsdefizit an der rechten Schulter nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das angeschuldigte Ereignis zurückgeführt, sondern er ist davon ausgegangen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits ein degenerativ bedingter Vorschaden in Form einer Rotatorenmanschettenläsion vorlag und entweder durch den Unfall verschlimmert worden sein könne oder dass ein anderer Unfall zu einer Verschlimmerung geführt habe, weil sich ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem angeschuldigten Ereignis und den diagnostizierten Gesundheitsstörungen nicht rekonstruieren lasse. In Bezug auf den MRT-Befund hat er dargelegt, dass der gezeigte Gelenkerguss sowohl traumatisch als auch degenerativ, im Sinne eines Reizergusses sein könne. Verletzungstypische Veränderungen wie ein Bone bruise oder eine Einblutung seien nicht beschrieben. Die erstgradige muskuläre Atrophie des Subscapularis spreche für eine frische Verletzung. Die Weiterführung der körperlich belasteten Tätigkeit sei mit einem frischen Riss im Bereich der Rotatorenmanschette nicht zu vereinbaren. Die vom Kläger behauptete massive Einschränkung der Beweglichkeit ab dem Unfall sowie starke Schmerzen seien nicht dokumentiert. Auch wenn nicht auszuschließen sei, dass sich der Kläger beim angeschuldigten Ereignis eine Ruptur der Rotatorenmanschette zugezogen habe, entspreche dies nicht der Lebenswahrscheinlichkeit. Im Ergebnis ist Prof. Dr. L. von einer Schultergelenkszerrung rechts ausgegangen. In Bezug auf das Gutachten von Prof. Dr. W. hat er dargelegt, dass eine solch gravierende Verletzung, wie sie im MRT-Befund beschrieben ist, mit der schweren körperlichen Tätigkeit des Patienten nach dem angeschuldigten Ereignis nicht vereinbar sei.

Mit Urteil vom 26.04.2012 hat das Sozialgericht Reutlingen die auf Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer deutlichen Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes mit Kraftminderung als Unfallfolge sowie zur Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. gerichtete Klage abgewiesen. Es hat sich den Ausführungen von Prof. Dr. L. angeschlossen und einen naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem gesamten Schaden der Rotatorenmanschette verneint. Allerdings ist es davon ausgegangen, dass die Gewalteinwirkung zu einer Vergrößerung des vorbestehenden Schadens führte. Die von Prof. Dr. L. insoweit ins Spiel gebrachte Möglichkeit einer anderweitigen traumatischen Verletzung erscheine spekulativ. Es hat dann jedoch auf der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung eine überragende Bedeutung des Vorschadens für den Krankheitsverlauf bejaht und einen wesentlichen Ursachenbeitrag des angeschuldigten Ereignisses verneint.

Gegen das ihm am 21.05.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.06.2012 Berufung eingelegt. Er meint, der Arbeitsunfall vom 26.08.2008 sei wesentliche Teilursache der gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.04.2012 und den Bescheid vom 12.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine deutliche Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks mit Kraftminderung als Unfallfolge anzuerkennen und Verletztenrente nach einer MdE von zumindest 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Verletztenrente zu, weil keine Folgen eines Arbeitsunfalles vorliegen. Insbesondere sind die funktionellen Einschränkungen im Bereich der rechten Schulter nicht auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen. Dem entsprechend hat die Beklagte auch keine Unfallfolgen anzuerkennen.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 8/06 R), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Kann dagegen das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele (conditio sine qua non), ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Die hier vorzunehmende Kausalitätsprüfung hat somit nach dieser zweistufigen Prüfung zu erfolgen.

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O. auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.

In Anwendung dieser Grundsätze verneint der Senat in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht und der Beklagten einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass die beim Kläger vorliegenden und als Unfallfolgen allein in Betracht kommenden und vom Kläger auch allein geltend gemachten funktionellen Einschränkungen des rechten Armes auf einen bei der Beklagten versicherten und vom Kläger für den 26.08.2008 geschilderten Unfall zurückzuführen sind.

Der Senat vermag sich schon nicht davon zu überzeugen, dass es tatsächlich zu dem vom Kläger geschilderten Ereignis während der versicherten Tätigkeit kam. Nachweise für dieses Geschehen liegen nicht vor. Darüber hinaus sind die Schilderungen des Klägers auch nicht konsistent. So gab der Kläger zunächst sowohl gegenüber Dr. D. als auch in seiner am 23.12.2008 an die Beklagte erstellten Unfallanzeige an, sich am 26.08.2008 um 11:45 Uhr verletzt zu haben. Gegenüber dem Sozialgericht hat er dann aber in der mündlichen Verhandlung behauptet, der Unfall habe sich in der Dämmerung ereignet. Beide Varianten lassen sich nicht in Übereinstimmung bringen. Eine Dämmerung im Sommermonat August um 11:45 Uhr ist ausgeschlossen.

Auch in Bezug auf den Unfallhergang liegen nicht in Übereinstimmung zu bringende Schilderungen des Klägers vor. Gegenüber Prof. Dr. W. gab der Kläger an, auf einer Baustelle auf einem Gerüst ausgerutscht und in eine Öffnung im Gerüstboden gefallen zu sein. Er habe sich dabei um die eigene Achse gedreht, mit dem rechten Arm nach vorne gegriffen, um sich an einer Gerüststange festzuhalten, sei dann jedoch abgerutscht und gestürzt. Gegenüber Dr. D. und in seiner Unfallanzeige hatte der Kläger angegeben, beim Begehen einer Gerüstleiter ausgerutscht und sich mit dem rechten Arm abgefangen und festgehalten zu haben. Von einem Sturz in eine Öffnung im Gerüstboden und einem Abrutschen von der Gerüststange war somit ursprünglich keine Rede, vielmehr gab der Kläger an, sich beim bei Ausrutschen festgehalten zu haben. Eine dritte Version des Geschehens gab der Kläger gegenüber Privatdozent Dr. T. an. Er sei beim Begehen einer Gerüstleiter gestolpert und auf den Rücken gefallen, wobei er sich mit dem rechten ausgestreckten Arm am Geländer festgehalten habe. Eine Öffnung im Gerüstboden und ein Abrutschen von der Gerüststange wurde auch hier nicht mehr erwähnt, vielmehr gab der Kläger jetzt erstmals an, auf den Rücken gefallen zu sein.

Aber selbst wenn das angeschuldigte Ereignis der weiteren Beurteilung zu Grunde gelegt würde, bleibt die Berufung ohne Erfolg. Das Sozialgericht hat in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen den naturwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Schaden an der Rotatorenmanschette insgesamt und dem behaupteten Ereignis überzeugend verneint. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Anders als das Sozialgericht verneint der Senat aber auch in Bezug auf die Frage einer (teilweisen) Verschlimmerung der vorbestehenden degenerativen Schäden bereits einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen dem behaupteten Ereignis und dem später, Ende November 2008 durch den MRT-Befund festgestellten und für die heutigen funktionellen Einschränkungen verantwortlichen Schaden an der Rotatorenmanschette.

Für die Bejahung des naturwissenschaftlichen Zusammenhangs genügt der Nachweis vorheriger Beschwerdefreiheit allein nicht; denn Beschwerdefreiheit sagt über den strukturellen Zustand der Rotatorenmanschette, insbesondere vorbestehende degenerative Veränderungen, die vom Kläger selbst eingeräumt werden, nichts aus. Insoweit bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob aus den Angaben von Dr. D. , wonach nach April 1997 und bis Oktober 2008 in dieser Praxis keine Behandlung wegen Schulterbeschwerden erfolgte, in Verbindung mit den Angaben des Klägers über Beschwerdefreiheit tatsächlich der Schluss zu ziehen ist, dass der Kläger vor dem angeschuldigten Ereignis völlig beschwerdefrei war. Zweifel wären angesichts der bereits in Bezug auf die Darstellung des schädigenden Ereignisses dargestellten Widersprüche in den Angaben des Klägers auch hier angebracht.

Zur Begründung des naturwissenschaftlichen Zusammenhangs wäre im vorliegenden Fall zumindest ein zeitnah erhobener und aussagekräftiger Befund, der auf eine traumatische Schädigung der Schulter hindeutet, erforderlich. Der Kläger suchte aber seine Hausärztin erst nahezu zwei Monate nach dem angeschuldigten Ereignis auf, und zwar nachdem er nahezu zwei Monate seiner durchaus nicht leichten Tätigkeit nachgegangen war. Dabei vermag der Senat die Angaben des Klägers gegenüber dem Sozialgericht, er habe nach dem angeschuldigten Ereignis nur noch Restarbeiten verrichtet, seiner Beurteilung nicht zu Grunde zu legen. Immerhin gab der Kläger in seiner Unfallanzeige gegenüber der Beklagten an, bis 14.11.2008 gearbeitet zu haben und Dr. D. bestätigte - hierzu korrespondierend - Arbeitsunfähigkeit erst ab 17.11.2008 (Bl. 25 Rückseite VA). Mit der Verrichtung bloßer Restarbeiten bei einem weitgehend fertig gestellten Projekt (Streichen der Garage, der Fenster und der Balkongeländer sowie der Dachrinnen) ist der Tätigkeitszeitraum vom 26.08. bis 14.11.2008 aber schwerlich zu vereinbaren.

Prof. Dr. L. hat deshalb überzeugend dargelegt, dass die weitere Tätigkeit des Klägers mit dem später festgestellten Schaden an der Rotatorenmanschette nicht zu vereinbaren ist, gerade wenn man eine akute, also traumatische Schädigung annähme; warum dies für den Fall einer Verschlimmerung vorbestehender beschwerdefreier degenerativer Veränderungen anders sein soll, erschließt sich nicht. Auch Prof. Dr. L. sieht nur die Möglichkeit ("kann", Bl. 86 SG-Akte) der Verschlimmerung, was für die Annahme von Wahrscheinlichkeit nicht ausreicht. Eine naheliegende Erklärung - und damit entgegen der Auffassung des Sozialgerichts keine bloße Spekulation - für den tatsächlichen Verlauf wäre das von Prof. Dr. L. erwähnte weitere "Schadensereignis", wobei angesichts der bestehenden, vom Kläger selbst eingeräumten strukturellen Vorschäden auch diverse Bagatellereignisse, z.B. in Form von Überlastungen während der weiteren körperlichen Tätigkeit bis zum Aufsuchen der Hausärztin im Oktober 2008, in Betracht kommen.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ergeben sich aus dem MRT-Befund vom 29.11.2008 keine hinreichenden Hinweise für die Annahme einer unfallbedingen Verschlimmerung eines vorbestehenden degenerativen Schadens. Prof. Dr. L. hat in seinem Gutachten dargelegt, dass im MRT-Befund verletzungstypische Veränderungen wie ein Bone bruise oder eine Einblutung nicht beschrieben sind. Der festgestellte Gelenkerguss lässt - da er traumatisch wie degenerativ, im Sinne eines Reizergusses, sein kann, - keine eindeutige Zuordnung zu. Lediglich aus der erstgradigen muskulären Athropie hat Prof. Dr. L. auf eine frischere Verletzung geschlossen, wobei er diese in seinem Gutachten gerade nicht als traumatisch in Bezug auf das angeschuldigte Ereignis gewertet hat, sondern er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit einer solchen Verletzung eine schwerere Arbeit nahezu ausgeschlossen wäre (Bl. 84 oben, Bl. 89 SG-Akte). Dies spricht somit wiederum für die These einer späteren Schädigung und gegen eine Verschlimmerung eines vorbestehenden Schadens durch das angeschuldigte Ereignis. Ohnehin ließe sich aus der Tatsache einer "frischeren" Verletzung angesichts des zwischen dem angeschuldigten Ereignis und dem MRT-Befund verstrichenen Zeitraumes weder auf die Art der Verletzung noch auf den Zeitpunkt der Verletzung rückschließen.

Soweit das Sozialgericht den vom Kläger geschilderten Unfallhergang als geeignet ansieht, eine Rotatorenmanschettenruptur herbeizuführen, lässt sich hieraus kein Rückschluss auf eine tatsächlich eingetretene Verletzung ziehen. Denn nicht jedes Ereignis, das einen Schaden herbeiführen könnte, führt ihn auch tatsächlich herbei.

Auch der weitere Verlauf ab Oktober 2008 lässt am naturwissenschaftlichen Zusammenhang zweifeln und hierauf hat auch das Sozialgericht - wenn auch in Bezug auf die zweite Stufe der Kausalitätsprüfung und damit im Zusammenhang mit der von ihm dann verneinten Frage der Wesentlichkeit - im angefochtenen Urteil hingewiesen: Ausweislich des Berichtes von Prof. Dr. W. vom 06.02.2009 gelang es dem Kläger "nach intensiver Eigenbeübung inklusive Hanteltraining eine fast freie Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes bei deutlicher Schmerzreduktion" herbeizuführen, während am 20.10.2008 - so das Sozialgericht zutreffend - eine Anhebung nur bis 700 möglich war (sachverständige Zeugenauskunft von Dr. D. ). Ein solcher Verlauf wäre - so das Sozialgericht unter Bezugnahme auf unfallmedizinische Literatur zutreffend - bei einer traumatischen Rotatorenmanschettenläsion nicht zu erwarten. Der Senat sieht daher insoweit, was diese Argumentationsschiene betrifft, von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus diesen Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Der Umstand, dass eine derartige Besserung bei einer traumatischen Läsion nicht zu erwarten ist, legt wiederum nahe, dass die im MRT vom November 2008 dargestellten Läsionen eher degenerativer Natur waren. Ein worauf auch immer zurückzuführender und von Dr. D. im Oktober 2008 in Form von Schmerzen und Bewegungseinschränkungen dokumentierter akuter Zustand (allerdings ohne Befunde, die für eine traumatische Genese sprechen würden wie Hämatome oder Schwellungen) war jedenfalls bis Dezember 2008 weitestgehend gebessert. Die nachfolgende und für den heutigen Zustand verantwortliche Verschlechterung beruhte - so Prof. Dr. W. im Bericht vom 09.03.2009 auf Grund der Angaben des Klägers - auf der beruflichen Belastung, die mit dem angeschuldigten Ereignis nicht in Zusammenhang steht.

Zuzugeben ist dem Kläger, dass eine - allerdings ohnehin nicht quantifizierbare - Vergrößerung des strukturellen Schadens der Rotatorenmanschette durch das angeschuldigte Ereignis nicht gänzlich auszuschließen ist. Auch Prof. Dr. L. hat diese Möglichkeit gesehen. Gleiches gilt für ein Fortbestehen einer solchen weiteren Läsion nach Februar 2009. Ein bloßes "Nichtausschließenkönnen" genügt aber nicht für die Annahme hinreichender Wahrscheinlichkeit.

Hinzu kommt, dass - eine nicht quantifizierbare Vergrößerung des strukturellen Schadens der Rotatorenmanschette durch das angeschuldigte Ereignis und ein Fortbestehen dieser Vergrößerung auch nach Februar 2009 unterstellt - dann angesichts im Dezember 2008 eingetretener weitgehender Beschwerdefreiheit der weiteren beruflichen Belastung bei degenerativ vorgeschädigter Rotatorenmanschette die entscheidende Bedeutung für die Verschlechterung des Gesundheitszustandes bis März 2009 zukäme. Denn die Verschlechterung des Gesundheitszustandes beruhte nach der eigenen Einschätzung des Klägers, wie sie von Prof. Dr. W. im März 2009 dokumentiert wurde, auf den Belastungen durch die berufliche Tätigkeit in den ersten beiden Monaten des Jahres 2009. Damit könnte, selbst ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang unterstellt, der heutige Schaden jedenfalls nicht rechtlich wesentlich auf das angeschuldigte Ereignis zurückgeführt werden.

Im Ergebnis kann somit der Beurteilung von Prof. Dr. W. in seinem für die private Versicherung des Klägers erstellten Gutachten nicht gefolgt werden. Denn der Gutachter hat maßgebend auf die Eignung des geschilderten Ereignisses, den MRT-Befund und den klinischen Verlauf abgestellt, Umstände also, die nach dem oben Gesagten keine hinreichende Begründung für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs liefern. Die Ausführungen von Privatdozent Dr. T. in seinem für die Beklagten erstellten Gutachten sind ohnehin nicht frei von Widersprüchen - beispielsweise ging er im Gutachten selbst von einer nur vorübergehenden unfallbedingten Störung für acht Wochen aus, in der ergänzenden Stellungnahme bejahte er einen wesentlichen Zusammenhang und verneinte er eine vorübergehende Verschlimmerung -, sodass hieraus keine nachvollziehbaren Schlüsse gezogen werden können. Dem entsprechend hat das Sozialgericht auch das Gutachten von Prof. Dr. L. eingeholt, dessen Beurteilung auch der Senat folgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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