Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 11 R 1/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 289/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 15.03.2012 geändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 28.4.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2011 wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 316.775,38 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.4.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2011, mit dem die Antragsgegnerin im Anschluss an eine Betriebsprüfung eine Beitragsnachforderung in Höhe von 1.267.101,52 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 571.424,50 Euro geltend macht.
Die Antragstellerin, ein Zerlege- und Verarbeitungsbetrieb für Kalbfleisch, setzte im Bereich der Zerlegearbeiten unter anderem Arbeiter aus Rumänien und Ungarn ein. Der Einsatz der rumänischen Arbeitskräfte erfolgte dabei auf der Grundlage genehmigter Werkverträge über die Q GmbH, die ihrerseits ein rumänisches Unternehmen mit der Beschaffung der Arbeitskräfte beauftragte.
Im Anschluss an Ermittlungen der Staatsanwaltschaft (StA) E und des Hauptzollamtes L kam die Antragsgegnerin als prüfender Träger der Rentenversicherung zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich dieser Arbeitskräfte eine illegale Arbeitnehmerüberlassung an die Antragstellerin vorliege. Mit Schreiben vom 12.10.2010 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin hierzu mit, ihre dahingehende Beurteilung beruhe insbesondere auf folgenden Feststellungen: Die Weisungsbefugnis habe bei einem Mitarbeiter der Antragstellerin gelegen. Es sei zu einer Vermischung von Arbeitskräften gekommen. Das rumänische Subunternehmen habe in Rumänien keine eigene Produktionsstätte. Die Arbeitskräfte hätten erst angelernt werden müssen. Die Anzahl der Arbeitnehmer und ihre Tätigkeitsfelder seien dem Auftragnehmer vorgegeben worden. Dem Bevollmächtigten der Antragstellerin wurde außerdem eine CD mit den gesamten, auch zahlreiche andere Schlachthöfe, Unternehmen und Beschuldigte betreffenden Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt. Im Hinblick auf die Menge der zur Verfügung gestellten Informationen sah der Bevollmächtigte der Antragstellerin es als kaum möglich an, die die Antragstellerin betreffenden Aktenstücke zu finden und zu bewerten.
Gestützt auf die genannten Feststellungen setzte die Antragsgegnerin sodann die von der Antragstellerin angegriffene Nachforderung nebst Säumniszuschlägen fest. Der Widerspruchsbescheid vom 24.11.2011 enthielt dabei erstmals Angaben zu einzelnen Beweismitteln. Er ging dem Bevollmächtigten der Antragstellerin nach eigenen Angaben am 1.12.2011 zu. Die Antragstellerin hat sich gegen diesen Widerspruchsbescheid mit einem Schriftsatz gewandt, der beim Sozialgericht (SG) am 2.1.2012 zuging.
Mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat die Antragstellerin vorgetragen: Es fehle an einer ordnungsgemäßen Anhörung. Die Antragsgegnerin habe nicht dargelegt, auf welche staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sie ihren Bescheid stütze. Dieser sei zudem nicht ordnungsgemäß begründet. Die Antragsgegnerin habe ihre Verpflichtung zur Amtsermittlung verletzt. Zudem habe keine Betriebsprüfung stattgefunden. Es liege vielmehr nur die Entscheidung einer Prüfabteilung der Antragsgegnerin vor. In inhaltlicher Hinsicht hafte sie, die Antragstellerin, nicht für Lohnzahlungen an die in ihrem Schlachthof beschäftigten Arbeitnehmer. Seit Jahren vergebe sie die Zerlegearbeiten an selbständige Subunternehmer. Eine Vermischung von deren Arbeitskräften mit ihren eigenen habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Ihre, der Antragstellerin, Mitarbeiter hätten sich auf die Durchführung von Qualitätskontrollen beschränkt. Schließlich hat die Antragstellerin sich auf Verjährung berufen.
Die Antragstellerin hat sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 28.4.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2011 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der angefochtene Bescheid sei bestandskräftig geworden. Sie habe den Widerspruchsbescheid am 25.11.2011 zur Post gegeben. Im Hinblick auf die Zugangsvermutung des § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), die die Antragstellerin nicht widerlegt habe, sei Zugang somit mit dem 28.11.2011 anzunehmen und daher die am 2.1.2012 erhobene Klage verfristet.
Das SG hat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Bescheid angeordnet (Beschluss v. 15.3.2012). Es hat die Auffassung vertreten, die Antragstellerin sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Sie hätte der Antragsgegnerin die Unterlagen benennen müssen, auf die sie sich in ihrer Entscheidung beziehe. Durch deren erstmalige Aufführung im Widerspruchsbescheid sei keine Heilung dieses Verfahrensfehlers eingetreten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Insbesondere ist sie der Meinung, sie habe der Antragstellerin ausreichendes rechtliches Gehör gewährt, indem sie ihr die Unterlagen der StA umfänglich zur Verfügung gestellt habe.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 15.3.2012 zu ändern und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 28.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2011 abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des SG für richtig und vertieft im Übrigen ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Der Senat hat die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin beigezogen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen den angefochtenen Bescheid hat keinen Erfolg.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen.
Der dahingehende Antrag ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig.
a) Er ist zunächst statthaft. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten. Hierzu zählen auch Säumniszuschläge (Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906 [907] m.w.N.).
b) Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht deshalb, weil die Klage der Antragstellerin unzulässig wäre. Eine aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen scheidet nur dann von vornherein aus, wenn sie offensichtlich unzulässig sind (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss v. 22.3.2010, L 9 B 16/10 SO ER, NZS 2010, 590 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 24.9.2009, 8 B 1342/09.AK, ZUR 2010, 204 ff.; m.w.N.). Dafür bestehen hier jedoch gegenwärtig keine Anhaltspunkte. Nach Angaben des Bevollmächtigten der Antragstellerin ist der Widerspruchsbescheid dort am 1.12.2011 eingegangen. Der Senat hat mit dem SG keine Bedenken, diesem - zudem durch Vorlage der mit einem Eingangsstempel der Kanzlei versehenen Ausfertigung des Widerspruchsbescheides belegten - Vortrag zu folgen. Ausgehend von einer Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides am 1.12.2011 (vgl. § 62 i.V.m. § 37 Abs. 3 Satz 3 SGB X) lief die Klagefrist am 2.1.2012 ab. Nachdem die Bevollmächtigten der Antragsteller im Rahmen einer bereits beim SG anhängigen Untätigkeitsklage innerhalb dieser Frist mitgeteilt haben, die Klage richte sich nunmehr auch gegen den Widerspruchsbescheid vom 24.11.2011, ist nicht von einer offensichtlichen Versäumung der Klagefrist auszugehen.
2. Der Antrag hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
a) Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, NZS 2011, 906 [907 f.]; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; juris und sozialgerichtsbarkeit.de; jeweils m.w.N.).
Auf dieser Grundlage sind derzeit überwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht gerechtfertigt.
a) Sie ergeben sich zunächst nicht aus formellen Gesichtspunkten.
aa) Ohne Erfolg beruft die Antragstellerin sich darauf, sie sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Eine etwaige Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 24 Abs. 1 SGB X kann nämlich nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs führen, wenn sie noch nachgeholt werden kann (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 4.2.2002, 18 B 693/00, juris, m.w.N. zur vergleichbaren Vorschrift des § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW). Das gilt auch dann, wenn das Widerspruchsverfahren bereits abgeschlossen ist, weil die Nachholung, wie hier (ggf. nach Aussetzung des Hauptsacheverfahrens gemäß § 114 Abs. 1 SGG) noch bis zur letzten Tatsacheninstanz möglich ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 SGB X).
bb) Eine Verletzung der Begründungspflicht nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat im Widerspruchsbescheid - sogar unter Angabe der von ihr für bedeutsam erachteten Beweismittel - die wesentlichen Tatsachen mitgeteilt, aus denen sich ihrer Ansicht nach die unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung an die Antragstellerin und damit deren Beitragspflicht ergibt. Mehr ist nach § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht erforderlich.
b) Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe, unter anderem in der Rentenversicherung. Die Vorschrift ist hier einschlägig. § 28p Abs. 1 Satz 3 SGB IV erlaubt auch außerhalb der turnusmäßigen Betriebsprüfungen sog. Ad-hoc-Prüfungen, soweit eine alsbaldige Prüfung beim Arbeitgeber erforderlich ist. Eine solche kommt nach Ziff. 1.1.2 des Gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände v. 30.10.2003 "in erster Linie" u.a. bei Hinweisen der Behörden der Zollverwaltung, der Kriminalpolizei oder der Staatsanwaltschaft in Betracht (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 18.2.2010, L 8 B 13/09 R ER, juris).
c) Es bestehen derzeit keine überwiegenden Zweifel, dass die Antragstellerin verpflichtet ist, für die in ihrem Betrieb tätigen und im angefochtenen Bescheid bezeichneten Arbeitnehmer Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Das ergibt sich aus § 28e Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten zu entrichten.
aa) Arbeitgeber im Sinne dieser Bestimmung ist zum einen derjenige, der unmittelbar mit dem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat und damit ein Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV eingegangen ist. Im Falle der Arbeitnehmerüberlassung ist in arbeitsrechtlicher Hinsicht zudem der Entleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), d.h. wegen Fehlens der erforderlichen Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 AÜG, unwirksam ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG). Mit dem Zustandekommen des Arbeitsvertrages zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer entsteht - jedenfalls in aller Regel - auch ein Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV, sodass den Entleiher neben den arbeitsrechtlichen Arbeitgeberpflichten auch die Verpflichtung zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages trifft (vgl. BSG, Urteil v. 27.7.1987, 2 RU 41/85, NZA 1988, 263; BSG, Urteil v. 18.3.1987, 9b RU 16/85, SozR 7815 Art 1 § 10 Nr. 3; Senat, Beschluss v. 27.7.2009, a.a.O.; jeweils m.w.N.).
Wie der Senat bereits im Zusammenhang mit einem anderen Schlachthofbetreiber entschieden hat (vgl. Senat, Beschluss v. 21.7.2011, L 8 R 280/11 B ER, juris), liegt Arbeitnehmerüberlassung vor, wenn der Verleiher dem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung stellt, die voll in den Betrieb des Entleihers eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach dessen Weisungen ausführen. Im Gegensatz dazu wird beim Werk- und Dienstvertrag ein Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen. Die zur Ausführung der vertraglich geschuldeten Leistungen eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen als Erfüllungsgehilfen des Werkunternehmers dessen Weisungsbefugnis. Der Werkbesteller kann dem Werkunternehmer lediglich solche Anweisungen geben, die sich auf die Ausführung des Werkes beziehen (vgl. § 645 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Maßgeblich für die rechtliche Einordnung der jeweiligen Verträge ist der wirkliche Geschäftsinhalt, der sich aus ausdrücklichen Vereinbarungen wie aus der praktischen Durchführung des Vertrags ergeben kann (BAG, Urteil v. 8.11.1978, 5 AZR 261/77,AP Nr. 2 zu § 1 AÜG; BAG, Urteil v. 9.11.1994, 7 AZR 217/94, AP Nr. 18 zu § 1 AÜG; BAG, Urteil v. 6.8.2003, 7 AZR 180/03, AP Nr. 6 zu § 9 AÜG; BSG, Urteil v. 11.2.1988, 7 RAr 5/86, AP Nr. 10 zu § 1 AÜG).
bb) Ausgehend hiervon haben die Ermittlungsbehörden insbesondere folgende Tatsachen festgestellt (vgl. StA E, Bl. 656 bis 669 der Anklageschrift v. 17.5.2010 im Verfahren 130 Js 62/05; entsprechend Bl. 10242 bis 10255 der Hauptakte): Der bei der Antragstellerin beschäftigte Arbeitnehmer Paus oder ein anderer Mitarbeiter der Antragstellerin hätten den im Schlachthof tätigen Arbeitnehmern laufend Anweisungen erteilt. Die Arbeitskräfte seien nicht ausreichend qualifiziert gewesen, sodass Mitarbeiter der Antragstellerin sie hätten anlernen müssen. Die Antragstellerin habe die Arbeits- und Pausenzeiten vorgegeben und die Arbeitnehmer verpflichtet, an der betrieblichen Verpflegung teilzunehmen. Aus dem Protokoll einer Arbeitsbesprechung vom 23.8.2004 sowie weiteren Urkunden und dem sichergestellten E-Mail-Verkehr ergebe sich zudem, dass diese Vorgänge der Geschäftsführung der Antragstellerin bekannt gewesen seien. Die Abrechnung zwischen der Antragstellerin und der Q GmbH sei auf der Grundlage personenbezogener Preise erfolgt, die ihrerseits abhängig von der Einstufung der Arbeitskräfte als Fach- oder Hilfsarbeiter kalkuliert worden seien. Diese Einstufung wiederum habe maßgeblich der Mitarbeiter Paus vorgenommen. Schließlich sei es auch laufend zu Vermischungen zwischen den rumänischen und den ungarischen Arbeitnehmern gekommen. Es bestehen keine Bedenken, diesen Feststellungen im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung zu folgen. Sie sind durch im Einzelnen bezeichnete Beweismittel belegt. Die Antragstellerin ist ihnen nicht substantiiert entgegengetreten. Ihr Vortrag, sie habe auf der Grundlage genehmigter Werkverträge gearbeitet, reicht hierfür nicht aus, weil sich damit die Feststellungen der StA zu den tatsächlichen Abläufen nicht entkräften lassen. Insbesondere hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, welche Personen in welcher Weise gegenüber den Arbeitnehmern Weisungen erteilt haben und wie die Leistungen der verschiedenen Personen bzw. Unternehmen vergütet worden sind.
cc) Die festgestellten Tatsachen rechtfertigen auch aus Sicht des Senats die übereinstimmende Beurteilung der StA und der Antragsgegnerin, wonach die genannten Arbeitskräfte umfassend in den Betrieb der Antragstellerin eingegliedert waren und dabei deren Weisungsrecht nach Ort, Zeit und Art der Arbeit unterlegen haben. Es ist daher nach dem gegenwärtigen Sachstand zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer unerlaubten Überlassung der formal von den Subunternehmern angestellten Arbeitskräfte an die Antragstellerin auszugehen. Insofern sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im vorliegenden Fall deutlich andere als in der Senatsentscheidung vom 21.7.2011 (a.a.O.).
d) Bedenken gegen die Beitragshöhe sind auf der Grundlage der von Antragsgegnerin zutreffend angewandten Vorschriften der §§ 14 Abs. 2 Satz 2, 28f Abs. 2 SGB IV nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht konkret vorgetragen worden.
e) Verjährung ist im Hinblick auf § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht eingetreten. Nach dem von der StA festgestellten Sachverhalt bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme, dass die Geschäftsführung der Antragstellerin die zur Beitragspflicht führenden Tatsachen kannte und ihr auch die Möglichkeit bewusst war, dass hieraus Beitragsnachforderungen resultieren können.
f) Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die sofortige Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für die Antragstellerin zur Folge haben würde, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für die Antragstellerin verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wieder gut zu machende Nachteile sind nicht erkennbar und von der Antragstellerin auch nicht substantiiert dargestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren gemäß § 197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz entspricht der ständigen Senatspraxis, im einstweiligen Rechtsschutz von einem Viertel des Hauptsachestreitwerts (Senat, Beschluss v. 27.7.2009, L 8 B 5/09 R, juris) einschließlich der Säumniszuschläge (Senat, Beschlüsse v. 31.8.2009, L 8 B 11/09 R, und v. 3.9.2009, L 8 B 12/09 R, jeweils juris und sozialgerichtsbarkeit.de) auszugehen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.4.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2011, mit dem die Antragsgegnerin im Anschluss an eine Betriebsprüfung eine Beitragsnachforderung in Höhe von 1.267.101,52 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 571.424,50 Euro geltend macht.
Die Antragstellerin, ein Zerlege- und Verarbeitungsbetrieb für Kalbfleisch, setzte im Bereich der Zerlegearbeiten unter anderem Arbeiter aus Rumänien und Ungarn ein. Der Einsatz der rumänischen Arbeitskräfte erfolgte dabei auf der Grundlage genehmigter Werkverträge über die Q GmbH, die ihrerseits ein rumänisches Unternehmen mit der Beschaffung der Arbeitskräfte beauftragte.
Im Anschluss an Ermittlungen der Staatsanwaltschaft (StA) E und des Hauptzollamtes L kam die Antragsgegnerin als prüfender Träger der Rentenversicherung zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich dieser Arbeitskräfte eine illegale Arbeitnehmerüberlassung an die Antragstellerin vorliege. Mit Schreiben vom 12.10.2010 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin hierzu mit, ihre dahingehende Beurteilung beruhe insbesondere auf folgenden Feststellungen: Die Weisungsbefugnis habe bei einem Mitarbeiter der Antragstellerin gelegen. Es sei zu einer Vermischung von Arbeitskräften gekommen. Das rumänische Subunternehmen habe in Rumänien keine eigene Produktionsstätte. Die Arbeitskräfte hätten erst angelernt werden müssen. Die Anzahl der Arbeitnehmer und ihre Tätigkeitsfelder seien dem Auftragnehmer vorgegeben worden. Dem Bevollmächtigten der Antragstellerin wurde außerdem eine CD mit den gesamten, auch zahlreiche andere Schlachthöfe, Unternehmen und Beschuldigte betreffenden Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt. Im Hinblick auf die Menge der zur Verfügung gestellten Informationen sah der Bevollmächtigte der Antragstellerin es als kaum möglich an, die die Antragstellerin betreffenden Aktenstücke zu finden und zu bewerten.
Gestützt auf die genannten Feststellungen setzte die Antragsgegnerin sodann die von der Antragstellerin angegriffene Nachforderung nebst Säumniszuschlägen fest. Der Widerspruchsbescheid vom 24.11.2011 enthielt dabei erstmals Angaben zu einzelnen Beweismitteln. Er ging dem Bevollmächtigten der Antragstellerin nach eigenen Angaben am 1.12.2011 zu. Die Antragstellerin hat sich gegen diesen Widerspruchsbescheid mit einem Schriftsatz gewandt, der beim Sozialgericht (SG) am 2.1.2012 zuging.
Mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat die Antragstellerin vorgetragen: Es fehle an einer ordnungsgemäßen Anhörung. Die Antragsgegnerin habe nicht dargelegt, auf welche staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sie ihren Bescheid stütze. Dieser sei zudem nicht ordnungsgemäß begründet. Die Antragsgegnerin habe ihre Verpflichtung zur Amtsermittlung verletzt. Zudem habe keine Betriebsprüfung stattgefunden. Es liege vielmehr nur die Entscheidung einer Prüfabteilung der Antragsgegnerin vor. In inhaltlicher Hinsicht hafte sie, die Antragstellerin, nicht für Lohnzahlungen an die in ihrem Schlachthof beschäftigten Arbeitnehmer. Seit Jahren vergebe sie die Zerlegearbeiten an selbständige Subunternehmer. Eine Vermischung von deren Arbeitskräften mit ihren eigenen habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Ihre, der Antragstellerin, Mitarbeiter hätten sich auf die Durchführung von Qualitätskontrollen beschränkt. Schließlich hat die Antragstellerin sich auf Verjährung berufen.
Die Antragstellerin hat sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 28.4.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2011 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der angefochtene Bescheid sei bestandskräftig geworden. Sie habe den Widerspruchsbescheid am 25.11.2011 zur Post gegeben. Im Hinblick auf die Zugangsvermutung des § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), die die Antragstellerin nicht widerlegt habe, sei Zugang somit mit dem 28.11.2011 anzunehmen und daher die am 2.1.2012 erhobene Klage verfristet.
Das SG hat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Bescheid angeordnet (Beschluss v. 15.3.2012). Es hat die Auffassung vertreten, die Antragstellerin sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Sie hätte der Antragsgegnerin die Unterlagen benennen müssen, auf die sie sich in ihrer Entscheidung beziehe. Durch deren erstmalige Aufführung im Widerspruchsbescheid sei keine Heilung dieses Verfahrensfehlers eingetreten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Insbesondere ist sie der Meinung, sie habe der Antragstellerin ausreichendes rechtliches Gehör gewährt, indem sie ihr die Unterlagen der StA umfänglich zur Verfügung gestellt habe.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 15.3.2012 zu ändern und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 28.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2011 abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des SG für richtig und vertieft im Übrigen ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Der Senat hat die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin beigezogen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen den angefochtenen Bescheid hat keinen Erfolg.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen.
Der dahingehende Antrag ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig.
a) Er ist zunächst statthaft. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten. Hierzu zählen auch Säumniszuschläge (Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906 [907] m.w.N.).
b) Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht deshalb, weil die Klage der Antragstellerin unzulässig wäre. Eine aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen scheidet nur dann von vornherein aus, wenn sie offensichtlich unzulässig sind (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss v. 22.3.2010, L 9 B 16/10 SO ER, NZS 2010, 590 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 24.9.2009, 8 B 1342/09.AK, ZUR 2010, 204 ff.; m.w.N.). Dafür bestehen hier jedoch gegenwärtig keine Anhaltspunkte. Nach Angaben des Bevollmächtigten der Antragstellerin ist der Widerspruchsbescheid dort am 1.12.2011 eingegangen. Der Senat hat mit dem SG keine Bedenken, diesem - zudem durch Vorlage der mit einem Eingangsstempel der Kanzlei versehenen Ausfertigung des Widerspruchsbescheides belegten - Vortrag zu folgen. Ausgehend von einer Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides am 1.12.2011 (vgl. § 62 i.V.m. § 37 Abs. 3 Satz 3 SGB X) lief die Klagefrist am 2.1.2012 ab. Nachdem die Bevollmächtigten der Antragsteller im Rahmen einer bereits beim SG anhängigen Untätigkeitsklage innerhalb dieser Frist mitgeteilt haben, die Klage richte sich nunmehr auch gegen den Widerspruchsbescheid vom 24.11.2011, ist nicht von einer offensichtlichen Versäumung der Klagefrist auszugehen.
2. Der Antrag hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
a) Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, NZS 2011, 906 [907 f.]; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; juris und sozialgerichtsbarkeit.de; jeweils m.w.N.).
Auf dieser Grundlage sind derzeit überwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht gerechtfertigt.
a) Sie ergeben sich zunächst nicht aus formellen Gesichtspunkten.
aa) Ohne Erfolg beruft die Antragstellerin sich darauf, sie sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Eine etwaige Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 24 Abs. 1 SGB X kann nämlich nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs führen, wenn sie noch nachgeholt werden kann (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 4.2.2002, 18 B 693/00, juris, m.w.N. zur vergleichbaren Vorschrift des § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW). Das gilt auch dann, wenn das Widerspruchsverfahren bereits abgeschlossen ist, weil die Nachholung, wie hier (ggf. nach Aussetzung des Hauptsacheverfahrens gemäß § 114 Abs. 1 SGG) noch bis zur letzten Tatsacheninstanz möglich ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 SGB X).
bb) Eine Verletzung der Begründungspflicht nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat im Widerspruchsbescheid - sogar unter Angabe der von ihr für bedeutsam erachteten Beweismittel - die wesentlichen Tatsachen mitgeteilt, aus denen sich ihrer Ansicht nach die unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung an die Antragstellerin und damit deren Beitragspflicht ergibt. Mehr ist nach § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht erforderlich.
b) Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe, unter anderem in der Rentenversicherung. Die Vorschrift ist hier einschlägig. § 28p Abs. 1 Satz 3 SGB IV erlaubt auch außerhalb der turnusmäßigen Betriebsprüfungen sog. Ad-hoc-Prüfungen, soweit eine alsbaldige Prüfung beim Arbeitgeber erforderlich ist. Eine solche kommt nach Ziff. 1.1.2 des Gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände v. 30.10.2003 "in erster Linie" u.a. bei Hinweisen der Behörden der Zollverwaltung, der Kriminalpolizei oder der Staatsanwaltschaft in Betracht (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 18.2.2010, L 8 B 13/09 R ER, juris).
c) Es bestehen derzeit keine überwiegenden Zweifel, dass die Antragstellerin verpflichtet ist, für die in ihrem Betrieb tätigen und im angefochtenen Bescheid bezeichneten Arbeitnehmer Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Das ergibt sich aus § 28e Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten zu entrichten.
aa) Arbeitgeber im Sinne dieser Bestimmung ist zum einen derjenige, der unmittelbar mit dem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat und damit ein Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV eingegangen ist. Im Falle der Arbeitnehmerüberlassung ist in arbeitsrechtlicher Hinsicht zudem der Entleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), d.h. wegen Fehlens der erforderlichen Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 AÜG, unwirksam ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG). Mit dem Zustandekommen des Arbeitsvertrages zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer entsteht - jedenfalls in aller Regel - auch ein Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV, sodass den Entleiher neben den arbeitsrechtlichen Arbeitgeberpflichten auch die Verpflichtung zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages trifft (vgl. BSG, Urteil v. 27.7.1987, 2 RU 41/85, NZA 1988, 263; BSG, Urteil v. 18.3.1987, 9b RU 16/85, SozR 7815 Art 1 § 10 Nr. 3; Senat, Beschluss v. 27.7.2009, a.a.O.; jeweils m.w.N.).
Wie der Senat bereits im Zusammenhang mit einem anderen Schlachthofbetreiber entschieden hat (vgl. Senat, Beschluss v. 21.7.2011, L 8 R 280/11 B ER, juris), liegt Arbeitnehmerüberlassung vor, wenn der Verleiher dem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung stellt, die voll in den Betrieb des Entleihers eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach dessen Weisungen ausführen. Im Gegensatz dazu wird beim Werk- und Dienstvertrag ein Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen. Die zur Ausführung der vertraglich geschuldeten Leistungen eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen als Erfüllungsgehilfen des Werkunternehmers dessen Weisungsbefugnis. Der Werkbesteller kann dem Werkunternehmer lediglich solche Anweisungen geben, die sich auf die Ausführung des Werkes beziehen (vgl. § 645 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Maßgeblich für die rechtliche Einordnung der jeweiligen Verträge ist der wirkliche Geschäftsinhalt, der sich aus ausdrücklichen Vereinbarungen wie aus der praktischen Durchführung des Vertrags ergeben kann (BAG, Urteil v. 8.11.1978, 5 AZR 261/77,AP Nr. 2 zu § 1 AÜG; BAG, Urteil v. 9.11.1994, 7 AZR 217/94, AP Nr. 18 zu § 1 AÜG; BAG, Urteil v. 6.8.2003, 7 AZR 180/03, AP Nr. 6 zu § 9 AÜG; BSG, Urteil v. 11.2.1988, 7 RAr 5/86, AP Nr. 10 zu § 1 AÜG).
bb) Ausgehend hiervon haben die Ermittlungsbehörden insbesondere folgende Tatsachen festgestellt (vgl. StA E, Bl. 656 bis 669 der Anklageschrift v. 17.5.2010 im Verfahren 130 Js 62/05; entsprechend Bl. 10242 bis 10255 der Hauptakte): Der bei der Antragstellerin beschäftigte Arbeitnehmer Paus oder ein anderer Mitarbeiter der Antragstellerin hätten den im Schlachthof tätigen Arbeitnehmern laufend Anweisungen erteilt. Die Arbeitskräfte seien nicht ausreichend qualifiziert gewesen, sodass Mitarbeiter der Antragstellerin sie hätten anlernen müssen. Die Antragstellerin habe die Arbeits- und Pausenzeiten vorgegeben und die Arbeitnehmer verpflichtet, an der betrieblichen Verpflegung teilzunehmen. Aus dem Protokoll einer Arbeitsbesprechung vom 23.8.2004 sowie weiteren Urkunden und dem sichergestellten E-Mail-Verkehr ergebe sich zudem, dass diese Vorgänge der Geschäftsführung der Antragstellerin bekannt gewesen seien. Die Abrechnung zwischen der Antragstellerin und der Q GmbH sei auf der Grundlage personenbezogener Preise erfolgt, die ihrerseits abhängig von der Einstufung der Arbeitskräfte als Fach- oder Hilfsarbeiter kalkuliert worden seien. Diese Einstufung wiederum habe maßgeblich der Mitarbeiter Paus vorgenommen. Schließlich sei es auch laufend zu Vermischungen zwischen den rumänischen und den ungarischen Arbeitnehmern gekommen. Es bestehen keine Bedenken, diesen Feststellungen im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung zu folgen. Sie sind durch im Einzelnen bezeichnete Beweismittel belegt. Die Antragstellerin ist ihnen nicht substantiiert entgegengetreten. Ihr Vortrag, sie habe auf der Grundlage genehmigter Werkverträge gearbeitet, reicht hierfür nicht aus, weil sich damit die Feststellungen der StA zu den tatsächlichen Abläufen nicht entkräften lassen. Insbesondere hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, welche Personen in welcher Weise gegenüber den Arbeitnehmern Weisungen erteilt haben und wie die Leistungen der verschiedenen Personen bzw. Unternehmen vergütet worden sind.
cc) Die festgestellten Tatsachen rechtfertigen auch aus Sicht des Senats die übereinstimmende Beurteilung der StA und der Antragsgegnerin, wonach die genannten Arbeitskräfte umfassend in den Betrieb der Antragstellerin eingegliedert waren und dabei deren Weisungsrecht nach Ort, Zeit und Art der Arbeit unterlegen haben. Es ist daher nach dem gegenwärtigen Sachstand zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer unerlaubten Überlassung der formal von den Subunternehmern angestellten Arbeitskräfte an die Antragstellerin auszugehen. Insofern sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im vorliegenden Fall deutlich andere als in der Senatsentscheidung vom 21.7.2011 (a.a.O.).
d) Bedenken gegen die Beitragshöhe sind auf der Grundlage der von Antragsgegnerin zutreffend angewandten Vorschriften der §§ 14 Abs. 2 Satz 2, 28f Abs. 2 SGB IV nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht konkret vorgetragen worden.
e) Verjährung ist im Hinblick auf § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht eingetreten. Nach dem von der StA festgestellten Sachverhalt bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme, dass die Geschäftsführung der Antragstellerin die zur Beitragspflicht führenden Tatsachen kannte und ihr auch die Möglichkeit bewusst war, dass hieraus Beitragsnachforderungen resultieren können.
f) Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die sofortige Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für die Antragstellerin zur Folge haben würde, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für die Antragstellerin verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wieder gut zu machende Nachteile sind nicht erkennbar und von der Antragstellerin auch nicht substantiiert dargestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren gemäß § 197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz entspricht der ständigen Senatspraxis, im einstweiligen Rechtsschutz von einem Viertel des Hauptsachestreitwerts (Senat, Beschluss v. 27.7.2009, L 8 B 5/09 R, juris) einschließlich der Säumniszuschläge (Senat, Beschlüsse v. 31.8.2009, L 8 B 11/09 R, und v. 3.9.2009, L 8 B 12/09 R, jeweils juris und sozialgerichtsbarkeit.de) auszugehen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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