Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 3963/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2562/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Berücksichtigung eines Diabetes mellitus unter der vorläufigen Neufassung der AHP gemäss Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit vom 22.09.2008 und nach den VG idF vom 14.07.2010
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18. März 2010 wird zurückgewiesen.
Weitere, über das angenommene Teilanerkenntnis vom 13. Dezember 2012 hinausgehende außergerichtliche Kosten des Klägers im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Zuletzt hatte das ehemalige Versorgungsamt H. unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 12.04.2004, in der als Behinderung ein Diabetes mellitus mit einem Einzel-GdB von 30 und der Gesamt-GdB mit 30 festgestellt worden waren, bei dem 1966 geborenen Kläger mit Bescheid vom 21.04.2004 den GdB mit 30 seit 17.12.2003 festgestellt.
Der Kläger beantragte am 29.01.2007 beim zuständig gewordenen Landratsamt R.-N.-Kreis die Neufeststellung des GdB. Das Landratsamt zog über die Allgemeinärztin und Psychotherapeutin Dr. G.-Y. ein Laborblatt über HbA1c-Werte von 11,1 % am 22.06.2006 und 9,8 % am 05.01.2007 bei. Dr. St. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.04.2007 aus, eine wesentliche Änderung sei nicht eingetreten, da eine Insulinpflichtigkeit des Diabetes mellitus nicht nachgewiesen sei. Auf Nachfrage führte Dr. G.-Y. in ihrem Befundbericht vom Mai 2007 aus, der Kläger werde mit Insulin und Metphormin behandelt, der Blutzucker sei schwer einstellbar und es bestünden polyneuropathische Beschwerden sowie eine Gastropathie. Dem Befundbericht beigefügt war der Arztbrief von Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L., vom 20.04.2007 (Zustand nach Ruptur des vorderen Kreuzbandes mit Belastungsdefizit, Erysipel am rechten Unterschenkel bei interdigitalem Fußpilz). Nachdem Dr. St. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.06.2007 an der bisherigen Beurteilung fest hielt, lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 12.06.2007 den Neufeststellungsantrag des Klägers ab.
Hiergegen legte der Kläger am 19.07.2007 unter Vorlage des Attestes von Dr. G.-Y. vom 20.06.2007 (aufgrund des insulinpflichtigen Diabetes mellitus deutlich eingeschränkte Leistungsfähigkeit und Lebensqualität) und eines Laborblattes über einen HbA1c-Wert von 11,0 % am 18.06.2007 Widerspruch ein. Dr. St. hielt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.09.2007 an der bisherigen Beurteilung fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2007 wies das Regierungspräsidium den Widerspruch mit der Begründung zurück, auch ein mit Insulin einstellbarer Diabetes mellitus sei mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Hiergegen hat der Kläger am 23.11.2007 Klage beim Sozialgericht M. erhoben und insbesondere auf die Verschlechterung des Diabetes mellitus hingewiesen.
Das Sozialgericht hat die Orthopäden Dres. R. und H. unter dem 03.03.2008, den Orthopäden Dr. B. unter dem 03.03.2008 sowie die Allgemeinmedizinerin Dr. G.-Y. unter dem 11.03.2008, 08.04.2008 und 05.08.2008 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dres. R. und H. haben unter anderem unter Vorlage des Befundberichts des Dr. W., Chirurg an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L., vom 23.08.2007 (Zustand nach Ersatzplastik des vorderen Kreuzbandes im rechten Kniegelenk) über einen operativ versorgten vorderen Kreuzbandriss mit Ersatzplastik ohne besondere Funktionsbeeinträchtigungen und Folgeerscheinungen berichtet. Dr. B. hat ausgeführt, von der vorderen Kreuzbandteilruptur gehe keine Knieinstabilität aus. Dr. G.-Y. hat unter anderem unter Vorlage eines Laborblattes über HbA1c-Werte von 8,1 % am 09.09.2005 und 10,8 % am 22.01.2008 ausgeführt, die Wahrscheinlichkeit von hypoglykämischen Zuständen unter intensivierter Insulintherapie sei deutlich erhöht. Seit Anfang März 2008 werde der Kläger mit einem kurz wirksamen und einem lang wirksamen Insulin therapiert. Sie hat ferner dargelegt, der Kläger leide an polyneuropathischen Beschwerden, wie beispielsweise Schwächegefühl sowie Sensibilitätsstörung an den Armen und Beinen, und den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 20.03.2008 (Neuropathie der unteren Extremitäten) vorgelegt. Außerdem klage der Kläger über eine Sehverschlechterung und Magenbeschwerden. Einen augenärztlichen Bericht hat sie nicht vorgelegt.
Dr. G. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.11.2008 ausgeführt, genaue Angaben zur Stabilität der Blutzuckereinstellung lägen bisher nicht vor. Die Polyneuropathie sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Daraufhin hat das Sozialgericht erneut Dr. G.-Y. unter dem 22.04.2009 schriftlich als sachverständige Zeugin gehört. Sie hat unter Vorlage eines Laborblattes über HbA1c-Werte von 11,1 % am 27.08.2008 und 11,3 % am 17.12.2008 ausgeführt, der Blutzucker sei immer schwieriger einzustellen. Eine intensivierte Insulinbehandlung sei vorgesehen. Dr. R. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.07.2009 die Ansicht vertreten, versorgungsmedizinisch lägen keine neuen Erkenntnisse vor.
Mit Urteil vom 18.03.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die von Dr. G.-Y. bekundete Verschlimmerung des Allgemeinzustandes, die die Umstellung auf eine Behandlung des Klägers mit Insulin erforderlich gemacht habe, sei nicht nach Erlass des Bescheides vom 21.04.2004 eingetreten und deshalb nicht geeignet, eine seitherige wesentliche Verschlechterung zu begründen. Eine höhere Bewertung des Diabetes mellitus ergebe sich nicht, da keine objektiven medizinischen Beurteilungen vorlägen, aus denen sich ergebe, dass beim Kläger ein absoluter Insulinmangel bestehe, der für einen Diabetes mellitus Typ I kennzeichnend sei. Dr. G.-Y. habe gegenüber dem Beklagten stets einen Diabetes mellitus Typ II bescheinigt. Ein höherer GdB als 30, wie er für den insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II vorgesehen sei, sei auch nicht damit zu begründen, dass beim Kläger eine instabile Stoffwechsellage bestehe. Denn die von Dr. G.-Y. übersandten Laborwerte belegten zwar eine insgesamt nicht gut eingestellte Blutzuckererkrankung, ergäben aber insgesamt eine stabile Stoffwechselsituation. Häufige, ausgeprägte oder schwere Hypoglykämien seien zwar bei der Bewertung des GdB zu berücksichtigen, jedoch im Falle des Klägers nicht nachgewiesen. Eine höhere Bewertung des GdB für den Diabetes mellitus Typ II komme auch nicht unter Berücksichtigung eines erhöhten Therapieaufwandes in Betracht. Denn beim Kläger werde eine intensivierte Insulinbehandlung nach wie vor nicht durchgeführt. Weitere Behinderungen seien bei der Bewertung des GdB nicht zu berücksichtigen. Ein GdB wegen der am rechten Kniegelenk durchgeführten vorderen Kreuzbandplastik sei nicht festzustellen, da eine Funktionsbeeinträchtigung des rechten Kniegelenkes nicht bestehe. Der Einzel-GdB von 10 für die Polyneuropathie führe nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 30.04.2010 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 31.05.2010 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, ein Diabetes mellitus bei instabiler Stoffwechsellage unter Insulintherapie mit gelegentlichen Hypoglykämien sei mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten. Ferner liege eine erhebliche Beweglichkeitseinschränkung des Kniegelenks vor. Zwischenzeitlich habe sich der Gesundheitszustand aufgrund der auch weiterhin mangelhaften Einstellbarkeit der Blutzuckerwerte und aufgrund der vermehrt auftretenden erheblichen Zuckerschwankungen und Hypoglykämien weiter verschlechtert. Ferner hat der Kläger neben der schwer einstellbaren Stoffwechsellage und der Gefahr hypoglykämischer Zustände auf den hohen Therapieaufwand hingewiesen.
Sodann hat der Senat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Internisten, Endokrinologen und Diabetologen Prof. Dr. Dr. K. vom 11.07.2011 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, wegen des Diabetes mellitus spritze der Kläger zweimal täglich Insulin und messe zweimal täglich Blutzucker. Weitere Einschränkungen bestünden dadurch nicht. Diese Einschränkungen seien als leicht zu bezeichnen. Durch die schlechte Einstellung sei der Kläger müde und kraftlos. Die Funktionseinschränkungen seien zur Zeit als mittelschwer zu bezeichnen, könnten jedoch reversibel sein. Durch die Polyneuropathie habe der Kläger Schmerzen, wache nachts auf, habe eine trockene Haut und Juckreiz. Diese Funktionseinschränkungen halte er für mittelschwer. Die weiteren Diagnosen ergäben keine Funktionseinschränkung. Rhetinopathie, Depression und kardiale Gefährdung seien noch ungeklärt. Der Sachverständige hat den Diabetes mellitus mit einem Einzel-GdB von 30, die Polyneuropathie mit einem Einzel-GdB von 40 und den Gesamt-GdB mit 40 eingeschätzt.
Hierzu hat der Kläger ausgeführt, ein GdB von nur 30 für den Diabetes mellitus sei nur bei ausreichender Güte der Stoffwechseleinstellung und geringerem Therapieaufwand gerechtfertigt. Des Weiteren komme es nicht darauf an, ob bereits Hypoglykämien aufgetreten seien, sondern darauf, ob durch die Therapie Hypoglykämien ausgelöst werden könnten. Ferner stehe schon aufgrund der Tatsache, dass eine Verbesserung der Stoffwechsellage nur durch die intensivierte konventionelle Therapie erreicht werden könne, fest, dass jedenfalls eine außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellage vorliege, die eine höhere GdB-Einstufung erfordere. Schließlich sei der Gesamt-GdB wegen der Polyneuropathie zu erhöhen. Dr. G. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26.01.2012 dargelegt, die bisherige Bewertung des Diabetes mellitus mit einem Einzel-GdB von 30 sei angesichts von zwei Insulininjektionen und zwei Blutzuckermessungen täglich und fehlender Dokumentation zutreffend. Der Diabetes mellitus sei zwar schlecht eingestellt. Eine außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellage mit schweren Hypoglykämien sei jedoch nicht belegt.
Daraufhin hat der Senat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. H. vom 20.07.2012 eingeholt. Die Sachverständige hat ausgeführt, es bestehe eine Depression mittelgradiger Ausprägung. Eine geeignete Therapie sei zumutbar, finde aber ebenso wenig statt wie eine medikamentöse Behandlung. Unter zumutbarer Willensanstrengung lasse sich der Zustand verbessern. An dauerhaften Funktionsstörungen bestünden eine reduzierte Belastbarkeit, eine depressive Stimmung, eine verringerte Ausdauer, ein Grübeln, ein zeitweiser sozialer Rückzug und eine reduzierte Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit. Die mittelgradige Depression sei mit einem Einzel-GdB von 20 einzuschätzen. Ferner bestehe eine leichte beginnende Polyneuropathie. Motorische Störungen bestünden nicht. Zeitweise könne es zu Schmerzen oder Missempfindungen in den Füßen kommen. Des Weiteren liege eine Potenzstörung vor, die höchstwahrscheinlich eine Folge der Nervenschädigung sei. In der Elektrophysiologie hätten sich ein verzögertes somatosensibles evoziertes Potential und grenzwertige Nervenleitgeschwindigkeiten des Nervus peronäus gefunden. Es handele sich um eine leichte Polyneuropathie, die mit einem Einzel-GdB von 10 einzuschätzen sei. Unter zusätzlicher Berücksichtigung eines Einzel-GdB von 30 für den Diabetes mellitus betrage der Gesamt-GdB 40.
Hierzu hat der Kläger ausgeführt, da die Begutachtung aufgrund nur einer Untersuchung erfolgt sei, sei nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Gutachterin zu dem Ergebnis komme, dass über die Dauer von mehr als einem halben Jahr eine Depression mit nur mittelgradiger Ausprägung vorliegen solle. Ferner hat er auf die erhebliche Diskrepanz zwischen der von Prof. Dr. Dr. K. und der von Dr. H. vorgenommenen GdB-Bewertung der Polyneuropathie hingewiesen. Dr. G. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.10.2012 für den Diabetes mellitus einen Einzel-GdB von 30, für die seelische Störung einen Einzel-GdB von 20 ab Juli 2012 sowie für die Polyneuropathie einen Einzel-GdB von 10 und einen Gesamt-GdB von 40 seit Juli 2012 vorgeschlagen.
In der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2012 hat der Kläger das Teil-Anerkenntnis des Beklagten, den Bescheid vom 21.04.2004 abzuändern, den GdB mit 40 vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 sowie seit 19.07.2012 festzustellen und ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen zu tragen, angenommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts M. vom 18. März 2010 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 12. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2007 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 21. Juni 2004 über das angenommene Teil-Anerkenntnis hinaus weiter abzuändern und den Grad der Behinderung mit 50 seit 29. Januar 2007 festzustellen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Wegen des vom Kläger angenommenen und damit den Rechtsstreit insoweit erledigenden Teil-Anerkenntnisses des Beklagten, den Bescheid vom 21.04.2004 abzuändern, den GdB mit 40 vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 sowie seit 19.07.2012 festzustellen und ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klage- und Berufungsverfahren zu tragen, war nur noch über das mit Neufeststellungsantrag vom 29.01.2007 beantragte und darüber hinausgehende Begehren des Klägers zu entscheiden.
Beim Kläger liegen die Voraussetzungen weder für einen höheren GdB als 40 vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 noch für einen höheren GdB als 30 vom 22.07.2010 bis zum 18.07.2012 oder einen höheren GdB als 40 seit 19.07.2012 vor.
Die Abänderung von Verwaltungsakten wegen einer geltend gemachten Gesundheitsverschlechterung richtet sich nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).
Die Feststellung des GdB richtet sich nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist grundsätzlich die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene und seither mehrfach geänderte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden (siehe hierzu noch unten).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich beim Kläger kein höherer GdB als zuletzt von dem Beklagten in Auswertung des Gutachtens von Dr. H. anerkannt feststellen.
Zunächst bestand für den Senat angesichts des Umstandes, dass der Internist Prof. Dr. Dr. K. selbst einen regelmäßigen Sinusrhythmus bei konstanter Herzfrequenz ohne Anzeichen einer koronaren Herzkrankheit beschrieben hat, kein Anlass für eine weitere kardiologische Abklärung, wie von dem Sachverständigen angeregt, zu veranlassen. Denn es geht bei der Feststellung der begehrten Schwerbehinderteneigenschaft um tatsächlich vorliegende Funktionseinschränkungen, nicht hingegen um die Abklärung von Diagnosen (hier: Ausschluss eines stummen Herzinfarkts).
Für das Funktionssystem Stoffwechsel, innere Sekretion beträgt der Einzel-GdB 40 für die Zeit bis zum 21.07.2010 und 30 für die Zeit ab 22.07.2010.
Der Kläger leidet ausweislich der Befundberichte der Dr. G.-Y. und dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. K. an einem mit Insulin behandelten Diabetes mellitus Typ II mit aktenkundigen HbA1c-Werten zwischen 8,1 % am 09.09.2005, 11,1 % am 22.06.2006, 9,8 % am 05.01.2007, 11,0 % am 18.06.2007, 10,8 % am 22.01.2008 und 11,1 % am 27.08.2008. Nach der Anamnese des Prof. Dr. Dr. K. spritzt sich der Kläger wegen des Diabetes mellitus mittlerweile seit 22.07.2010 zweimal täglich Insulin und misst zweimal täglich Blutzucker.
Als Rechtsgrundlagen für die Feststellung des GdB sind im vorliegenden Fall - zunächst allgemein (formal) betrachtet - für die Zeit vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 die vorläufige Neufassung der AHP, Teil A, Nr. 26.15 gemäß Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit vom 22.09.2008 - IV C 3-48064-3 - unter Beachtung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ab 22.07.2010 die Regelung in den VG, Teil B, Nr. 15.1 in der Fassung vom 14.07.2010 heranzuziehen (zum Ganzen BSG, Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - juris).
Für die Zeit vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu berücksichtigen, dass die vorläufige Neufassung der AHP, Teil A, Nr. 26.15 unter Beachtung der höchstrichterlich dargelegten Grundsätze (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - juris) rückwirkend auf Sachverhalte anzuwenden ist, die vor deren Einführung durch das Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit vom 22.09.2008 - IV C 3-48064-3 - liegen (BSG, Urteil vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R - juris Rz. 15). Nach dieser vorläufigen Neufassung der AHP, Teil A, Nr. 26.15 beträgt bei Diabetes mellitus mit Diät allein (ohne blutzuckerregulierende Medikamente) eingestellt der GdB 0, mit Medikamenten, die die Hypoglykämieneigung nicht erhöhen, eingestellt der GdB 10, mit Medikamenten, die die Hypoglykämieneigung erhöhen, eingestellt der GdB 20, unter Insulintherapie, auch in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Medikamenten, je nach Stabilität der Stoffwechsellage (stabil oder mäßig schwankend) der GdB 30 bis 40 sowie unter Insulintherapie instabile Stoffwechsellage einschließlich gelegentlicher schwerer Hypoglykämien der GdB 50, wobei häufige, ausgeprägte oder schwere Hypoglykämien zusätzlich zu bewerten sind und schwere Hypoglykämien Unterzuckerungen sind, die eine ärztliche Hilfe erfordern.
Die am 01.01.2009 in Kraft getretene und im Wortlaut mit der vorläufigen Neufassung der AHP, Teil A, Nr. 26.15 identische Regelung in den VG, Teil B, Nr. 15.1 in der Fassung vom 10.12.2008 ist indes nicht zur GdB-Bewertung heranzuziehen, da sie den gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zwingend zu berücksichtigenden Therapieaufwand nicht erfasst und aus diesem Grund nichtig ist (BSG, Urteil vom 23.04.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris Rz. 30). Die Feststellung des GdB hatte bis zu einer im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben aus § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX stehenden Neufassung der Bestimmungen über den Diabetes mellitus nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - juris Rz. 40) zu erfolgen (BSG, Urteil vom 23.04.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris Rz. 31; zur Nicht-Rückwirkung von Änderungen der VG siehe Senatsurteil vom 19.04.2012 - L 6 SB 3345/10).
Die Regelung in den am 22.07.2010 in Kraft getretenen VG, Teil B, Nr. 15.1 in der Fassung vom 14.07.2010 ist mit den rechtlichen Vorgaben aus § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX vereinbar und für die Zeit ab 22.07.2010 anzuwenden (BSG, Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - juris Rz. 23 bis 28). Danach beträgt bei Diabetes mellitus bei an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind und auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung erleiden, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt, der GdB 0, bei an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind und die somit durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung erleiden, der GdB 20, bei an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind und somit je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung erleiden, der GdB 30 bis 40, bei an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind und somit auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung erleiden, wobei die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) dokumentiert sein müssen, der GdB 50, wobei außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen jeweils höhere GdB-Werte bedingen können.
Nach diesen rechtlichen Vorgaben liegt beim Kläger wegen des Diabetes mellitus ein Einzel-GdB von 40 für die Zeit vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 und von 30 für die Zeit ab 22.07.2010 vor.
Nach der vorliegend für die Zeit vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 anzuwendenden vorläufigen Neufassung der AHP, Teil A, Nr. 26.15 setzt ein GdB von 30 bis 40 eine unter Insulintherapie, auch in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Medikamenten, stabile oder mäßig schwankende Stoffwechsellage sowie ein GdB von 50 eine unter Insulintherapie instabile Stoffwechsellage einschließlich gelegentlicher schwerer Hypoglykämien voraus. Mithin ist wegen der von Dr. G.-Y. dokumentierten schwankenden Stoffwechsellage ein Einzel-GdB von 40 angemessen. Einen höheren Einzel-GdB von 50 rechtfertigende gelegentliche schwere Hypoglykämien sind vorliegend nicht dokumentiert.
Nach den für die Zeit ab 22.07.2010 anzuwendenden VG, Teil B, Nr. 15.1 in der Fassung vom 14.07.2010 setzt ein GdB von 30 bis 40 eine mindestens einmal tägliche Selbst-Überprüfung des Blutzuckers, eine weitere Beeinträchtigung durch Einschnitte in der Lebensführung und damit eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung sowie ein GdB von 50 eine mindestens viermal tägliche Insulininjektion voraus, wobei außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen jeweils höhere GdB-Werte bedingen können. Vorliegend hat Prof. Dr. Dr. K. in seinem Gutachten überzeugend dargelegt, dass über die zweimal täglichen Insulininjektionen und Blutzuckerüberprüfungen hinaus keine weiteren Einschränkungen bestehen und diese Einschnitte in der Lebensführung als leicht zu bezeichnen sind. Er hat daher zutreffend den Diabetes mellitus mit einem Einzel-GdB von 30 eingeschätzt, zumal er dargelegt hat, dass Hypoglykämien nicht dokumentiert sind.
Für das Funktionssystem Gehirn, einschließlich Psyche beträgt der Einzel-GdB 20 seit 19.07.2012.
Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 beträgt bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB 0 bis 20, stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (beispielsweise ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB 30 bis 40 sowie bei schweren Störungen (zum Beispiel schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 80 bis 100. Der Senat stützt sich auf die überzeugenden Ausführungen der Dr. H ... Sie hat schlüssig dargelegt, dass der Kläger an einer mittelgradigen Depression leidet, die eine reduzierte Belastbarkeit, eine depressive Stimmung, eine verringerte Ausdauer, ein Grübeln, einen zeitweisen sozialen Rückzug und eine reduzierte Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit bedingt. Vor dem Hintergrund dieser erstmals durch die gutachterliche Untersuchung am 19.07.2012 objektivierten Funktionseinschränkungen und dem von der Sachverständigen beschriebenen von einer Antriebsminderung geprägten Tagesablauf handelt es sich in Übereinstimmung mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 23.10.2012 um eine leichtere psychische Störung, die einen GdB von 20 rechtfertigt. Dieser GdB erfährt durch die diagnostizierte Polyneuropathie keine Erhöhung. Denn diese begründet nur einen GdB von 10. Nach den VG, Teil B, Nr. 3.11 ergeben sich bei den Polyneuropathien die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund motorischer Ausfälle (mit Muskelatrophien), sensibler Störungen oder Kombinationen von beiden. Dr. H. hat schlüssig und gut nachvollziehbar lediglich eine leichte beginnende Polyneuropathie mit zeitweiligen Schmerzen oder Missempfindungen in den Füßen ohne motorische Störungen beschrieben. Für die Richtigkeit ihrer Beurteilung spricht, dass es an dem typischen Hinweis auf Paresen fehlte, auch keine Muskelatrophie bei seitengleich auslösbaren Reflexen mit Ausnahme des ASR bestand und Stand, Gang sowie Blindgang ungestört waren. Eine weitere Abklärung war daher angesichts dieser ausführlichen Befunde und der nicht n der VG orientierten Bewertung von Prof. Dr. Dr. K. nicht erforderlich. Mithin ergibt sich insgesamt im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche ein Einzel-GdB von 20.
Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB 40 bis zum 21.07.2010 und 30 seit 22.07.2010 für das Funktionssystem Stoffwechsel, innere Sekretion, Einzel-GdB 20 seit 19.07.2012 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche) beträgt der Gesamt-GdB nicht mehr als 40 vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010, nicht mehr als 30 vom 22.07.2010 bis zum 18.07.2012 und nicht mehr als 40 seit 19.07.2012. Denn es waren für die Zeit vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 ein Einzel-GdB-Wert von 40 (Diabetes mellitus), für die Zeit vom 22.07.2010 bis zum 18.07.2012 ein Einzel-GdB-Wert von 30 (Diabetes mellitus) sowie für die Zeit seit 19.07.2012 sich teilweise überschneidende Einzel-GdB-Werte von 30 (Diabetes mellitus) und 20 (Depression) zu berücksichtigen.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht in Bezug auf den noch streitbefangenem Teil der Berufung auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Weitere, über das angenommene Teilanerkenntnis vom 13. Dezember 2012 hinausgehende außergerichtliche Kosten des Klägers im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Zuletzt hatte das ehemalige Versorgungsamt H. unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 12.04.2004, in der als Behinderung ein Diabetes mellitus mit einem Einzel-GdB von 30 und der Gesamt-GdB mit 30 festgestellt worden waren, bei dem 1966 geborenen Kläger mit Bescheid vom 21.04.2004 den GdB mit 30 seit 17.12.2003 festgestellt.
Der Kläger beantragte am 29.01.2007 beim zuständig gewordenen Landratsamt R.-N.-Kreis die Neufeststellung des GdB. Das Landratsamt zog über die Allgemeinärztin und Psychotherapeutin Dr. G.-Y. ein Laborblatt über HbA1c-Werte von 11,1 % am 22.06.2006 und 9,8 % am 05.01.2007 bei. Dr. St. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.04.2007 aus, eine wesentliche Änderung sei nicht eingetreten, da eine Insulinpflichtigkeit des Diabetes mellitus nicht nachgewiesen sei. Auf Nachfrage führte Dr. G.-Y. in ihrem Befundbericht vom Mai 2007 aus, der Kläger werde mit Insulin und Metphormin behandelt, der Blutzucker sei schwer einstellbar und es bestünden polyneuropathische Beschwerden sowie eine Gastropathie. Dem Befundbericht beigefügt war der Arztbrief von Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L., vom 20.04.2007 (Zustand nach Ruptur des vorderen Kreuzbandes mit Belastungsdefizit, Erysipel am rechten Unterschenkel bei interdigitalem Fußpilz). Nachdem Dr. St. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.06.2007 an der bisherigen Beurteilung fest hielt, lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 12.06.2007 den Neufeststellungsantrag des Klägers ab.
Hiergegen legte der Kläger am 19.07.2007 unter Vorlage des Attestes von Dr. G.-Y. vom 20.06.2007 (aufgrund des insulinpflichtigen Diabetes mellitus deutlich eingeschränkte Leistungsfähigkeit und Lebensqualität) und eines Laborblattes über einen HbA1c-Wert von 11,0 % am 18.06.2007 Widerspruch ein. Dr. St. hielt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.09.2007 an der bisherigen Beurteilung fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2007 wies das Regierungspräsidium den Widerspruch mit der Begründung zurück, auch ein mit Insulin einstellbarer Diabetes mellitus sei mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Hiergegen hat der Kläger am 23.11.2007 Klage beim Sozialgericht M. erhoben und insbesondere auf die Verschlechterung des Diabetes mellitus hingewiesen.
Das Sozialgericht hat die Orthopäden Dres. R. und H. unter dem 03.03.2008, den Orthopäden Dr. B. unter dem 03.03.2008 sowie die Allgemeinmedizinerin Dr. G.-Y. unter dem 11.03.2008, 08.04.2008 und 05.08.2008 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dres. R. und H. haben unter anderem unter Vorlage des Befundberichts des Dr. W., Chirurg an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L., vom 23.08.2007 (Zustand nach Ersatzplastik des vorderen Kreuzbandes im rechten Kniegelenk) über einen operativ versorgten vorderen Kreuzbandriss mit Ersatzplastik ohne besondere Funktionsbeeinträchtigungen und Folgeerscheinungen berichtet. Dr. B. hat ausgeführt, von der vorderen Kreuzbandteilruptur gehe keine Knieinstabilität aus. Dr. G.-Y. hat unter anderem unter Vorlage eines Laborblattes über HbA1c-Werte von 8,1 % am 09.09.2005 und 10,8 % am 22.01.2008 ausgeführt, die Wahrscheinlichkeit von hypoglykämischen Zuständen unter intensivierter Insulintherapie sei deutlich erhöht. Seit Anfang März 2008 werde der Kläger mit einem kurz wirksamen und einem lang wirksamen Insulin therapiert. Sie hat ferner dargelegt, der Kläger leide an polyneuropathischen Beschwerden, wie beispielsweise Schwächegefühl sowie Sensibilitätsstörung an den Armen und Beinen, und den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 20.03.2008 (Neuropathie der unteren Extremitäten) vorgelegt. Außerdem klage der Kläger über eine Sehverschlechterung und Magenbeschwerden. Einen augenärztlichen Bericht hat sie nicht vorgelegt.
Dr. G. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.11.2008 ausgeführt, genaue Angaben zur Stabilität der Blutzuckereinstellung lägen bisher nicht vor. Die Polyneuropathie sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Daraufhin hat das Sozialgericht erneut Dr. G.-Y. unter dem 22.04.2009 schriftlich als sachverständige Zeugin gehört. Sie hat unter Vorlage eines Laborblattes über HbA1c-Werte von 11,1 % am 27.08.2008 und 11,3 % am 17.12.2008 ausgeführt, der Blutzucker sei immer schwieriger einzustellen. Eine intensivierte Insulinbehandlung sei vorgesehen. Dr. R. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.07.2009 die Ansicht vertreten, versorgungsmedizinisch lägen keine neuen Erkenntnisse vor.
Mit Urteil vom 18.03.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die von Dr. G.-Y. bekundete Verschlimmerung des Allgemeinzustandes, die die Umstellung auf eine Behandlung des Klägers mit Insulin erforderlich gemacht habe, sei nicht nach Erlass des Bescheides vom 21.04.2004 eingetreten und deshalb nicht geeignet, eine seitherige wesentliche Verschlechterung zu begründen. Eine höhere Bewertung des Diabetes mellitus ergebe sich nicht, da keine objektiven medizinischen Beurteilungen vorlägen, aus denen sich ergebe, dass beim Kläger ein absoluter Insulinmangel bestehe, der für einen Diabetes mellitus Typ I kennzeichnend sei. Dr. G.-Y. habe gegenüber dem Beklagten stets einen Diabetes mellitus Typ II bescheinigt. Ein höherer GdB als 30, wie er für den insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II vorgesehen sei, sei auch nicht damit zu begründen, dass beim Kläger eine instabile Stoffwechsellage bestehe. Denn die von Dr. G.-Y. übersandten Laborwerte belegten zwar eine insgesamt nicht gut eingestellte Blutzuckererkrankung, ergäben aber insgesamt eine stabile Stoffwechselsituation. Häufige, ausgeprägte oder schwere Hypoglykämien seien zwar bei der Bewertung des GdB zu berücksichtigen, jedoch im Falle des Klägers nicht nachgewiesen. Eine höhere Bewertung des GdB für den Diabetes mellitus Typ II komme auch nicht unter Berücksichtigung eines erhöhten Therapieaufwandes in Betracht. Denn beim Kläger werde eine intensivierte Insulinbehandlung nach wie vor nicht durchgeführt. Weitere Behinderungen seien bei der Bewertung des GdB nicht zu berücksichtigen. Ein GdB wegen der am rechten Kniegelenk durchgeführten vorderen Kreuzbandplastik sei nicht festzustellen, da eine Funktionsbeeinträchtigung des rechten Kniegelenkes nicht bestehe. Der Einzel-GdB von 10 für die Polyneuropathie führe nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 30.04.2010 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 31.05.2010 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, ein Diabetes mellitus bei instabiler Stoffwechsellage unter Insulintherapie mit gelegentlichen Hypoglykämien sei mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten. Ferner liege eine erhebliche Beweglichkeitseinschränkung des Kniegelenks vor. Zwischenzeitlich habe sich der Gesundheitszustand aufgrund der auch weiterhin mangelhaften Einstellbarkeit der Blutzuckerwerte und aufgrund der vermehrt auftretenden erheblichen Zuckerschwankungen und Hypoglykämien weiter verschlechtert. Ferner hat der Kläger neben der schwer einstellbaren Stoffwechsellage und der Gefahr hypoglykämischer Zustände auf den hohen Therapieaufwand hingewiesen.
Sodann hat der Senat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Internisten, Endokrinologen und Diabetologen Prof. Dr. Dr. K. vom 11.07.2011 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, wegen des Diabetes mellitus spritze der Kläger zweimal täglich Insulin und messe zweimal täglich Blutzucker. Weitere Einschränkungen bestünden dadurch nicht. Diese Einschränkungen seien als leicht zu bezeichnen. Durch die schlechte Einstellung sei der Kläger müde und kraftlos. Die Funktionseinschränkungen seien zur Zeit als mittelschwer zu bezeichnen, könnten jedoch reversibel sein. Durch die Polyneuropathie habe der Kläger Schmerzen, wache nachts auf, habe eine trockene Haut und Juckreiz. Diese Funktionseinschränkungen halte er für mittelschwer. Die weiteren Diagnosen ergäben keine Funktionseinschränkung. Rhetinopathie, Depression und kardiale Gefährdung seien noch ungeklärt. Der Sachverständige hat den Diabetes mellitus mit einem Einzel-GdB von 30, die Polyneuropathie mit einem Einzel-GdB von 40 und den Gesamt-GdB mit 40 eingeschätzt.
Hierzu hat der Kläger ausgeführt, ein GdB von nur 30 für den Diabetes mellitus sei nur bei ausreichender Güte der Stoffwechseleinstellung und geringerem Therapieaufwand gerechtfertigt. Des Weiteren komme es nicht darauf an, ob bereits Hypoglykämien aufgetreten seien, sondern darauf, ob durch die Therapie Hypoglykämien ausgelöst werden könnten. Ferner stehe schon aufgrund der Tatsache, dass eine Verbesserung der Stoffwechsellage nur durch die intensivierte konventionelle Therapie erreicht werden könne, fest, dass jedenfalls eine außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellage vorliege, die eine höhere GdB-Einstufung erfordere. Schließlich sei der Gesamt-GdB wegen der Polyneuropathie zu erhöhen. Dr. G. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26.01.2012 dargelegt, die bisherige Bewertung des Diabetes mellitus mit einem Einzel-GdB von 30 sei angesichts von zwei Insulininjektionen und zwei Blutzuckermessungen täglich und fehlender Dokumentation zutreffend. Der Diabetes mellitus sei zwar schlecht eingestellt. Eine außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellage mit schweren Hypoglykämien sei jedoch nicht belegt.
Daraufhin hat der Senat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. H. vom 20.07.2012 eingeholt. Die Sachverständige hat ausgeführt, es bestehe eine Depression mittelgradiger Ausprägung. Eine geeignete Therapie sei zumutbar, finde aber ebenso wenig statt wie eine medikamentöse Behandlung. Unter zumutbarer Willensanstrengung lasse sich der Zustand verbessern. An dauerhaften Funktionsstörungen bestünden eine reduzierte Belastbarkeit, eine depressive Stimmung, eine verringerte Ausdauer, ein Grübeln, ein zeitweiser sozialer Rückzug und eine reduzierte Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit. Die mittelgradige Depression sei mit einem Einzel-GdB von 20 einzuschätzen. Ferner bestehe eine leichte beginnende Polyneuropathie. Motorische Störungen bestünden nicht. Zeitweise könne es zu Schmerzen oder Missempfindungen in den Füßen kommen. Des Weiteren liege eine Potenzstörung vor, die höchstwahrscheinlich eine Folge der Nervenschädigung sei. In der Elektrophysiologie hätten sich ein verzögertes somatosensibles evoziertes Potential und grenzwertige Nervenleitgeschwindigkeiten des Nervus peronäus gefunden. Es handele sich um eine leichte Polyneuropathie, die mit einem Einzel-GdB von 10 einzuschätzen sei. Unter zusätzlicher Berücksichtigung eines Einzel-GdB von 30 für den Diabetes mellitus betrage der Gesamt-GdB 40.
Hierzu hat der Kläger ausgeführt, da die Begutachtung aufgrund nur einer Untersuchung erfolgt sei, sei nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Gutachterin zu dem Ergebnis komme, dass über die Dauer von mehr als einem halben Jahr eine Depression mit nur mittelgradiger Ausprägung vorliegen solle. Ferner hat er auf die erhebliche Diskrepanz zwischen der von Prof. Dr. Dr. K. und der von Dr. H. vorgenommenen GdB-Bewertung der Polyneuropathie hingewiesen. Dr. G. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.10.2012 für den Diabetes mellitus einen Einzel-GdB von 30, für die seelische Störung einen Einzel-GdB von 20 ab Juli 2012 sowie für die Polyneuropathie einen Einzel-GdB von 10 und einen Gesamt-GdB von 40 seit Juli 2012 vorgeschlagen.
In der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2012 hat der Kläger das Teil-Anerkenntnis des Beklagten, den Bescheid vom 21.04.2004 abzuändern, den GdB mit 40 vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 sowie seit 19.07.2012 festzustellen und ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen zu tragen, angenommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts M. vom 18. März 2010 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 12. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2007 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 21. Juni 2004 über das angenommene Teil-Anerkenntnis hinaus weiter abzuändern und den Grad der Behinderung mit 50 seit 29. Januar 2007 festzustellen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Wegen des vom Kläger angenommenen und damit den Rechtsstreit insoweit erledigenden Teil-Anerkenntnisses des Beklagten, den Bescheid vom 21.04.2004 abzuändern, den GdB mit 40 vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 sowie seit 19.07.2012 festzustellen und ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klage- und Berufungsverfahren zu tragen, war nur noch über das mit Neufeststellungsantrag vom 29.01.2007 beantragte und darüber hinausgehende Begehren des Klägers zu entscheiden.
Beim Kläger liegen die Voraussetzungen weder für einen höheren GdB als 40 vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 noch für einen höheren GdB als 30 vom 22.07.2010 bis zum 18.07.2012 oder einen höheren GdB als 40 seit 19.07.2012 vor.
Die Abänderung von Verwaltungsakten wegen einer geltend gemachten Gesundheitsverschlechterung richtet sich nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).
Die Feststellung des GdB richtet sich nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist grundsätzlich die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene und seither mehrfach geänderte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden (siehe hierzu noch unten).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich beim Kläger kein höherer GdB als zuletzt von dem Beklagten in Auswertung des Gutachtens von Dr. H. anerkannt feststellen.
Zunächst bestand für den Senat angesichts des Umstandes, dass der Internist Prof. Dr. Dr. K. selbst einen regelmäßigen Sinusrhythmus bei konstanter Herzfrequenz ohne Anzeichen einer koronaren Herzkrankheit beschrieben hat, kein Anlass für eine weitere kardiologische Abklärung, wie von dem Sachverständigen angeregt, zu veranlassen. Denn es geht bei der Feststellung der begehrten Schwerbehinderteneigenschaft um tatsächlich vorliegende Funktionseinschränkungen, nicht hingegen um die Abklärung von Diagnosen (hier: Ausschluss eines stummen Herzinfarkts).
Für das Funktionssystem Stoffwechsel, innere Sekretion beträgt der Einzel-GdB 40 für die Zeit bis zum 21.07.2010 und 30 für die Zeit ab 22.07.2010.
Der Kläger leidet ausweislich der Befundberichte der Dr. G.-Y. und dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. K. an einem mit Insulin behandelten Diabetes mellitus Typ II mit aktenkundigen HbA1c-Werten zwischen 8,1 % am 09.09.2005, 11,1 % am 22.06.2006, 9,8 % am 05.01.2007, 11,0 % am 18.06.2007, 10,8 % am 22.01.2008 und 11,1 % am 27.08.2008. Nach der Anamnese des Prof. Dr. Dr. K. spritzt sich der Kläger wegen des Diabetes mellitus mittlerweile seit 22.07.2010 zweimal täglich Insulin und misst zweimal täglich Blutzucker.
Als Rechtsgrundlagen für die Feststellung des GdB sind im vorliegenden Fall - zunächst allgemein (formal) betrachtet - für die Zeit vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 die vorläufige Neufassung der AHP, Teil A, Nr. 26.15 gemäß Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit vom 22.09.2008 - IV C 3-48064-3 - unter Beachtung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ab 22.07.2010 die Regelung in den VG, Teil B, Nr. 15.1 in der Fassung vom 14.07.2010 heranzuziehen (zum Ganzen BSG, Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - juris).
Für die Zeit vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu berücksichtigen, dass die vorläufige Neufassung der AHP, Teil A, Nr. 26.15 unter Beachtung der höchstrichterlich dargelegten Grundsätze (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - juris) rückwirkend auf Sachverhalte anzuwenden ist, die vor deren Einführung durch das Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit vom 22.09.2008 - IV C 3-48064-3 - liegen (BSG, Urteil vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R - juris Rz. 15). Nach dieser vorläufigen Neufassung der AHP, Teil A, Nr. 26.15 beträgt bei Diabetes mellitus mit Diät allein (ohne blutzuckerregulierende Medikamente) eingestellt der GdB 0, mit Medikamenten, die die Hypoglykämieneigung nicht erhöhen, eingestellt der GdB 10, mit Medikamenten, die die Hypoglykämieneigung erhöhen, eingestellt der GdB 20, unter Insulintherapie, auch in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Medikamenten, je nach Stabilität der Stoffwechsellage (stabil oder mäßig schwankend) der GdB 30 bis 40 sowie unter Insulintherapie instabile Stoffwechsellage einschließlich gelegentlicher schwerer Hypoglykämien der GdB 50, wobei häufige, ausgeprägte oder schwere Hypoglykämien zusätzlich zu bewerten sind und schwere Hypoglykämien Unterzuckerungen sind, die eine ärztliche Hilfe erfordern.
Die am 01.01.2009 in Kraft getretene und im Wortlaut mit der vorläufigen Neufassung der AHP, Teil A, Nr. 26.15 identische Regelung in den VG, Teil B, Nr. 15.1 in der Fassung vom 10.12.2008 ist indes nicht zur GdB-Bewertung heranzuziehen, da sie den gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zwingend zu berücksichtigenden Therapieaufwand nicht erfasst und aus diesem Grund nichtig ist (BSG, Urteil vom 23.04.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris Rz. 30). Die Feststellung des GdB hatte bis zu einer im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben aus § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX stehenden Neufassung der Bestimmungen über den Diabetes mellitus nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - juris Rz. 40) zu erfolgen (BSG, Urteil vom 23.04.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris Rz. 31; zur Nicht-Rückwirkung von Änderungen der VG siehe Senatsurteil vom 19.04.2012 - L 6 SB 3345/10).
Die Regelung in den am 22.07.2010 in Kraft getretenen VG, Teil B, Nr. 15.1 in der Fassung vom 14.07.2010 ist mit den rechtlichen Vorgaben aus § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX vereinbar und für die Zeit ab 22.07.2010 anzuwenden (BSG, Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - juris Rz. 23 bis 28). Danach beträgt bei Diabetes mellitus bei an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind und auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung erleiden, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt, der GdB 0, bei an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind und die somit durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung erleiden, der GdB 20, bei an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind und somit je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung erleiden, der GdB 30 bis 40, bei an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind und somit auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung erleiden, wobei die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) dokumentiert sein müssen, der GdB 50, wobei außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen jeweils höhere GdB-Werte bedingen können.
Nach diesen rechtlichen Vorgaben liegt beim Kläger wegen des Diabetes mellitus ein Einzel-GdB von 40 für die Zeit vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 und von 30 für die Zeit ab 22.07.2010 vor.
Nach der vorliegend für die Zeit vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 anzuwendenden vorläufigen Neufassung der AHP, Teil A, Nr. 26.15 setzt ein GdB von 30 bis 40 eine unter Insulintherapie, auch in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Medikamenten, stabile oder mäßig schwankende Stoffwechsellage sowie ein GdB von 50 eine unter Insulintherapie instabile Stoffwechsellage einschließlich gelegentlicher schwerer Hypoglykämien voraus. Mithin ist wegen der von Dr. G.-Y. dokumentierten schwankenden Stoffwechsellage ein Einzel-GdB von 40 angemessen. Einen höheren Einzel-GdB von 50 rechtfertigende gelegentliche schwere Hypoglykämien sind vorliegend nicht dokumentiert.
Nach den für die Zeit ab 22.07.2010 anzuwendenden VG, Teil B, Nr. 15.1 in der Fassung vom 14.07.2010 setzt ein GdB von 30 bis 40 eine mindestens einmal tägliche Selbst-Überprüfung des Blutzuckers, eine weitere Beeinträchtigung durch Einschnitte in der Lebensführung und damit eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung sowie ein GdB von 50 eine mindestens viermal tägliche Insulininjektion voraus, wobei außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen jeweils höhere GdB-Werte bedingen können. Vorliegend hat Prof. Dr. Dr. K. in seinem Gutachten überzeugend dargelegt, dass über die zweimal täglichen Insulininjektionen und Blutzuckerüberprüfungen hinaus keine weiteren Einschränkungen bestehen und diese Einschnitte in der Lebensführung als leicht zu bezeichnen sind. Er hat daher zutreffend den Diabetes mellitus mit einem Einzel-GdB von 30 eingeschätzt, zumal er dargelegt hat, dass Hypoglykämien nicht dokumentiert sind.
Für das Funktionssystem Gehirn, einschließlich Psyche beträgt der Einzel-GdB 20 seit 19.07.2012.
Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 beträgt bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB 0 bis 20, stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (beispielsweise ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB 30 bis 40 sowie bei schweren Störungen (zum Beispiel schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 80 bis 100. Der Senat stützt sich auf die überzeugenden Ausführungen der Dr. H ... Sie hat schlüssig dargelegt, dass der Kläger an einer mittelgradigen Depression leidet, die eine reduzierte Belastbarkeit, eine depressive Stimmung, eine verringerte Ausdauer, ein Grübeln, einen zeitweisen sozialen Rückzug und eine reduzierte Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit bedingt. Vor dem Hintergrund dieser erstmals durch die gutachterliche Untersuchung am 19.07.2012 objektivierten Funktionseinschränkungen und dem von der Sachverständigen beschriebenen von einer Antriebsminderung geprägten Tagesablauf handelt es sich in Übereinstimmung mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 23.10.2012 um eine leichtere psychische Störung, die einen GdB von 20 rechtfertigt. Dieser GdB erfährt durch die diagnostizierte Polyneuropathie keine Erhöhung. Denn diese begründet nur einen GdB von 10. Nach den VG, Teil B, Nr. 3.11 ergeben sich bei den Polyneuropathien die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund motorischer Ausfälle (mit Muskelatrophien), sensibler Störungen oder Kombinationen von beiden. Dr. H. hat schlüssig und gut nachvollziehbar lediglich eine leichte beginnende Polyneuropathie mit zeitweiligen Schmerzen oder Missempfindungen in den Füßen ohne motorische Störungen beschrieben. Für die Richtigkeit ihrer Beurteilung spricht, dass es an dem typischen Hinweis auf Paresen fehlte, auch keine Muskelatrophie bei seitengleich auslösbaren Reflexen mit Ausnahme des ASR bestand und Stand, Gang sowie Blindgang ungestört waren. Eine weitere Abklärung war daher angesichts dieser ausführlichen Befunde und der nicht n der VG orientierten Bewertung von Prof. Dr. Dr. K. nicht erforderlich. Mithin ergibt sich insgesamt im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche ein Einzel-GdB von 20.
Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB 40 bis zum 21.07.2010 und 30 seit 22.07.2010 für das Funktionssystem Stoffwechsel, innere Sekretion, Einzel-GdB 20 seit 19.07.2012 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche) beträgt der Gesamt-GdB nicht mehr als 40 vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010, nicht mehr als 30 vom 22.07.2010 bis zum 18.07.2012 und nicht mehr als 40 seit 19.07.2012. Denn es waren für die Zeit vom 29.01.2007 bis zum 21.07.2010 ein Einzel-GdB-Wert von 40 (Diabetes mellitus), für die Zeit vom 22.07.2010 bis zum 18.07.2012 ein Einzel-GdB-Wert von 30 (Diabetes mellitus) sowie für die Zeit seit 19.07.2012 sich teilweise überschneidende Einzel-GdB-Werte von 30 (Diabetes mellitus) und 20 (Depression) zu berücksichtigen.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht in Bezug auf den noch streitbefangenem Teil der Berufung auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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