Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 5 R 4756/09
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 1944/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 29. August 2011 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Der 1957 geborene Kläger besitzt keine abgeschlossene Berufsausbildung und war überwiegend mit Hilfstätigkeiten in verschiedenen Bereichen betraut. Zuletzt war er im Jahr 2003 als Tierpflegerhelfer tätig. Seitdem ist er arbeitslos.
Am 15. September 2008 beantragte er bei der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und legte ein orthopädisches Gutachten des Dr. M. vom 28. Juli 2008 aus einem Verfahren zur Feststellung der Schwerbehinderung beim Sozialgericht Nordhausen (Az.: S 7 SB 1822/07) vor. Nach Auswertung des Gutachtens durch den medizinischen Dienst und nachdem der Kläger ärztliche Untersuchungen verweigert hatte, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 3. Dezember 2008 mit der Begründung ab, er sei nach den ärztlichen Feststellungen noch in der Lage, mehr als 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein.
Mit seinem Widerspruch trug der Kläger im Wesentlichen vor, dass er aufgrund seiner schweren Erkrankungen wegeunfähig sei. Er könne wegen seiner schweren Fußdeformität keine Arbeitsplätze erreichen. Darüber hinaus bestehe bei ihm eine Vielzahl von Einschränkungen, so dass er nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Er lehnte wiederum weitere ärztliche Untersuchungen sowie weitere Ermittlungen durch Beiziehung aktueller Befundberichte ab, woraufhin die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2009 mit der Begründung zurückwies, der Kläger sei nach den bisherigen ärztlichen Feststellungen noch in der Lage, mehr als 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein. Da er jegliche weitere Ermittlungen ablehne, könne eine Entscheidung nur nach Aktenlage getroffen werden. Demnach sei der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.
Mit der am 12. August 2009 beim Sozialgericht Nordhausen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, dass er aufgrund der Vielzahl und der Schwere seiner Erkrankungen nicht mehr in der Lage sei, am Arbeitsleben teilzunehmen.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung von Befundberichten des praktische Arztes Dr. F. vom 29. Dezember 2009, der Internistin Dr. K. vom 13. Januar 2010 sowie des Orthopäden Dr. R. vom 25. Januar und vom 5. November 2010. Der Kläger hat die Einholung von Sachverständigengutachten bei Dipl.-Med. A. sowie bei Dr. T. abgelehnt und die Vorsitzende der 5. Kammer des SG für befangen erklärt. Das Befangenheitsgesuch hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 28. Januar 2011 (Az: L 6 SF 1503/10) für unbegründet erachtet.
Das SG hat mit Verfügung vom 8. Juli 2011 Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. August 2011 bestimmt, ohne das persönliche Erscheinen des Klägers anzuordnen. Mit Telefax vom 16. August 2011 hat der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung bis zum 31. August 2011 seines damaligen Hausarztes vom 15. August 2011 übersandt und mitgeteilt, dass er den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrnehmen könne, da er "krankgeschrieben" sei "und auch Befangenheit" vorliege sowie seine Rechte nicht beachtet würden. Im Anschluss an den Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. August 2011, an dem der Kläger nicht teilgenommen hat, hat das SG die Klage durch Urteil abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Rentenanspruch des Klägers nach Aktenlage nicht zweifelsfrei feststellen lasse. Aufgrund der Weigerung des Klägers, sich begutachten zu lassen, sei eine weitere Beweiserhebung nicht möglich. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheide schon deshalb aus, weil er in Bezug auf die von ihm zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit als Tierpflegerhelfer als Ungelernter im Sinne des Mehrstufenschemas einzustufen sei und deshalb keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden müsse.
Zur Begründung seiner am 14. November 2011 eingelegten Berufung gegen das ihm am 12. November 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, dass das SG seine "Krankschreibung" missachtet und gleichwohl mündlich verhandelt habe. Außerdem ergebe sich seine Leistungsunfähigkeit aus den der Berufung beigefügten Befundberichten der Internistin Dr. S. vom 28. März 2012 und des Orthopäden Dr. R. vom 23. April 2012.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 29. August 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2009 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in gesetzlicher Höhe seit dem l. Oktober 2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass eine aktuelle Leistungsbeurteilung ohne Begutachtung im Fachgebiet Orthopädie nicht möglich sei.
Der Senat hat im Berufungsverfahren den Beteiligten einen Auszug aus dem berufskundlichen Gutachten der Sachverständigen J. vom 6. Juni 2004 zur Tätigkeit eines Produktionshelfers zur Kenntnis übersandt und Dr. Sch. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dem Gutachtensauftrag ist der Kläger entgegengetreten und hat angeregt, aktuelle Befundberichte bei den Dres. S. und R. einzuholen. Nach Vorliegen dieser Befundberichte vom 29. August 2012 hat der Kläger auf entsprechende Nachfrage des Senats eine Begutachtung abgelehnt und am 13. September 2012 einer Begutachtung nach Aktenlage ausdrücklich widersprochen. Der Senat hat die Gutachtensanordnung daraufhin aufgehoben. Der Kläger hat sich mit Telefax vom 24. Oktober 2012 ausdrücklich geweigert, an der Sitzung vom 27. November 2012 teilzunehmen. Der Senatsvorsitzende hat ihn in dieser Sitzung laut Niederschrift ausdrücklich auf seine Mitwirkungspflichten und die Folgen einer weiteren Weigerung, sich einer Begutachtung zu unterziehen, hingewiesen. Die Niederschrift ist dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 29. November 2012 zugestellt worden. An der Sitzung am 18. Dezember 2012 hat der Kläger ebenfalls nicht teilgenommen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat in Abwesenheit des nicht persönlich geladenen Klägers entscheiden konnte, da er ihn in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen hat (§ 110 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet, denn der Senat ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein.
Unabhängig davon, dass es angesichts der Senatssitzung am 18. Dezember 2012 auf einen Verfahrensfehler der Vorinstanz nicht ankommt, weist der Senat darauf hin, dass das Urteil der Vorinstanz nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist. Es durfte im Termin am 29. August 2011 entscheiden, obwohl der hierzu geladene Kläger nicht erschienen war. Er hat zwar eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung vorgelegt. Aus ihr ergibt sich jedoch nicht, dass er auch verhandlungsunfähig war. Im Übrigen hatte der Kläger am 16. August 2011 mitgeteilt, er werde den Termin nicht wahrnehmen, weil dem Gericht seine Krankenunterlagen vorlägen, dieses befangen sei und seine Rechte nicht beachte. Hinsichtlich der angeblichen Befangenheit der Vorsitzenden der 5. Kammer des SG verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 28. Januar 2011 (Az: L 6 SF 1503/10). Das spätere Befangenheitsgesuch war ohne konkrete Begründung erkennbar rechtsmissbräuchlich.
Ein Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung (n.F.) besteht nicht, da sich der Senat mangels Mitwirkung des Klägers keine Überzeugung vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verschaffen kann. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI (n.F.) haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Leistungsfähigkeit des Klägers kann nicht festgestellt werden. Diese Unerweislichkeit geht zu seinen Lasten. Nach dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten orthopädischen Gutachten des Dr. M. vom 28. Juli 2008 aus einem Verfahren zur Feststellung der Schwerbehinderung lagen bei dem Kläger diverse Gesundheitsstörungen vor. Jedoch beschrieb der Sachverständige nicht ihre Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Klägers; auch ging er, bezogen auf den Zeitpunkt der Untersuchung im Juni 2008, davon aus, dass der Kläger noch etwa 2.000 Meter in 30 Minuten gehen konnte. Die im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte beschreiben eine Verschlechterung der erhobenen Befunde. In welchem Umfang die Leistungsfähigkeit des Klägers seit Antragstellung durch die im Gutachten und den eingeholten Befundberichten beschriebenen Erkrankungen aber tatsächlich beeinträchtigt ist, kann der Senat nicht feststellen. Es ist ihm nicht gelungen, sein Leistungsvermögen durch eine auch von der Beklagten für erforderlich erachtete orthopädische Untersuchung abzuklären. Er kann daher weder für die Vergangenheit (seit Rentenantragstellung) noch für den jetzigen Zeitpunkt Feststellungen über die Erwerbsfähigkeit des Klägers treffen. Dafür trägt dieser die Feststellungslast. Er ist trotz ausdrücklicher Hinweise auf die Konsequenzen weder bereit gewesen, zu der angeordneten Untersuchung durch Dr. Sch. in K. zu erscheinen, noch hat er einer Begutachtung nach Aktenlage zugestimmt. Dieser hat er ausdrücklich widersprochen. Die Ermittlungsmöglichkeiten des Senats sind damit erschöpft.
Der Kläger ist seiner prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 103 Satz 1 SGG) nicht nachgekommen. Zwar erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG), wobei die Beteiligten mit heranzuziehen sind (§ 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG). Sie müssen jedoch ihrer Mitwirkungslast genügen, sonst können sie Nachteile treffen. Das Gericht kann den Kläger nicht zwingen, sich einer Untersuchung und Begutachtung durch vom Gericht bestimmte neutrale Ärzte zu unterziehen. Verweigert er sich aber – wie im vorliegenden Fall – einer Begutachtung, so hat er die prozessrechtlichen Folgen seines Verhaltens zu tragen. Hierauf ist der Kläger ausdrücklich hingewiesen worden.
Die Mitwirkungspflichten sind durch die Anordnung einer Begutachtung auch nicht überspannt worden. Nach den auch im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwendenden Grundsätzen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, Rdnr. 14a zu § 103) des § 65 Abs.1 Nr. 2 und Abs.2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) besteht eine Mitwirkungspflicht des Versicherten nur dann nicht, wenn ihm ihre Erfüllung aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden bzw. wenn bei Untersuchungen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers - soweit ersichtlich - nicht gegeben. Er hat hierzu insoweit nicht ansatzweise relevante Gesichtspunkte vorgetragen. Er ist damit entsprechend § 62 SGB I verpflichtet gewesen, zu der angeordneten persönlichen Untersuchung bei Dr. Sch. in K. zu erscheinen. Nicht im Ansatz ersichtlich sind Gründe, die gegen die beabsichtigte Begutachtung nach Aktenlage sprechen könnten.
Hinsichtlich der hilfsweise beantragte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI gelten die gleichen Gesichtspunkte. Zum Berufsschutz verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe im erstinstanzlichen Urteil. Für die dort getroffene Einschätzung, der Kläger sei als Ungelernter einzustufen, hat sich im Berufungsverfahren nichts Gegenteiliges ergeben. Die Frage der medizinischen Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit, z.B. der eines Produktionshelfers wie im beigezogenen berufskundlichen Gutachten der Sachverständigen J. vom 6. Juni 2004 beschrieben, kann mangels Mitwirkung des Klägers nicht mit der erforderlichen Gewissheit beantwortet werden. Auch dies geht zu seinen Lasten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Der 1957 geborene Kläger besitzt keine abgeschlossene Berufsausbildung und war überwiegend mit Hilfstätigkeiten in verschiedenen Bereichen betraut. Zuletzt war er im Jahr 2003 als Tierpflegerhelfer tätig. Seitdem ist er arbeitslos.
Am 15. September 2008 beantragte er bei der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und legte ein orthopädisches Gutachten des Dr. M. vom 28. Juli 2008 aus einem Verfahren zur Feststellung der Schwerbehinderung beim Sozialgericht Nordhausen (Az.: S 7 SB 1822/07) vor. Nach Auswertung des Gutachtens durch den medizinischen Dienst und nachdem der Kläger ärztliche Untersuchungen verweigert hatte, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 3. Dezember 2008 mit der Begründung ab, er sei nach den ärztlichen Feststellungen noch in der Lage, mehr als 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein.
Mit seinem Widerspruch trug der Kläger im Wesentlichen vor, dass er aufgrund seiner schweren Erkrankungen wegeunfähig sei. Er könne wegen seiner schweren Fußdeformität keine Arbeitsplätze erreichen. Darüber hinaus bestehe bei ihm eine Vielzahl von Einschränkungen, so dass er nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Er lehnte wiederum weitere ärztliche Untersuchungen sowie weitere Ermittlungen durch Beiziehung aktueller Befundberichte ab, woraufhin die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2009 mit der Begründung zurückwies, der Kläger sei nach den bisherigen ärztlichen Feststellungen noch in der Lage, mehr als 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein. Da er jegliche weitere Ermittlungen ablehne, könne eine Entscheidung nur nach Aktenlage getroffen werden. Demnach sei der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.
Mit der am 12. August 2009 beim Sozialgericht Nordhausen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, dass er aufgrund der Vielzahl und der Schwere seiner Erkrankungen nicht mehr in der Lage sei, am Arbeitsleben teilzunehmen.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung von Befundberichten des praktische Arztes Dr. F. vom 29. Dezember 2009, der Internistin Dr. K. vom 13. Januar 2010 sowie des Orthopäden Dr. R. vom 25. Januar und vom 5. November 2010. Der Kläger hat die Einholung von Sachverständigengutachten bei Dipl.-Med. A. sowie bei Dr. T. abgelehnt und die Vorsitzende der 5. Kammer des SG für befangen erklärt. Das Befangenheitsgesuch hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 28. Januar 2011 (Az: L 6 SF 1503/10) für unbegründet erachtet.
Das SG hat mit Verfügung vom 8. Juli 2011 Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. August 2011 bestimmt, ohne das persönliche Erscheinen des Klägers anzuordnen. Mit Telefax vom 16. August 2011 hat der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung bis zum 31. August 2011 seines damaligen Hausarztes vom 15. August 2011 übersandt und mitgeteilt, dass er den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrnehmen könne, da er "krankgeschrieben" sei "und auch Befangenheit" vorliege sowie seine Rechte nicht beachtet würden. Im Anschluss an den Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. August 2011, an dem der Kläger nicht teilgenommen hat, hat das SG die Klage durch Urteil abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Rentenanspruch des Klägers nach Aktenlage nicht zweifelsfrei feststellen lasse. Aufgrund der Weigerung des Klägers, sich begutachten zu lassen, sei eine weitere Beweiserhebung nicht möglich. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheide schon deshalb aus, weil er in Bezug auf die von ihm zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit als Tierpflegerhelfer als Ungelernter im Sinne des Mehrstufenschemas einzustufen sei und deshalb keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden müsse.
Zur Begründung seiner am 14. November 2011 eingelegten Berufung gegen das ihm am 12. November 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, dass das SG seine "Krankschreibung" missachtet und gleichwohl mündlich verhandelt habe. Außerdem ergebe sich seine Leistungsunfähigkeit aus den der Berufung beigefügten Befundberichten der Internistin Dr. S. vom 28. März 2012 und des Orthopäden Dr. R. vom 23. April 2012.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 29. August 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2009 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in gesetzlicher Höhe seit dem l. Oktober 2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass eine aktuelle Leistungsbeurteilung ohne Begutachtung im Fachgebiet Orthopädie nicht möglich sei.
Der Senat hat im Berufungsverfahren den Beteiligten einen Auszug aus dem berufskundlichen Gutachten der Sachverständigen J. vom 6. Juni 2004 zur Tätigkeit eines Produktionshelfers zur Kenntnis übersandt und Dr. Sch. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dem Gutachtensauftrag ist der Kläger entgegengetreten und hat angeregt, aktuelle Befundberichte bei den Dres. S. und R. einzuholen. Nach Vorliegen dieser Befundberichte vom 29. August 2012 hat der Kläger auf entsprechende Nachfrage des Senats eine Begutachtung abgelehnt und am 13. September 2012 einer Begutachtung nach Aktenlage ausdrücklich widersprochen. Der Senat hat die Gutachtensanordnung daraufhin aufgehoben. Der Kläger hat sich mit Telefax vom 24. Oktober 2012 ausdrücklich geweigert, an der Sitzung vom 27. November 2012 teilzunehmen. Der Senatsvorsitzende hat ihn in dieser Sitzung laut Niederschrift ausdrücklich auf seine Mitwirkungspflichten und die Folgen einer weiteren Weigerung, sich einer Begutachtung zu unterziehen, hingewiesen. Die Niederschrift ist dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 29. November 2012 zugestellt worden. An der Sitzung am 18. Dezember 2012 hat der Kläger ebenfalls nicht teilgenommen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat in Abwesenheit des nicht persönlich geladenen Klägers entscheiden konnte, da er ihn in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen hat (§ 110 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet, denn der Senat ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein.
Unabhängig davon, dass es angesichts der Senatssitzung am 18. Dezember 2012 auf einen Verfahrensfehler der Vorinstanz nicht ankommt, weist der Senat darauf hin, dass das Urteil der Vorinstanz nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist. Es durfte im Termin am 29. August 2011 entscheiden, obwohl der hierzu geladene Kläger nicht erschienen war. Er hat zwar eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung vorgelegt. Aus ihr ergibt sich jedoch nicht, dass er auch verhandlungsunfähig war. Im Übrigen hatte der Kläger am 16. August 2011 mitgeteilt, er werde den Termin nicht wahrnehmen, weil dem Gericht seine Krankenunterlagen vorlägen, dieses befangen sei und seine Rechte nicht beachte. Hinsichtlich der angeblichen Befangenheit der Vorsitzenden der 5. Kammer des SG verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 28. Januar 2011 (Az: L 6 SF 1503/10). Das spätere Befangenheitsgesuch war ohne konkrete Begründung erkennbar rechtsmissbräuchlich.
Ein Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung (n.F.) besteht nicht, da sich der Senat mangels Mitwirkung des Klägers keine Überzeugung vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verschaffen kann. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI (n.F.) haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Leistungsfähigkeit des Klägers kann nicht festgestellt werden. Diese Unerweislichkeit geht zu seinen Lasten. Nach dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten orthopädischen Gutachten des Dr. M. vom 28. Juli 2008 aus einem Verfahren zur Feststellung der Schwerbehinderung lagen bei dem Kläger diverse Gesundheitsstörungen vor. Jedoch beschrieb der Sachverständige nicht ihre Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Klägers; auch ging er, bezogen auf den Zeitpunkt der Untersuchung im Juni 2008, davon aus, dass der Kläger noch etwa 2.000 Meter in 30 Minuten gehen konnte. Die im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte beschreiben eine Verschlechterung der erhobenen Befunde. In welchem Umfang die Leistungsfähigkeit des Klägers seit Antragstellung durch die im Gutachten und den eingeholten Befundberichten beschriebenen Erkrankungen aber tatsächlich beeinträchtigt ist, kann der Senat nicht feststellen. Es ist ihm nicht gelungen, sein Leistungsvermögen durch eine auch von der Beklagten für erforderlich erachtete orthopädische Untersuchung abzuklären. Er kann daher weder für die Vergangenheit (seit Rentenantragstellung) noch für den jetzigen Zeitpunkt Feststellungen über die Erwerbsfähigkeit des Klägers treffen. Dafür trägt dieser die Feststellungslast. Er ist trotz ausdrücklicher Hinweise auf die Konsequenzen weder bereit gewesen, zu der angeordneten Untersuchung durch Dr. Sch. in K. zu erscheinen, noch hat er einer Begutachtung nach Aktenlage zugestimmt. Dieser hat er ausdrücklich widersprochen. Die Ermittlungsmöglichkeiten des Senats sind damit erschöpft.
Der Kläger ist seiner prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 103 Satz 1 SGG) nicht nachgekommen. Zwar erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG), wobei die Beteiligten mit heranzuziehen sind (§ 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG). Sie müssen jedoch ihrer Mitwirkungslast genügen, sonst können sie Nachteile treffen. Das Gericht kann den Kläger nicht zwingen, sich einer Untersuchung und Begutachtung durch vom Gericht bestimmte neutrale Ärzte zu unterziehen. Verweigert er sich aber – wie im vorliegenden Fall – einer Begutachtung, so hat er die prozessrechtlichen Folgen seines Verhaltens zu tragen. Hierauf ist der Kläger ausdrücklich hingewiesen worden.
Die Mitwirkungspflichten sind durch die Anordnung einer Begutachtung auch nicht überspannt worden. Nach den auch im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwendenden Grundsätzen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, Rdnr. 14a zu § 103) des § 65 Abs.1 Nr. 2 und Abs.2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) besteht eine Mitwirkungspflicht des Versicherten nur dann nicht, wenn ihm ihre Erfüllung aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden bzw. wenn bei Untersuchungen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers - soweit ersichtlich - nicht gegeben. Er hat hierzu insoweit nicht ansatzweise relevante Gesichtspunkte vorgetragen. Er ist damit entsprechend § 62 SGB I verpflichtet gewesen, zu der angeordneten persönlichen Untersuchung bei Dr. Sch. in K. zu erscheinen. Nicht im Ansatz ersichtlich sind Gründe, die gegen die beabsichtigte Begutachtung nach Aktenlage sprechen könnten.
Hinsichtlich der hilfsweise beantragte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI gelten die gleichen Gesichtspunkte. Zum Berufsschutz verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe im erstinstanzlichen Urteil. Für die dort getroffene Einschätzung, der Kläger sei als Ungelernter einzustufen, hat sich im Berufungsverfahren nichts Gegenteiliges ergeben. Die Frage der medizinischen Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit, z.B. der eines Produktionshelfers wie im beigezogenen berufskundlichen Gutachten der Sachverständigen J. vom 6. Juni 2004 beschrieben, kann mangels Mitwirkung des Klägers nicht mit der erforderlichen Gewissheit beantwortet werden. Auch dies geht zu seinen Lasten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
FST
Saved