Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 2711/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4869/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.10.2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin. Der Streitwert für das Antrags- und Beschwerdeverfahren wird auf je 43.485,23 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 27.06.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.06.2012, mit welchem diese Gesamtsozialversicherungsbeiträge iHv insgesamt 86.970,47 EUR (einschließlich Säumniszuschläge iHv 11.280,00 EUR) für den Zeitraum vom 26.02.2007 bis 31.12.2009 festgesetzt hat.
Die Antragstellerin ist einzelkaufmännische Inhaberin einer Personalserviceagentur. Grundlage der Arbeitsverträge zwischen der Antragstellerin und den bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmern waren im streitgegenständlichen Zeitraum vom 26.02.2007 bis zum 31.12.2009 die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) und des Arbeitgeberverbandes mittelständischer Personaldienstleister eV (AMP).
Mit Schreiben vom 23.12.2010 wandte sich die Antragsgegnerin an die Antragsstellerin und teilte ua mit, dass sich angesichts der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte derzeit nicht mit letzter Sicherheit sagen lasse, wie die Frage der Rückwirkung der Entscheidung des BAG (14.12.2010, 1 ABR 19/10, BAGE 136, 302) auf Beitragsansprüche, die seit Januar 2006 fällig geworden seien, zu beantworten sei. Um Schaden von den Sozialversicherungen abzuwenden, sehe sie sich deshalb verpflichtet, fristwahrend die Ansprüche auf entgangene Gesamtsozialversicherungsbeiträge noch im Jahr 2010 geltend zu machen. Die Antragstellerin sei daher verpflichtet, selbständig unverzüglich zu überprüfen, welche Beitrags- und Meldepflichten im Nachgang zu diesem Urteil zu erfüllen seien. Es sei beabsichtigt, im Jahr 2011 eine Betriebsprüfung durchzuführen.
Im Zeitraum vom 08.07.2011 bis 18.05.2012 führte die Antragsgegnerin dann eine Betriebsprüfung durch; die von der Antragsgegnerin geforderte Vorlage bzw Einsicht ua in Unterlagen über alle Leiharbeitnehmer inklusive der Arbeitsverträge, Unterlagen der Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere Nachweise und Belege über die gezahlten Arbeitsentgelte vergleichbarer Stammarbeitnehmer bei den Entleihern, eine Liste aller Entleihfirmen inklusive vollständiger Anschrift, Debitorenliste inklusive der Rechnungsbelege verweigerte die Antragstellerin.
Im Verlauf der Vorbereitung bzw der Durchführung der Betriebsprüfung teilte die Antragstellerin zunächst mit Schreiben vom 05.01.2011 mit, seit dem 26.02.2007 würden die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft CGZP angewandt; sie sei bereit der Antragsgegnerin Zugang zu sämtlichen Arbeitnehmerüberlassungsverträgen aus den Jahren 2007 bis 2009 zu verschaffen, aus denen Kundenbeziehungen, Daten zur Art und Dauer der Beschäftigung ihrer Mitarbeiter sowie deren Beschäftigungsort entnommen werden könnten. Mit Schreiben vom 21.07.2011 ließ die Antragstellerin dann ua mitteilen, dass sie sich einer Betriebsprüfung gemäß § 28p SGB IV nicht entgegenstelle, aber darüber hinausgehende Verpflichtungen zur Prüfhilfe ebenso ablehne wie Verpflichtungen Beitragsnachzahlungen gemäß § 28e SGB IV zu erbringen oder Entgeltmeldungen nach § 28a SGB IV abzugeben sowie korrigierte Lohnnachweise einzureichen. Auch mit Schreiben vom 19.10.2011 ließ sie ausführen, einer regulären Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV nicht entgegentreten zu wollen; der Zugang zu sämtlichen Verträgen zwischen Verleiher und Entleiher werde aber verwehrt, da hierfür jegliche Rechtsgrundlage fehle. Erneut lehnte die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.11.2011 die Vorlage der Unterlagen sämtlicher Leiharbeitnehmer einschließlich der Arbeitsverträge, der Arbeitnehmerüberlassungsverträge und Nachweise und Belege über die gezahlten Arbeitsentgelte vergleichbarer Stammarbeitnehmer bei den Entleihern ab.
Die Antragsgegnerin wies mit Schreiben vom 28.10.2011 und vom 25.11.2011 erneut darauf hin, dass die besonderen Umstände, die durch die Tarifunfähigkeit der CGZP entstanden seien, es notwendig machten, eine gesonderte Prüfung auf Einhaltung der equal-pay-Ansprüche der Arbeitnehmer der Antragstellerin für die Zeit ab dem 26.02.2007 durchzuführen. Es wurde erneut Gelegenheit gegeben, Einsicht in die für die CGZP-Prüfung notwendigen Geschäftsunterlagen (ua Unterlagen über alle Leiharbeitnehmer inklusive der Arbeitsverträge, Unterlagen der Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere Nachweise und Belege über die gezahlten Arbeitsentgelte vergleichbarer Stammarbeitnehmer bei den Entleihern, eine Liste aller Entleihfirmen inklusive vollständiger Anschrift, Debitorenliste inklusive der Rechnungsbelege) zu gewähren. Zugleich wies die Antragsgegnerin unter Fristsetzung darauf hin, dass sie danach gezwungen sei, nach § 28f Abs 2 Satz 3 SGB IV die Höhe der Arbeitsentgelte zu schätzen. Im Schreiben vom 25.11.2011 wurde auch auf die Erhebung von Säumniszuschlägen hingewiesen.
Auf die Ankündigung der Betriebsprüfung hin ließ die Antragstellerin ausführen, sie sehe keinen Anlass für eine sog CGZP-Betriebsprüfung und auch keinen Anhaltspunkt für entsprechende Beitragsnachforderungen und ließ erneut mit Schreiben vom 07.05.2012 die Durchführung einer CGZP-Prüfung ablehnen.
Die Antragsgegnerin hörte die Antragstellerin mit Schreiben vom 18.05.2012 zur Schätzung der Entgelte sowie zur Festsetzung einer Beitragsnachforderung sowie von Säumniszuschlägen an. Hierauf teilte die Antragstellerin ua mit, Nachforderungen für den Zeitraum 26.02.2007 bis 31.12.2009 bestünden weder dem Grunde noch der Höhe nach. Dabei berief sie sich auch auf das verfassungsrechtlich garantierte Rückwirkungsverbot und auf Vertrauensschutz.
Mit Bescheid vom 19.06.2012 stellte die Antragsgegnerin fest, aufgrund der in der Zeit vom 08.07.2011 bis 18.05.2012 durchgeführten Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 26.02.2007 bis 31.12.2009 ergebe sich eine Nachforderung iHV 86.970,47 EUR. Darin sind Säumniszuschläge iHv 11.280,00 EUR für die Zeit vom 01.02.2011 bis zum 30.04.2012 enthalten. Nach der stichprobenweise durchgeführten Prüfung ergäben sich Beitragsansprüche aufgrund der Unwirksamkeit des angewandten Tarifvertrages und des daraus resultierenden equal-pay-Anspruchs der betroffenen Beschäftigten (§ 10 Abs 4 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) iVm § 22 SGB IV). Die Entscheidung des BAG zur Tarifunfähigkeit der CGZP habe die Unwirksamkeit der geschlossenen Tarifverträge zur Folge. Beitragsbemessungsgrundlage für die Berechnung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge sei damit der Arbeitsentgeltanspruch eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers in dem Entleihbetrieb nach § 10 Abs 4 AÜG. Es seien Beiträge zur Sozialversicherung auf der Grundlage der Differenz zwischen dem gemeldeten und dem, dem Beitragsanspruch zugrunde gelegten Arbeitsentgelt und dem vergleichbaren Arbeitsentgelt eines Stammarbeitnehmers in dem jeweiligen Entleihbetrieb und Überlassungszeitraum für jeden Leiharbeitnehmer individuell nachzuerheben. Nach § 28f Abs 2 Satz 3 SGB IV könne der Rentenversicherungsträger die Höhe der Arbeitsentgelte schätzen, wenn diese nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermittelt werden könnten. Der Lohnabstand zwischen den Arbeitsentgelten der bei der Antragstellerin beschäftigten Leiharbeitnehmer und dem equal-pay-Anspruch betrage 24 %. Dieser Lohnabstand werde der Schätzung der Arbeitsentgelte zugrunde gelegt.
Am 28.06.2012 (Eingang, Schreiben vom 27.06.2012) erhob die Antragstellerin hiergegen Widerspruch und beantragte mit Schreiben vom 25.07.2012, bei der Antragsgegnerin am 27.07.2012 eingegangen, die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Die Antragsgegnerin lehnte mit Schreiben vom 03.08.2012 die Aussetzung der sofortigen Vollziehung ab.
Beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat die Antragstellerin am 27.07.2012 beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Bereits aufgrund der notwendigen Klärung schwieriger Rechtsfragen sei die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Insbesondere stehe den geltend gemachten Nachforderungen der Grundsatz des sozialrechtlichen Vertrauensschutzes und das verfassungsrechtlich garantierte Rückwirkungsverbot entgegen, da der Nachforderungszeitraum die Vergangenheit betreffe, in der die Rechnungslegung durch die Antragsstellerin bereits erfolgt sei. Mangels einer entgegenstehenden höchstrichterlichen Entscheidung und ohne evidente Anhaltspunkte habe sie im Nachforderungszeitraum davon ausgehen können, dass die am Tarifvertrag beteiligten Organisationen tariffähig seien. Eine Änderung dieser Rechtslage sei erst durch die Entscheidung des BAG vom 14.12.2010, die konstitutiv wirke, eingetreten. Bis dahin sei auch die Anwendung der durch die Tarifgemeinschaft CGZP abgeschlossenen Tarifverträge von staatlichen Stellen geduldet und zum Teil auch ausdrücklich empfohlen worden. Dies habe auch die Antragsgegnerin bis zur Entscheidung des BAG nicht moniert. Im Übrigen seien die geltend gemachten Nachforderungsansprüche noch gar nicht entstanden. Die equal-pay-Ansprüche, die einen Beschluss über die Tarifunfähigkeit zwingend voraussetzten, entstünden aufgrund der konstitutiven Wirkung des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 erst ab diesem Datum. Ausgehend von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV entstünden die Beitragsansprüche erst, sobald das Arbeitsentgelt durch den Arbeitgeber - hier die Antragstellerin - ausgezahlt werde. Eine derartige Auszahlung sei jedoch bislang noch nicht erfolgt. Die geltend gemachten Nachforderungen seien auch der Höhe nach nicht berechtigt. Das der Berechnung der Nachforderung zugrunde gelegte Lohndifferenzial von 24 % unter Heranziehung der Studie "Lohndifferenzial Zeitarbeit" sei nicht hinreichend belegt.
Die Antragsgegnerin hat gegenüber dem SG vorgetragen, das BAG habe bereits im Jahr 2006 klargestellt, dass der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung nicht geschützt sei. Angesichts des Umstandes, dass die Tariffähigkeit der CGZP bereits seit langem umstritten gewesen sei und seit dem Jahre 2003 eine Vielzahl von Klagen vor den Arbeitsgerichten zu dieser Problematik anhängig gewesen sei, sei davon auszugehen, dass die Verwender dieser Tarifverträge sich dieser Problematik bewusst gewesen seien und sich Zweifel an der Tariffähigkeit der CGZP aufgedrängt hätten. Der Umstand, dass die streitige Frage höchstrichterlich noch nicht entschieden worden sei, könne daher nicht als Grundlage eines Vertrauensschutzes gegen die Nachforderung des Sozialversicherungsträgers genommen werden. Des Weiteren fehle es an einem bestimmten Verhalten der Rentenversicherungsträger, das Grundlage für ein Vertrauen sein könnte. Im Übrigen sei eine personenbezogene Berechnung der Beitragsnachforderung nicht möglich gewesen, da die Antragstellerin trotz mehrerer Aufforderungen die im Prüfungsanmeldungsschreiben vom 25.l1.2011 angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt habe. Equal-pay-Ansprüche seien daher nicht zu ermitteln gewesen. Der pauschale Aufschlag von 24% sei demnach gerechtfertigt. Er richte sich nach der Studie "Lohndifferenzial Zeitarbeit" vom 14.04.2011 des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen (IAB), wonach die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben 22 % betrage. Der im Vergleich zum Gutachten zugrunde gelegte höhere Prozentsatz trage der Tatsache Rechnung, dass das Gutachten nicht exakt die hier vorliegende Konstellation beschreibe, sondern sich auf sämtliche und nicht nur nach CGZP-Tarifen entlohnte Leiharbeitnehmer beziehe sowie als Leiharbeitnehmer auch festangestellte Mitarbeiter von Leiharbeitsfirmen verstehe.
Das SG hat mit Beschluss vom 19.10.2012 den Antrag abgelehnt. Es bestünden nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 19.06.2012. Die von der Antragstellerin für den streitigen Zeitraum zu entrichtenden Beiträge seien nach dem Arbeitsentgelt zu berechnen, das vergleichbaren Arbeitnehmern in den Betrieben der jeweiligen Entleiher gezahlt werde (§ 10 Abs 4 AÜG - equal-pay-Prinzip). Diese nach dem equal-pay-Prinzip entstandenen Beitragsansprüche seien auch unabhängig davon entstanden, ob die geschuldeten Arbeitsentgelte den Arbeitnehmern tatsächlich zugeflossen seien. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei das Zuflussprinzip auch nicht aufgrund § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV anwendbar. Auch stünden der Beitragsforderung keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach Beiträge für bestimmte Arbeitnehmerbezüge abzuführen seien, die nach bisheriger Rechtsprechung beitragsfrei gewesen seien, sei zwar aus Gründen des Vertrauensschutzes für den Arbeitgeber grundsätzlich nicht rückwirkend anzuwenden. Eine solche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei vorliegend jedoch nicht gegeben, denn mit der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 sei erstmals festgelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Spitzenorganisation iSd Tarifvertragsgesetzes tariffähig sei. Fehlten also ältere höchstrichterliche Entscheidungen, die die Tariffähigkeit der CGZP bejaht hatten bzw unter gleichen Voraussetzungen die Tariffähigkeit einer Spitzenorganisation iSd Tarifvertragsgesetzes bejaht hatten, dann stelle die Entscheidung des BAG keine Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere nicht zum Beitragsrecht - dar. Im Übrigen werde der gute Glaube an die Wirksamkeit eines Tarifvertrages grundsätzlich nicht geschützt. Der Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP zu in der Vergangenheit liegenden Zeiträumen stehe auch nicht das Verbot der echten Rückwirkung bzw das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes entgegen. Die Beitragsansprüche seien auch nicht verjährt. Der Ablauf der Verjährung sei durch den Beginn der Betriebsprüfung am 08.07.2011 bis zu deren Abschluss am 19.06.2012 gehemmt worden, so dass bei Erlass des Beitragsbescheides am 19.06.2012 die Verjährungsfrist für diese Ansprüche sowie auch für die Ansprüche für die Zeit vom 01.01.2008 bis 31.12.2009 noch offen gewesen sei. Es bestünden auch keine ernsthaften Bedenken gegen die Geltendmachung der Beitragsnachforderung durch einen Summenbescheid auf der Basis einer Schätzung des equal-pay-Lohnes. Die Aufzeichnungspflichten umfassten gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 Nr 11 Beitragsverfahrensordnung nicht nur das gezahlte, sondern auch das beitragspflichtige Arbeitsentgelt und damit auch den equal-pay-Lohn. Da die Antragstellerin nicht diesen beitragspflichtigen equal-pay-Lohn ihren Meldungen zugrunde gelegt habe, sei sie ihrer Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Im Rahmen des § 28f Abs 2 Satz 2 SGB IV sei allein entscheidend, ob eine objektive Verletzung der Aufzeichnungspflicht vorliege; auf ein Verschulden komme es nicht an. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin als Grundlage der Schätzung eine im Internet abrufbare Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen (IAB) "Lohndifferenzial Zeitarbeit" zugrunde gelegt habe, in der aufgrund allgemeiner Ermittlungen festgestellt worden sei, dass die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben 22 % betrage. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Erhöhung um 2% sei vor dem Hintergrund, dass die Studie nicht exakt die vorliegende Fallkonstellation abbilde, gerechtfertigt.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 25.10.2012 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am Montag, den 26.11.2012 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Beschwerde eingelegt. Der Rechtsstreit erfordere die Klärung mehrerer Rechtsfragen, die in der Rechtsprechung und in der Literatur kontrovers diskutiert würden. Von Bedeutung sei insbesondere, wann die Beitragsansprüche entstanden seien, ob insoweit § 22 Abs 1, 1. Alt SGB IV oder § 22 Abs 1, 2. Alt SGB IV anzuwenden sei. Insoweit seien nämlich die Zahlungsansprüche noch gar nicht entstanden, denn die Entscheidung des BAG wirke konstitutiv und nicht für die Vergangenheit. Bis zur Entscheidung des BAG seien alle Parteien des Tarifvertrages, auch die Arbeitnehmer an den Tarifvertrag gebunden gewesen und hätten keine höheren Lohnansprüche geltend machen können. Des Weiteren stünden Vertrauensschutzgesichtspunkte der Beitragserhebung entgegen. Denn insoweit habe weder die Antragsgegnerin noch die den Betrieb prüfende Bundesagentur für Arbeit etwas an der Anwendung der Tarifverträge auszusetzen gehabt. Auch sei die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsvertrag zu beachten. Darüber hinaus habe sie auch ihre Aufzeichnungsobliegenheiten nicht verletzt, weshalb die Antragsgegnerin die Beitragssumme nicht habe schätzen dürfen. Auch setze eine ordnungsgemäße Schätzung voraus, dass überhaupt eine ordnungsgemäße Schätzgrundlage vorhanden sei. Diese könne nicht in der von der Antragsgegnerin herangezogenen Studie des IAB gesehen werden, denn diese weise selbst darauf hin, dass ein Vergleich zwischen Leiharbeitnehmern und Stammbelegschaft nicht möglich sei. Auch habe ein equal-pay-Anspruch für einzelne Mitarbeiter nicht errechnet werden dürfen, da diese nicht verliehen worden seien, sondern im Betrieb der Antragstellerin tätig gewesen seien.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.10.2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 27.06.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.06.2012 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Feststellungen des BAG hätten nur feststellende, keine rechtsbegründende Wirkung. Auch gelte im Beitragsrecht das Entstehungsprinzip, wonach Beitragsansprüche entstünden, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorlägen. Bemessungsgrundlage sei daher das geschuldete Entgelt. Die Leiharbeitnehmer hätten während ihrer Tätigkeit equal-pay-Ansprüche erworben, die sich einzelnen Entgeltabrechnungszeiträumen zuordnen ließen. Auch habe sie die Schätzung zu Recht vorgenommen. Da die der Schätzung zugrundeliegende Studie als Leiharbeitnehmer auch solche verstehe, die bei Leiharbeitsfirmen festangestellt seien (zB in der Personalabteilung der Leiharbeitsfirma), habe sie auch für diese Personen das Entgelt schätzen dürfen. Ein Vergleichslohn für jeden Beschäftigten habe auch deshalb nicht ermittelt werden können, weil die Antragstellerin hierzu keine Unterlagen vorgelegt habe. Auch habe der Gesetzgeber den equal-pay-Anspruch nicht an das Vorhandensein von Vergleichsarbeitnehmer im Entleihbetrieb geknüpft. Könnten Arbeitsentgelte von Leiharbeitnehmern auch unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten beim Arbeitgeber nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden, würden die vom Verleiher tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte dieser Leiharbeitnehmer pauschal um einen feststehenden Prozentsatz erhöht. Dies seien nach dem von ihr angewandten Stufenmodell unter Berücksichtigung der Studie des IAB 24 %. Es spreche einiges dafür, dass der Unterschied in der durchschnittlichen Entlohnung von Stammbelegschaft der Entleiher und Leiharbeitnehmern, die nach CGZP-Tarifen entlohnt worden seien, höher ausfalle, als die in der Studie angenommenen 22 %, weshalb ein Prozentsatz von 24 % zugrunde gelegt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig aber unbegründet.
Die gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG in der seit 11.08.2010 geltenden Fassung des Art 6 Drittes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05.08.2010 (BGBl I S 1127) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung nicht unzulässig, da sich die Antragstellerin gegen die Festsetzung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschläge iHv 86.970,47 EUR wendet (Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.06.2012).
Der von der Antragstellerin erhobene Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.06.2012 hat nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach Abs 1 des mit Wirkung vom 02.01.2002 durch Art 1 Nr 35 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.08.2001 (BGBl I S 2144) eingefügten § 86a SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs 2 Nr 1 SGG entfällt jedoch - wie vorliegend - die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache aber auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Wirkung der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs tritt rückwirkend ab Erlass des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides ein und endet in den Fällen, in denen Klage erhoben wird, erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Hauptsacheentscheidung (Beschlüsse des Senats vom 11.05.2011, L 11 R 1075/11 ER-B, 11.05.2010, L 11 KR 1125/10 ER-B, juris; vgl auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 86b RdNr 19).
Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage aufgrund von § 86b Abs 1 Nr 2 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (Beschluss des Senats vom 06.05.2010, L 11 R 1806/10 ER-B). Dabei sind auch stets die Maßstäbe des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Beitragsstreitigkeiten ernstliche Zweifel in Sinne des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG nur dann vorliegen, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl Beschluss vom 28.06.2010, L 11 R 1903/10 ER-B, nv). Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch ungeklärten Verhältnisse eine Vollziehung häufig nicht durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger beeinträchtigen könnte (LSG Nordrhein-Westfalen 01.07.2004, L 5 B 2/04 KR ER mwN, juris). Insoweit müssen erhebliche Gründe für ein Obsiegen in der Hauptsache sprechen, damit die in § 86a Abs 2 Nr 1 SGG vorgenommene gesetzliche Risikoverteilung geändert werden kann. Solche erheblichen Gründe liegen hier nicht vor.
Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides ist § 28p Abs 1 und 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV erfüllen und erlassen im Rahmen dessen Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in den einzelnen Sozialversicherungszweigen. Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 SGB V, § 174 Abs 1 SGB VI sowie § 60 Abs 1 Satz 2 SGB XI die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§ 1 Abs 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs 2 SGB III auch für die Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Arbeitsentgelt gelten gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Um das Bestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht sowie ggf die Höhe der zu entrichtenden Beiträge feststellen zu können, war es schon immer eine selbstverständliche Pflicht des Arbeitgebers, hierüber geeignete Aufzeichnungen anzufertigen. Diese Pflicht ist seit 1989 ausdrücklich in § 28f Abs 1 Satz 1 SGB V normiert (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 28f SGB IV RdNr 3).
Seit 01.01.2003 haben Leiharbeitnehmer Anspruch auf Arbeitsentgelt in gleicher Höhe wie vergleichbare Stammarbeitnehmer der Entleihbetriebe. Dies folgt aus §§ 3 Abs 1 Nr 3, 9 Nr 2 AÜG. Abweichende Regelungen können nur in einem Tarifvertrag getroffen werden. Ist ein solcher Tarifvertrag jedoch unwirksam, kann der Leiharbeitnehmer nach § 10 Abs 4 AÜG vom Verleiher die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen. Die Voraussetzungen des § 10 Abs 4 AÜG sind hier erfüllt. Mitglieder des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) gründeten im Dezember 2002 die CGZP. Diese schloss im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung zahlreiche Haus- und Flächentarifverträge ab, die eine Abweichung vom Grundsatz des "equal pay" ermöglichten (Segebrecht in jurisPR-SozR 13/2011 Anm 1). Mit Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10, BAGE 136,302) stellte das BAG jedoch fest, dass die CGZP nicht tariffähig ist. Dies gilt auch für den vorliegend streitigen Zeitraum (BAG 23.05.2012, 1 AZB 58/11, das den Geltungszeitraum der Tarifverträge vom 11.12.2002 und vom 05.12.2005 zu beurteilen hatte) und hat zur Folge, dass die Antragstellerin den betroffenen Arbeitnehmern noch die Differenz des im (unwirksamen) Tarifvertrag vereinbarten Entgelts und dem Entgelt, auf das ein vergleichbarer Arbeitnehmer der Entleihbetriebe Anspruch hatte, schuldete bzw soweit sie diese Ansprüche noch nicht erfüllt hat, noch schuldet (dazu vgl den Beschluss des Senats vom 19.11.2012, L 11 R 3954/12 ER-B, juris). Auch kann nicht mittels des Rechtsgedankens des fehlerhaften Arbeitsvertrag angenommen werden, dass vom Bestand des Tarifvertrages für die Vergangenheit auszugehen wäre (so aber LSG Schleswig-Holstein 20.04.2012, L 5 KR 9/12 B ER, juris), denn die dort zugrunde liegende Situation eines (Entgelt)Ausgleichs innerhalb eines rechtlich unwirksamen, faktisch bestehenden Dauerschuldverhältnisses ist mit der vorliegend bedeutsamen Frage, ob Beitragsansprüche entstanden sind, nicht vergleichbar (so auch LSG Niedersachsen-Bremen 22.10.2012, L 4 KR 316/12 B ER, juris).
Diese Entgeltansprüche wiederum begründen auch Beitragsansprüche der Antragsgegnerin (dazu vgl Senatsbeschluss vom 19.11.2012, L 11 R 3954/12 ER-B, aaO). Denn die Beitragsansprüche bemessen sich gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB IV nach dem geschuldeten und nicht nach dem tatsächlich gezahlten Entgelt, da es sich um Ansprüche auf laufend gezahltes Entgelt handelt (Senatsbeschluss vom 19.11.2012, L 11 R 3954/12 ER-B, aaO, Segebrecht aaO). Deshalb ist unerheblich, ob die Leiharbeitnehmer diese Entgeltansprüche geltend machen oder geltend machen können. Auch ist insoweit unerheblich, ob der Arbeitgeber noch zu einem Beitragsabzug vom Entgelt des Beschäftigten befugt ist (dazu vgl § 28g Satz 2 und 3 SGB IV). Im Beitragsrecht des Sozialgesetzbuches gilt grundsätzlich das sogenannte Entstehungsprinzip und - anders als im Steuerrecht - nicht das Zuflussprinzip (ständige Rspr, zB BSG 30.08.1994, 12 RK 59/92, juris; Urteil des Senats vom 16.08.2011, L 11 R 6067/09, juris; LSG Baden-Württemberg 27.03.2009, L 4 KR 1833/07, juris).
Der Bescheid der Beklagten vom 19.06.2012 ist auch nicht schon deswegen offensichtlich rechtswidrig, weil die Beklagte nicht berechtigt gewesen wäre, die Höhe des Arbeitsentgelts zu schätzen. Nach § 28f Abs 2 Satz 1 SGB IV kann der Rentenversicherungsträger im Rahmen einer Betriebsprüfung den Gesamtsozialversicherungsbeitrag von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Entgelte geltend machen. Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen (§ 28f Abs 2 Satz 3 SGB IV). Zwar ist Grundvoraussetzung eines Vorgehens nach § 28f Abs 2 SGB IV, dass der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden kann. Diese Voraussetzung der Verletzung der Aufzeichnungspflicht gilt nicht nur für den in Satz 1 der Vorschrift geregelten so genannten Lohnsummenbescheid, sondern ist auch Voraussetzung für die Schätzungsbefugnis des Satzes 3 (Senatsbeschluss vom 19.11.2012, L 11 R 3954/12 ER-B, aaO; LSG Rheinland-Pfalz 14.08.2012, L 6 R 223/12 B ER; LSG Schleswig - Holstein, 20.4.2012, L 5 KR 9/12 B ER mwN - beide veröffentlicht in juris).
Anders als in dem vom Senat mit Beschluss vom 19.11.2012 (L 11 R 3954/12 ER-B, aaO) entschiedenen Fall, in dem die Antragsgegnerin das beitragspflichtige Arbeitsentgelts nur deshalb nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand ermitteln konnte, weil aus den dort vorgelegten Unterlagen (Verträge zwischen der dortigen Antragstellerin und den Entleihunternehmen) nicht ersichtlich war, welche im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts galten, hat die Antragstellerin vorliegend schon die Einsicht in diese Unterlagen verweigert, obwohl sie dazu verpflichtet ist. Auch in der Weigerung, die für eine Betriebsprüfung notwendigen Unterlagen vorzulegen, liegt eine Verletzung der Aufzeichnungspflicht des § 28f Abs 1 Satz 1 SGB IV. Die Aufzeichnungspflicht soll sicherstellen, dass sowohl die Versicherungs- und Beitragspflicht als auch die Beitragshöhe nachträglich geprüft werden können. Es macht für die Durchführung einer nachträglichen Prüfung keinen Unterschied, ob Entgeltunterlagen gar nicht geführt werden oder die geführten Unterlagen nicht vorgelegt werden. In beiden Fällen ist eine vollständige Prüfung nicht möglich.
Rechtsgrundlage für Verpflichtungen der Antragstellerin ist § 28p Abs 1 SGB IV, der die Ausformung des in § 98 Abs 1 Satz 3 SGB X enthaltenen Grundsatzes der Pflicht zur Vorlage von Unterlagen durch den Arbeitgeber und die Duldung von Prüfungen enthält. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und die Meldungen (§ 28a SGB IV). Die Arbeitgeber sind verpflichtet, dabei angemessene Prüfhilfen zu leisten. Der Begriff der Angemessenheit wird in der nach § 28p Abs 9 SGB IV ergangenen Beitragsverfahrensordnung (BVV) konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber zB zur Prüfung der Vollständigkeit der Entgeltabrechnung für jeden Abrechnungszeitraum ein Verzeichnis aller Beschäftigten in der Sortierfolge der Entgeltunterlagen mit im Einzelnen benannten Angaben und nach Einzugsstellen getrennt zu erfassen und lesbar zur Verfügung zu stellen (§ 9 BVV; vgl hierzu Beschluss des Senats vom 20.09.2012, L 11 R 2785/12 ER-B, juris).
Unter Anwendung dieser Rechtsgrundlage ist die Antragstellerin im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV verpflichtet, angemessene Hilfe zur Durchführung der Prüfung zu leisten. Die Antragsgegnerin hat dabei den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit in zulässiger Weise konkretisiert. Die geforderte Prüfhilfe durch Einsicht bzw Vorlage von Unterlagen über alle Leiharbeitnehmer inklusive der Arbeitsverträge, Unterlagen der Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere Nachweise und Belege über die gezahlten Arbeitsentgelte vergleichbarer Stammarbeitnehmer bei den Entleihern, eine Liste aller Entleihfirmen inklusive vollständiger Anschrift, Debitorenliste inklusive der Rechnungsbelege dient der Überprüfung der Beitragspflichten der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Feststellung der beitragsrechtlichen Folgen der Rechtsprechung des BAG zu den Tarifverträgen der CGZP und damit dem Zweck der Betriebsprüfung. Der Antragstellerin ist es auch möglich und zumutbar, die geforderten Unterlagen vorzulegen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob sich aus den Angaben der Antragstellerin eine Beitragspflicht im Ergebnis ergeben wird.
Der Vortrag der Antragstellerin, dass einzelne Beschäftigte nicht entliehen, sondern in ihrem Betrieb selbst beschäftigt worden seien, begründet noch keine ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides. Der Antragstellerin steht es nicht frei, die für eine Betriebsprüfung notwendigen Unterlagen zurückzuhalten und sie je nach der aktuellen prozessualen Situation nur selektiv vorzulegen. Im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung genügt zunächst die Feststellung, dass die Antragstellerin bei der Betriebsprüfung nicht alle von der Antragsgegnerin geforderten Entgeltunterlagen vorgelegt hat. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Antragstellerin für die von ihr erwähnten Arbeitnehmer Angaben macht, wie sie von § 28a SGB IV für eine Meldung verlangt werden.
Mangels anderweitiger Grundlagen und Anhaltspunkte durfte die Antragsgegnerin die Entgelte der Beschäftigten der Antragstellerin im streitigen Zeitraum auf Basis der Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen (IAB) "Lohndifferenzial-Zeitarbeit" schätzen, in der aufgrund allgemeiner Ermittlungen festgestellt worden ist, dass die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben 22 % beträgt. Die Antragsgegnerin ist unter Berücksichtigung individueller Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass, bezogen auf den Betrieb der Antragstellerin, von einer durchschnittlichen Differenz zwischen den gezahlten Arbeitsentgelten und den Ansprüchen der Stammarbeitnehmer in den Entleihbetrieben iHv insgesamt 24 % auszugehen sei. Dabei hat die Antragsgegnerin individuelle Besonderheiten der Antragstellerin berücksichtigt. Dass die Antragstellerin überdurchschnittlich bzw übertariflich entlohnt hat, konnte nicht festgestellt werden.
Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen der Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin nicht entgegen. Der gute Glaube an die Wirksamkeit eines Tarifvertrages, namentlich an die Tariffähigkeit einer Vereinigung, wird grundsätzlich nicht geschützt (BAG 15.11.2006, 10 AZR 665/05, NZA 2007, 448 = juris RdNr 23). Der Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP zu in der Vergangenheit liegenden Zeiträumen steht auch nicht das Verbot der echten Rückwirkung von Rechtsfolgen auf einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt bzw das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes entgegen. Die Rechtsprechung, wonach ein Arbeitgeber sich bis zur Mitteilung einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Einzugsstelle auf die bisherige Rechtsprechung verlassen darf (BSG 18.11.1980, 12 RK 59/79, SozR 2200 § 1399 Nr 13), lässt sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn es gab vor dem 14.12.2010 weder eine sozial- noch eine arbeitsgerichtliche höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach die CGZP als tariffähig anzusehen war (zum Ganzen LSG Nordrhein-Westfalen 25.06.2012, L 8 R 382/12 B ER, juris mwN).
Die Beitragsnachforderung ist auch nicht verjährt. Nach § 25 Abs 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge grundsätzlich in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Der Lauf der Verjährungsfrist für die im Jahr 2007 fällig gewordenen Beitragsansprüche (§ 23 SGB IV) wurde durch die vom 08.07.2011 bis zum 19.06.2012 dauernde Betriebsprüfung gehemmt (§ 25 Abs 2 Satz 2 SGB IV), so dass bei Erlass des Beitragsbescheides am 19.06.2012 noch keine Verjährung eingetreten war.
Auch die aus den geschätzten Entgelten abgeleitete Festsetzung der Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und der Säumniszuschläge erscheint nach derzeitigem Stand nicht als offensichtlich rechtswidrig.
Damit ist nach derzeitigem Stand ein Obsiegen der Antragstellerin nicht wahrscheinlicher als ein Unterliegen; ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen nicht. Solche ergeben sich auch nicht daraus, dass im Widerspruchsverfahren die Klärung schwieriger Rechtsfragen erforderlich sein könnte (aA Schleswig-Holsteinisches LSG 20.04.2012, L 5 KR 9/12 B ER, juris) oder die Rechtsfragen kontrovers diskutiert werden. Die Antragstellerin hat nicht substantiiert dargetan, dass die Vollziehung des Beitragsbescheides für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte darstellt. Der Umstand, dass die Befugnis der Antragsgegnerin, die Höhe des geschuldeten Arbeitsentgelts zu schätzen, auf einer mangelnden Mitwirkung der Antragstellerin im Prüfverfahren beruht, würde der Annahme einer unbilligen Härte ohnehin entgegenstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird nach § 197 a SGG iVm §§ 63 Abs 1, 52 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) entsprechend der ständigen Praxis des Senats auf die Hälfte der streitigen Beitragsforderung - vorliegend also 1/2 aus 86.970,47 EUR, mithin 43.485,23 EUR - festgesetzt. Dieser Streitwert wird auch für die 1. Instanz, die im angefochtenen Beschluss einen Streitwert nicht festgesetzt hatte, festgesetzt (entsprechend § 63 Abs 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin. Der Streitwert für das Antrags- und Beschwerdeverfahren wird auf je 43.485,23 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 27.06.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.06.2012, mit welchem diese Gesamtsozialversicherungsbeiträge iHv insgesamt 86.970,47 EUR (einschließlich Säumniszuschläge iHv 11.280,00 EUR) für den Zeitraum vom 26.02.2007 bis 31.12.2009 festgesetzt hat.
Die Antragstellerin ist einzelkaufmännische Inhaberin einer Personalserviceagentur. Grundlage der Arbeitsverträge zwischen der Antragstellerin und den bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmern waren im streitgegenständlichen Zeitraum vom 26.02.2007 bis zum 31.12.2009 die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) und des Arbeitgeberverbandes mittelständischer Personaldienstleister eV (AMP).
Mit Schreiben vom 23.12.2010 wandte sich die Antragsgegnerin an die Antragsstellerin und teilte ua mit, dass sich angesichts der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte derzeit nicht mit letzter Sicherheit sagen lasse, wie die Frage der Rückwirkung der Entscheidung des BAG (14.12.2010, 1 ABR 19/10, BAGE 136, 302) auf Beitragsansprüche, die seit Januar 2006 fällig geworden seien, zu beantworten sei. Um Schaden von den Sozialversicherungen abzuwenden, sehe sie sich deshalb verpflichtet, fristwahrend die Ansprüche auf entgangene Gesamtsozialversicherungsbeiträge noch im Jahr 2010 geltend zu machen. Die Antragstellerin sei daher verpflichtet, selbständig unverzüglich zu überprüfen, welche Beitrags- und Meldepflichten im Nachgang zu diesem Urteil zu erfüllen seien. Es sei beabsichtigt, im Jahr 2011 eine Betriebsprüfung durchzuführen.
Im Zeitraum vom 08.07.2011 bis 18.05.2012 führte die Antragsgegnerin dann eine Betriebsprüfung durch; die von der Antragsgegnerin geforderte Vorlage bzw Einsicht ua in Unterlagen über alle Leiharbeitnehmer inklusive der Arbeitsverträge, Unterlagen der Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere Nachweise und Belege über die gezahlten Arbeitsentgelte vergleichbarer Stammarbeitnehmer bei den Entleihern, eine Liste aller Entleihfirmen inklusive vollständiger Anschrift, Debitorenliste inklusive der Rechnungsbelege verweigerte die Antragstellerin.
Im Verlauf der Vorbereitung bzw der Durchführung der Betriebsprüfung teilte die Antragstellerin zunächst mit Schreiben vom 05.01.2011 mit, seit dem 26.02.2007 würden die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft CGZP angewandt; sie sei bereit der Antragsgegnerin Zugang zu sämtlichen Arbeitnehmerüberlassungsverträgen aus den Jahren 2007 bis 2009 zu verschaffen, aus denen Kundenbeziehungen, Daten zur Art und Dauer der Beschäftigung ihrer Mitarbeiter sowie deren Beschäftigungsort entnommen werden könnten. Mit Schreiben vom 21.07.2011 ließ die Antragstellerin dann ua mitteilen, dass sie sich einer Betriebsprüfung gemäß § 28p SGB IV nicht entgegenstelle, aber darüber hinausgehende Verpflichtungen zur Prüfhilfe ebenso ablehne wie Verpflichtungen Beitragsnachzahlungen gemäß § 28e SGB IV zu erbringen oder Entgeltmeldungen nach § 28a SGB IV abzugeben sowie korrigierte Lohnnachweise einzureichen. Auch mit Schreiben vom 19.10.2011 ließ sie ausführen, einer regulären Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV nicht entgegentreten zu wollen; der Zugang zu sämtlichen Verträgen zwischen Verleiher und Entleiher werde aber verwehrt, da hierfür jegliche Rechtsgrundlage fehle. Erneut lehnte die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.11.2011 die Vorlage der Unterlagen sämtlicher Leiharbeitnehmer einschließlich der Arbeitsverträge, der Arbeitnehmerüberlassungsverträge und Nachweise und Belege über die gezahlten Arbeitsentgelte vergleichbarer Stammarbeitnehmer bei den Entleihern ab.
Die Antragsgegnerin wies mit Schreiben vom 28.10.2011 und vom 25.11.2011 erneut darauf hin, dass die besonderen Umstände, die durch die Tarifunfähigkeit der CGZP entstanden seien, es notwendig machten, eine gesonderte Prüfung auf Einhaltung der equal-pay-Ansprüche der Arbeitnehmer der Antragstellerin für die Zeit ab dem 26.02.2007 durchzuführen. Es wurde erneut Gelegenheit gegeben, Einsicht in die für die CGZP-Prüfung notwendigen Geschäftsunterlagen (ua Unterlagen über alle Leiharbeitnehmer inklusive der Arbeitsverträge, Unterlagen der Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere Nachweise und Belege über die gezahlten Arbeitsentgelte vergleichbarer Stammarbeitnehmer bei den Entleihern, eine Liste aller Entleihfirmen inklusive vollständiger Anschrift, Debitorenliste inklusive der Rechnungsbelege) zu gewähren. Zugleich wies die Antragsgegnerin unter Fristsetzung darauf hin, dass sie danach gezwungen sei, nach § 28f Abs 2 Satz 3 SGB IV die Höhe der Arbeitsentgelte zu schätzen. Im Schreiben vom 25.11.2011 wurde auch auf die Erhebung von Säumniszuschlägen hingewiesen.
Auf die Ankündigung der Betriebsprüfung hin ließ die Antragstellerin ausführen, sie sehe keinen Anlass für eine sog CGZP-Betriebsprüfung und auch keinen Anhaltspunkt für entsprechende Beitragsnachforderungen und ließ erneut mit Schreiben vom 07.05.2012 die Durchführung einer CGZP-Prüfung ablehnen.
Die Antragsgegnerin hörte die Antragstellerin mit Schreiben vom 18.05.2012 zur Schätzung der Entgelte sowie zur Festsetzung einer Beitragsnachforderung sowie von Säumniszuschlägen an. Hierauf teilte die Antragstellerin ua mit, Nachforderungen für den Zeitraum 26.02.2007 bis 31.12.2009 bestünden weder dem Grunde noch der Höhe nach. Dabei berief sie sich auch auf das verfassungsrechtlich garantierte Rückwirkungsverbot und auf Vertrauensschutz.
Mit Bescheid vom 19.06.2012 stellte die Antragsgegnerin fest, aufgrund der in der Zeit vom 08.07.2011 bis 18.05.2012 durchgeführten Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 26.02.2007 bis 31.12.2009 ergebe sich eine Nachforderung iHV 86.970,47 EUR. Darin sind Säumniszuschläge iHv 11.280,00 EUR für die Zeit vom 01.02.2011 bis zum 30.04.2012 enthalten. Nach der stichprobenweise durchgeführten Prüfung ergäben sich Beitragsansprüche aufgrund der Unwirksamkeit des angewandten Tarifvertrages und des daraus resultierenden equal-pay-Anspruchs der betroffenen Beschäftigten (§ 10 Abs 4 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) iVm § 22 SGB IV). Die Entscheidung des BAG zur Tarifunfähigkeit der CGZP habe die Unwirksamkeit der geschlossenen Tarifverträge zur Folge. Beitragsbemessungsgrundlage für die Berechnung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge sei damit der Arbeitsentgeltanspruch eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers in dem Entleihbetrieb nach § 10 Abs 4 AÜG. Es seien Beiträge zur Sozialversicherung auf der Grundlage der Differenz zwischen dem gemeldeten und dem, dem Beitragsanspruch zugrunde gelegten Arbeitsentgelt und dem vergleichbaren Arbeitsentgelt eines Stammarbeitnehmers in dem jeweiligen Entleihbetrieb und Überlassungszeitraum für jeden Leiharbeitnehmer individuell nachzuerheben. Nach § 28f Abs 2 Satz 3 SGB IV könne der Rentenversicherungsträger die Höhe der Arbeitsentgelte schätzen, wenn diese nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermittelt werden könnten. Der Lohnabstand zwischen den Arbeitsentgelten der bei der Antragstellerin beschäftigten Leiharbeitnehmer und dem equal-pay-Anspruch betrage 24 %. Dieser Lohnabstand werde der Schätzung der Arbeitsentgelte zugrunde gelegt.
Am 28.06.2012 (Eingang, Schreiben vom 27.06.2012) erhob die Antragstellerin hiergegen Widerspruch und beantragte mit Schreiben vom 25.07.2012, bei der Antragsgegnerin am 27.07.2012 eingegangen, die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Die Antragsgegnerin lehnte mit Schreiben vom 03.08.2012 die Aussetzung der sofortigen Vollziehung ab.
Beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat die Antragstellerin am 27.07.2012 beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Bereits aufgrund der notwendigen Klärung schwieriger Rechtsfragen sei die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Insbesondere stehe den geltend gemachten Nachforderungen der Grundsatz des sozialrechtlichen Vertrauensschutzes und das verfassungsrechtlich garantierte Rückwirkungsverbot entgegen, da der Nachforderungszeitraum die Vergangenheit betreffe, in der die Rechnungslegung durch die Antragsstellerin bereits erfolgt sei. Mangels einer entgegenstehenden höchstrichterlichen Entscheidung und ohne evidente Anhaltspunkte habe sie im Nachforderungszeitraum davon ausgehen können, dass die am Tarifvertrag beteiligten Organisationen tariffähig seien. Eine Änderung dieser Rechtslage sei erst durch die Entscheidung des BAG vom 14.12.2010, die konstitutiv wirke, eingetreten. Bis dahin sei auch die Anwendung der durch die Tarifgemeinschaft CGZP abgeschlossenen Tarifverträge von staatlichen Stellen geduldet und zum Teil auch ausdrücklich empfohlen worden. Dies habe auch die Antragsgegnerin bis zur Entscheidung des BAG nicht moniert. Im Übrigen seien die geltend gemachten Nachforderungsansprüche noch gar nicht entstanden. Die equal-pay-Ansprüche, die einen Beschluss über die Tarifunfähigkeit zwingend voraussetzten, entstünden aufgrund der konstitutiven Wirkung des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 erst ab diesem Datum. Ausgehend von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV entstünden die Beitragsansprüche erst, sobald das Arbeitsentgelt durch den Arbeitgeber - hier die Antragstellerin - ausgezahlt werde. Eine derartige Auszahlung sei jedoch bislang noch nicht erfolgt. Die geltend gemachten Nachforderungen seien auch der Höhe nach nicht berechtigt. Das der Berechnung der Nachforderung zugrunde gelegte Lohndifferenzial von 24 % unter Heranziehung der Studie "Lohndifferenzial Zeitarbeit" sei nicht hinreichend belegt.
Die Antragsgegnerin hat gegenüber dem SG vorgetragen, das BAG habe bereits im Jahr 2006 klargestellt, dass der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung nicht geschützt sei. Angesichts des Umstandes, dass die Tariffähigkeit der CGZP bereits seit langem umstritten gewesen sei und seit dem Jahre 2003 eine Vielzahl von Klagen vor den Arbeitsgerichten zu dieser Problematik anhängig gewesen sei, sei davon auszugehen, dass die Verwender dieser Tarifverträge sich dieser Problematik bewusst gewesen seien und sich Zweifel an der Tariffähigkeit der CGZP aufgedrängt hätten. Der Umstand, dass die streitige Frage höchstrichterlich noch nicht entschieden worden sei, könne daher nicht als Grundlage eines Vertrauensschutzes gegen die Nachforderung des Sozialversicherungsträgers genommen werden. Des Weiteren fehle es an einem bestimmten Verhalten der Rentenversicherungsträger, das Grundlage für ein Vertrauen sein könnte. Im Übrigen sei eine personenbezogene Berechnung der Beitragsnachforderung nicht möglich gewesen, da die Antragstellerin trotz mehrerer Aufforderungen die im Prüfungsanmeldungsschreiben vom 25.l1.2011 angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt habe. Equal-pay-Ansprüche seien daher nicht zu ermitteln gewesen. Der pauschale Aufschlag von 24% sei demnach gerechtfertigt. Er richte sich nach der Studie "Lohndifferenzial Zeitarbeit" vom 14.04.2011 des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen (IAB), wonach die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben 22 % betrage. Der im Vergleich zum Gutachten zugrunde gelegte höhere Prozentsatz trage der Tatsache Rechnung, dass das Gutachten nicht exakt die hier vorliegende Konstellation beschreibe, sondern sich auf sämtliche und nicht nur nach CGZP-Tarifen entlohnte Leiharbeitnehmer beziehe sowie als Leiharbeitnehmer auch festangestellte Mitarbeiter von Leiharbeitsfirmen verstehe.
Das SG hat mit Beschluss vom 19.10.2012 den Antrag abgelehnt. Es bestünden nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 19.06.2012. Die von der Antragstellerin für den streitigen Zeitraum zu entrichtenden Beiträge seien nach dem Arbeitsentgelt zu berechnen, das vergleichbaren Arbeitnehmern in den Betrieben der jeweiligen Entleiher gezahlt werde (§ 10 Abs 4 AÜG - equal-pay-Prinzip). Diese nach dem equal-pay-Prinzip entstandenen Beitragsansprüche seien auch unabhängig davon entstanden, ob die geschuldeten Arbeitsentgelte den Arbeitnehmern tatsächlich zugeflossen seien. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei das Zuflussprinzip auch nicht aufgrund § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV anwendbar. Auch stünden der Beitragsforderung keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach Beiträge für bestimmte Arbeitnehmerbezüge abzuführen seien, die nach bisheriger Rechtsprechung beitragsfrei gewesen seien, sei zwar aus Gründen des Vertrauensschutzes für den Arbeitgeber grundsätzlich nicht rückwirkend anzuwenden. Eine solche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei vorliegend jedoch nicht gegeben, denn mit der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 sei erstmals festgelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Spitzenorganisation iSd Tarifvertragsgesetzes tariffähig sei. Fehlten also ältere höchstrichterliche Entscheidungen, die die Tariffähigkeit der CGZP bejaht hatten bzw unter gleichen Voraussetzungen die Tariffähigkeit einer Spitzenorganisation iSd Tarifvertragsgesetzes bejaht hatten, dann stelle die Entscheidung des BAG keine Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere nicht zum Beitragsrecht - dar. Im Übrigen werde der gute Glaube an die Wirksamkeit eines Tarifvertrages grundsätzlich nicht geschützt. Der Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP zu in der Vergangenheit liegenden Zeiträumen stehe auch nicht das Verbot der echten Rückwirkung bzw das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes entgegen. Die Beitragsansprüche seien auch nicht verjährt. Der Ablauf der Verjährung sei durch den Beginn der Betriebsprüfung am 08.07.2011 bis zu deren Abschluss am 19.06.2012 gehemmt worden, so dass bei Erlass des Beitragsbescheides am 19.06.2012 die Verjährungsfrist für diese Ansprüche sowie auch für die Ansprüche für die Zeit vom 01.01.2008 bis 31.12.2009 noch offen gewesen sei. Es bestünden auch keine ernsthaften Bedenken gegen die Geltendmachung der Beitragsnachforderung durch einen Summenbescheid auf der Basis einer Schätzung des equal-pay-Lohnes. Die Aufzeichnungspflichten umfassten gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 Nr 11 Beitragsverfahrensordnung nicht nur das gezahlte, sondern auch das beitragspflichtige Arbeitsentgelt und damit auch den equal-pay-Lohn. Da die Antragstellerin nicht diesen beitragspflichtigen equal-pay-Lohn ihren Meldungen zugrunde gelegt habe, sei sie ihrer Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Im Rahmen des § 28f Abs 2 Satz 2 SGB IV sei allein entscheidend, ob eine objektive Verletzung der Aufzeichnungspflicht vorliege; auf ein Verschulden komme es nicht an. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin als Grundlage der Schätzung eine im Internet abrufbare Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen (IAB) "Lohndifferenzial Zeitarbeit" zugrunde gelegt habe, in der aufgrund allgemeiner Ermittlungen festgestellt worden sei, dass die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben 22 % betrage. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Erhöhung um 2% sei vor dem Hintergrund, dass die Studie nicht exakt die vorliegende Fallkonstellation abbilde, gerechtfertigt.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 25.10.2012 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am Montag, den 26.11.2012 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Beschwerde eingelegt. Der Rechtsstreit erfordere die Klärung mehrerer Rechtsfragen, die in der Rechtsprechung und in der Literatur kontrovers diskutiert würden. Von Bedeutung sei insbesondere, wann die Beitragsansprüche entstanden seien, ob insoweit § 22 Abs 1, 1. Alt SGB IV oder § 22 Abs 1, 2. Alt SGB IV anzuwenden sei. Insoweit seien nämlich die Zahlungsansprüche noch gar nicht entstanden, denn die Entscheidung des BAG wirke konstitutiv und nicht für die Vergangenheit. Bis zur Entscheidung des BAG seien alle Parteien des Tarifvertrages, auch die Arbeitnehmer an den Tarifvertrag gebunden gewesen und hätten keine höheren Lohnansprüche geltend machen können. Des Weiteren stünden Vertrauensschutzgesichtspunkte der Beitragserhebung entgegen. Denn insoweit habe weder die Antragsgegnerin noch die den Betrieb prüfende Bundesagentur für Arbeit etwas an der Anwendung der Tarifverträge auszusetzen gehabt. Auch sei die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsvertrag zu beachten. Darüber hinaus habe sie auch ihre Aufzeichnungsobliegenheiten nicht verletzt, weshalb die Antragsgegnerin die Beitragssumme nicht habe schätzen dürfen. Auch setze eine ordnungsgemäße Schätzung voraus, dass überhaupt eine ordnungsgemäße Schätzgrundlage vorhanden sei. Diese könne nicht in der von der Antragsgegnerin herangezogenen Studie des IAB gesehen werden, denn diese weise selbst darauf hin, dass ein Vergleich zwischen Leiharbeitnehmern und Stammbelegschaft nicht möglich sei. Auch habe ein equal-pay-Anspruch für einzelne Mitarbeiter nicht errechnet werden dürfen, da diese nicht verliehen worden seien, sondern im Betrieb der Antragstellerin tätig gewesen seien.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.10.2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 27.06.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.06.2012 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Feststellungen des BAG hätten nur feststellende, keine rechtsbegründende Wirkung. Auch gelte im Beitragsrecht das Entstehungsprinzip, wonach Beitragsansprüche entstünden, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorlägen. Bemessungsgrundlage sei daher das geschuldete Entgelt. Die Leiharbeitnehmer hätten während ihrer Tätigkeit equal-pay-Ansprüche erworben, die sich einzelnen Entgeltabrechnungszeiträumen zuordnen ließen. Auch habe sie die Schätzung zu Recht vorgenommen. Da die der Schätzung zugrundeliegende Studie als Leiharbeitnehmer auch solche verstehe, die bei Leiharbeitsfirmen festangestellt seien (zB in der Personalabteilung der Leiharbeitsfirma), habe sie auch für diese Personen das Entgelt schätzen dürfen. Ein Vergleichslohn für jeden Beschäftigten habe auch deshalb nicht ermittelt werden können, weil die Antragstellerin hierzu keine Unterlagen vorgelegt habe. Auch habe der Gesetzgeber den equal-pay-Anspruch nicht an das Vorhandensein von Vergleichsarbeitnehmer im Entleihbetrieb geknüpft. Könnten Arbeitsentgelte von Leiharbeitnehmern auch unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten beim Arbeitgeber nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden, würden die vom Verleiher tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte dieser Leiharbeitnehmer pauschal um einen feststehenden Prozentsatz erhöht. Dies seien nach dem von ihr angewandten Stufenmodell unter Berücksichtigung der Studie des IAB 24 %. Es spreche einiges dafür, dass der Unterschied in der durchschnittlichen Entlohnung von Stammbelegschaft der Entleiher und Leiharbeitnehmern, die nach CGZP-Tarifen entlohnt worden seien, höher ausfalle, als die in der Studie angenommenen 22 %, weshalb ein Prozentsatz von 24 % zugrunde gelegt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig aber unbegründet.
Die gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG in der seit 11.08.2010 geltenden Fassung des Art 6 Drittes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05.08.2010 (BGBl I S 1127) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung nicht unzulässig, da sich die Antragstellerin gegen die Festsetzung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschläge iHv 86.970,47 EUR wendet (Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.06.2012).
Der von der Antragstellerin erhobene Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.06.2012 hat nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach Abs 1 des mit Wirkung vom 02.01.2002 durch Art 1 Nr 35 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.08.2001 (BGBl I S 2144) eingefügten § 86a SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs 2 Nr 1 SGG entfällt jedoch - wie vorliegend - die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache aber auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Wirkung der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs tritt rückwirkend ab Erlass des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides ein und endet in den Fällen, in denen Klage erhoben wird, erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Hauptsacheentscheidung (Beschlüsse des Senats vom 11.05.2011, L 11 R 1075/11 ER-B, 11.05.2010, L 11 KR 1125/10 ER-B, juris; vgl auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 86b RdNr 19).
Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage aufgrund von § 86b Abs 1 Nr 2 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (Beschluss des Senats vom 06.05.2010, L 11 R 1806/10 ER-B). Dabei sind auch stets die Maßstäbe des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Beitragsstreitigkeiten ernstliche Zweifel in Sinne des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG nur dann vorliegen, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl Beschluss vom 28.06.2010, L 11 R 1903/10 ER-B, nv). Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch ungeklärten Verhältnisse eine Vollziehung häufig nicht durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger beeinträchtigen könnte (LSG Nordrhein-Westfalen 01.07.2004, L 5 B 2/04 KR ER mwN, juris). Insoweit müssen erhebliche Gründe für ein Obsiegen in der Hauptsache sprechen, damit die in § 86a Abs 2 Nr 1 SGG vorgenommene gesetzliche Risikoverteilung geändert werden kann. Solche erheblichen Gründe liegen hier nicht vor.
Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides ist § 28p Abs 1 und 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV erfüllen und erlassen im Rahmen dessen Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in den einzelnen Sozialversicherungszweigen. Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 SGB V, § 174 Abs 1 SGB VI sowie § 60 Abs 1 Satz 2 SGB XI die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§ 1 Abs 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs 2 SGB III auch für die Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Arbeitsentgelt gelten gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Um das Bestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht sowie ggf die Höhe der zu entrichtenden Beiträge feststellen zu können, war es schon immer eine selbstverständliche Pflicht des Arbeitgebers, hierüber geeignete Aufzeichnungen anzufertigen. Diese Pflicht ist seit 1989 ausdrücklich in § 28f Abs 1 Satz 1 SGB V normiert (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 28f SGB IV RdNr 3).
Seit 01.01.2003 haben Leiharbeitnehmer Anspruch auf Arbeitsentgelt in gleicher Höhe wie vergleichbare Stammarbeitnehmer der Entleihbetriebe. Dies folgt aus §§ 3 Abs 1 Nr 3, 9 Nr 2 AÜG. Abweichende Regelungen können nur in einem Tarifvertrag getroffen werden. Ist ein solcher Tarifvertrag jedoch unwirksam, kann der Leiharbeitnehmer nach § 10 Abs 4 AÜG vom Verleiher die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen. Die Voraussetzungen des § 10 Abs 4 AÜG sind hier erfüllt. Mitglieder des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) gründeten im Dezember 2002 die CGZP. Diese schloss im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung zahlreiche Haus- und Flächentarifverträge ab, die eine Abweichung vom Grundsatz des "equal pay" ermöglichten (Segebrecht in jurisPR-SozR 13/2011 Anm 1). Mit Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10, BAGE 136,302) stellte das BAG jedoch fest, dass die CGZP nicht tariffähig ist. Dies gilt auch für den vorliegend streitigen Zeitraum (BAG 23.05.2012, 1 AZB 58/11, das den Geltungszeitraum der Tarifverträge vom 11.12.2002 und vom 05.12.2005 zu beurteilen hatte) und hat zur Folge, dass die Antragstellerin den betroffenen Arbeitnehmern noch die Differenz des im (unwirksamen) Tarifvertrag vereinbarten Entgelts und dem Entgelt, auf das ein vergleichbarer Arbeitnehmer der Entleihbetriebe Anspruch hatte, schuldete bzw soweit sie diese Ansprüche noch nicht erfüllt hat, noch schuldet (dazu vgl den Beschluss des Senats vom 19.11.2012, L 11 R 3954/12 ER-B, juris). Auch kann nicht mittels des Rechtsgedankens des fehlerhaften Arbeitsvertrag angenommen werden, dass vom Bestand des Tarifvertrages für die Vergangenheit auszugehen wäre (so aber LSG Schleswig-Holstein 20.04.2012, L 5 KR 9/12 B ER, juris), denn die dort zugrunde liegende Situation eines (Entgelt)Ausgleichs innerhalb eines rechtlich unwirksamen, faktisch bestehenden Dauerschuldverhältnisses ist mit der vorliegend bedeutsamen Frage, ob Beitragsansprüche entstanden sind, nicht vergleichbar (so auch LSG Niedersachsen-Bremen 22.10.2012, L 4 KR 316/12 B ER, juris).
Diese Entgeltansprüche wiederum begründen auch Beitragsansprüche der Antragsgegnerin (dazu vgl Senatsbeschluss vom 19.11.2012, L 11 R 3954/12 ER-B, aaO). Denn die Beitragsansprüche bemessen sich gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB IV nach dem geschuldeten und nicht nach dem tatsächlich gezahlten Entgelt, da es sich um Ansprüche auf laufend gezahltes Entgelt handelt (Senatsbeschluss vom 19.11.2012, L 11 R 3954/12 ER-B, aaO, Segebrecht aaO). Deshalb ist unerheblich, ob die Leiharbeitnehmer diese Entgeltansprüche geltend machen oder geltend machen können. Auch ist insoweit unerheblich, ob der Arbeitgeber noch zu einem Beitragsabzug vom Entgelt des Beschäftigten befugt ist (dazu vgl § 28g Satz 2 und 3 SGB IV). Im Beitragsrecht des Sozialgesetzbuches gilt grundsätzlich das sogenannte Entstehungsprinzip und - anders als im Steuerrecht - nicht das Zuflussprinzip (ständige Rspr, zB BSG 30.08.1994, 12 RK 59/92, juris; Urteil des Senats vom 16.08.2011, L 11 R 6067/09, juris; LSG Baden-Württemberg 27.03.2009, L 4 KR 1833/07, juris).
Der Bescheid der Beklagten vom 19.06.2012 ist auch nicht schon deswegen offensichtlich rechtswidrig, weil die Beklagte nicht berechtigt gewesen wäre, die Höhe des Arbeitsentgelts zu schätzen. Nach § 28f Abs 2 Satz 1 SGB IV kann der Rentenversicherungsträger im Rahmen einer Betriebsprüfung den Gesamtsozialversicherungsbeitrag von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Entgelte geltend machen. Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen (§ 28f Abs 2 Satz 3 SGB IV). Zwar ist Grundvoraussetzung eines Vorgehens nach § 28f Abs 2 SGB IV, dass der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden kann. Diese Voraussetzung der Verletzung der Aufzeichnungspflicht gilt nicht nur für den in Satz 1 der Vorschrift geregelten so genannten Lohnsummenbescheid, sondern ist auch Voraussetzung für die Schätzungsbefugnis des Satzes 3 (Senatsbeschluss vom 19.11.2012, L 11 R 3954/12 ER-B, aaO; LSG Rheinland-Pfalz 14.08.2012, L 6 R 223/12 B ER; LSG Schleswig - Holstein, 20.4.2012, L 5 KR 9/12 B ER mwN - beide veröffentlicht in juris).
Anders als in dem vom Senat mit Beschluss vom 19.11.2012 (L 11 R 3954/12 ER-B, aaO) entschiedenen Fall, in dem die Antragsgegnerin das beitragspflichtige Arbeitsentgelts nur deshalb nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand ermitteln konnte, weil aus den dort vorgelegten Unterlagen (Verträge zwischen der dortigen Antragstellerin und den Entleihunternehmen) nicht ersichtlich war, welche im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts galten, hat die Antragstellerin vorliegend schon die Einsicht in diese Unterlagen verweigert, obwohl sie dazu verpflichtet ist. Auch in der Weigerung, die für eine Betriebsprüfung notwendigen Unterlagen vorzulegen, liegt eine Verletzung der Aufzeichnungspflicht des § 28f Abs 1 Satz 1 SGB IV. Die Aufzeichnungspflicht soll sicherstellen, dass sowohl die Versicherungs- und Beitragspflicht als auch die Beitragshöhe nachträglich geprüft werden können. Es macht für die Durchführung einer nachträglichen Prüfung keinen Unterschied, ob Entgeltunterlagen gar nicht geführt werden oder die geführten Unterlagen nicht vorgelegt werden. In beiden Fällen ist eine vollständige Prüfung nicht möglich.
Rechtsgrundlage für Verpflichtungen der Antragstellerin ist § 28p Abs 1 SGB IV, der die Ausformung des in § 98 Abs 1 Satz 3 SGB X enthaltenen Grundsatzes der Pflicht zur Vorlage von Unterlagen durch den Arbeitgeber und die Duldung von Prüfungen enthält. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und die Meldungen (§ 28a SGB IV). Die Arbeitgeber sind verpflichtet, dabei angemessene Prüfhilfen zu leisten. Der Begriff der Angemessenheit wird in der nach § 28p Abs 9 SGB IV ergangenen Beitragsverfahrensordnung (BVV) konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber zB zur Prüfung der Vollständigkeit der Entgeltabrechnung für jeden Abrechnungszeitraum ein Verzeichnis aller Beschäftigten in der Sortierfolge der Entgeltunterlagen mit im Einzelnen benannten Angaben und nach Einzugsstellen getrennt zu erfassen und lesbar zur Verfügung zu stellen (§ 9 BVV; vgl hierzu Beschluss des Senats vom 20.09.2012, L 11 R 2785/12 ER-B, juris).
Unter Anwendung dieser Rechtsgrundlage ist die Antragstellerin im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV verpflichtet, angemessene Hilfe zur Durchführung der Prüfung zu leisten. Die Antragsgegnerin hat dabei den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit in zulässiger Weise konkretisiert. Die geforderte Prüfhilfe durch Einsicht bzw Vorlage von Unterlagen über alle Leiharbeitnehmer inklusive der Arbeitsverträge, Unterlagen der Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere Nachweise und Belege über die gezahlten Arbeitsentgelte vergleichbarer Stammarbeitnehmer bei den Entleihern, eine Liste aller Entleihfirmen inklusive vollständiger Anschrift, Debitorenliste inklusive der Rechnungsbelege dient der Überprüfung der Beitragspflichten der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Feststellung der beitragsrechtlichen Folgen der Rechtsprechung des BAG zu den Tarifverträgen der CGZP und damit dem Zweck der Betriebsprüfung. Der Antragstellerin ist es auch möglich und zumutbar, die geforderten Unterlagen vorzulegen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob sich aus den Angaben der Antragstellerin eine Beitragspflicht im Ergebnis ergeben wird.
Der Vortrag der Antragstellerin, dass einzelne Beschäftigte nicht entliehen, sondern in ihrem Betrieb selbst beschäftigt worden seien, begründet noch keine ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides. Der Antragstellerin steht es nicht frei, die für eine Betriebsprüfung notwendigen Unterlagen zurückzuhalten und sie je nach der aktuellen prozessualen Situation nur selektiv vorzulegen. Im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung genügt zunächst die Feststellung, dass die Antragstellerin bei der Betriebsprüfung nicht alle von der Antragsgegnerin geforderten Entgeltunterlagen vorgelegt hat. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Antragstellerin für die von ihr erwähnten Arbeitnehmer Angaben macht, wie sie von § 28a SGB IV für eine Meldung verlangt werden.
Mangels anderweitiger Grundlagen und Anhaltspunkte durfte die Antragsgegnerin die Entgelte der Beschäftigten der Antragstellerin im streitigen Zeitraum auf Basis der Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen (IAB) "Lohndifferenzial-Zeitarbeit" schätzen, in der aufgrund allgemeiner Ermittlungen festgestellt worden ist, dass die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben 22 % beträgt. Die Antragsgegnerin ist unter Berücksichtigung individueller Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass, bezogen auf den Betrieb der Antragstellerin, von einer durchschnittlichen Differenz zwischen den gezahlten Arbeitsentgelten und den Ansprüchen der Stammarbeitnehmer in den Entleihbetrieben iHv insgesamt 24 % auszugehen sei. Dabei hat die Antragsgegnerin individuelle Besonderheiten der Antragstellerin berücksichtigt. Dass die Antragstellerin überdurchschnittlich bzw übertariflich entlohnt hat, konnte nicht festgestellt werden.
Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen der Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin nicht entgegen. Der gute Glaube an die Wirksamkeit eines Tarifvertrages, namentlich an die Tariffähigkeit einer Vereinigung, wird grundsätzlich nicht geschützt (BAG 15.11.2006, 10 AZR 665/05, NZA 2007, 448 = juris RdNr 23). Der Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP zu in der Vergangenheit liegenden Zeiträumen steht auch nicht das Verbot der echten Rückwirkung von Rechtsfolgen auf einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt bzw das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes entgegen. Die Rechtsprechung, wonach ein Arbeitgeber sich bis zur Mitteilung einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Einzugsstelle auf die bisherige Rechtsprechung verlassen darf (BSG 18.11.1980, 12 RK 59/79, SozR 2200 § 1399 Nr 13), lässt sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn es gab vor dem 14.12.2010 weder eine sozial- noch eine arbeitsgerichtliche höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach die CGZP als tariffähig anzusehen war (zum Ganzen LSG Nordrhein-Westfalen 25.06.2012, L 8 R 382/12 B ER, juris mwN).
Die Beitragsnachforderung ist auch nicht verjährt. Nach § 25 Abs 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge grundsätzlich in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Der Lauf der Verjährungsfrist für die im Jahr 2007 fällig gewordenen Beitragsansprüche (§ 23 SGB IV) wurde durch die vom 08.07.2011 bis zum 19.06.2012 dauernde Betriebsprüfung gehemmt (§ 25 Abs 2 Satz 2 SGB IV), so dass bei Erlass des Beitragsbescheides am 19.06.2012 noch keine Verjährung eingetreten war.
Auch die aus den geschätzten Entgelten abgeleitete Festsetzung der Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und der Säumniszuschläge erscheint nach derzeitigem Stand nicht als offensichtlich rechtswidrig.
Damit ist nach derzeitigem Stand ein Obsiegen der Antragstellerin nicht wahrscheinlicher als ein Unterliegen; ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen nicht. Solche ergeben sich auch nicht daraus, dass im Widerspruchsverfahren die Klärung schwieriger Rechtsfragen erforderlich sein könnte (aA Schleswig-Holsteinisches LSG 20.04.2012, L 5 KR 9/12 B ER, juris) oder die Rechtsfragen kontrovers diskutiert werden. Die Antragstellerin hat nicht substantiiert dargetan, dass die Vollziehung des Beitragsbescheides für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte darstellt. Der Umstand, dass die Befugnis der Antragsgegnerin, die Höhe des geschuldeten Arbeitsentgelts zu schätzen, auf einer mangelnden Mitwirkung der Antragstellerin im Prüfverfahren beruht, würde der Annahme einer unbilligen Härte ohnehin entgegenstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird nach § 197 a SGG iVm §§ 63 Abs 1, 52 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) entsprechend der ständigen Praxis des Senats auf die Hälfte der streitigen Beitragsforderung - vorliegend also 1/2 aus 86.970,47 EUR, mithin 43.485,23 EUR - festgesetzt. Dieser Streitwert wird auch für die 1. Instanz, die im angefochtenen Beschluss einen Streitwert nicht festgesetzt hatte, festgesetzt (entsprechend § 63 Abs 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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