Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 KR 146/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 269/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Regelung des § 18 Abs. 5 des Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung in Brandenburg schließt einen Anspruch auf höhere Prozesszinsen ebenso aus wie einen solchen auf höhere Verzugszinsen.
Das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 22. Mai 2012 wird geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Die Klägerin hat die vollen Kosten des Berufungsverfahrens und 10 Prozent der Kosten des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht zu tragen. Die Beklagte hat 90 % der Kosten des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über die Höhe der Verzinsung der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Zwischen den Krankenkassen einschließlich der Beklagten und der Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburg e.V. besteht seit 1996 ein Vertrag über allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung für das Land Brandenburg (Vertrag nach § 112 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V; im Folgenden: ABK-Vertrag). Dieser enthält unter anderem folgende Regelungen:
§ 1 Zielsetzung und Wirtschaftlichkeit
Dieser Vertrag dient dazu, die Zusammenarbeit zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern zu regeln, um im Rahmen des Krankenhausplanes und von Versorgungsverträgen alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung des Versicherten im Krankenhaus erforderlich sind, zu gewährleisten und auf eine humane Krankenhausbehandlung hinzuwirken. Die Krankenhausbehandlung muß ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
§ 18 Zahlungsregelungen
(1) Nach Beendigung der Krankenhausbehandlung wird der zuständigen Krankenkasse in der Regel innerhalb von zwei Wochen eine Schlußrechnung übersandt. Bei ambulanten Operationen erfolgt die Abrechnung im Rahmen der jeweils gültigen Vereinbarung nach § 115 b SGB V.
(2) Für noch nicht abgeschlossene Krankenhausbehandlungen, die länger als 21 Kalendertage gedauert haben, kann das Krankenhaus Zwischenrechnungen erstellen, die als solche gekennzeichnet werden. Dauert eine Krankenhausbehandlung über das Ende eines Kalenderjahres hinaus, ist eine Zwischenrechnung per 31. Dezember zu erstellen.
(3) Die Erstellung von Schluß- und Zwischenrechnungen als Sammelrechnungen ist zulässig.
(4) Die zuständige Krankenkasse bezahlt die Rechnungen innerhalb von 14 Kalendertagen nach Rechnungseingang. Als Tag der Zahlung gilt der Tag der Übergabe des Überweisungsauftrages an ein Geldinstitut oder der Übersendung von Zahlungsmitteln an das Krankenhaus. Ist der Fälligkeitstag ein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag, verschiebt er sich auf den nächstfolgenden Arbeitstag. Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art können auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht und die Differenzbeträge verrechnet werden.
(5) Erfolgt die Zahlung nicht fristgemäß, kann das Krankenhaus ab Fälligkeitstag ohne vorherige Mahnung Zinsen in Höhe von 2 % über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank berechnen.
(6) Hinsichtlich des Benutzerbeitrages gem. Art. 14 Abs. 3 S. 2 GSG gilt die Landesvereinbarung vom 02.12.1994.
Die Klägerin nahm in ihrem in Schwedt gelegenen Krankenhaus die Unionsbürgerin polnischer Staatsangehörigkeit Joana Katarzyna Wisniewska als Notfall zur Entbindung vom 27. August 2007 bis 2. September 2007 auf. Im Verlauf der Entbindung wurde eine sekundäre Sectio (ungeplanter Kaiserschnitt nach Beginn der Geburt) durchgeführt. Die Patientin befand sich besuchsweise in Deutschland und war in Polen versichert. Auf dem entsprechenden Formblatt (81a) wählte sie die Beklagte als aushelfende deutsche Krankenkasse.
In der Folge kam es zwischen den Beteiligten zum Streit über den Vergütungsanspruch der Klägerin dem Grunde nach.
Die Klägerin hat mit der am 22. April 2008 bei dem Sozialgericht Neuruppin eingegangenen Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 2712,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 2. November 2007 begehrt. Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2011 die Hauptforderung sowie eine Verzinsung in Höhe von 2 % über dem "Diskontsatz der Deutschen Bundesbank" anerkannt hatte, hat die Klägerin das Verfahren wegen der Höhe der Zinsen fortgesetzt. Die Beklagte hat die Hauptforderung am 24. Januar 2012 bezahlt. Sie hat Zinsen in Höhe von 366,60 Euro gezahlt. Die Klägerin hat zuletzt vor dem Sozialgericht Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 2. November 2007 bis 24. Januar 2012 abzüglich bereits gezahlter 366,60 Euro begehrt. Die Zinsregelung im Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung ende für den Fall der Inanspruchnahme von Gerichten. Dann würden die gesetzlichen Zinsregelungen gelten.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, Zinsen stünden auch ab Rechtshängigkeit nur in der in § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag vereinbarten Höhe zu. Sie hat auf die Entscheidung des BSG vom 8. September 2009 (Az.: B 1 KR 8/09 R) verwiesen, in der das BSG auch über Rechtshängigkeitszinsen entschieden habe. Zudem hat sie auf die Urteile des 9. Senats des Landessozialgerichts vom 16. April 2008 (L 9 KR 251/04) und 7. Mai 2008 (L 9 KR 262/08) zum Berliner ABK-Vertrag verwiesen.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2012 hat das Sozialgericht die Beklagte zur Zahlung weiterer Zinsen von 305,89 Euro für den Zeitraum vom 22. April 2008 bis 24. Januar 2012 unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt. Der Klägerin stünden weitere 3 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu. Bei § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag handele es sich nach der Überschrift um reine "Zahlungsregelungen". Diese würden die dispositiven gesetzlichen Regelungen nur im Rahmen ihres originären Anwendungsbereichs ersetzen, der sich auf die Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen und den Krankenhäusern nach § 1 ABK-Vertrag beschränke. Die Zusammenarbeit ende jedoch in Bezug auf den konkreten Behandlungsfall mit der Einleitung eines rechtsförmigen Verfahrens. Wäre eine Schlechterstellung des Krankenhauses für die Zeit nach Rechtshängigkeit beabsichtigt gewesen, hätte eine Formulierung nahegelegen, wonach das Krankenhaus auch im nachfolgenden Rechtsstreit "nur" die dort geregelten Zinsen verlangen kann. Der Vertragsregelung sei es in zeitlicher Hinsicht um eine pragmatische Handhabung der Unwägbarkeiten in der Beurteilung von medizinischen Sachverhalten und korrespondierenden Vergütungstatbeständen, die zwar innerhalb der Zweiwochenfrist abgerechnet werden sollen, deren medizinische Überprüfung aber innerhalb dieser Frist nicht geleistet werden kann. Aufgrund des unterschiedlichen Rechtscharakters von Verzugszinsen und Prozesszinsen könne eine reine Verzugs- bzw. Fälligkeitsregel für die Zusammenarbeit im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses nach Ansicht der Kammer auch nicht als verdrängende Spezialregel für Prozesszinsen verstanden werden. Der Rechtsprechung des 9. Senats des Landessozialgerichts werde nur insoweit gefolgt, dass es sich bei den Zahlungsregelungen im ABK-Vertrag innerhalb ihres sachlich begrenzten Anwendungsbereichs um abschließende Regelungen handele. Für unbegründet hielt das Sozialgericht die Klage hinsichtlich eines weitergehenden Zinsanspruchs.
Mit ihrer vom Sozialgericht zugelassenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass ein Zinsanspruch welcher über die im Landesvertrag vertraglich vereinbarten 2-Prozentpunkte hinausgehe, nicht bestehe.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des SG Neuruppin (Az. S 9 KR 146/08) die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiedergabe deren tragender Gründe.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 20. August 2012 jeweils mit schriftlicher Entscheidung einverstanden erklärt.
Die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit schriftsätzlich einverstanden haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet.
Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass Gegenstand des schriftsätzlichen Anerkenntnisses der Beklagten, das die Klägerin angenommen hat, auch die Verzinsung in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz war. Insoweit stellt bereits das angenommene Anerkenntnis einen Vollstreckungstitel dar (§ 199 Abs. 1 Nummer 3 SGG). Die Verwendung des Begriffs "Diskontsatz der Deutschen Bundesbank" statt Basiszinssatz im Anerkenntnis ist entsprechend der für den ABK-Vertrag geltenden Regelung des Art. 229 § 7 Abs. 1 Nr. 2 des Einführungsgesetzbuches zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) als Basiszinssatz im Sinne des § 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu verstehen. Zu Unrecht hat das Sozialgericht jedoch der Klägerin Prozesszinsen über diese in § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag vorgesehene Höhe hinaus zugesprochen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Anspruch auf Prozesszinsen durch die vertragliche Vereinbarung ebenso wie ein Anspruch auf Verzugszinsen begrenzt.
Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Prozesszinsen nach § 69 SGB V i.V.m. einer analogen Anwendung des § 291 BGB liegen im streitigen Zeitraum jedoch vor. In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht aufgrund der veränderten tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen der nichtärztlichen Leistungserbringer zu den gesetzlichen Krankenkassen mittlerweile einen Anspruch auf Verzugs- und Prozesszinsen anerkannt (vgl. nur BSG, Urteil vom 8. September 2009 – B 1 KR 8/09 R Rn. 14 bei Juris mit umfassenden Nachweisen). Spätestens mit der Einführung von Gerichtskosten im Sozialgerichtsprozess zum 2. Januar 2002 durch § 197a SGG konnten die früheren besonderen kostenrechtlichen Regelungen einem Anspruch auf Prozesszinsen nicht mehr entgegengehalten werden (BSG, Urteil vom 23. März 2006 – B 3 KR 6/05 R). Die Hauptforderung, deren Bestehen die Klägerin anerkannt hat, ist mit dem Eingang der Klage beim Sozialgericht am 22. April 2008 rechtshängig geworden.
Ein über den anerkannten Zinsanspruch hinausgehender Anspruch ist jedoch nach § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag wirksam abgedungen. Dabei kann letztlich offenbleiben, ob die vertragliche Regelung die Höhe der Verzugs- und Prozesszinsen jeweils auf den dort genannten Zinssatz beschränkt oder Prozesszinsen vollständig ausgeschlossen sind. Jedenfalls können Prozesszinsen (bei selber Höhe) offenkundig nicht neben Verzugszinsen verlangt werden (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 1987, 170, 471 unter Hinweis auf RGZ 92, 283).
Der Anspruch auf Prozesszinsen nach § 291 BGB ist dispositives Recht und abweichender vertraglicher Vereinbarung zugänglich (BSG, Urteil vom 23. März 2006 – B 3 KR 6/05 R Rn. 6 bei Juris; BSG, Urteil vom 8. September 2009 – B 1 KR 8/09 R Rn. 23 für Verzugszinsen). Ob eine solche Abbedingung vorliegt, ist durch Auslegung der jeweiligen Vertragsbestimmungen zu ermitteln. Insoweit ist die Rechtslage nach dem ABK-Vertrag Brandenburg weder durch die von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidungen des 9. Senats des Landessozialgerichts, die Berlin betrafen, noch durch das Urteil des BSG vom Urteil vom 8. September 2009 (B 1 KR 8/09 R) geklärt.
Soweit keine ausdrückliche Regelung über den Ausschluss oder die Höhe von Prozesszinsen vorliegt, ist durch Auslegung einer vorhandenen vertraglichen Regelung zu ermitteln, ob diese eine abschließende vertragliche Verzinsung unter Verdrängung des dispositiven Gesetzesrechts anordnen sollte. Dies ist bei der Bestimmung des § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag der Fall:
Der ABK-Vertrag ist vorliegend anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass die behandelte Patientin nicht Versicherte der Beklagten ist, sondern Unionsbürgerin mit einem Sachleistungsanspruch im Inland nach Art. 22a, 22 VO 1408/71 (EG). Der Leistungsanspruch im Inland und damit der Vergütungsanspruch der Klägerin entspricht gerade dem eines Versicherten nach deutschem Recht.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegt eine abschließende Bestimmung der Verzinsung nicht außerhalb des "originären Anwendungsbereichs" des ABK-Vertrages. § 1 ABK-Vertrag enthält eine Vertragszielbestimmung ("dient dazu"), ohne dass sich hieraus eine konkrete Regelung oder eine sachliche Begrenzung der Anwendung des Vertrages ergibt. Im Übrigen sieht der Senat auch keinen Grund, wieso die vollständige Abwicklung der (vermeintlichen) Ansprüche des Krankenhauses einschließlich der gerichtlichen Geltendmachung nicht dem Begriff der Zusammenarbeit unterfallen sollte. Dieser Begriff ist Ausdruck der engen, kontinuierlichen Verknüpfung von Krankenhausträger und Krankenkassen durch mannigfaltige und vielzählige Rechtsverhältnisse und lässt sich nicht auf den jeweils einzelnen Behandlungsfall reduzieren. Unter diesem Gesichtspunkt kommt auch der Überschrift des § 18 ABK-Vertrag keine erhebliche Bedeutung zu. Ein Verständnis des Anwendungsbereichs des ABK-Vertrages allein auf die Zeit der vorgerichtlichen Auseinandersetzung der Beteiligten würde zudem zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, dass es der Krankenhausträger in der Hand hätte durch Erhebung der Klage die Anwendbarkeit der ihn verpflichtenden vertraglichen Regelungen (etwa in §§ 9, 10) zu beenden.
Der Wortlaut des Vertrages spricht zunächst für eine abschließende Regelung der Zinsen. Dass die Formulierung "kann" verlangen nicht nur im Sinne eines Mindestanspruchs gemeint ist, ist offenkundig und wird auch von der Klägerin für den Zeitraum vor Klageerhebung nicht in Abrede gestellt. Entscheidend ist der sachliche Anwendungsbereich dieses Zinsanspruchs. Der Wortlaut ordnet gerade keine Begrenzung der Verzugszinsen der Höhe nach an, sondern eine in Tatbestand und Rechtsfolge abgeschlossene Regelung dahingehend, dass eine Verzinsung in genannter Höhe 14 Tage nach Rechnungslegung eintritt. Es erfolgt kein Rückgriff auf die gesetzlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Verzugszinsen. Eine solche vollständige Regelung spricht für eine Ersetzung des abbedingbaren Gesetzesrechts. Die wesentliche Voraussetzung für eine Verzinsung nach § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag, die nicht fristgemäße Zahlung, liegt auch nach Beginn der Rechtshängigkeit noch vor.
Die vertragliche Regelung stellt auch bei Erstreckung auf die Verzinsung ab Rechtshängigkeit einen sachgerechten Interessenausgleich der Vertragsparteien dar. Sie enthält auch eine erhebliche Besserstellung für den Krankenhausträger, weil es weder auf den Eintritt von Verzug noch auf ein Vertretenmüssen der Nichtzahlung ankommt (vgl. zur Bedeutung der fehlenden Voraussetzung des Vertretenmüssens SG Kassel, Urteil vom 10.08.2011 - S 12 KR 11/11). Dem steht die Anordnung eines bestimmten Zinsniveaus entgegen. Daher wäre die hier gefundene Auslegung auch dann sachgerecht, wenn man davon ausgeht, dass die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung anzuwenden sind, weil die Beteiligten bei Vertragsschluss nach dem Stand der Rechtsprechung noch nicht vom Bestehen eines Prozesszinsanspruchs ausgehen konnten.
Soweit das Sozialgericht die Zinsregelung auf den zeitlichen Bereich der medizinischen Überprüfung der Abrechnung beschränken will und daher eine Erstreckung auf Rechtshängigkeitszinsen verneint, ist nicht ersichtlich, wieso der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit insoweit Bedeutung erlangen sollte. Auch im Rechtsstreit über die Vergütung von Krankenhausbehandlung steht die Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung regelmäßig im Mittelpunkt (vgl. Großer Senat des BSG, Beschluss vom 25. September 2007 – Az. GS 1/06).
Die unterschiedliche dogmatische Einordnung von Prozess- und Verzugszinsen, die das SG zutreffend dargestellt hat, hat hingegen für die Frage der Auslegung einer vertraglichen Zinsregelung keine entscheidende Bedeutung. Erheblich für die Auslegung der Vertragsbestimmung ist vielmehr das tatsächliche Verhältnis von Verzugs- zu Prozesszinsen. Der Anspruch nach § 291 BGB hat keine hohe praktisch Bedeutung, weil mit Klageerhebung nach § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB regelmäßig auch Verzug eingetreten ist (Löwisch/Feldmann in Staudinger, BGB, 2009, Rn. 3 zu § 291; Stadler in Jauernig, BGB, 14. Auflage, 2011, Rn. 1 zu § 291). Bei dieser tatsächlichen Anspruchskonkurrenz ab Rechtshängigkeit ist nicht davon auszugehen, dass die Vertragspartner für die Zeit ab Rechtshängigkeit eine abweichende Bestimmung hinsichtlich der Zinshöhe treffen wollten bzw. bei ausdrücklicher Regelung getroffen hätten. Die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten verändern sich nicht dadurch, dass die unbefriedigte Forderung Gegenstand eines Rechtsstreits geworden ist (ebenso LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14. Januar 2010 – Az.: L 5 KR 119/08 zur Erstreckung einer ausdrücklichen Regelung über Verzugszinsen auf Rechtshängigkeitszinsen). Dass zivilrechtlich der Anspruch auf Prozesszinsen mangels Abhängigkeit von Verzug und Vertretenmüssen einen Risikozuschlag darstellt (Löwisch/Feldmann aaO. Rn. 1) ist für die Interessenlage der Vertragsparteien ohne Bedeutung.
Das Urteil des Sozialgerichts war daher aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage, soweit über sie noch streitig zu entscheiden war, in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 und 2 VwGO. Sie berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin in erster Instanz mit der weitergehenden Zinsforderung sowie das vollständige Obsiegen der Beklagten im Berufungsverfahren.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über die Höhe der Verzinsung der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Zwischen den Krankenkassen einschließlich der Beklagten und der Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburg e.V. besteht seit 1996 ein Vertrag über allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung für das Land Brandenburg (Vertrag nach § 112 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V; im Folgenden: ABK-Vertrag). Dieser enthält unter anderem folgende Regelungen:
§ 1 Zielsetzung und Wirtschaftlichkeit
Dieser Vertrag dient dazu, die Zusammenarbeit zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern zu regeln, um im Rahmen des Krankenhausplanes und von Versorgungsverträgen alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung des Versicherten im Krankenhaus erforderlich sind, zu gewährleisten und auf eine humane Krankenhausbehandlung hinzuwirken. Die Krankenhausbehandlung muß ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
§ 18 Zahlungsregelungen
(1) Nach Beendigung der Krankenhausbehandlung wird der zuständigen Krankenkasse in der Regel innerhalb von zwei Wochen eine Schlußrechnung übersandt. Bei ambulanten Operationen erfolgt die Abrechnung im Rahmen der jeweils gültigen Vereinbarung nach § 115 b SGB V.
(2) Für noch nicht abgeschlossene Krankenhausbehandlungen, die länger als 21 Kalendertage gedauert haben, kann das Krankenhaus Zwischenrechnungen erstellen, die als solche gekennzeichnet werden. Dauert eine Krankenhausbehandlung über das Ende eines Kalenderjahres hinaus, ist eine Zwischenrechnung per 31. Dezember zu erstellen.
(3) Die Erstellung von Schluß- und Zwischenrechnungen als Sammelrechnungen ist zulässig.
(4) Die zuständige Krankenkasse bezahlt die Rechnungen innerhalb von 14 Kalendertagen nach Rechnungseingang. Als Tag der Zahlung gilt der Tag der Übergabe des Überweisungsauftrages an ein Geldinstitut oder der Übersendung von Zahlungsmitteln an das Krankenhaus. Ist der Fälligkeitstag ein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag, verschiebt er sich auf den nächstfolgenden Arbeitstag. Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art können auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht und die Differenzbeträge verrechnet werden.
(5) Erfolgt die Zahlung nicht fristgemäß, kann das Krankenhaus ab Fälligkeitstag ohne vorherige Mahnung Zinsen in Höhe von 2 % über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank berechnen.
(6) Hinsichtlich des Benutzerbeitrages gem. Art. 14 Abs. 3 S. 2 GSG gilt die Landesvereinbarung vom 02.12.1994.
Die Klägerin nahm in ihrem in Schwedt gelegenen Krankenhaus die Unionsbürgerin polnischer Staatsangehörigkeit Joana Katarzyna Wisniewska als Notfall zur Entbindung vom 27. August 2007 bis 2. September 2007 auf. Im Verlauf der Entbindung wurde eine sekundäre Sectio (ungeplanter Kaiserschnitt nach Beginn der Geburt) durchgeführt. Die Patientin befand sich besuchsweise in Deutschland und war in Polen versichert. Auf dem entsprechenden Formblatt (81a) wählte sie die Beklagte als aushelfende deutsche Krankenkasse.
In der Folge kam es zwischen den Beteiligten zum Streit über den Vergütungsanspruch der Klägerin dem Grunde nach.
Die Klägerin hat mit der am 22. April 2008 bei dem Sozialgericht Neuruppin eingegangenen Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 2712,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 2. November 2007 begehrt. Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2011 die Hauptforderung sowie eine Verzinsung in Höhe von 2 % über dem "Diskontsatz der Deutschen Bundesbank" anerkannt hatte, hat die Klägerin das Verfahren wegen der Höhe der Zinsen fortgesetzt. Die Beklagte hat die Hauptforderung am 24. Januar 2012 bezahlt. Sie hat Zinsen in Höhe von 366,60 Euro gezahlt. Die Klägerin hat zuletzt vor dem Sozialgericht Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 2. November 2007 bis 24. Januar 2012 abzüglich bereits gezahlter 366,60 Euro begehrt. Die Zinsregelung im Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung ende für den Fall der Inanspruchnahme von Gerichten. Dann würden die gesetzlichen Zinsregelungen gelten.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, Zinsen stünden auch ab Rechtshängigkeit nur in der in § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag vereinbarten Höhe zu. Sie hat auf die Entscheidung des BSG vom 8. September 2009 (Az.: B 1 KR 8/09 R) verwiesen, in der das BSG auch über Rechtshängigkeitszinsen entschieden habe. Zudem hat sie auf die Urteile des 9. Senats des Landessozialgerichts vom 16. April 2008 (L 9 KR 251/04) und 7. Mai 2008 (L 9 KR 262/08) zum Berliner ABK-Vertrag verwiesen.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2012 hat das Sozialgericht die Beklagte zur Zahlung weiterer Zinsen von 305,89 Euro für den Zeitraum vom 22. April 2008 bis 24. Januar 2012 unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt. Der Klägerin stünden weitere 3 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu. Bei § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag handele es sich nach der Überschrift um reine "Zahlungsregelungen". Diese würden die dispositiven gesetzlichen Regelungen nur im Rahmen ihres originären Anwendungsbereichs ersetzen, der sich auf die Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen und den Krankenhäusern nach § 1 ABK-Vertrag beschränke. Die Zusammenarbeit ende jedoch in Bezug auf den konkreten Behandlungsfall mit der Einleitung eines rechtsförmigen Verfahrens. Wäre eine Schlechterstellung des Krankenhauses für die Zeit nach Rechtshängigkeit beabsichtigt gewesen, hätte eine Formulierung nahegelegen, wonach das Krankenhaus auch im nachfolgenden Rechtsstreit "nur" die dort geregelten Zinsen verlangen kann. Der Vertragsregelung sei es in zeitlicher Hinsicht um eine pragmatische Handhabung der Unwägbarkeiten in der Beurteilung von medizinischen Sachverhalten und korrespondierenden Vergütungstatbeständen, die zwar innerhalb der Zweiwochenfrist abgerechnet werden sollen, deren medizinische Überprüfung aber innerhalb dieser Frist nicht geleistet werden kann. Aufgrund des unterschiedlichen Rechtscharakters von Verzugszinsen und Prozesszinsen könne eine reine Verzugs- bzw. Fälligkeitsregel für die Zusammenarbeit im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses nach Ansicht der Kammer auch nicht als verdrängende Spezialregel für Prozesszinsen verstanden werden. Der Rechtsprechung des 9. Senats des Landessozialgerichts werde nur insoweit gefolgt, dass es sich bei den Zahlungsregelungen im ABK-Vertrag innerhalb ihres sachlich begrenzten Anwendungsbereichs um abschließende Regelungen handele. Für unbegründet hielt das Sozialgericht die Klage hinsichtlich eines weitergehenden Zinsanspruchs.
Mit ihrer vom Sozialgericht zugelassenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass ein Zinsanspruch welcher über die im Landesvertrag vertraglich vereinbarten 2-Prozentpunkte hinausgehe, nicht bestehe.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des SG Neuruppin (Az. S 9 KR 146/08) die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiedergabe deren tragender Gründe.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 20. August 2012 jeweils mit schriftlicher Entscheidung einverstanden erklärt.
Die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit schriftsätzlich einverstanden haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet.
Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass Gegenstand des schriftsätzlichen Anerkenntnisses der Beklagten, das die Klägerin angenommen hat, auch die Verzinsung in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz war. Insoweit stellt bereits das angenommene Anerkenntnis einen Vollstreckungstitel dar (§ 199 Abs. 1 Nummer 3 SGG). Die Verwendung des Begriffs "Diskontsatz der Deutschen Bundesbank" statt Basiszinssatz im Anerkenntnis ist entsprechend der für den ABK-Vertrag geltenden Regelung des Art. 229 § 7 Abs. 1 Nr. 2 des Einführungsgesetzbuches zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) als Basiszinssatz im Sinne des § 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu verstehen. Zu Unrecht hat das Sozialgericht jedoch der Klägerin Prozesszinsen über diese in § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag vorgesehene Höhe hinaus zugesprochen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Anspruch auf Prozesszinsen durch die vertragliche Vereinbarung ebenso wie ein Anspruch auf Verzugszinsen begrenzt.
Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Prozesszinsen nach § 69 SGB V i.V.m. einer analogen Anwendung des § 291 BGB liegen im streitigen Zeitraum jedoch vor. In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht aufgrund der veränderten tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen der nichtärztlichen Leistungserbringer zu den gesetzlichen Krankenkassen mittlerweile einen Anspruch auf Verzugs- und Prozesszinsen anerkannt (vgl. nur BSG, Urteil vom 8. September 2009 – B 1 KR 8/09 R Rn. 14 bei Juris mit umfassenden Nachweisen). Spätestens mit der Einführung von Gerichtskosten im Sozialgerichtsprozess zum 2. Januar 2002 durch § 197a SGG konnten die früheren besonderen kostenrechtlichen Regelungen einem Anspruch auf Prozesszinsen nicht mehr entgegengehalten werden (BSG, Urteil vom 23. März 2006 – B 3 KR 6/05 R). Die Hauptforderung, deren Bestehen die Klägerin anerkannt hat, ist mit dem Eingang der Klage beim Sozialgericht am 22. April 2008 rechtshängig geworden.
Ein über den anerkannten Zinsanspruch hinausgehender Anspruch ist jedoch nach § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag wirksam abgedungen. Dabei kann letztlich offenbleiben, ob die vertragliche Regelung die Höhe der Verzugs- und Prozesszinsen jeweils auf den dort genannten Zinssatz beschränkt oder Prozesszinsen vollständig ausgeschlossen sind. Jedenfalls können Prozesszinsen (bei selber Höhe) offenkundig nicht neben Verzugszinsen verlangt werden (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 1987, 170, 471 unter Hinweis auf RGZ 92, 283).
Der Anspruch auf Prozesszinsen nach § 291 BGB ist dispositives Recht und abweichender vertraglicher Vereinbarung zugänglich (BSG, Urteil vom 23. März 2006 – B 3 KR 6/05 R Rn. 6 bei Juris; BSG, Urteil vom 8. September 2009 – B 1 KR 8/09 R Rn. 23 für Verzugszinsen). Ob eine solche Abbedingung vorliegt, ist durch Auslegung der jeweiligen Vertragsbestimmungen zu ermitteln. Insoweit ist die Rechtslage nach dem ABK-Vertrag Brandenburg weder durch die von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidungen des 9. Senats des Landessozialgerichts, die Berlin betrafen, noch durch das Urteil des BSG vom Urteil vom 8. September 2009 (B 1 KR 8/09 R) geklärt.
Soweit keine ausdrückliche Regelung über den Ausschluss oder die Höhe von Prozesszinsen vorliegt, ist durch Auslegung einer vorhandenen vertraglichen Regelung zu ermitteln, ob diese eine abschließende vertragliche Verzinsung unter Verdrängung des dispositiven Gesetzesrechts anordnen sollte. Dies ist bei der Bestimmung des § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag der Fall:
Der ABK-Vertrag ist vorliegend anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass die behandelte Patientin nicht Versicherte der Beklagten ist, sondern Unionsbürgerin mit einem Sachleistungsanspruch im Inland nach Art. 22a, 22 VO 1408/71 (EG). Der Leistungsanspruch im Inland und damit der Vergütungsanspruch der Klägerin entspricht gerade dem eines Versicherten nach deutschem Recht.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegt eine abschließende Bestimmung der Verzinsung nicht außerhalb des "originären Anwendungsbereichs" des ABK-Vertrages. § 1 ABK-Vertrag enthält eine Vertragszielbestimmung ("dient dazu"), ohne dass sich hieraus eine konkrete Regelung oder eine sachliche Begrenzung der Anwendung des Vertrages ergibt. Im Übrigen sieht der Senat auch keinen Grund, wieso die vollständige Abwicklung der (vermeintlichen) Ansprüche des Krankenhauses einschließlich der gerichtlichen Geltendmachung nicht dem Begriff der Zusammenarbeit unterfallen sollte. Dieser Begriff ist Ausdruck der engen, kontinuierlichen Verknüpfung von Krankenhausträger und Krankenkassen durch mannigfaltige und vielzählige Rechtsverhältnisse und lässt sich nicht auf den jeweils einzelnen Behandlungsfall reduzieren. Unter diesem Gesichtspunkt kommt auch der Überschrift des § 18 ABK-Vertrag keine erhebliche Bedeutung zu. Ein Verständnis des Anwendungsbereichs des ABK-Vertrages allein auf die Zeit der vorgerichtlichen Auseinandersetzung der Beteiligten würde zudem zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, dass es der Krankenhausträger in der Hand hätte durch Erhebung der Klage die Anwendbarkeit der ihn verpflichtenden vertraglichen Regelungen (etwa in §§ 9, 10) zu beenden.
Der Wortlaut des Vertrages spricht zunächst für eine abschließende Regelung der Zinsen. Dass die Formulierung "kann" verlangen nicht nur im Sinne eines Mindestanspruchs gemeint ist, ist offenkundig und wird auch von der Klägerin für den Zeitraum vor Klageerhebung nicht in Abrede gestellt. Entscheidend ist der sachliche Anwendungsbereich dieses Zinsanspruchs. Der Wortlaut ordnet gerade keine Begrenzung der Verzugszinsen der Höhe nach an, sondern eine in Tatbestand und Rechtsfolge abgeschlossene Regelung dahingehend, dass eine Verzinsung in genannter Höhe 14 Tage nach Rechnungslegung eintritt. Es erfolgt kein Rückgriff auf die gesetzlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Verzugszinsen. Eine solche vollständige Regelung spricht für eine Ersetzung des abbedingbaren Gesetzesrechts. Die wesentliche Voraussetzung für eine Verzinsung nach § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag, die nicht fristgemäße Zahlung, liegt auch nach Beginn der Rechtshängigkeit noch vor.
Die vertragliche Regelung stellt auch bei Erstreckung auf die Verzinsung ab Rechtshängigkeit einen sachgerechten Interessenausgleich der Vertragsparteien dar. Sie enthält auch eine erhebliche Besserstellung für den Krankenhausträger, weil es weder auf den Eintritt von Verzug noch auf ein Vertretenmüssen der Nichtzahlung ankommt (vgl. zur Bedeutung der fehlenden Voraussetzung des Vertretenmüssens SG Kassel, Urteil vom 10.08.2011 - S 12 KR 11/11). Dem steht die Anordnung eines bestimmten Zinsniveaus entgegen. Daher wäre die hier gefundene Auslegung auch dann sachgerecht, wenn man davon ausgeht, dass die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung anzuwenden sind, weil die Beteiligten bei Vertragsschluss nach dem Stand der Rechtsprechung noch nicht vom Bestehen eines Prozesszinsanspruchs ausgehen konnten.
Soweit das Sozialgericht die Zinsregelung auf den zeitlichen Bereich der medizinischen Überprüfung der Abrechnung beschränken will und daher eine Erstreckung auf Rechtshängigkeitszinsen verneint, ist nicht ersichtlich, wieso der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit insoweit Bedeutung erlangen sollte. Auch im Rechtsstreit über die Vergütung von Krankenhausbehandlung steht die Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung regelmäßig im Mittelpunkt (vgl. Großer Senat des BSG, Beschluss vom 25. September 2007 – Az. GS 1/06).
Die unterschiedliche dogmatische Einordnung von Prozess- und Verzugszinsen, die das SG zutreffend dargestellt hat, hat hingegen für die Frage der Auslegung einer vertraglichen Zinsregelung keine entscheidende Bedeutung. Erheblich für die Auslegung der Vertragsbestimmung ist vielmehr das tatsächliche Verhältnis von Verzugs- zu Prozesszinsen. Der Anspruch nach § 291 BGB hat keine hohe praktisch Bedeutung, weil mit Klageerhebung nach § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB regelmäßig auch Verzug eingetreten ist (Löwisch/Feldmann in Staudinger, BGB, 2009, Rn. 3 zu § 291; Stadler in Jauernig, BGB, 14. Auflage, 2011, Rn. 1 zu § 291). Bei dieser tatsächlichen Anspruchskonkurrenz ab Rechtshängigkeit ist nicht davon auszugehen, dass die Vertragspartner für die Zeit ab Rechtshängigkeit eine abweichende Bestimmung hinsichtlich der Zinshöhe treffen wollten bzw. bei ausdrücklicher Regelung getroffen hätten. Die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten verändern sich nicht dadurch, dass die unbefriedigte Forderung Gegenstand eines Rechtsstreits geworden ist (ebenso LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14. Januar 2010 – Az.: L 5 KR 119/08 zur Erstreckung einer ausdrücklichen Regelung über Verzugszinsen auf Rechtshängigkeitszinsen). Dass zivilrechtlich der Anspruch auf Prozesszinsen mangels Abhängigkeit von Verzug und Vertretenmüssen einen Risikozuschlag darstellt (Löwisch/Feldmann aaO. Rn. 1) ist für die Interessenlage der Vertragsparteien ohne Bedeutung.
Das Urteil des Sozialgerichts war daher aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage, soweit über sie noch streitig zu entscheiden war, in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 und 2 VwGO. Sie berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin in erster Instanz mit der weitergehenden Zinsforderung sowie das vollständige Obsiegen der Beklagten im Berufungsverfahren.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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