L 11 AS 927/10 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AS 1000/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 927/10 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Notwendigkeit einer vorherigen Zusicherung zur Übernahme von Umzugskosten.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 04.11.2010 wird zurückgewiesen.



Gründe:


I.
Streitig ist die Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten im Hinblick auf einen Umzug des Klägers von B-Stadt nach A-Stadt.
Der Kläger bezieht zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Am 19.02.2007 vermerkte der Beklagte einen Anruf des Klägers wegen eines Umzugs. In der bisherigen Wohnung sei Schimmel vorhanden und ihm sei gekündigt worden. Der Beklagte habe darauf hingewiesen, es seien entsprechende Nachweise zu erbringen, damit die Erforderlichkeit eines Umzugs geklärt werden könne. Ohne Nachweise könne dem Umzug nicht zugestimmt werden. Die Übernahme von Umzugskosten könne nur erfolgen, wenn der Umzug notwendig sei. Am 20.03.2007 gingen beim Beklagten der Mietvertrag für die neue Wohnung vom 12.03.2007 für das ab 01.04.2007 beginnende Mietverhältnis, ein Kostenvoranschlag der Fa. Spedition P. vom 22.02.2007 über 3.253,22 EUR, verschiedene Quittungen sowie ein Kostenvoranschlag zum Umzug der Küche ein. Am 22.03.2007 gingen weitere Unterlagen im Hinblick auf den Räumungsprozess und Lichtbilder über den Schimmelbefall ein. Schließlich wurde am 27.03.2007 u.a. das Kündigungsschreiben vom 07.09.2006 vorgelegt.
Mit Bescheid vom 04.04.2007 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft ab. Durch die Zahlung der noch offenen Kaution und der Mietrückstände sei aller Voraussicht nach ein Verbleib in der bisherigen Wohnung möglich. Die Ursache des Schimmelbefalls sei nicht bekannt und reiche jedenfalls als Grund für einen Umzug nicht aus. Dem Umzug könne nicht zugestimmt werden und die Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten werde deshalb abgelehnt.
Der Kläger legte sodann eine Rechnung der Umzugsfirma vom 03.04.2007 über einen Betrag in Höhe von 2.832,20 EUR vor und Widerspruch gegen die Ablehnung der Übernahme der Unterkunftskosten ein.
Das Umzugsunternehmen teilte auf Anfrage des Beklagten mit, der Kläger habe bei ihm Ende Februar angefragt. Am 20. oder 21.03.2007 sei der Umzug in Auftrag gegeben worden und der Umzug am 23./24.03.2007 durchgeführt worden. Die neue Arbeitsplatte habe man am 02.oder 03.04.2007 eingebaut.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Es habe an einer vorherigen Zusicherung zu den Aufwendungen des Umzuges gefehlt. Ohne diese habe er sowohl den Mietvertrag unterschrieben, als auch den Auftrag für den Umzug erteilt.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Im Hinblick auf den sich im Winter 2006 abzeichnenden Schimmelbefall habe er um die Gesundheit seiner Kinder gefürchtet und im Dezember 2006 dem Beklagten mitgeteilt, dass er deshalb umziehen müsse. Nachdem ihm am 17.02.2007 die Wohnung in A-Stadt vom Vermieter zugesagt worden sei, habe er am 19.02.2007 dies dem Beklagten mitgeteilt und nachgefragt, welche Unterlagen er beibringen müsse. Hierauf habe man geantwortet, dass zunächst der Mietvertrag benötigt werde, bevor der Kläger Kostenvoranschläge von Umzugsfirmen vorlege. Mangels telefonischer Erreichbarkeit sei es dem Kläger in der Folgezeit nicht gelungen zu klären, welche Unterlagen er für den Antrag auf Übernahme der Kosten für den Umzug und die Mietkaution beibringen müsse. Dennoch habe er Anfang März Fotos vom Schimmelbefall der Wohnung, Kostenvoranschläge und Quittungen vorgelegt. Dem Vermieter des Klägers sei es nicht zumutbar gewesen, länger als 4 Wochen auf die Entscheidung des Beklagten zu warten, so dass der Kläger am 12.03.2007 auf dessen Drängen den Mietvertrag unterschrieben habe. Im Hinblick auf das lange Abwarten des Beklagten mit seiner Entscheidung über die Zusicherung sei die rechtzeitige Antragstellung als ausreichend anzusehen. In der Praxis sei eine Entscheidung über die Kostenübernahme innerhalb weniger Tage üblich.
Mit Gerichtsbescheid vom 09.12.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Für eine Übernahme der Umzugskosten habe es an einer vorherigen Zusicherung des Beklagten gefehlt. Im Zeitpunkt der Entscheidung am 04.04.2007 habe der Kläger die vertraglichen Verpflichtungen bereits begründet gehabt. Im Hinblick auf die Vorlage der entscheidungserheblichen Unterlagen am 20.03.2007 bzw. 22.03.2007 habe der Beklagte die Erteilung der Zusicherung auch nicht treuwidrig verzögert.
Dagegen hat der Kläger Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt (Az. L 11 AS 22/11). Hierüber ist noch nicht entschieden.
Mit Beschluss vom 04.11.2010 hat das SG auch den Antrag auf Gewährung von PKH abgelehnt, da die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Aufgrund der untragbaren Wohnsituation bezüglich des Schimmelbefalls habe er sofort handeln müssen. Durch Verschulden des Beklagten seien die Anträge nicht rechtzeitig bearbeitet oder nicht zum Zeitpunkt der Antragstellung registriert worden. Die Leistungen hätten dem Kläger unstreitig zugestanden.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. § 73a Rn.7) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH-Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens PKH vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff).

Unter Beachtung dieser Grundsätze war dem Kläger PKH für sein Klageverfahren beim SG nicht zu bewilligen. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage bestand nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger ein Anspruch auf Übernahme der Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten bezüglich seines Umzugs nach A-Stadt zustehen.
Nach § 22 Abs 3 Satz 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl I 1706) können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger übernommen werden. Demnach scheitert der Anspruch des Klägers vorliegend bereits daran, dass vor seinem Umzug keine Zusicherung über die Umzugskosten vorgelegen hat. Der Umzug des Klägers nach A-Stadt erfolgte am 23.03.2007 bzw. 24.03.2007. Der Beklagte hat eine Entscheidung über die Zusicherung erst mit Bescheid vom 04.04.2007 getroffen.
Die vorherige Zusicherung der Umzugskosten ist vorliegend auch nicht deshalb entbehrlich, weil eine fristgerecht mögliche Entscheidung von dem Beklagten treuwidrig verzögert worden ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 7/09 R - juris - mwN). Die Entscheidung des Beklagten erst nach dem 24.03.2007 war keinesfalls treuwidrig verzögert. Nach § 22 Abs 3 Satz 2 SGB II soll eine Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Für die Prüfung dieser Voraussetzungen war es zwingend erforderlich, die Gründe des Umzugs zu ermitteln. Entsprechende Unterlagen hat der Kläger erst am 22.03.2007 - so das vermerkte Eingangsdatum in den Akten des Beklagten - vorlegt. Erst im Hinblick auf den Grund der Kündigung der Wohnung und der Bilder über den Schimmelbefall konnte sich der Beklagte ein entsprechendes Bild verschaffen und prüfen, ob ein Umzug tatsächlich notwendig war. Des Weiteren ging aber auch erst am 20.03.2007 der neue Mietvertrag sowie ein Kostenvoranschlag im Hinblick auf die anfallenden Umzugskosten beim Beklagten ein. Ausgehend hiervon konnte keinesfalls erwartet werden, dass der Beklagte eine Entscheidung über die Zusicherung zur Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bis 24.03.2007 treffen konnte. Wie der Kläger selbst ausführt, erfolgt die Prüfung in der Praxis innerhalb weniger Tage. Dies ist im Hinblick auf die Entscheidung am 04.04.2007 auch geschehen. Zumindest auf die Notwendigkeit der Vorlage des Mietvertrages und eines Kostenvoranschlages für die Umzugskosten war der Kläger am 19.02.2007 hingewiesen worden. Dies räumt er selbst ein. Schließlich gab es für den Beklagten auch keinen Anlass dafür, noch kurzfristiger über den Antrag des Klägers zu entscheiden, da dieser nicht ersichtlich darauf hingewiesen hat, dass der Umzug bereits am 23./24.03.2007 erfolgen soll.
Mangels Vorliegens einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage hat das SG die Bewilligung von PKH damit zu Recht abgelehnt. Die Beschwerde war mithin zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved