Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 8313/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4705/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 2012 aufgehoben. Die Kosten des auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz eingeholten Gutachtens von Dr. H. vom 19. November 2011 sowie die dadurch entstandenen baren Auslagen des Klägers werden auf die Staatskasse übernommen.
Die Staatskasse trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss, mit dem das Sozialgericht Stuttgart (SG) es abgelehnt hat, die Kosten des auf Antrag des Klägers eingeholten orthopädischen Gutachtens von Dr. H. vom 19.11.2011 auf die Staatskasse zu übernehmen, entspricht nicht der nach Abschluss des Rechtsstreits bestehenden Sach- und Rechtslage. Der Senat hält es für ermessensgerecht, die Kosten dieses Gutachtens auf die Staatskasse zu übernehmen.
Gemäß § 109 Abs. Satz 2 SGG kann die von einem Versicherten oder Versorgungsberechtigten beantragte gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes davon abhängig gemacht werden, dass der Kläger die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Angesichts dieser gesetzlichen Regelung steht es im Ermessen des Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Kosten dem Kläger endgültig auferlegt. Ein vom Sozialgericht ausgeübtes Ermessen ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens durch den Senat uneingeschränkt nachprüfbar, da die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in der Sache durch das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergegangen ist.
Nach der Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung oder die Erledigung des Rechtsstreits (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 19.10.2011 - L 8 SB 3043/11 B, vom 19.05.2011 - L 8 SB 2294/10, vom 07.03.2011 - L 8 U 1148/10, vom 01.09.2010 - L 8 SB 6039/08 -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl., § 109 Rdnr. 16a) von wesentlicher Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht, diese also objektiv gefördert hat. Dabei kann nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben. Dies bedeutet aber weder, dass nur Gutachten, welche ein für den Kläger günstiges Ergebnis haben, hierunter fallen können, noch, dass für den Kläger günstige Gutachten stets von der Staatskasse zu bezahlen sind. Durch die Anbindung an das Prozessziel des Klägers wird lediglich verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es sachgerecht, die Kosten des Gutachtens von Dr. H. auf die Staatskasse zu übernehmen, denn es hat wesentlich zur Erledigung des Rechtsstreits beigetragen.
Gegenstand des Rechtsstreits vor dem SG war die Feststellung eines GdB von 50 statt des bisher festgestellten GdB von 30. Ein wesentlicher Streitpunkt waren die Bewertung des einzelnen Grades der Behinderung (GdB) für die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers, die der Beklagte des Hauptsacheverfahrens (im Folgenden: Beklagter) aufgrund der vorliegenden Befunde mit einem GdB von 30 berücksichtigte. Weiterhin trug der Kläger in seiner Klage vor, dass eine Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Aus den von Dr. H. in seinem Gutachten niedergelegten Befunden und dem von ihm vorgelegten Arztbrief von Dr. V. vom 11.03.2011 leitete der Beklagte eine Verschlimmerung der Situation her und berücksichtigte nunmehr einen Einzel-GdB von 30 für die Wirbelsäulenbeschwerden sowie 20 für die Beschwerden in beiden Kniegelenken und bot zunächst eine Erhöhung des festgestellten Gesamt-GdB auf 40 ab 21.04.2010 an. Auf der Grundlage weiterer später vorgelegter Unterlagen zu proktologischen Beeinträchtigungen erkannte er schließlich einen GdB von 50 an.
Aufgrund dieser Tatsachen geht der Senat entgegen der Ansicht des SG im angefochtenen Beschluss davon aus, dass das Gutachten des Dr. H. wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Beklagte schließlich ein volles Anerkenntnis abgegeben hat, das nicht zu erwarten gewesen wäre, wenn es an einem ausgefüllten Einzel-GdB von 30 für die Wirbelsäulenbeschwerden und dem weiteren Einzel-GdB von 20 für die Knorpelschäden in beiden Kniegelenken gefehlt hätte. Das Gutachten des Dr. H. war deshalb für den Ausgang des Rechtsstreits von entscheidender Bedeutung.
Die Kostenübernahme auf die Staatskasse ist auch nicht deshalb abzulehnen, weil die Einholung einer sachverständigen Zeugenaussage von Dr. V. ausreichend gewesen wäre. Das SG hatte bereits vor Erteilung des Gutachtensauftrags an Dr. H. eine sachverständige Zeugenaussage von Dr. V. vom 03.03.2011 eingeholt, der keine Angaben zu Kniebeschwerden machte. Demgegenüber begründet Dr. H. - wenn auch unter Bezugnahme auf einen Arztbrief von Dr. V. vom 11.03.2011 - nicht nur, warum überhaupt ein GdB von 20 für die Kniebeschwerden angemessen ist, sondern auch, dass dieser GdB bereits seit Antragstellung im April 2010 zu berücksichtigen war. Dieser Einschätzung folgte der Beklagte in seinem Vergleichsangebot vom 22.03.2012, indem er einen GdB von 40 bereits ab 21.04.2010 anbot und später auch einen GdB von 50 ab diesem Datum anerkannte. Auf den Zeitpunkt der Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft kam es dem Kläger im Hinblick auf die beabsichtigte Beantragung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen auch wesentlich an.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG (ebenso Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 176 RdNr. 5a m.w.N.). Im Verfahren zur nachträglichen Kostenübernahme eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens ist der Beklagte des Hauptsacheverfahrens nicht beteiligt. Im mit nur einem Verfahrensbeteiligten ausgestalteten Rechtsbehelfsverfahren - vergleichbar mit Rechtsbehelfsverfahren gegen eine Ordnungsmittel - entspricht bei erfolgreicher Beschwerde die ausgesprochene Kostenfolge billigem Ermessen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. zuletzt Beschluss vom 19.10.2011 - L 8 SB 3043/11, vom 25.08.2009 - L 8 SB 2542/08 - unveröffentlicht; ebenso der 13. Senat, Beschluss vom 06.05.2009 - L 13 R 339/09 KO-B -, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Staatskasse trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss, mit dem das Sozialgericht Stuttgart (SG) es abgelehnt hat, die Kosten des auf Antrag des Klägers eingeholten orthopädischen Gutachtens von Dr. H. vom 19.11.2011 auf die Staatskasse zu übernehmen, entspricht nicht der nach Abschluss des Rechtsstreits bestehenden Sach- und Rechtslage. Der Senat hält es für ermessensgerecht, die Kosten dieses Gutachtens auf die Staatskasse zu übernehmen.
Gemäß § 109 Abs. Satz 2 SGG kann die von einem Versicherten oder Versorgungsberechtigten beantragte gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes davon abhängig gemacht werden, dass der Kläger die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Angesichts dieser gesetzlichen Regelung steht es im Ermessen des Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Kosten dem Kläger endgültig auferlegt. Ein vom Sozialgericht ausgeübtes Ermessen ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens durch den Senat uneingeschränkt nachprüfbar, da die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in der Sache durch das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergegangen ist.
Nach der Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung oder die Erledigung des Rechtsstreits (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 19.10.2011 - L 8 SB 3043/11 B, vom 19.05.2011 - L 8 SB 2294/10, vom 07.03.2011 - L 8 U 1148/10, vom 01.09.2010 - L 8 SB 6039/08 -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl., § 109 Rdnr. 16a) von wesentlicher Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht, diese also objektiv gefördert hat. Dabei kann nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben. Dies bedeutet aber weder, dass nur Gutachten, welche ein für den Kläger günstiges Ergebnis haben, hierunter fallen können, noch, dass für den Kläger günstige Gutachten stets von der Staatskasse zu bezahlen sind. Durch die Anbindung an das Prozessziel des Klägers wird lediglich verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es sachgerecht, die Kosten des Gutachtens von Dr. H. auf die Staatskasse zu übernehmen, denn es hat wesentlich zur Erledigung des Rechtsstreits beigetragen.
Gegenstand des Rechtsstreits vor dem SG war die Feststellung eines GdB von 50 statt des bisher festgestellten GdB von 30. Ein wesentlicher Streitpunkt waren die Bewertung des einzelnen Grades der Behinderung (GdB) für die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers, die der Beklagte des Hauptsacheverfahrens (im Folgenden: Beklagter) aufgrund der vorliegenden Befunde mit einem GdB von 30 berücksichtigte. Weiterhin trug der Kläger in seiner Klage vor, dass eine Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Aus den von Dr. H. in seinem Gutachten niedergelegten Befunden und dem von ihm vorgelegten Arztbrief von Dr. V. vom 11.03.2011 leitete der Beklagte eine Verschlimmerung der Situation her und berücksichtigte nunmehr einen Einzel-GdB von 30 für die Wirbelsäulenbeschwerden sowie 20 für die Beschwerden in beiden Kniegelenken und bot zunächst eine Erhöhung des festgestellten Gesamt-GdB auf 40 ab 21.04.2010 an. Auf der Grundlage weiterer später vorgelegter Unterlagen zu proktologischen Beeinträchtigungen erkannte er schließlich einen GdB von 50 an.
Aufgrund dieser Tatsachen geht der Senat entgegen der Ansicht des SG im angefochtenen Beschluss davon aus, dass das Gutachten des Dr. H. wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Beklagte schließlich ein volles Anerkenntnis abgegeben hat, das nicht zu erwarten gewesen wäre, wenn es an einem ausgefüllten Einzel-GdB von 30 für die Wirbelsäulenbeschwerden und dem weiteren Einzel-GdB von 20 für die Knorpelschäden in beiden Kniegelenken gefehlt hätte. Das Gutachten des Dr. H. war deshalb für den Ausgang des Rechtsstreits von entscheidender Bedeutung.
Die Kostenübernahme auf die Staatskasse ist auch nicht deshalb abzulehnen, weil die Einholung einer sachverständigen Zeugenaussage von Dr. V. ausreichend gewesen wäre. Das SG hatte bereits vor Erteilung des Gutachtensauftrags an Dr. H. eine sachverständige Zeugenaussage von Dr. V. vom 03.03.2011 eingeholt, der keine Angaben zu Kniebeschwerden machte. Demgegenüber begründet Dr. H. - wenn auch unter Bezugnahme auf einen Arztbrief von Dr. V. vom 11.03.2011 - nicht nur, warum überhaupt ein GdB von 20 für die Kniebeschwerden angemessen ist, sondern auch, dass dieser GdB bereits seit Antragstellung im April 2010 zu berücksichtigen war. Dieser Einschätzung folgte der Beklagte in seinem Vergleichsangebot vom 22.03.2012, indem er einen GdB von 40 bereits ab 21.04.2010 anbot und später auch einen GdB von 50 ab diesem Datum anerkannte. Auf den Zeitpunkt der Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft kam es dem Kläger im Hinblick auf die beabsichtigte Beantragung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen auch wesentlich an.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG (ebenso Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 176 RdNr. 5a m.w.N.). Im Verfahren zur nachträglichen Kostenübernahme eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens ist der Beklagte des Hauptsacheverfahrens nicht beteiligt. Im mit nur einem Verfahrensbeteiligten ausgestalteten Rechtsbehelfsverfahren - vergleichbar mit Rechtsbehelfsverfahren gegen eine Ordnungsmittel - entspricht bei erfolgreicher Beschwerde die ausgesprochene Kostenfolge billigem Ermessen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. zuletzt Beschluss vom 19.10.2011 - L 8 SB 3043/11, vom 25.08.2009 - L 8 SB 2542/08 - unveröffentlicht; ebenso der 13. Senat, Beschluss vom 06.05.2009 - L 13 R 339/09 KO-B -, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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