L 15 SO 294/12 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 92 SO 2507/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 294/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat es mit im Ergebnis zutreffender Begründung abgelehnt, die von der Antragstellerin gewünschte Verpflichtung auszusprechen.

Mit der Beschwerde trägt die Antragstellerin nichts vor, was über ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9. August 2012 und im Verfahren erster Instanz wesentlich hinausgeht.

Es fehlt jedenfalls an einem Anordnungsanspruch. Nicht in Frage steht, dass die Antragstellerin angesichts der bei ihr vorliegenden körperlichen und geistigen Behinderungen Leistungsberechtigte der Hilfe zur Pflege im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ist. Sie ist nicht mehr in der Lage, praktisch alle der in § 61 Abs. 5 SGB XII genannten, gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens selbst zu verrichten. Bereits eine Kontaktaufnahme mit ihr ist kaum möglich. Die Entscheidung der Pflegekasse über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit bindet auch im vorliegenden Verfahren (§ 62 SGB XII).

Eine Pflicht des Antragsgegners, die geltend gemachten ambulanten Leistungen zur Pflege zu erbringen, ergibt sich nicht aus § 13 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Dabei kann offen bleiben, ob die Vorschrift auf die Hilfe zur Pflege überhaupt anwendbar ist (s. hierzu das Urteil des Senats vom 8. Oktober 2009 - L 15 SO 267/08, FEVS 61, 414, einerseits, LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. März 2011 - L 8 SO 24/09 B ER, ZFSH/SGB 2011, 414, andererseits).

Wäre dies der Fall (so LSG Sachsen-Anhalt a.a.O. m.w.Nachw.), so wäre weiter zu berücksichtigen, dass der Vorrang der ambulanten Leistungen vor teil- bzw. vollstationären gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nicht gilt, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Hierbei ist zunächst die Zumutbarkeit zu prüfen (§ 13 Abs. 1 Satz 4 SGB XII), da bei Unzumutbarkeit ein Kostenvergleich nicht vorzunehmen ist (§ 13 Abs. 1 Satz 6 SGB XII).

Die Prüfung der Zumutbarkeit, bei der die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen sind (§ 13 Abs. 1 Satz 5 SGB XII) ergibt nichts, was die vom Antragsgegner angebotene Erbringung von Leistungen in einer stationären Einrichtung als unzumutbar erscheinen ließe. Aus dem Pflegegutachten vom 30. Mai 2012 folgt, dass die Antragstellerin krankheitsbedingt praktisch nicht mehr in der Lage ist, ihr Leben auch nur für kurze Zeit eigenverantwortlich zu gestalten. Es wird nicht erkennbar, dass sie eine besondere Beziehung zu ihrer Wohnumgebung hätte, in die sie auch erst 2010 verzogen war, oder dass die ständige oder regelmäßige Anwesenheit und die Bemühungen ihres Ehemannes sich auf ihr Wohlbefinden günstig auswirken würde. Das in dem Pflegegutachten beschriebene tätlich und verbal aggressive Verhalten etwa richtet sich gegen jede Person, auch gegen Angehörige. Der Ehemann der Antragstellerin seinerseits trägt gerade vor, dass er durch die bisher mitgeleisteten Pflegetätigkeiten überfordert, angesichts seines eigenen Gesundheitszustandes vielmehr darauf angewiesen sei, wenigstens eine regelmäßige, durchgehende Nachtruhe einhalten zu können. Er will somit - aus nachvollziehbaren Gründen - von Pflegetätigkeiten, die seiner eigenen Gesundheit abträglich sind (und möglicherweise auch der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit entgegenstünden), entlastet werden. Besondere Umstände, dass diese Entlastung innerhalb der Wohnumgebung stattfinden müsste, werden nicht genannt und ergeben sich auch nicht aus den Akten.

Der somit anzustellende Kostenvergleich fällt für stationäre Leistungen aus. Der Senat hat keine Bedenken, dafür grundsätzlich auf die Berechnung des Antragsgegners vom 24. Oktober 2012 abzustellen. Selbst wenn es sich um eine Modellrechnung handelte, die nicht alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigte, und selbst wenn weiter berücksichtigt wird, dass der Antragsgegner bei der Berechnung der Kosten für die ambulante Pflege den Kostenanteil der Pflegekasse nicht berücksichtigt zu haben scheint, so stellte dies nicht infrage, dass für Leistungen der ambulanten Pflege mit einem Mehrfachen der Kosten zu rechnen wäre, die für Leistungen der stationären Pflege aufzubringen wären. Da es sich auch in absoluten Zahlen um ins Gewicht fallende Beträge handelt, wäre es unverhältnismäßig, wenn diese vom Antragsgegner aufgebracht werden müssten.

Würden davon ausgegangen, dass die §§ 61ff SGB XII i.V. mit den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Elftes Buch (SGB XI) das Leistungsrecht der Hilfe zur Pflege abschließend regelten (Senatsurteil a.a.O.; die zugelassene Revision ist nicht eingelegt worden), ergäbe sich nichts anderes. Gemäß § 61 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB XII i.V. mit § 43 Abs. 1 SGB XI besteht ein Anspruch auf Pflege in vollstationären Einrichtungen zwar nur, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheiten des einzelnen Falles nicht in Betracht kommt. Unabhängig davon, ob bzw. in welcher Weise damit ein Nachrang der stationären Pflege aufgestellt wird (s. Udsching in ders., SGB XI, 3. Auflage 2010, § 43 Rn. 6), kann die Erforderlichkeit einer stationären Pflege jedenfalls bei Personen, die - wie die Antragstellerin - schwerstpflegebedürftig sind, unterstellt werden; als erforderlich wird sie ebenfalls angesehen, wenn - wie hier - eine Pflegeperson überfordert ist oder zu werden droht (s. etwa Pöld-Krämer/Richter, in Klie/Krahmer, Lehr- und Praxiskommentar SGB XI, 3. Auflage 2009, § 43 Rn. 5a).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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