Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 SF 52/10 E
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Übersendet eine Ärztin auf gerichtliche Anforderung einen Ausdruck aus ihrer Patientenkartei, steht ihr neben dem Ersatz für aufgewandtes Porto und die Herstellung des Ausdrucks gem. § 7 JVEG auch eine Entschädigung für Zeitversäumnis gem. § 20 JVEG zu.
Die Dokumentenpauschale gem. § 7 Abs. 2 JVEG kann dabei bereits für den ersten Ausdruck verlangt werden, nicht nur für Mehrfertigungen oder Ablichtungen.
Die Dokumentenpauschale gem. § 7 Abs. 2 JVEG kann dabei bereits für den ersten Ausdruck verlangt werden, nicht nur für Mehrfertigungen oder Ablichtungen.
Die Entschädigung der Antragstellerin für die Übersendung der Übersicht über die Behandlungsdaten betreffend den Kläger des Verfahrens S 11 KR 97/09 wird auf 4,05 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe einer der Antragstellerin zu gewährenden Entschädigung.
Mit Eingang bei dem SG Fulda am 22. Oktober 2009 übersandte die Antragstellerin auf richterlicher Anforderung einen Ausdruck aus ihrer Patientendatei betreffend den Kläger des Verfahrens S 11 KR 97/09 im Umfang von zwei Druckseiten. Hierfür machte sie mit Rechnung Nr. xxxxx vom 20. Oktober 2009 eine Entschädigung von 21,00 EUR geltend.
Der Urkundsbeamte setzte die Entschädigung jedoch nur auf 1,05 EUR fest und erläuterte auf Nachfrage der Antragstellerin hierzu, nach der Rechtsprechung des HLSG könne im Falle der Übersendung eines bloßen Computerausdrucks nur die Dokumentenpauschale gem. § 7 Abs. 2 JVEG nebst Porto gewährt werden.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2009 hat die Antragstellerin daraufhin Antrag auf richterliche Festsetzung gestellt und ausgeführt, dass bei einer Auskunft aus einer Patientendatei neben der reinen Übersendung eines Schreibens auch ein personeller Aufwand entstehe, der nicht zum typischen Umfang einer Arztpraxis gehöre.
Der Antragsgegner hat unter dem 3. September 2012 mit Verweis auf den Beschluss des HLSG vom 13. Juli 2005 – L 2 SF 6/05 R – die Festsetzung durch den Kostenbeamten verteidigt.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Entschädigung der Antragstellerin konnte nicht in der geltend gemachten Höhe festgesetzt werden.
1. Hierfür wäre erforderlich gewesen, dass sie einen "Befundbericht" gemäß Nr. 200 der Anlage 2 Abschnitt 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG erstattet hätte. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Denn wie das HLSG im Beschluss von 13. Juli 2005 (L 2 SF 6/05 R – juris Rn. 9) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG ausgeführt hat, erfordert ein Befundbericht, dass medizinische Tatbestände und Angaben für ein konkretes Verfahren aus den Behandlungsunterlagen ausgewählt und fachlich zweckgebunden (etwa in Bezug auf das Leistungsvermögen eines Beteiligten) bewertet werden. Die bloße Aufstellung von Behandlungsdaten und Diagnosen, wie sie durch die Antragstellerin vorgelegt worden ist, genügt dem nicht. Somit kann auch die entsprechende gesetzliche Vergütung nicht verlangt werden.
2. Entgegen der Auffassung des HSLG im zitierten und von dem Antragsgegner in Bezug genommenen Beschluss steht der Antragstellerin jedoch entsprechend der Auffassung des BSG (Urt. v. 9. Februar 2000 – B 9 SB 8/98 R – juris Rn. 15 zur Vorgängerregelung des § 2 ZSEG) eine Zeugenentschädigung für Zeitversäumnis von 3,00 EUR gem. § 20 JVEG zu. Soweit das HLSG (Beschl. v. 13. Juli 2005 – L 2 SF 6/05 R – juris Rn. 11) noch meinte, mit der Pauschalierung des Aufwendungsersatzes für Schreibkosten nach § 7 Abs. 2 JVEG seien die damit im Zusammenhang stehende Kosten für das Anfertigen grundsätzlich mit abgegolten, kann dem nicht gefolgt werden. Denn diese Auffassung missachtet § 19 Abs. 1 Nr. 3 und 4 JVEG, demzufolge Ersatz für sonstige Aufwendungen und Entschädigung für Zeitversäumnis kumulativ gewährt werden – auch im Falle einer schriftlichen Beantwortung einer Beweisfrage. Dass eine Ärztin, wenn sie – wie hier die Antragstellerin – um Auskunft gebeten wird, als sachverständige Zeugin "in Dienst genommen" wird, hat das BSG überzeugend dargelegt, ohne dass dies seitens des HLSG in Abrede gestellt worden ist. Ist die Antragstellerin aber als sachverständige Zeugin tätig geworden, kann sie auch eine Entschädigung gem. § 19 Abs. 1 JVEG verlangen. Dabei geht die Kammer davon aus, dass die Prüfung der gerichtlichen Anfrage sowie die Herstellung des Ausdrucks einschließlich seiner Übersendung nicht länger als eine Stunde in Anspruch genommen haben.
Entsprechend hat das HLSG in seinem Beschluss vom 23. Mai 2012 – L 2 SB 1/12 B – (unveröffentlicht) faktisch seine eben referierte Position aufgegeben und im Falle eines "Negativattests" eines Arztes eine Entschädigung nach § 20 JVEG zugebilligt.
3. Daneben steht der Antragstellerin auch Ersatz für Aufwendungen in Form der Herstellung eines Ausdrucks gem. § 7 Abs. 2 JVEG sowie Porto gem. § 7 Abs. 1 S. 1 JVEG zu. Dass dieser Aufwendungsersatz neben der Entschädigung gem. § 20 JVEG verlangt werden kann, wurde bereits zuvor dargelegt.
Dem steht auch nicht das bereits zitierte Urteil des BSG vom 9. Februar 2000 (B 9 SB 8/98 R, juris Rn. 15) entgegen. Hierin führt das Gericht zwar aus, dass für die Herstellung eines Originals anders als für eine Mehrausfertigung keine Dokumentenpauschale verlangt werden kann. Doch bezieht sich diese Auffassung auf die frühere Vorschrift gem. § 11 Abs. 2 ZSEG, die einen pauschalierten Ersatz nur für "Abschriften und Ablichtungen" vorsah. Demgegenüber wird die Dokumentenpauschale gem. § 7 Abs. 2 S. 1 JVEG für "Anfertigung von Ablichtungen und Ausdrucken" gewährt, so dass eine Differenzierung nach Original oder Mehrausfertigung keine gesetzliche Grundlage mehr hat.
Soweit Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl. 2012, § 7 JVEG Rn. 16, die Dokumentenpauschale auf Ausdrucke aus Gerichts- oder Behördenakte beschränken will, kann dies abstrakt dahinstehen. Bei Anwendung aufgrund der Verweisung in § 19 Abs. 1 Nr. 3 JVEG kann diese Beschränkung nicht gelten, da sie regelmäßig leerliefe; denn dass ein Zeuge Ablichtungen aus einer Gerichtsakte (für seine Aussage) anfertigt, kommt faktisch nicht in Betracht.
Nach alledem ergibt sich der aus dem Tenor ersichtliche Betrag. Die Kammer verkennt nicht, dass damit nicht sichergestellt ist, dass die tatsächlichen Aufwendungen eines Arztes ersetzt werden, die er für die Übersendung eines Befundberichts hat. Insofern wird auch die im Rahmen des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts geplante Erhöhung auf einen Stundensatz vom 3,50 EUR keine wesentliche Änderung der Situation erbringen. Insofern liegt eine Inanspruchnahme des Arztes für die Interessen der staatlichen Gerichtsbarkeit vor; diese ist aufgrund der gesetzgeberischen Entscheidung jedoch hinzunehmen; verfassungsrechtliche Gründe, die dies rechtlich in Zweifel ziehen könnten, sind nicht ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
5. Diese Entscheidung ist mangels Erreichen der Beschwerdesumme gem. § 4 Abs. 3 JVEG unanfechbar. Der Zulassung der Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung bedarf es nicht, da das HLSG in dem zitierten Beschluss aus dem Jahr 2012 die Frage der Anwendbarkeit und Konkurrenz der §§ 7 und 20 JVEG bereits entschieden hat.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe einer der Antragstellerin zu gewährenden Entschädigung.
Mit Eingang bei dem SG Fulda am 22. Oktober 2009 übersandte die Antragstellerin auf richterlicher Anforderung einen Ausdruck aus ihrer Patientendatei betreffend den Kläger des Verfahrens S 11 KR 97/09 im Umfang von zwei Druckseiten. Hierfür machte sie mit Rechnung Nr. xxxxx vom 20. Oktober 2009 eine Entschädigung von 21,00 EUR geltend.
Der Urkundsbeamte setzte die Entschädigung jedoch nur auf 1,05 EUR fest und erläuterte auf Nachfrage der Antragstellerin hierzu, nach der Rechtsprechung des HLSG könne im Falle der Übersendung eines bloßen Computerausdrucks nur die Dokumentenpauschale gem. § 7 Abs. 2 JVEG nebst Porto gewährt werden.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2009 hat die Antragstellerin daraufhin Antrag auf richterliche Festsetzung gestellt und ausgeführt, dass bei einer Auskunft aus einer Patientendatei neben der reinen Übersendung eines Schreibens auch ein personeller Aufwand entstehe, der nicht zum typischen Umfang einer Arztpraxis gehöre.
Der Antragsgegner hat unter dem 3. September 2012 mit Verweis auf den Beschluss des HLSG vom 13. Juli 2005 – L 2 SF 6/05 R – die Festsetzung durch den Kostenbeamten verteidigt.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Entschädigung der Antragstellerin konnte nicht in der geltend gemachten Höhe festgesetzt werden.
1. Hierfür wäre erforderlich gewesen, dass sie einen "Befundbericht" gemäß Nr. 200 der Anlage 2 Abschnitt 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG erstattet hätte. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Denn wie das HLSG im Beschluss von 13. Juli 2005 (L 2 SF 6/05 R – juris Rn. 9) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG ausgeführt hat, erfordert ein Befundbericht, dass medizinische Tatbestände und Angaben für ein konkretes Verfahren aus den Behandlungsunterlagen ausgewählt und fachlich zweckgebunden (etwa in Bezug auf das Leistungsvermögen eines Beteiligten) bewertet werden. Die bloße Aufstellung von Behandlungsdaten und Diagnosen, wie sie durch die Antragstellerin vorgelegt worden ist, genügt dem nicht. Somit kann auch die entsprechende gesetzliche Vergütung nicht verlangt werden.
2. Entgegen der Auffassung des HSLG im zitierten und von dem Antragsgegner in Bezug genommenen Beschluss steht der Antragstellerin jedoch entsprechend der Auffassung des BSG (Urt. v. 9. Februar 2000 – B 9 SB 8/98 R – juris Rn. 15 zur Vorgängerregelung des § 2 ZSEG) eine Zeugenentschädigung für Zeitversäumnis von 3,00 EUR gem. § 20 JVEG zu. Soweit das HLSG (Beschl. v. 13. Juli 2005 – L 2 SF 6/05 R – juris Rn. 11) noch meinte, mit der Pauschalierung des Aufwendungsersatzes für Schreibkosten nach § 7 Abs. 2 JVEG seien die damit im Zusammenhang stehende Kosten für das Anfertigen grundsätzlich mit abgegolten, kann dem nicht gefolgt werden. Denn diese Auffassung missachtet § 19 Abs. 1 Nr. 3 und 4 JVEG, demzufolge Ersatz für sonstige Aufwendungen und Entschädigung für Zeitversäumnis kumulativ gewährt werden – auch im Falle einer schriftlichen Beantwortung einer Beweisfrage. Dass eine Ärztin, wenn sie – wie hier die Antragstellerin – um Auskunft gebeten wird, als sachverständige Zeugin "in Dienst genommen" wird, hat das BSG überzeugend dargelegt, ohne dass dies seitens des HLSG in Abrede gestellt worden ist. Ist die Antragstellerin aber als sachverständige Zeugin tätig geworden, kann sie auch eine Entschädigung gem. § 19 Abs. 1 JVEG verlangen. Dabei geht die Kammer davon aus, dass die Prüfung der gerichtlichen Anfrage sowie die Herstellung des Ausdrucks einschließlich seiner Übersendung nicht länger als eine Stunde in Anspruch genommen haben.
Entsprechend hat das HLSG in seinem Beschluss vom 23. Mai 2012 – L 2 SB 1/12 B – (unveröffentlicht) faktisch seine eben referierte Position aufgegeben und im Falle eines "Negativattests" eines Arztes eine Entschädigung nach § 20 JVEG zugebilligt.
3. Daneben steht der Antragstellerin auch Ersatz für Aufwendungen in Form der Herstellung eines Ausdrucks gem. § 7 Abs. 2 JVEG sowie Porto gem. § 7 Abs. 1 S. 1 JVEG zu. Dass dieser Aufwendungsersatz neben der Entschädigung gem. § 20 JVEG verlangt werden kann, wurde bereits zuvor dargelegt.
Dem steht auch nicht das bereits zitierte Urteil des BSG vom 9. Februar 2000 (B 9 SB 8/98 R, juris Rn. 15) entgegen. Hierin führt das Gericht zwar aus, dass für die Herstellung eines Originals anders als für eine Mehrausfertigung keine Dokumentenpauschale verlangt werden kann. Doch bezieht sich diese Auffassung auf die frühere Vorschrift gem. § 11 Abs. 2 ZSEG, die einen pauschalierten Ersatz nur für "Abschriften und Ablichtungen" vorsah. Demgegenüber wird die Dokumentenpauschale gem. § 7 Abs. 2 S. 1 JVEG für "Anfertigung von Ablichtungen und Ausdrucken" gewährt, so dass eine Differenzierung nach Original oder Mehrausfertigung keine gesetzliche Grundlage mehr hat.
Soweit Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl. 2012, § 7 JVEG Rn. 16, die Dokumentenpauschale auf Ausdrucke aus Gerichts- oder Behördenakte beschränken will, kann dies abstrakt dahinstehen. Bei Anwendung aufgrund der Verweisung in § 19 Abs. 1 Nr. 3 JVEG kann diese Beschränkung nicht gelten, da sie regelmäßig leerliefe; denn dass ein Zeuge Ablichtungen aus einer Gerichtsakte (für seine Aussage) anfertigt, kommt faktisch nicht in Betracht.
Nach alledem ergibt sich der aus dem Tenor ersichtliche Betrag. Die Kammer verkennt nicht, dass damit nicht sichergestellt ist, dass die tatsächlichen Aufwendungen eines Arztes ersetzt werden, die er für die Übersendung eines Befundberichts hat. Insofern wird auch die im Rahmen des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts geplante Erhöhung auf einen Stundensatz vom 3,50 EUR keine wesentliche Änderung der Situation erbringen. Insofern liegt eine Inanspruchnahme des Arztes für die Interessen der staatlichen Gerichtsbarkeit vor; diese ist aufgrund der gesetzgeberischen Entscheidung jedoch hinzunehmen; verfassungsrechtliche Gründe, die dies rechtlich in Zweifel ziehen könnten, sind nicht ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
5. Diese Entscheidung ist mangels Erreichen der Beschwerdesumme gem. § 4 Abs. 3 JVEG unanfechbar. Der Zulassung der Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung bedarf es nicht, da das HLSG in dem zitierten Beschluss aus dem Jahr 2012 die Frage der Anwendbarkeit und Konkurrenz der §§ 7 und 20 JVEG bereits entschieden hat.
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