L 2 SO 2960/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SO 3816/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 2960/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im gesetzlichen Auftragsverhältnis nach § 264 Abs. 2 bis 7 SGB V i.V.m. §§ 93 SGB X findet § 111 SGB X keine Anwendung. Die Ausschlussfrist nach § 111 Satz 1 SGB X greift nicht zu Lasten der erstattungsberechtigten gesetzlichen Krankenkassen (Anschluß an Urteil des 2. Senates LSG Baden-Würtemberg vom 11.07.2012 - L 2 SO 2371/11).
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Mai 2012 aufgehoben und der Beklagte verurteilt an die Klägerin 4.474,12 EUR zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 4.474,12 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin von der Beklagten die Erstattung von Aufwendungen verlangen kann, die ihr durch die Krankenbehandlung (Arzneimittelbehandlung) der nicht krankenversicherten Sozialhilfeempfängerin H. (H) in den Zeiträumen vom 13. Januar 2004 bis 27. Dezember 2004 (geltend gemachte Aufwendungen in Höhe von 2.801,78 EUR) und vom 8. Februar 2005 bis 18. August 2005 (geltend gemachte Aufwendungen in Höhe von 1.672,34 EUR), in Höhe von insgesamt 4.474,12 EUR entstanden sind.

H. bezieht durchgehend seit 4. Oktober 2001 laufende Leistungen nach dem 3. bis 9. Kapitel des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) bzw. den entsprechenden Vorgängervorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), nämlich die Übernahme der ungedeckten Heimkosten, sie selbst erhält einen Barbetrag. Zusätzlich erhielt H. seit 4. Oktober 2001 Krankenhilfe. Die Hilfegewährung war seither nach Auskunft des Beklagten nicht unterbrochen und wird nach wie vor gewährt (Auskunftsschreiben vom 13. Februar 2012- Bl. 94 SG-Akte).

Die Klägerin übernahm im vorliegend streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 31. August 2005 die Krankenbehandlung (einschließlich Arzneimittelversorgung) für nicht krankenversicherte Sozialhilfeempfänger und Empfänger laufender Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Baden-Württemberg. Einzelheiten zur Umsetzung der Leistungserbringung nach § 264 Abs. 2 bis 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), insbesondere für das Meldeverfahren, die Sicherstellung der ärztlichen Inanspruchnahme, die Verwaltungskostenerstattung, die Abschlagszahlung und das Abrechnungsverfahren wurden in einer Rahmenvereinbarung vom 14. November 2003 geregelt, geschlossen zwischen den Krankenkassen bzw. Krankenkassenverbänden und den Trägern der Sozialhilfe in Baden-Württemberg (Bl. 77 ff. der SG-Akte). Die Abrechnung und Erstattung der Leistungsaufwendungen wird unter Ziffer X geregelt: Die Krankenkassen nehmen danach vierteljährliche Abrechnungen vor, welche jeweils getrennt nach Empfängern von Leistungen nach dem SGB XII und Leistungen nach dem AsylbLG die dort näher aufgeführten Angaben enthalten müssen. Eine Regelung bezüglich einer Ausschlussfrist oder Verjährung von Ansprüchen enthält die Rahmenvereinbarung nicht.

Die Klägerin rechnete die Aufwendungen für die Arznei- und Hilfsmittel über ein IT-Verfahren quartalsweise ab. Im Jahr 2004 wurden bei der Übernahme der Verordnungsdaten in das Abrechnungsprogramm aufgrund eines Programmfehlers lediglich 12 % des tatsächlichen Aufwendungsvolumens für die Arznei- und Hilfsmittel in Rechnung gestellt.

Mit Schreiben vom 8. Juni 2006 (Bl. 9 SG-Akte) teilte die Klägerin dem Städtetag Baden-Württemberg mit, dass eine Nachberechnung bei den Leistungsausgaben für betreute Sozialhilfeempfänger nach § 264 SGB V erforderlich sei. Es werde insgesamt zu Nachforderungen in Höhe von ca. 18 Millionen EUR kommen. Bei der Übernahme der Verordnungsdaten in das Abrechnungsprogramm sei es aufgrund eines Programmfehlers ab dem Jahr 2004 zu einer In-Rechnung-Stellung von lediglich 12 % des tatsächlichen Arzneimittelvolumens gekommen. Dieser Fehler sei zwischenzeitlich behoben, so dass eine vollständige Rechnungsstellung mit der nächsten Quartalsabrechnung (drittes Quartal 2006) veranlasst werden könne. Die Berechnung und Rechnungsstellung der Leistungsausgaben für die betreuten Sozialhilfeempfänger würden sich leider häufig nur mit zeitlicher Verzögerung abschließen lassen. Außerdem seien als Abschlagszahlung für die budgetierten Leistungen dem Sozialhilfeträger pro Haushaltsvorstand für das erste Quartal 2004 93,00 EUR, für die Quartale zwei bis vier jeweils 90,00 EUR in Rechnung gestellt worden. Nach der vorliegenden Endabrechnung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg hätte die Klägerin jedoch je Sozialhilfeempfänger im Jahr 2004 insgesamt eine durchschnittliche Pauschale in Höhe von 403,58 EUR entrichtet. Auch diesen Differenzbetrag würde sie in einer gesonderten Rechnung für jedes Quartal genau auflisten und nachberechnen. Die Zahlen für die in Anspruch genommenen Einzelleistungen für das Jahr 2004 und das erste Quartal 2005 würden nunmehr vorliegen und mit der Abrechnung für das zweite Quartal 2006 in Rechnung gestellt. Die Berichtigungen für die Jahre 2005 und 2006 würde sie vornehmen, sobald die entsprechenden Zahlen vorlägen.

Der Städtetag Baden-Württemberg verwies mit Schreiben vom 18. Oktober 2006 (Bl. 11 SG-Akte) darauf, mit Schreiben vom 8. September 2006 erstmals die endgültigen Zahlen für den budgetierten wie auch den nicht budgetierten Teil der Gesamtabrechnung für das Jahr 2004 sowie der daraus resultierenden Nachberechnungen erhalten zu haben. Nachforderungen in dieser Höhe für bereits abgeschlossene Haushaltsjahre würden die Kommunen vor erhebliche haushaltsrechtliche und finanzielle Probleme stellen und bedürften einer intensiven rechtlichen Überprüfung. Erschwerend käme hinzu, dass die Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg-Hohenzollern zum 31. Dezember 2004 aufgelöst worden seien. In einem weiteren Schreiben vom 11. Dezember 2006 (Bl. 13 SG-Akte) führten der Städtetag Baden-Württemberg und der Landkreistag Baden-Württemberg aus, bezüglich der ambulant-ärztlichen Leistungen sei es für die Sozialhilfeträger erkennbar gewesen, dass bisher lediglich Abschlagszahlungen in Rechnung gestellt wurden. Bei den Arzneimittelkosten sei jedoch eine Nachberechnung zumindest teilweise aufgrund der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X nicht mehr möglich. Denn die Klägerin habe die Nachberechnung erstmals mit Schreiben vom 8. September 2006 geltend gemacht. Nach § 111 Satz 1 SGB X sei der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend mache. Soweit Vorschriften der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches abweichende Regelungen enthielten, hätten diese nach § 37 SGB I Vorrang. Im SGB V, insbesondere in § 264 SGB V gebe es keine entsprechende Regelung, weshalb die allgemeinen Regelungen der §§ 102 ff. SGB X, somit auch § 111 SGB X anwendbar seien. § 264 Abs. 7 SGB V stelle eine Erstattungsregelung dar. Dies spräche ebenfalls dafür, die Ausschlussfrist anzuwenden. Denn Sinn und Zweck der Ausschlussfrist im Erstattungsbereich sei es, klare Verhältnisse darüber zu schaffen, ob eine Erstattungspflicht bestünde und den Erstattungspflichtigen vor einer überraschenden Geltendmachung weit zurückliegender Ansprüche zu schützen. Die mit der Nachforderung einhergehenden haushaltsrechtlichen Probleme der Stadt- und Landkreise sollten mit der Ausschlussfrist vermieden werden. Leistungen bis August 2005 seien damit von einer Erstattung ausgeschlossen, da die Klägerin diese erstmals mit Schreiben vom 8. September 2006 geltend machte.

Mit Schreiben vom 13. März, 14. März und 17. März 2008 machte die Klägerin Aufwendungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 31. März 2006 für erbrachte Krankenbehandlungsleistungen der Sozialhilfeempfänger und Asylbewerber aus dem Zuständigkeitsbereich der Beklagten geltend. Die Nachforderungen gegenüber der Beklagten beliefen sich auf insgesamt 301.577,83 EUR. Bezüglich der Nachberechnung der Leistungsausgaben für die nicht krankenversicherte Sozialhilfeempfängerin H. übersandte die Klägerin mit Schreiben vom 14. April 2008 eine Einzelaufstellung der Leistungsaufwendungen (vgl. Bl. 26 ff. SG-Akte) und machte Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt 4.474,12 EUR geltend. Die Aufwendungen erstreckten sich für die Zeiträume vom 13. Januar 2004 bis 27. Dezember 2004 auf einen Betrag von 2.801,78 EUR und vom 8. Februar 2005 bis 18. August 2005 auf einen Betrag von 1.672,34 EUR.

Mit Schreiben vom 20. Mai 2008 (vgl. Bl. 24 SG-Akte) lehnte der Beklagte die Erstattungsforderung der Klägerin für den Zeitraum 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2004 für weitere Arzneimittelkosten ab. Von einer weiteren Begründung sah der Beklagte unter Hinweis auf die beabsichtigte Durchführung von Musterverfahren ab.

Die Beteiligten vereinbarten in der Folge, in zwei Musterverfahren klären zu lassen, ob die Sozialhilfeträger unter Bezugnahme auf § 111 SGB X die Erstattung von Aufwendungen verweigern können (vgl. Bl. 24 f. SG-Akte).

Am 28. Mai 2008 hat die Klägerin wegen der Aufwendungserstattung in Sachen der H. Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei der übernommenen Krankenbehandlung handele es sich um eine Auftragsangelegenheit, zu deren Wahrnehmung sie durch den Gesetzgeber explizit gegen Kostenerstattung verpflichtet sei. Der Gesetzgeber habe durch die Aufnahme des Absatzes 2 in § 264 SGB V kein Versicherungsverhältnis oder ein Quasiversicherungsverhältnis begründen wollen, sondern nur ein leistungsrechtliches Verhältnis zwischen den leistungsverpflichteten Krankenkassen und den von ihnen begünstigten Hilfeempfängern. Auf diese Auftragsangelegenheit seien die allgemeinen Erstattungsregelungen der §§ 102 ff. SGB X, insbesondere die Ausschlussfrist des § 111 SGB X nicht anwendbar. Denn zwischen den Aufwendungs- und Erstattungsansprüchen bestünden strukturelle Unterschiede. Das Auftragsverhältnis stelle ein Sonderrechtsverhältnis dar, welches abschließend sei. Andernfalls wäre eine teils unterschiedliche, teils übereinstimmende Regelung desselben Rechtstatbestandes für unterschiedliche Sachverhalte in einem und demselben Gesetz kaum verständlich. Auch nach dem Sinn und Zweck des § 111 SGB X käme dieser nicht zur Anwendung. Denn der Zweck bestehe darin, dass dem Interesse des Erstattungspflichtigen Rechnung getragen werden solle, möglichst Klarheit über etwaige Erstattungsansprüche zu erhalten. Ein solches Schutzbedürfnis bestünde im Rahmen des § 264 SGB V nicht. Die Sozialhilfeträger wüssten, dass die Krankenkassen für nicht versicherte Sozialhilfeempfänger im Krankheitsfalle eine Behandlung übernehmen müssten. Anders als bei den allgemeinen Erstattungspflichten nach den §§ 102 ff. SGB X stelle sich der Sozialhilfeträger im Rahmen des § 264 SGB V gerade darauf ein, dass auf ihn Aufwendungsersatzforderungen für erbrachte Krankenbehandlungen für diejenigen Leistungsempfänger, für die kein Krankenversicherungsschutz bestehe, zukommen würden. Damit müssten die Sozialhilfeträger jederzeit mit Erstattungsforderungen rechnen. Ein anderes Ergebnis ginge einseitig zu Lasten der Krankenversicherungsträger.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat im Rahmen der Klageerwiderung ausgeführt, zwar treffe die Rechtsauffassung der Klägerin zu, dass es sich bei § 264 SGB V um eine Auftragsangelegenheit außerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises handele. Dennoch handele es sich bei § 264 SGB V um eine Erstattungsregelung, wie sich aus Abs. 7 Satz 1 ausdrücklich ergebe ("auf ... werden ... vierteljährlich erstattet"). Folglich sei auch das Erstattungsrecht der §§ 102 bis 114 SGB X hier anzuwenden, da etwaige hiervon abweichende Sonderregelungen vom Gesetzgeber im SGB V nicht geschaffen worden sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin seien hier auch nicht die Regelungen über den Auftrag gem. §§ 88 ff. SGB X anzuwenden. Daher seien auch die zum Teil vertretenen Auffassungen zu § 91 SGB X, die die Erstattung von Aufwendungen bei Aufträgen betreffen würden, hier nicht einschlägig. Es bedürfe daher auch keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob die von der Klägerin vertretene Auffassung zutreffe, wonach bei der Erstattung von Aufwendungen, die im Rahmen eines Auftrags nach § 88 SGB X erbracht würden eine ergänzende Anwendung der allgemeinen Erstattungsregelungen in den §§ 102 ff, insbesondere den §§ 109 bis 111 SGB X in Betracht komme. Auch sei sich die Kommentarliteratur soweit ersichtlich einig, dass § 111 SGB über die §§ 102 ff. SGB X hinaus auf alle Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern des SGB anzuwenden sei, soweit nicht Spezialregelungen entgegenstünden. Der Sinn und Zweck des § 111 SGB X, wonach nämlich Ansprüche zwischen Verwaltungsträgern nicht noch nach langer Zeit geltend gemacht werden könnten, sondern schnell, einfach und kostensparend - so das BSG - abgewickelt werden sollten, sei auch für die vorliegende Fallkonstellation von Bedeutung. Die Stadt- und Landkreise bräuchten Rechtssicherheit und für ihre Haushalte Planungssicherheit. Beides wäre nicht gewährleistet, wenn Krankenkassen stattdessen noch nach Jahr und Tag Erstattungsansprüche wegen Aufwendungen geltend machen könnten. Mit Urteil vom 17. Juni 2008 (B 1 KR 30/07 R) habe zwar das BSG nunmehr klargestellt, dass es sich insoweit um ein gesetzliches Auftragsverhältnis handele, streitig bleibe nach wie vor aber die Frage, ob § 111 SGB X in derartigen Sachverhaltskonstellationen gem. § 264 SGB V anzuwenden sei oder nicht.

Mit Urteil vom 24. Mai 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung nach § 264 Abs. 7 SGB V auf die hier noch geltend gemachten 4.474,12 EUR habe, da die Geltendmachung dieses Anspruchs nach § 111 SGB X ausgeschlossen sei. Die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung entstünden, seien vom zuständigen Träger der Sozialhilfe nach § 264 Abs. 7 Satz 1 SGB V grundsätzlich zu erstatten. Vorliegend habe auch ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten bezüglich der für die Hilfeempfängerin H. übernommenen Arzneimittelkosten im streitigen Zeitraum 13. Januar 2004 bis 27. Dezember 2004 in Höhe von 2.801,78 EUR und im Zeitraum 8. Februar 2005 bis 18. August 2005 in Höhe von 1.672,34 EUR bestanden. Denn H. sei im streitigen Zeitraum Empfängerin laufender Leistungen nach dem 3. bis 9. Kapitel des SGB XII bzw. dem entsprechenden Vorgänger-Vorschriften des BSHG gewesen. Sie habe auch nicht zu den nach § 264 Abs. 2 Satz 2 SGB V von der Krankenbehandlung durch die gesetzliche Krankenkasse ausgeschlossenen Personenkreis gehört. Sie habe auch nicht nur für einen Zeitraum von unter einem Monat Hilfe zum Lebensunterhalt vom Beklagten bezogen. Sie habe ferner auch nicht Leistungen ausschließlich zur Alterssicherung nach § 33 SGB XII bzw. § 14 BSHG bezogen und auch nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland (§ 24 SGB XII bzw. § 119 BSHG) gehabt. Da die Hilfeempfängerin nicht krankenversichert sei und vor der Einführung von § 264 SGB V Krankenhilfe vom Beklagten bekommen habe, gehöre sie zum Personenkreis, für den die Klägerin im Auftrag des Beklagten Leistungen erbringe. Für diese Aufwendungen bestehe grundsätzlich ein Erstattungsanspruch nach § 264 Abs. 7 Satz 1 SGB V. Die Klägerin könne jedoch diesen Anspruch nicht mehr geltend machen, da er nicht binnen der Jahresfrist des § 111 SGB X zur Erstattung angemeldet worden sei. § 111 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimme, dass der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen sei, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens 12 Monate nach Ablauf des Tages, für den die Leistung erbracht worden sei, geltend gemacht habe. Zur Überzeugung des SG sei § 111 SGB X vorliegend über § 37 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) anwendbar. Es lasse sich auch aus der Tatsache, dass im § 264 Abs. 7 SGB V kein expliziter Verweis auf die Vorschriften der §§ 107 SGB X erfolge, nicht schließen, dass diese vorliegend keine Anwendung finden würden, da ein expliziter Verweis nach der Systematik nach § 37 SGB I nicht erforderlich sei. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 111 SGB X im vorliegenden Fall sei, dass es sich bei dem streitigen Anspruch um einen Erstattungsanspruch zwischen Leistungsträgern handele und sich weder aus der Regelung des § 264 SGB V ausdrücklich noch nach den Strukturprinzipien des Gesetzes ergebe, dass § 111 SGB X auf den Anspruch nach § 264 Abs. 7 Satz 1 SGB V keine Anwendung finde. Bei diesem Anspruch handele es sich um einen Erstattungsanspruch zwischen zwei Leistungsträgern im Rahmen einer gesetzlich angeordneten Leistungserbringung der Klägerin für den Beklagten. Streitig sei, ob es sich bei dieser Leistungserbringung um ein gesetzliches Auftragsverhältnis handele (so BSG-Urteil vom 17. Juni 2008 - B 1 KR 30/07 R - ; BSG Urteil vom 28. September 2010 - B 1 KR 4/10 R -, bei Juris) oder es sich um ein auftragsähnliches Verhältnis handele (offengelassen in: BSG Urteil vom 28. Oktober 2008, - B 8 SO 23/07 R - Juris). Eine Entscheidung dieser Rechtsfrage sei vorliegend nicht erforderlich, da zur Überzeugung des SG auch bei Annahme eines nur auftragsähnlichen Verhältnisses zu prüfen wäre, ob sich aus den Vorschriften für das gesetzliche Auftragsverhältnis ein Ausschluss der Anwendung des § 111 SGB X ergebe und ob dies auch im Rahmen des § 264 Abs. 7 SGB V anwendbar sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Anwendung des § 111 SGB X sei durch den Gesetzgeber weder in der Vorschrift des § 264 SGB V noch im Rahmen des gesetzlichen Auftragsverhältnisses und den insoweit geltenden Vorschriften der §§ 91, 93 SGB X ausdrücklich ausgeschlossen worden. Im weiteren hat das SG ausgeführt, dass nach dessen Ansicht vieles dafür spreche, auch im Auftragsverhältnis die Vorschriften der §§ 111 und 113 SGB X anzuwenden, da die §§ 91, 93 SGB X zwar einen eigenständigen Erstattungsanspruch zwischen Leistungsträgern im Auftragsverhältnis geschaffen hätten, die Vorschriften zum Auftragsverhältnis jedoch gerade keine Sonderregelungen zur Verjährung und rechtzeitiger Geltendmachung des Erstattungsanspruch enthielten und die §§ 111 ff. SGB X allgemeine Rechtsgedanken zu sämtlichen Erstattungsansprüchen enthalten würden. Dies könne letztlich offenbleiben, da in jedem Fall vorrangig zu beachten sei, ob sich speziell aus der Regelung des § 264 SGB V Gründe für die Nichtgeltung oder Geltung des § 111 SGB X ergeben würden. Maßgeblich sei zur Überzeugung des SG nicht die Frage, ob grundsätzlich auf ein Auftragsverhältnis § 111 SGB X Anwendung finde, sondern ob er speziell im Rahmen der Erstattung der Kosten der Krankenbehandlung von Sozialhilfeempfängern durch die Krankenkassen nach § 264 Abs. 7 SGB X einschlägig sein. Das SG sei davon überzeugt, dass § 111 SGB X auf den Erstattungsanspruch des § 264 Abs. 7 Satz 1 SGB V anwendbar sei. Die §§ 111 ff. SGB X würden allgemeine Rechtsgrundsätze enthalten, die grundsätzlich auf sämtliche Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern Anwendung fänden (mit entsprechenden Nachweisen). Durch die Ausschlussfrist des § 111 SGB X habe generell festgelegt werden sollen, dass mit der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nicht unbegrenzte Zeit gewartet werden dürfe (Hinweis auf BT-Drs. 9/95, S. 26 zu § 117 SGB-E). Insoweit komme die Anwendung des § 111 SGB X auch auf sonstige Erstattungsansprüche - die in anderen Teilen des Sozialgesetzbuch oder landesrechtlich geregelt seien - in Betracht. Da der Gesetzgeber ferner eine konkrete Vorgabe hinsichtlich einer vierteljährlichen und damit schnellen Geltendmachung der Erstattungsansprüche getroffen habe, sei davon auszugehen, dass soweit dieses Verfahren nicht eingehalten werde, ergänzend auf den § 111 SGB X zurückzugreifen sei. Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht dem Zweck des § 264 SGB V entspräche, bestünden nicht (wird weiter ausgeführt). Da nach Auffassung des SG folglich § 111 SGB X anwendbar sei, könne der Erstattungsanspruch nach § 264 Abs. 7 Satz 1 SGB V bezüglich der hier streitigen Zeiträume gegenüber dem Beklagten von der Klägerin nicht mehr geltend gemacht werden, da die von § 111 SGB X bestimmte Frist von 12 Monaten nicht eingehalten worden sei. Es handele es sich hierbei um eine von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Die Klägerin hat gegen das ihr mit Empfangsbekenntnis am 2. Juli 2012 zugestellte Urteil am 11. Juli 2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft sowie ergänzend unter anderem noch ausgeführt, dass eine entsprechende Anwendung des § 111 SGB X auch nach Sinn und Zweck dieser Norm nicht in Betracht komme. Dieser bestehe nämlich darin, dass dem Interesse des Erstattungspflichtigen Rechnung getragen werden solle, möglichst bald Klarheit über etwaige Erstattungsansprüche zu erhalten und nicht noch nach Jahren durch solche Ansprüche überrascht zu werden. Ein solches Schutzbedürfnis bestehe im Rahmen des § 264 SGB V jedoch nicht. Während der Erstattungspflichtige im Rahmen einer Erstattung nach den §§ 102 ff. SGB X in der Regel überhaupt keine Kenntnis von einer Vorleistung eines anderen Versicherungsträgers habe, sei bei § 264 SGB V zu erwarten, dass die Krankenkassen für nichtversicherte Sozialhilfeempfänger im Krankheitsfalle eine Behandlung übernehmen müssten. Die Krankenkasse erhalte für diejenigen Leistungsempfänger, für die keine Krankenversicherung bestehe, vom Sozialhilfeträger den Auftrag gegen die volle Kostenerstattung die Krankenbehandlung zu erbringen. Anders als bei den allgemeinen Erstattungspflichten nach den §§ 102 ff. SGB X stelle sich der Sozialhilfeträger im Rahmen des § 264 SGB V gerade darauf ein, dass auf ihn Aufwendungsersatzforderungen für erbrachte Krankenbehandlungen für diejenigen Leistungsempfänger, für die kein Krankenversicherungsschutz bestehe, zukämen. Die Sozialhilfeträger müssten für die nichtversicherten Leistungsempfänger also jederzeit mit Erstattungsforderungen rechnen, so dass der mit der Ausschlussregelung des § 111 SGB X verfolgte Zweck im Rahmen des § 264 SGB V nicht zur Anwendung komme und damit die Regelung unanwendbar sei. Schließlich werde auch darauf hingewiesen, dass zwischenzeitlich zwei Entscheidungen zu der hier streitigen Rechtsfrage ergangen seien, wobei beide Entscheidungen, sowohl das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 11. Juli 2012 (L 2 SO 2371/11) als auch das Urteil des SG Düsseldorf vom 11. November 2011 (S 31 (9) KR 131/99), die Rechtsauffassung der Klägerin stützen dürften.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 4.447,12 EUR an die Klägerin zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt auf sein bisheriges Vorbringen Bezug und führt ergänzend aus, dass das SG in seinem Urteil vom 24. Mai 2012 überzeugend dargelegt habe, dass § 111 Abs. 1 Satz 1 SGB X über § 37 Satz 1 SGB I auch hier anwendbar sei.

Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 24. September und 11. Oktober 2012 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.

I.

Die Berufung ist zulässig und statthaft (§§ 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels der Klägerin ist die allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, da im Verhältnis der Beteiligten ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Der Beklagte ist als nach § 264 Abs. 7 SGB V in Anspruch genommener örtlicher Träger der Sozialhilfe richtiger Beklagter.

II.

Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG mit Urteil vom 24. Mai 2012 die Klage abgewiesen. Denn die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen, die durch die Übernahme der Krankenbehandlung der Leistungsempfängerin H. entstanden sind.

Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, § 264 Abs. 7 Satz 1 SGB V (in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 152 des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes - GMG - vom 14. November 2003, BGBI. I, 2190; geändert m.W.v. 1. Januar 2005 durch Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003, BGBl. I, 3022). Danach werden die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Abs. 2 bis 6 entstehen, von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Abs. 2 werden gemäß § 264 Abs. 7 Satz 2 SGB V bis zu fünf vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt. Wenn Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung vorliegen, kann der zuständige Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 264 Abs. 7 Satz 3 SGB V von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen.

Unstreitig sind der Klägerin Aufwendungen für die Krankenbehandlung der Leistungsempfängerin H. B nach § 264 Abs. 2 bis 6 SGB V in Höhe von 4.474,12 EUR inkl. Verwaltungskosten in den Zeiträumen vom 13. Januar 2004 bis 27. Dezember 2004 und vom 8. Februar 2005 bis 18. August 2005 entstanden. Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung liegen nicht vor.

H. war im streitigen Zeitraum Empfängerin laufender Leistungen nach dem 3. bis 9. Kapitel des SGB XII bzw. dem entsprechenden Vorgänger Vorschriften des BSHG. Sie gehörte auch nicht zu dem nach § 264 Abs. 2 Satz 2 SGB V von der Krankenbehandlung durch die gesetzliche Krankenkasse ausgeschlossenen Personenkreis. Sie hat auch nicht nur für einen Zeitraum von unter einem Monat Hilfe zum Lebensunterhalt vom Beklagten bezogen, sondern bezieht im Gegenteil durchgehend seit 4. Oktober 2001 Leistungen. Sie hat auch nicht ausschließlich Leistungen zur Alterssicherung nach § 33 SGB XII bzw. § 14 BSHG bezogen und auch nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland (§ 24 SGB XII bzw. § 119 BSHG) gehabt. Da die Hilfeempfängerin nicht krankenversichert war und vor der Einführung von § 264 SGB V Krankenhilfe vom Beklagten erhielt, gehört sie zum Personenkreis, für den die Klägerin im Auftrag des Beklagten Leistungen zu erbringen hatte. Für diese Aufwendungen besteht ein Erstattungsanspruch nach § 264 Abs. 7 Satz 1 SGB V.

Die Klägerin hat die Aufwendungen auch rechtzeitig geltend gemacht, da die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X nicht einschlägig ist. Diese Regelung ist nicht gemäß § 37 SGB I anwendbar. Gemäß § 37 Satz 1 SGB I gelten das Erste und Zehnte Buch für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt. Vorliegend schließt jedoch § 264 Abs. 7 SGB V i.V.m. §§ 93, 91 SGB X die Anwendung des § 111 SGB X aus.

Gemäß § 111 Satz 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Diese Vorschrift ist auf die vorliegende Konstellation entgegen der Auffassung des SG nicht anwendbar (ebenso bereits zutreffend SG Ulm, Urteil vom 16. Januar 2008 – S 6 SO 2735/06; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB X, § 91 RdNr. 12 Stand IV/07 m.w.N.; Böttiger in Wagner/Knittel [Hrsg.], Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand: Juni 2010, § 264 SGB V RdNr.97; Breitkreuz in LPK-SGB X, 3. Aufl. 2011, § 91 RdNr. 3).

§ 111 SGB X steht im Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels des SGB X. Der Zweite Abschnitt regelt Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander. Im Ersten Abschnitt des Dritten Kapitels ist die Zusammenarbeit der Leistungsträger untereinander und mit Dritten geregelt, insb. auch das Auftragsverhältnis (§§ 88 ff. SGB X). Während im Zweiten Abschnitt mit § 111 SGB X eine Ausschlussfrist geregelt ist, enthält der Erste Abschnitt keine Ausschlussfrist bei der Erstattung von Aufwendungen des Auftragnehmers (vgl. §§ 91, 93 SGB X).

Die gesetzlichen Krankenkassen erbringen die Krankenbehandlung für nicht versicherte Sozialhilfeempfänger (vgl. § 48 SGB XII bzw. § 37 BSHG a.F.) nicht als originäre Aufgabe (so noch Dt. Verein, NDV 2004, 320 (323)), sondern im gesetzlichen Auftrag; die Verpflichtung des ursprünglichen Trägers besteht dem Grunde nach fort. Durch die Regelungen in § 264 Abs. 2 bis 7 SGB V wird ein gesetzliches Auftragsverhältnis im Sinne des § 93 SGB X begründet (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 1 KR 30/07 RBSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr. 1; BSG, Urteil vom 28. September 2010 – B 1 KR 4/10 R = SozR 4-2500 § 264 Nr. 3; Huck in Hauck/Noftz, SGB V, § 264 RdNr 14 Stand VII/05; Böttiger in Wagner/Knittel [Hrsg.], Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 264 SGB V RdNr. 5 Stand: Juni 2010; offengelassen von BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008 – B 8 SO 23/07 RBSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr. 2 RdNr. 23). Für dieses gesetzliche Auftragsverhältnis gelten neben § 264 Abs. 2 bis 7 SGB V gemäß § 93 SGB X die in § 89 Abs. 3 und 5 SGB X sowie § 91 Abs. 1 und 3 SGB X enthaltenen Regelungen über die Ausführung des Auftrages und die Erstattung von Aufwendungen. Es wird zwischen den SGB XII-Leistungsempfängern und den Krankenkassen kein (mitgliedschaftliches) Versicherungsverhältnis oder Quasi-Versicherungs-verhältnis, sondern nur ein leistungsrechtliches Verhältnis begründet (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 a.a.O. unter Hinweis auf BT-Drucks. 15/1525, S. 141). Unbeachtlich ist, dass § 264 SGB V den Begriff des "Auftrags" an keiner Stelle verwendet (a.A. aber noch VG Düsseldorf, Beschluss vom 21. September 2004 – 22 L 2590/04, das die Vorschriften des Auftragsverhältnisses nicht auf § 264 SGB V anwendet).

Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des ersten Senats des BSG an. § 264 SGB V überträgt den Krankenkassen in Abstimmung mit dem SGB XII die den Sozialhilfeträgern dem Grunde nach obliegende Aufgabe, die den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechenden Leistungen zu gewähren. Hierzu haben die nicht versicherten Leistungsberechtigten unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Sozialhilfeträgers zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt (§ 264 Abs. 3 SGB V). Für die Leistungsberechtigten gelten § 11 Abs. 1 SGB V sowie die §§ 61 und 62 SGB V entsprechend (§ 264 Abs. 4 SGB V). Der Gesetzgeber hat in § 264 Abs. 3 bis 7 SGB V Verfahrens- und Erstattungsregelungen geschaffen, die sowohl die Pflichten und Rechte der Krankenkassen und der Träger der Sozialhilfe als auch der Betroffenen selbst festlegen. Die Formulierung des Absatzes 7, der von einer vierteljährlichen Erstattung der Aufwendungen der Krankenkassen durch die zuständigen Träger der Sozialhilfe spricht, soll die Vorgaben des Absatzes 1 — Ersatz der vollen Aufwendungen und Übernahme eines angemessenen Teils der Verwaltungskosten — erfüllen. Die genannten Vorschriften des Ersten Abschnitts des Dritten Kapitels SGB X gelten, die den Aufwendungsersatz aus dem Auftragsverhältnis betreffen; nicht jedoch die des Zweiten Abschnitts (§§ 102 ff. SGB X), welche einen anderen Regelungsbereich – Erstattungsansprüche der Leistungsträger - betreffen. Andernfalls wäre eine teils unterschiedliche, teils übereinstimmende Regelung desselben Rechtstatbestandes für unterschiedliche Sachverhalte in einem und demselben Gesetz kaum verständlich (Steinbach in Hauck/Noftz, SGB X, § 91 RdNr. 12 Stand IV/07).

Handelt ein Leistungsträger (hier die Klägerin) aufgrund gesetzlichen Auftrags für einen anderen (hier der Beklagte), gelten nach § 93 SGB X (nur) die §§ 89 Abs. 3 und 5 SGB X sowie § 91 Abs. 1 und 3 SGB X entsprechend. Sonstige Fragen sind den für die einzelnen gesetzlichen Aufträge geltenden Einzelregelungen – hier § 264 SGB V - überlassen worden und müssen dort eigenständig oder durch ausdrücklichen Verweis auf weitere Einzelregelungen des SGB X geklärt werden (Steinbach in Hauck/Noftz, SGB X, § 93 RdNr. 2 Stand IV/07). Somit sind immer die spezialgesetzlichen Regelungen des jeweiligen gesetzlichen Auftragsverhältnisses maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2010 – B 1 KR 4/10 R = SozR 4-2500 § 264 Nr. 3; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 93 RdNr. 6). In den §§ 89 Abs. 3 und 5 sowie § 91 Abs. 1 und 3 SGB X und in § 264 SGB V finden sich keine speziellen Ausschlussregelungen. Für die Auftragsverhältnisse ist in § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB X geregelt, dass der Auftraggeber zur Erstattung verpflichtet ist. Eine Ausschlussfrist wie § 111 SGB X ist nicht vorgesehen.

§ 264 SGB V enthält für den speziellen Tatbestand der Leistungserbringung von Krankenbehandlung durch die Träger der Krankenversicherung eigenständige Regelungen zur Erstattung selbst und zum Umfang des Erstattungsanspruchs, z.B. im Hinblick auf die Regelung einer zu erstattenden Verwaltungspauschale. Damit ist dieses Regelwerk mit den Erstattungsansprüchen nach §§ 102 ff. SGB X nicht zu vergleichen (so auch Eichenhofer in Wannagat SGB X, § 91 RdNr. 4 f.). Es besteht kein Anhalt für die Anwendbarkeit der im Zweiten Abschnitt geregelten Erstattungsvorschriften. Denn insoweit stellt § 264 SGB V ein geschlossenes Regelwerk dar. Wenn der Gesetzgeber hierzu keine Ausschlussfrist bestimmt, ist dies ein sogenanntes "beredtes Schweigen" und in dem Sinne zu verstehen, dass damit auch keine Ausschlussfrist greifen soll (grundsätzlich hierzu BSG, Urteil vom 31. Mai 1989 - 9/9a RV 12/87 = HV-INFO 1989, 1984; BSG, Urteil vom 29. Mai 1991 - 9a RV 10/90 (juris)). Somit gilt das SGB X gemäß § 37 Satz 1 SGB I vorliegend nur eingeschränkt. Letztlich bedarf es einer Ausschlussfrist auch nicht, da gleichermaßen ein Interesse der Beteiligten an rechtzeitiger Abrechnung erbrachter Leistungen besteht und die Beklagte grundsätzlich mit Erstattungsansprüchen der Krankenkasse bezüglich der Leistungsempfänger rechnen muss. Unbenommen bleibt es den Beteiligten, eine solche Ausschlussfrist durch Rahmenvereinbarung zu regeln. Das ist aber vorliegend nicht geschehen.

Auch nach seinem Sinn und Zweck greift § 111 SGB X vorliegend nicht. Denn der Zweck der Ausschlussfrist besteht darin, dass dem Interesse des Erstattungspflichtigen Rechnung getragen werden solle, möglichst Klarheit über etwaige Erstattungsansprüche zu erhalten. Ein solches Schutzbedürfnis besteht im Rahmen des § 264 SGB V hingegen nur eingeschränkt. Während der Erstattungspflichtige im Rahmen einer Erstattung nach den §§ 102 ff. SGB X häufig keine Kenntnis von einer Vorleistung eines anderen Versicherungsträgers hat, wissen die Sozialhilfeträger, dass die Krankenkassen nach § 264 SGB V für nicht versicherte Sozialhilfeempfänger im Krankheitsfalle eine Behandlung übernehmen müssen, ob das nun als gesetzlicher Auftrag oder auftragsähnlich qualifiziert wird (s. oben die Nachweise zur Rspr des 1. und des 8. Senats des BSG), spielt insoweit keine Rolle. Anders als bei den allgemeinen Erstattungspflichten nach den §§ 102 ff. SGB X kann sich der Sozialhilfeträger im Rahmen des § 264 SGB V gerade darauf einstellen, dass auf ihn Aufwendungsersatzforderungen für erbrachte Krankenbehandlungen für diejenigen Leistungsempfänger, für die kein Krankenversicherungsschutz besteht, zukommen.

Eine (entsprechende) Anwendung des § 111 SGB X trotz fehlender gesetzlicher Bezugnahme oder Verweisung in den §§ 88 ff. SGB X kommt nach dem Vorstehenden nicht in Betracht. Dagegen spricht auch, dass sich etwa in § 21 BVG ein expliziter Verweis auf die sich aus §§ 107 bis 114 SGB X ergebenden Einwendungen befindet. § 21 BVG stellt ebenso wie § 264 SGB V ein gesetzliches Auftragsverhältnis dar. Im Umkehrschluss kann daraus geschlussfolgert werden, dass es einer expliziten Verweisung bedarf und die Vorschriften der §§ 107 ff. SGB X ohne Verweisung keine Anwendung finden.

Schließlich verstößt die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch). Hierauf beruft sich der Beklagte sinngemäß, wenn er darlegt, durch die späte Geltendmachung des Erstattungsanspruchs der Klägerin würden erhebliche haushaltsrechtliche Probleme entstehen. Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung kann jedoch erst greifen, wenn die Klägerin ihre Rechtsstellung unredlich erworben, eigene Pflichten verletzt oder gegenüber dem Beklagten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätte, auf den sich der Beklagte hätte verlassen dürfen. Da § 111 SGB X nicht greift, hat sich die Klägerin rechtmäßig verhalten. Andere Gesichtspunkte, die einen Vertrauenstatbestand bei der Beklagten oder ein treuwidriges Fehlverhalten der Klägerin begründen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Einrede der Verjährung hat der Beklagte weder geltend gemacht, noch ist ein Zeitraum von vier Jahren verstrichen, der nach st. Rspr. des BSG im Verhältnis zwischen Sozialleistungsträgern maßgeblich ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 30. September 1993 – 4 RA 6/92 = FEVS 44, 348). Im Übrigen wäre eine Hemmung der Verjährung durch die Vereinbarung der Beteiligten eingetreten, zunächst in Musterverfahren klären zu lassen, wie die Rechtslage ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. den §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Gerichtskostengesetz (GKG). Dieser richtet sich gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache. Betrifft der Antrag der Klägerin wie vorliegend eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist gemäß § 52 Abs. 3 GKG deren Höhe maßgebend, hier also 4.474,12 EUR.
Rechtskraft
Aus
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