Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 30 AS 2957/06
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 4 AS 739/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Leistungsträger nach dem SGB II darf ohne erkennbare gesetzliche Befugnisgrundlage nicht über einzelne Elemente oder Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch nach dem SGB II durch Verwaltungsakt entscheiden (hier: Mitgliedschaft in Bedarfsgemeinschaft des Bescheidadressaten).
Auf die Berufung der Klägerin zu 1 wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 28. Mai 2009 abgeändert und der Bescheid des Beklagten vom 15. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2006 aufgehoben. Die Berufung des Klägers zu 2 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin zu 1 die Kosten beider Instanzen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob der Beklagte durch Verwaltungsakt gegenüber den Klägern feststellen durfte, dass der Kläger zu 2 wegen seiner Aufnahme in eine stationäre Einrichtung der Jugendhilfe nach §§ 34, 35 a SGB VIII nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 gewesen sei.
Der am 27. November 1988 geborene Kläger zu 2, für den die Klägerin zu 1 das alleinige Sorgerecht ausgeübt hat, wurde spätestens ab 1. Oktober 2005 in eine stationäre Einrichtung der Jugendhilfe nach §§ 34, 35 a SGB VIII aufgenommen.
Mit Fortzahlungsantrag vom 7. November 2005 stellte die Klägerin zu 1 unter anderem für den Kläger zu 2 einen Antrag auf Fortzahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Auf diesen Antrag stellte der Beklagte mit Bescheid vom 15. März 2006 gegenüber der Klägerin zu 1 fest, der Kläger zu 2 könne bei ihrer Bedarfsgemeinschaft nicht berücksichtigt werden. Grund hierfür sei, dass er nicht im Haushalt der Klägerin zu 1 wohne und nicht von ihr versorgt würde. Der Aufenthalt bei ihr an den Wochenenden bzw. in den Ferien habe nur Besuchscharakter. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1 nur für die Klägerin zu 1 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2006 als unbegründet zurück. Die Aufnahme des Klägers zu 2 in die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 werde weiterhin abgelehnt. Er stützte seine Entscheidung nunmehr auf § 7 Abs. 4 SGB II. Der Kläger zu 2 unterliege dem vorbenannten Leistungsausschluss, weil bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme in die stationäre Einrichtung abzusehen gewesen sei, dass der Aufenthalt voraussichtlich länger als sechs Monate dauern würde. Auch würde die Einrichtung in der Regel zwei Familienheimfahrten ermöglichen und dem Kläger zu 2 die hierfür erforderlichen Fahrkosten erstatten. Weiter würde ein Verpflegungsgeld für die Zeit der Unterbringung außerhalb des Zentrums gezahlt. Ansonsten erfolge eine vollständige Versorgung in der stationären Einrichtung.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger erstmals für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 sowie seine Schwester F. E., geb. am 25. März 1990 (Schwester), bei dem Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Das Sozialgericht Gotha (SG) hat die Anfechtungsklage mit Urteil vom 28. Mai 2009 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wiederholte es im Wesentlichen die Gründe des angefochtenen Bescheides des Beklagten.
Gegen das den Klägern am 6. August 2009 zugestellte Urteil hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 24. August 2009 bei dem Thüringer Landessozialgericht Berufung eingelegt und dabei zunächst den Sachantrag um das Bescheidungsbegehren erweitert, den Beklagten zu verurteilen, die Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu bescheiden. Auf Hinweis des Berichterstatters vom 5. März 2012 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 10. Mai 2012 die Berufung der Schwester zurückgenommen und das Bescheidungsbegehren aufgegeben. Weiter hat der Berichterstatter mit Schreiben vom 30. Januar 2012 den Beklagten darauf hingewiesen, dass er voraussichtlich nicht befugt gewesen ist, im Rahmen einer Elementenfeststellung durch Verwaltungsakt allein darüber zu befinden, ob der Kläger zu 2 Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 gewesen ist. Habe allein deshalb die Anfechtungsklage Erfolg empfehle er, ein Anerkenntnis auch hinsichtlich der Kosten beider Instanzen abzugeben.
Die Kläger folgen dem Hinweis des Berichterstatters, halten aber an der Berufung des Klägers zu 2 fest, weil der angefochtene Bescheid auch ihm gegenüber Bindungswirkung entfalten könne.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 28. Mai 2009 abzuändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2006 aufzuheben, hilfsweise gegenüber dem Kläger zu 2 festzustellen, dass der angefochtene Bescheid ihm gegenüber keine Regelung enthält.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat sich trotz Hinweises des Berichterstatters vom 30. Januar 2012 und einer Erinnerung vom 13. Juni 2012 zur Sache nicht geäußert, aber in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass der angefochtene Bescheid nur gegenüber der Klägerin zu 1 ergehen sollte.
Wegen weiterer Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin zu 1 hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet, weil der Beklagte nicht befugt gewesen ist, einzelne Elemente einer Leistungsvoraussetzung für höhere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Klägerin zu 1 durch Bescheid neben einem Bewilligungsverfahren festzustellen. Der Beklagte hat erkennbar die Regelung nur gegenüber der Klägerin zu 1 getroffen.
Bei der Auslegung eines Bescheids ist maßgebend, wie der Empfänger ihn entsprechend § 133 BGB verstehen durfte. Maßstab bildet der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011 -B 4 AS 119/10 R, juris m.w.N.).
Ist die Klägerin zu 1 ohne Zweifel einziger Zustelladressat des angefochtenen Bescheides gewesen, ist aus den Gründen ersichtlich weiter davon auszugehen, dass die Aufnahme des Klägers zu 2 in die Bedarfsgemeinschaft nur ihr gegenüber geregelt werden sollte. Dem angefochtenen Bescheid ist erkennbar kein Verfügungssatz gegenüber dem Kläger zu 2 zu entnehmen, weil er aus den Gründen ersichtlich ausschließlich regelt, ob der Kläger zu 2 in die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 aufzunehmen ist. Zwar führt hierzu der Beklagte im Widerspruchsbescheid erstmals einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II an. Doch ist auch diese Begründung ausschließlich auf die vorbenannte Frage bezogen. Ein eigenständiger Verfügungssatz gegenüber dem Kläger zu 2 ist dem nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen. Ebenso wenig ist der Bescheid so zu verstehen, gegenüber dem Kläger zu 2 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ablehnen zu wollen. Dafür fehlen bei verständiger Auslegung hinreichende Anhaltspunkte. Zwar nimmt der Verwaltungsakt Bezug auf den Leistungsantrag vom 7. November 2005, enthält aber ausschließlich die Feststellung, dass der Kläger zu 2 nicht zur Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 gehöre.
Der so richtig verstandene Bescheid ist gegenüber der Klägerin zu 1 bereits aufzuheben, weil es für die belastende Feststellung des Beklagten an der erforderlichen Befugnis mangelt, durch Verwaltungsakt entscheiden zu dürfen. Bereits zu den zunächst in der Verwaltungspraxis erlassenen Grundlagenbescheiden nach § 128 AFG (Erstattungspflicht des Arbeitgebers für Sozialleistungen) hat das BSG hervorgehoben, dass ein Leistungsträger zur belastenden Elementenfeststellung nur berechtigt ist, soweit zumindest durch Auslegung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zu erkennen ist, dass der Gesetzgeber für die getroffene Feststellung die Befugnis einräumen wollte, durch Verwaltungsakt zu entscheiden (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997 - 11 RAr 103/96, juris; vgl. auch zur Elementenfeststellungsklage: BSG, Urteil vom 18. Mai 2010 - B 7 AL 49/08 R, juris). Die danach geforderte Befugnis ist dem Regelungssystem des SGB II nicht zu entnehmen; zumal die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 SGB II keine Anspruchsvoraussetzung darstellt (vgl. auch: SG Berlin, Urteil vom 9. Dezember 2011 - S 73 KR 1535/09, juris m.w.N.). Wohl deswegen hat der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2006 in seiner Begründung auch auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II abgestellt, ohne seinen Verfügungssatz - Feststellung der fehlenden Mitgliedschaft in die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 - zu ändern.
Die Berufung des Klägers zu 2 ist zulässig, weil das SG in dem angefochtenen Urteil die Klage auch ihm gegenüber in der Sache abgewiesen hat. Die mit Hauptantrag weiter verfolgte Anfechtungsklage ist zwar zulässig, insbesondere die erforderliche Klagebefugnis gegeben, weil es zumindest möglich gewesen ist, auch den Kläger zu 2 als Regelungsadressaten des angefochtenen Feststellungsbescheides anzusehen. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil eine Regelung gegenüber dem Kläger zu 2 aufgrund der vorbenannten Ausführungen nicht anzunehmen ist.
Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist bereits unzulässig, weil es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse nach § 55 SGG fehlt. Der Beklagte bestreitet jedenfalls nicht mehr, dass der angefochtene Bescheid gegenüber dem Kläger zu 2 keine Regelung enthält. Insoweit ist lediglich der Tenor der Entscheidung des Senats bei verständiger Auslegung so zu verstehen, dass die weitere hilfsweise Klage des Klägers zu 2 abgelehnt wird, da sie erstmals in der Berufung erhoben ist.
Die Kostenentscheidung für die Beteiligten beruht gemäß § 193 Abs. 1 S. 1 SGG darauf, dass die Klägerin zu 1 im Rechtsstreit voll obsiegt und das zwischenzeitliche Bescheidungsbegehren erkennbar keine weiteren Kosten hervorgerufen hat, während der Kläger zu 2 voll unterlegen ist.
Der Senat hat noch davon abgesehen, dem Beklagten Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und S. 2 SGG aufzuerlegen, auch wenn der Beklagte auf den Hinweis des Berichterstatters nicht zu erkennen gegeben hat, aus welchen Gründen er an seiner rechtswidrigen Auffassung festhält. Die Grenze für ein missbräuchliches Verhalten ist noch nicht mit hinreichender Sicherheit überschritten gewesen. Zumal die Terminsbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des Klägers zu 2 durch ihre Erklärung eine streitige Entscheidung entbehrlich gemacht hätte, wenn der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Erklärung hinreichend gewürdigt hätte.
Gründe die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob der Beklagte durch Verwaltungsakt gegenüber den Klägern feststellen durfte, dass der Kläger zu 2 wegen seiner Aufnahme in eine stationäre Einrichtung der Jugendhilfe nach §§ 34, 35 a SGB VIII nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 gewesen sei.
Der am 27. November 1988 geborene Kläger zu 2, für den die Klägerin zu 1 das alleinige Sorgerecht ausgeübt hat, wurde spätestens ab 1. Oktober 2005 in eine stationäre Einrichtung der Jugendhilfe nach §§ 34, 35 a SGB VIII aufgenommen.
Mit Fortzahlungsantrag vom 7. November 2005 stellte die Klägerin zu 1 unter anderem für den Kläger zu 2 einen Antrag auf Fortzahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Auf diesen Antrag stellte der Beklagte mit Bescheid vom 15. März 2006 gegenüber der Klägerin zu 1 fest, der Kläger zu 2 könne bei ihrer Bedarfsgemeinschaft nicht berücksichtigt werden. Grund hierfür sei, dass er nicht im Haushalt der Klägerin zu 1 wohne und nicht von ihr versorgt würde. Der Aufenthalt bei ihr an den Wochenenden bzw. in den Ferien habe nur Besuchscharakter. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 1 nur für die Klägerin zu 1 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2006 als unbegründet zurück. Die Aufnahme des Klägers zu 2 in die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 werde weiterhin abgelehnt. Er stützte seine Entscheidung nunmehr auf § 7 Abs. 4 SGB II. Der Kläger zu 2 unterliege dem vorbenannten Leistungsausschluss, weil bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme in die stationäre Einrichtung abzusehen gewesen sei, dass der Aufenthalt voraussichtlich länger als sechs Monate dauern würde. Auch würde die Einrichtung in der Regel zwei Familienheimfahrten ermöglichen und dem Kläger zu 2 die hierfür erforderlichen Fahrkosten erstatten. Weiter würde ein Verpflegungsgeld für die Zeit der Unterbringung außerhalb des Zentrums gezahlt. Ansonsten erfolge eine vollständige Versorgung in der stationären Einrichtung.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger erstmals für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 sowie seine Schwester F. E., geb. am 25. März 1990 (Schwester), bei dem Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Das Sozialgericht Gotha (SG) hat die Anfechtungsklage mit Urteil vom 28. Mai 2009 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wiederholte es im Wesentlichen die Gründe des angefochtenen Bescheides des Beklagten.
Gegen das den Klägern am 6. August 2009 zugestellte Urteil hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 24. August 2009 bei dem Thüringer Landessozialgericht Berufung eingelegt und dabei zunächst den Sachantrag um das Bescheidungsbegehren erweitert, den Beklagten zu verurteilen, die Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu bescheiden. Auf Hinweis des Berichterstatters vom 5. März 2012 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 10. Mai 2012 die Berufung der Schwester zurückgenommen und das Bescheidungsbegehren aufgegeben. Weiter hat der Berichterstatter mit Schreiben vom 30. Januar 2012 den Beklagten darauf hingewiesen, dass er voraussichtlich nicht befugt gewesen ist, im Rahmen einer Elementenfeststellung durch Verwaltungsakt allein darüber zu befinden, ob der Kläger zu 2 Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 gewesen ist. Habe allein deshalb die Anfechtungsklage Erfolg empfehle er, ein Anerkenntnis auch hinsichtlich der Kosten beider Instanzen abzugeben.
Die Kläger folgen dem Hinweis des Berichterstatters, halten aber an der Berufung des Klägers zu 2 fest, weil der angefochtene Bescheid auch ihm gegenüber Bindungswirkung entfalten könne.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 28. Mai 2009 abzuändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2006 aufzuheben, hilfsweise gegenüber dem Kläger zu 2 festzustellen, dass der angefochtene Bescheid ihm gegenüber keine Regelung enthält.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat sich trotz Hinweises des Berichterstatters vom 30. Januar 2012 und einer Erinnerung vom 13. Juni 2012 zur Sache nicht geäußert, aber in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass der angefochtene Bescheid nur gegenüber der Klägerin zu 1 ergehen sollte.
Wegen weiterer Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin zu 1 hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet, weil der Beklagte nicht befugt gewesen ist, einzelne Elemente einer Leistungsvoraussetzung für höhere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Klägerin zu 1 durch Bescheid neben einem Bewilligungsverfahren festzustellen. Der Beklagte hat erkennbar die Regelung nur gegenüber der Klägerin zu 1 getroffen.
Bei der Auslegung eines Bescheids ist maßgebend, wie der Empfänger ihn entsprechend § 133 BGB verstehen durfte. Maßstab bildet der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011 -B 4 AS 119/10 R, juris m.w.N.).
Ist die Klägerin zu 1 ohne Zweifel einziger Zustelladressat des angefochtenen Bescheides gewesen, ist aus den Gründen ersichtlich weiter davon auszugehen, dass die Aufnahme des Klägers zu 2 in die Bedarfsgemeinschaft nur ihr gegenüber geregelt werden sollte. Dem angefochtenen Bescheid ist erkennbar kein Verfügungssatz gegenüber dem Kläger zu 2 zu entnehmen, weil er aus den Gründen ersichtlich ausschließlich regelt, ob der Kläger zu 2 in die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 aufzunehmen ist. Zwar führt hierzu der Beklagte im Widerspruchsbescheid erstmals einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II an. Doch ist auch diese Begründung ausschließlich auf die vorbenannte Frage bezogen. Ein eigenständiger Verfügungssatz gegenüber dem Kläger zu 2 ist dem nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen. Ebenso wenig ist der Bescheid so zu verstehen, gegenüber dem Kläger zu 2 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ablehnen zu wollen. Dafür fehlen bei verständiger Auslegung hinreichende Anhaltspunkte. Zwar nimmt der Verwaltungsakt Bezug auf den Leistungsantrag vom 7. November 2005, enthält aber ausschließlich die Feststellung, dass der Kläger zu 2 nicht zur Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 gehöre.
Der so richtig verstandene Bescheid ist gegenüber der Klägerin zu 1 bereits aufzuheben, weil es für die belastende Feststellung des Beklagten an der erforderlichen Befugnis mangelt, durch Verwaltungsakt entscheiden zu dürfen. Bereits zu den zunächst in der Verwaltungspraxis erlassenen Grundlagenbescheiden nach § 128 AFG (Erstattungspflicht des Arbeitgebers für Sozialleistungen) hat das BSG hervorgehoben, dass ein Leistungsträger zur belastenden Elementenfeststellung nur berechtigt ist, soweit zumindest durch Auslegung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zu erkennen ist, dass der Gesetzgeber für die getroffene Feststellung die Befugnis einräumen wollte, durch Verwaltungsakt zu entscheiden (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997 - 11 RAr 103/96, juris; vgl. auch zur Elementenfeststellungsklage: BSG, Urteil vom 18. Mai 2010 - B 7 AL 49/08 R, juris). Die danach geforderte Befugnis ist dem Regelungssystem des SGB II nicht zu entnehmen; zumal die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 SGB II keine Anspruchsvoraussetzung darstellt (vgl. auch: SG Berlin, Urteil vom 9. Dezember 2011 - S 73 KR 1535/09, juris m.w.N.). Wohl deswegen hat der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2006 in seiner Begründung auch auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II abgestellt, ohne seinen Verfügungssatz - Feststellung der fehlenden Mitgliedschaft in die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 - zu ändern.
Die Berufung des Klägers zu 2 ist zulässig, weil das SG in dem angefochtenen Urteil die Klage auch ihm gegenüber in der Sache abgewiesen hat. Die mit Hauptantrag weiter verfolgte Anfechtungsklage ist zwar zulässig, insbesondere die erforderliche Klagebefugnis gegeben, weil es zumindest möglich gewesen ist, auch den Kläger zu 2 als Regelungsadressaten des angefochtenen Feststellungsbescheides anzusehen. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil eine Regelung gegenüber dem Kläger zu 2 aufgrund der vorbenannten Ausführungen nicht anzunehmen ist.
Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist bereits unzulässig, weil es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse nach § 55 SGG fehlt. Der Beklagte bestreitet jedenfalls nicht mehr, dass der angefochtene Bescheid gegenüber dem Kläger zu 2 keine Regelung enthält. Insoweit ist lediglich der Tenor der Entscheidung des Senats bei verständiger Auslegung so zu verstehen, dass die weitere hilfsweise Klage des Klägers zu 2 abgelehnt wird, da sie erstmals in der Berufung erhoben ist.
Die Kostenentscheidung für die Beteiligten beruht gemäß § 193 Abs. 1 S. 1 SGG darauf, dass die Klägerin zu 1 im Rechtsstreit voll obsiegt und das zwischenzeitliche Bescheidungsbegehren erkennbar keine weiteren Kosten hervorgerufen hat, während der Kläger zu 2 voll unterlegen ist.
Der Senat hat noch davon abgesehen, dem Beklagten Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und S. 2 SGG aufzuerlegen, auch wenn der Beklagte auf den Hinweis des Berichterstatters nicht zu erkennen gegeben hat, aus welchen Gründen er an seiner rechtswidrigen Auffassung festhält. Die Grenze für ein missbräuchliches Verhalten ist noch nicht mit hinreichender Sicherheit überschritten gewesen. Zumal die Terminsbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des Klägers zu 2 durch ihre Erklärung eine streitige Entscheidung entbehrlich gemacht hätte, wenn der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Erklärung hinreichend gewürdigt hätte.
Gründe die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen sind nicht ersichtlich.
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