Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 EG 5875/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 2121/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.03.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Höhe des Elterngeldes für das Kind J. F. (im Folgenden: J).
Die im Jahr 1971 geborene, verheiratete Klägerin ist Mutter des am 06.02.2009 geborenen Kindes J. Sie lebt mit J und zwei weiteren Kindern (die das dritte bzw sechste Lebensjahr vollendet haben) in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland und betreut und erzieht J selbst.
Die Klägerin übte seit dem Jahre 2006 eine selbständige Tätigkeit als Fitness-Fachwirtin aus. Laut Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 17.04.2009 war sie mit ihrem Ehemann gemeinsam veranlagt und hatte Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 10.355,00 EUR. Die Gesamteinkünfte der Eheleute sind mit einem Betrag in Höhe von 54.100,00 EUR ausgewiesen. Die Einkommensteuer wurde auf 7.468,00 EUR festgesetzt (Splittingtarif). Zudem wurden 321,42 EUR als Solidaritätszuschlag und zusätzlich für den Ehemann 447,89 EUR als Kirchensteuer festgesetzt. Für das Jahr 2008 hatte die Klägerin auf der Grundlage von Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 13.824,00 EUR eine Steuervorauszahlung in Höhe von insgesamt 938,00 EUR geleistet (Bescheid vom 10.07.2008), die im Mai 2009 wieder erstattet wurde (Bescheid vom 06.05.2009). Mutterschaftsgeld bezog die Klägerin nicht.
Nach der Geburt von J hatte die Klägerin keine Einkünfte. Sie war im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum nicht erwerbstätig.
Am 28.04.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate von J. Mit Bescheid vom 05.06.2009 bewilligte die Beklagte vorläufig Elterngeld für J für die Zeit vom 06.02.2009 bis 05.02.2010 in Höhe von monatlich 590,94 EUR. Der Berechnung legte die Beklagte Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 10.355,00 EUR abzüglich Steuern in Höhe von 1.490,93 EUR sowie einen Anspruchsfaktor von 80 % zugrunde. Ein nachgeburtliches Einkommen setzte die Beklagte nicht an. Am 07.07.2009 legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, die Erstattung der Steuervorauszahlung müsse berücksichtigt werden. Aufgrund eines Fehlers des Finanzamtes sei die Vorauszahlung im Einkommensteuerbescheid nicht zum Ansatz gekommen. Ihre Einkünfte im Jahr 2008 lägen mit 10.355,12 EUR unterhalb der Freigrenzen, weshalb Steuern nicht abgezogen werden dürften. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, für die Ermittlung des vorgeburtlichen Einkommens aus selbständiger Arbeit sei der gesamte letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen. Die gemeinsame Veranlagung führe zu einem anteiligen Ansatz der im Steuerbescheid festgesetzten Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. Die Aufteilung richte sich nach dem Verhältnis der für die Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigenden Summe der positiven Einkünfte aus Erwerbstätigkeit zur Summe aller ausgewiesenen Einkünfte. Die Erstattung der Steuervorauszahlung sei unbeachtlich.
Am 31.08.2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Beklagte dürfe die Steuerbelastung nicht anteilig ermitteln. Das Einkommen der Klägerin sei wegen des Grundfreibetrages und der Kinderfreibeträge nicht steuerpflichtig. Die Berechnungsmethode der Beklagten berücksichtige nicht, dass die Belastung mit der Einkommensteuer nicht linear verlaufe und das Einkommen der Klägerin nur aufgrund der Zusammenveranlagung mit Steuern belastet werde. Dies liefe wohl auch dem verfassungsrechtlichen Gebot der besonderen Förderung der Ehe in Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG) zuwider.
Nachdem die Klägerin endgültige Einkommensnachweise für den Elterngeldbezugszeitraum eingereicht hatte, hob die Beklagte "den bestehenden Vorbehalt" auf (Änderungsbescheid vom 06.12.2010). Eine Änderung der Höhe des Elterngeldes ergab sich nicht.
Mit Urteil vom 29.03.2011 (der Klägerin am 05.04.2011 zugestellt) hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die sich aus dem Steuerbescheid ergebenden anteiligen Steuern und Solidaritätszuschläge einkommensmindernd berücksichtigt. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten sich bewusst für eine gemeinsame Veranlagung und damit gegen die isolierte steuerrechtliche Betrachtung der Einkommen entschieden. Zugunsten ihres besser verdienenden Ehemannes habe die Klägerin einer fiktiven Neuzuordnung im Sinne einer hälftigen Einkommensteuerverteilung mit der Folge einer gemeinsamen einheitlichen Steuerlast zugestimmt. Eine isolierte steuerliche Betrachtungsweise des Einkommens der Klägerin widerspräche sowohl § 2 Abs 9 Satz 4 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) als auch den steuerrechtlichen Vorschriften. Ein Verstoß gegen Art 6 Abs 1 GG liege dagegen nicht vor, da die Benachteiligung durch die steuerrechtliche Privilegierung kompensiert werde und es den Ehegatten im Vorfeld einer steuerlichen Veranlagung freistünde, sich bewusst für oder gegen eine gemeinsame Veranlagung zu entscheiden. Die Erstattung der Steuervorauszahlung sei schließlich für die Berechnung des Elterngeldes nicht relevant.
Das SG hat die Berufung gegen das Urteil nicht zugelassen. Am 11.04.2011 hat die Klägerin daraufhin Nichtzulassungsbeschwerde beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt (L 11 EG 1484/11 NZB). Mit Beschluss vom 24.05.2011 hat das LSG die Berufung gegen das Urteil zugelassen.
Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin im Wesentlichen ihre Argumente aus dem Verfahren beim SG wiederholt. Ergänzend hat sie vorgetragen, für die Rechtauffassung der Beklagten fehle eine Rechtsgrundlage. Soweit auf die Gesetzesbegründung Bezug genommen werde, hätten sich die Motive des Gesetzgebers jedenfalls nicht im Wortlaut des Gesetzes niedergeschlagen. Für die vorgenommene Schätzung der Steuer gebe es keinen Bedarf. Die auf das Einkommen der Klägerin entfallene Steuer könne exakt berechnet werden. Danach falle auf das Einkommen keine Steuer an, da die Freigrenzen nicht überschritten würden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.03.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 05.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2009 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 06.12.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die ersten zwölf Lebensmonate ihres Kindes J. F., geboren am 06.02.2009, höheres Elterngeld unter Ansatz eines vorgeburtlichen Nettoeinkommens in Höhe von 10.355,00 EUR zu gewähren,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte im Wesentlichen auf das Urteil des SG und ihren Widerspruchsbescheid verwiesen. Ergänzend hat sie vorgetragen, der Wortlaut des § 2 Abs 9 Satz 4 BEEG gehe davon aus, dass die gesamten Einkünfte "des Steuerbescheides" anzusetzen und die hierauf entfallenden Einkommensteuern proportional aufzuteilen seien. Bei gemeinsamer Veranlagung setze der Steuerbescheid die Steuern einheitlich und nicht für den Einzelnen fest. Die von der Klägerin begehrte Ermittlung würde zu einer weiteren Bevorzugung von gemeinsam veranlagten Eheleuten und damit zu einer Benachteiligung von nicht gemeinsam veranlagten Eheleuten oder nicht verheirateten Paaren führen. Der Gesetzgeber habe die Aufteilung der gesamten Steuern bei zusammen veranlagten Eheleuten gewollt. Dies folge aus der Gesetzesbegründung. Die Regelung diene auch dem Bürokratieabbau, da somit schnell und einfach das anzusetzende Einkommen ermittelt werden könne. Die Rechtsauffassung der Beklagten sei mittlerweile in ober- und höchstgerichtlichen Urteilen bestätigt worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Senat mit Beschluss vom 24.05.2011 zugelassene und nach den §§ 143, 144 Abs 1 Nr 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 05.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2009 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 06.12.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gegenstand des Verfahrens ist neben dem Bescheid vom 05.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2009 auch der Änderungsbescheid vom 06.12.2010, da die Beklagte mit diesem Bescheid den ursprünglichen Bewilligungsbescheid zwar nicht hinsichtlich der bewilligten Höhe des Elterngeldes ("eine Änderung unseres Bescheides vom 05.06.2009 ergibt sich nicht") aufgehoben bzw ersetzt hat, jedoch insoweit geändert hat, als dass der Vorbehalt der Vorläufigkeit der Regelung aufgehoben wurde. Er ist damit nach § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld richtet sich nach dem mit Wirkung zum 01.01.2007 eingeführten Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in der Fassung vom 05.12.2006 (BGBl I 2748).
Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Die Klägerin hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit ihrem am 06.02.2009 geborenen Sohn J in einem Haushalt, betreute und erzog ihn und übte während des streitigen Zeitraums keine Erwerbstätigkeit aus. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Klägerin gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren.
Die Höhe des Elterngeldes bemisst sich nach § 2 BEEG (hier in der Fassung vom 05.12.2006). Elterngeld wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. In den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1.000,00 EUR war, erhöht sich der Prozentsatz von 67 % um 0,1 Prozentpunkte für je 2,00 EUR, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1.000,00 EUR unterschreitet, auf bis zu 100 % (§ 2 Abs 2 BEEG). Lebt die berechtigte Person mit zwei Kindern, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, oder mit drei oder mehr Kindern, die das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in einem Haushalt, so wird das nach den Absätzen 1 bis 3 und 5 zustehende Elterngeld um 10 %, mindestens um 75 EUR, erhöht (§ 2 Abs 4 Satz 1 BEEG). § 2 Abs 5 BEEG sieht ein Mindestelterngeld in Höhe von monatlich 300,00 EUR vor. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist nach § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 Einkommensteuergesetz (EStG) nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 des § 2 BEEG zu berücksichtigen.
Als Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit ist nach § 2 Abs 8 Satz 1 BEEG der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Gewinn zu berücksichtigen. Grundlage der Einkommensermittlung ist der Gewinn, wie er sich aus einer mindestens den Anforderungen des § 4 Abs 3 EStG entsprechenden Berechnung ergibt (§ 2 Abs 8 Satz 2 BEEG). Ist die dem zu berücksichtigenden Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit zugrundeliegende Erwerbstätigkeit sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgeblichen Zeitraums als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums ausgeübt worden, gilt nach § 2 Abs 9 Satz 1 BEEG abweichend von Absatz 8 als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus dieser Erwerbstätigkeit der durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn, wie er sich aus dem für den Veranlagungszeitraum ergangenen Steuerbescheid ergibt. Dies gilt nicht, wenn die berechtigte Person im Veranlagungszeitraum Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat (§ 2 Abs 9 Satz 2 iVm § 2 Abs 7 Satz 5 BEEG). Als auf den Gewinn entfallende Steuern ist bei Anwendung von § 2 Abs 9 Satz 1 BEEG der auf die Einnahmen entfallende monatliche Anteil der im Steuerbescheid festgesetzten Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer anzusetzen.
Die Klägerin übte ihre selbständige Tätigkeit sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt von J maßgeblichen Zeitraums als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums aus. Im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt von J - im Steuerjahr 2008 - bezog die Klägerin keine Leistungen im Sinne des § 2 Abs 7 Satz 5 bis 7 BEEG (insb Bezug von Eltern- oder Mutterschaftsgeld). Damit gilt gemäß § 2 Abs 9 Satz 1 BEEG als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen der durchschnittlich monatliche erzielte Gewinn aus der selbständiger Tätigkeit, wie er sich aus dem Steuerbescheid für 2008 ergibt. Der Vorauszahlungsbescheid ist somit nicht maßgeblich. Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 ist der Gewinn der Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 10.355,00 EUR ausgewiesen.
Zutreffend hat die Beklagte von den Einnahmen den monatlichen Anteil der im Steuerbescheid festgesetzten Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag abgezogen. Dies ergibt sich bereits aus § 2 Abs 9 Satz 4 BEEG (in der Fassung vom 05.12.2006). Danach ist als auf den Gewinn entfallende Steuern "der auf die Einnahmen entfallende monatliche Anteil der im Steuerbescheid festgesetzten Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer anzusetzen". Die Beklagte hatte die Steuerschuld demnach nicht selbst anhand der Vorschriften der Abgabenordnung zu berechnen, sondern die Zahlen aus dem Einkommensteuerbescheid zugrundezulegen. Dies gilt auch, wenn – wie hier – der Elterngeldberechtigte mit seinem Ehegatten nach § 26b EStG zusammen veranlagt ist. Bei dieser Veranlagungsart werden die von beiden Eheleuten erzielten Einkünfte zunächst zusammengerechnet und sodann die Ehegatten als ein Steuerpflichtiger (Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft) behandelt, also vom Gesamtbetrag der (positiven) Einkünfte (§ 2 Abs 3 EStG) die Sonderausgaben (§§ 10 ff EStG), die außergewöhnlichen Belastungen (§§ 33 bis 33c EStG) und der existenzsichernden Aufwendungen abgezogen (vgl § 2 Abs 4 und 5 EStG). Die Einkommensteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) wird nach dem Splitting-Verfahren, also nach der in § 32a Abs 5 EStG vorgeschriebenen Halbteilung des Einkommens, ermittelt. Danach beträgt die tarifliche Einkommensteuer das Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte des gemeinsam zu versteuernden Einkommens ergibt. Die Klägerin wird demnach so behandelt, als hätte sie die Hälfte des Gesamtbetrags der Einkünfte erzielt. Somit ist es folgerichtig, bei der Berechnung des Elterngeldes die Steuerlast der Klägerin entsprechend ihrem proportionalen Anteil am gemeinsam erwirtschafteten Gesamteinkommen zu bestimmen und nicht anhand einer fiktiven Betrachtung nur ihres Einkommens, dh anhand der Einkommensteuer-Grundtabelle für Alleinstehende. Diese Vorgehensweise entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl BT-Drucks 16/2785 S 38) und blieb höchstrichterlich unbeanstandet (BSG 17.02.2011, B 10 EG 1/10 R, juris-RdNr 30 f; vgl auch LSG Nordrhein-Westfalen 27.04.2010, L 13 EG 55/09 und 12.04.2011, L 13 EG 57/09, beide juris).
Ein Verstoß gegen das Grundgesetz ergibt sich daraus nicht. Mangels vorgegebener Referenzgröße aufgrund eines versicherungstypischen Gegenseitigkeitsverhältnisses von Beiträgen und Leistungen (vgl BVerfG 7.12.2010, 1 BvR 2628/07, juris-RdNr 36) steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, bei der gesetzlichen Ausgestaltung steuerfinanzierter Sozialleistungen, die nicht auf eigenen Beiträgen des Anspruchsberechtigten beruhen, eigenständige Regelungen zu treffen und zur Verwirklichung der Gesetzesziele den als Referenzgröße maßgeblichen Begriff frei zu wählen (BSG 17.02.2011, B 10 EG 17/09 R, juris-RdNr 68 mwN, zur Verfassungsmäßigkeit des Anknüpfens an das im Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes bezogene Einkommen aus Erwerbstätigkeit). Aus Art 6 Abs 1 GG folgt nicht, dass verheirateten Eltern über das Ehegattensplitting hinaus im Rahmen des Elterngeldes ein weiterer Vorteil gegenüber nichtverheirateten Eltern oder Alleinerziehenden einzuräumen wäre.
Aus dem Einkommen der Klägerin ergeben sich deshalb Steuern (einschließlich Solidaritätszuschlag) aus dem Anteil der im Steuerbescheid für die Eheleute insgesamt festgesetzten Steuern (hier 7.468,00 EUR + 321,42 EUR = 7.789,42 EUR), der dem Anteil der Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit (hier 10.355,00 EUR) an dem ebenfalls im Steuerbescheid ausgewiesenen Gesamtbetrag der Einkünfte (hier 54.100,00 EUR) entspricht (hier 19,14048 %). Im Ergebnis errechnet sich vorliegend ein Betrag in Höhe von 1.490,93 EUR (19,14048 % von 7.789,42 EUR). Als Nettoeinkünfte der Klägerin sind mithin 8.864,07 EUR anzusetzen (10.355,00 EUR - 1.490,93 EUR), also monatlich 738,67 EUR.
Da nachgeburtlich keine Einkünfte erzielt wurden ist keine Differenzberechnung vorzunehmen (§ 2 Abs 3 BEEG). Aufgrund der Unterschreitung von 1.000,00 EUR ist der Prozentsatz von 67 % gemäß § 2 Abs 2 BEEG um je 0,1 Prozentpunkte für je 2,00 EUR, dh für je 2,00 EUR des Differenzbetrages von 261,33 EUR (1.000,00 EUR - 783,67 EUR) um 0,1 Prozentpunkte, also um 13 Prozentpunkte zu erhöhen (130 x 0,1 = 13). Hieraus errechnet sich ein monatlicher Zahlbetrag von 590,94 EUR (80 % aus 738,67 EUR). In dieser Höhe hat die Beklagte Elterngeld bewilligt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, nachdem mittlerweile eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Rechtsfrage vorliegt (BSG 17.02.2011, B 10 EG 1/10 R, juris-RdNr 30 f).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Höhe des Elterngeldes für das Kind J. F. (im Folgenden: J).
Die im Jahr 1971 geborene, verheiratete Klägerin ist Mutter des am 06.02.2009 geborenen Kindes J. Sie lebt mit J und zwei weiteren Kindern (die das dritte bzw sechste Lebensjahr vollendet haben) in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland und betreut und erzieht J selbst.
Die Klägerin übte seit dem Jahre 2006 eine selbständige Tätigkeit als Fitness-Fachwirtin aus. Laut Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 17.04.2009 war sie mit ihrem Ehemann gemeinsam veranlagt und hatte Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 10.355,00 EUR. Die Gesamteinkünfte der Eheleute sind mit einem Betrag in Höhe von 54.100,00 EUR ausgewiesen. Die Einkommensteuer wurde auf 7.468,00 EUR festgesetzt (Splittingtarif). Zudem wurden 321,42 EUR als Solidaritätszuschlag und zusätzlich für den Ehemann 447,89 EUR als Kirchensteuer festgesetzt. Für das Jahr 2008 hatte die Klägerin auf der Grundlage von Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 13.824,00 EUR eine Steuervorauszahlung in Höhe von insgesamt 938,00 EUR geleistet (Bescheid vom 10.07.2008), die im Mai 2009 wieder erstattet wurde (Bescheid vom 06.05.2009). Mutterschaftsgeld bezog die Klägerin nicht.
Nach der Geburt von J hatte die Klägerin keine Einkünfte. Sie war im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum nicht erwerbstätig.
Am 28.04.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate von J. Mit Bescheid vom 05.06.2009 bewilligte die Beklagte vorläufig Elterngeld für J für die Zeit vom 06.02.2009 bis 05.02.2010 in Höhe von monatlich 590,94 EUR. Der Berechnung legte die Beklagte Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 10.355,00 EUR abzüglich Steuern in Höhe von 1.490,93 EUR sowie einen Anspruchsfaktor von 80 % zugrunde. Ein nachgeburtliches Einkommen setzte die Beklagte nicht an. Am 07.07.2009 legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, die Erstattung der Steuervorauszahlung müsse berücksichtigt werden. Aufgrund eines Fehlers des Finanzamtes sei die Vorauszahlung im Einkommensteuerbescheid nicht zum Ansatz gekommen. Ihre Einkünfte im Jahr 2008 lägen mit 10.355,12 EUR unterhalb der Freigrenzen, weshalb Steuern nicht abgezogen werden dürften. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, für die Ermittlung des vorgeburtlichen Einkommens aus selbständiger Arbeit sei der gesamte letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen. Die gemeinsame Veranlagung führe zu einem anteiligen Ansatz der im Steuerbescheid festgesetzten Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. Die Aufteilung richte sich nach dem Verhältnis der für die Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigenden Summe der positiven Einkünfte aus Erwerbstätigkeit zur Summe aller ausgewiesenen Einkünfte. Die Erstattung der Steuervorauszahlung sei unbeachtlich.
Am 31.08.2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Beklagte dürfe die Steuerbelastung nicht anteilig ermitteln. Das Einkommen der Klägerin sei wegen des Grundfreibetrages und der Kinderfreibeträge nicht steuerpflichtig. Die Berechnungsmethode der Beklagten berücksichtige nicht, dass die Belastung mit der Einkommensteuer nicht linear verlaufe und das Einkommen der Klägerin nur aufgrund der Zusammenveranlagung mit Steuern belastet werde. Dies liefe wohl auch dem verfassungsrechtlichen Gebot der besonderen Förderung der Ehe in Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG) zuwider.
Nachdem die Klägerin endgültige Einkommensnachweise für den Elterngeldbezugszeitraum eingereicht hatte, hob die Beklagte "den bestehenden Vorbehalt" auf (Änderungsbescheid vom 06.12.2010). Eine Änderung der Höhe des Elterngeldes ergab sich nicht.
Mit Urteil vom 29.03.2011 (der Klägerin am 05.04.2011 zugestellt) hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die sich aus dem Steuerbescheid ergebenden anteiligen Steuern und Solidaritätszuschläge einkommensmindernd berücksichtigt. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten sich bewusst für eine gemeinsame Veranlagung und damit gegen die isolierte steuerrechtliche Betrachtung der Einkommen entschieden. Zugunsten ihres besser verdienenden Ehemannes habe die Klägerin einer fiktiven Neuzuordnung im Sinne einer hälftigen Einkommensteuerverteilung mit der Folge einer gemeinsamen einheitlichen Steuerlast zugestimmt. Eine isolierte steuerliche Betrachtungsweise des Einkommens der Klägerin widerspräche sowohl § 2 Abs 9 Satz 4 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) als auch den steuerrechtlichen Vorschriften. Ein Verstoß gegen Art 6 Abs 1 GG liege dagegen nicht vor, da die Benachteiligung durch die steuerrechtliche Privilegierung kompensiert werde und es den Ehegatten im Vorfeld einer steuerlichen Veranlagung freistünde, sich bewusst für oder gegen eine gemeinsame Veranlagung zu entscheiden. Die Erstattung der Steuervorauszahlung sei schließlich für die Berechnung des Elterngeldes nicht relevant.
Das SG hat die Berufung gegen das Urteil nicht zugelassen. Am 11.04.2011 hat die Klägerin daraufhin Nichtzulassungsbeschwerde beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt (L 11 EG 1484/11 NZB). Mit Beschluss vom 24.05.2011 hat das LSG die Berufung gegen das Urteil zugelassen.
Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin im Wesentlichen ihre Argumente aus dem Verfahren beim SG wiederholt. Ergänzend hat sie vorgetragen, für die Rechtauffassung der Beklagten fehle eine Rechtsgrundlage. Soweit auf die Gesetzesbegründung Bezug genommen werde, hätten sich die Motive des Gesetzgebers jedenfalls nicht im Wortlaut des Gesetzes niedergeschlagen. Für die vorgenommene Schätzung der Steuer gebe es keinen Bedarf. Die auf das Einkommen der Klägerin entfallene Steuer könne exakt berechnet werden. Danach falle auf das Einkommen keine Steuer an, da die Freigrenzen nicht überschritten würden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.03.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 05.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2009 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 06.12.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die ersten zwölf Lebensmonate ihres Kindes J. F., geboren am 06.02.2009, höheres Elterngeld unter Ansatz eines vorgeburtlichen Nettoeinkommens in Höhe von 10.355,00 EUR zu gewähren,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte im Wesentlichen auf das Urteil des SG und ihren Widerspruchsbescheid verwiesen. Ergänzend hat sie vorgetragen, der Wortlaut des § 2 Abs 9 Satz 4 BEEG gehe davon aus, dass die gesamten Einkünfte "des Steuerbescheides" anzusetzen und die hierauf entfallenden Einkommensteuern proportional aufzuteilen seien. Bei gemeinsamer Veranlagung setze der Steuerbescheid die Steuern einheitlich und nicht für den Einzelnen fest. Die von der Klägerin begehrte Ermittlung würde zu einer weiteren Bevorzugung von gemeinsam veranlagten Eheleuten und damit zu einer Benachteiligung von nicht gemeinsam veranlagten Eheleuten oder nicht verheirateten Paaren führen. Der Gesetzgeber habe die Aufteilung der gesamten Steuern bei zusammen veranlagten Eheleuten gewollt. Dies folge aus der Gesetzesbegründung. Die Regelung diene auch dem Bürokratieabbau, da somit schnell und einfach das anzusetzende Einkommen ermittelt werden könne. Die Rechtsauffassung der Beklagten sei mittlerweile in ober- und höchstgerichtlichen Urteilen bestätigt worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Senat mit Beschluss vom 24.05.2011 zugelassene und nach den §§ 143, 144 Abs 1 Nr 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 05.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2009 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 06.12.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gegenstand des Verfahrens ist neben dem Bescheid vom 05.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2009 auch der Änderungsbescheid vom 06.12.2010, da die Beklagte mit diesem Bescheid den ursprünglichen Bewilligungsbescheid zwar nicht hinsichtlich der bewilligten Höhe des Elterngeldes ("eine Änderung unseres Bescheides vom 05.06.2009 ergibt sich nicht") aufgehoben bzw ersetzt hat, jedoch insoweit geändert hat, als dass der Vorbehalt der Vorläufigkeit der Regelung aufgehoben wurde. Er ist damit nach § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld richtet sich nach dem mit Wirkung zum 01.01.2007 eingeführten Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in der Fassung vom 05.12.2006 (BGBl I 2748).
Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Die Klägerin hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit ihrem am 06.02.2009 geborenen Sohn J in einem Haushalt, betreute und erzog ihn und übte während des streitigen Zeitraums keine Erwerbstätigkeit aus. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Klägerin gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren.
Die Höhe des Elterngeldes bemisst sich nach § 2 BEEG (hier in der Fassung vom 05.12.2006). Elterngeld wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. In den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1.000,00 EUR war, erhöht sich der Prozentsatz von 67 % um 0,1 Prozentpunkte für je 2,00 EUR, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1.000,00 EUR unterschreitet, auf bis zu 100 % (§ 2 Abs 2 BEEG). Lebt die berechtigte Person mit zwei Kindern, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, oder mit drei oder mehr Kindern, die das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in einem Haushalt, so wird das nach den Absätzen 1 bis 3 und 5 zustehende Elterngeld um 10 %, mindestens um 75 EUR, erhöht (§ 2 Abs 4 Satz 1 BEEG). § 2 Abs 5 BEEG sieht ein Mindestelterngeld in Höhe von monatlich 300,00 EUR vor. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist nach § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 Einkommensteuergesetz (EStG) nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 des § 2 BEEG zu berücksichtigen.
Als Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit ist nach § 2 Abs 8 Satz 1 BEEG der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Gewinn zu berücksichtigen. Grundlage der Einkommensermittlung ist der Gewinn, wie er sich aus einer mindestens den Anforderungen des § 4 Abs 3 EStG entsprechenden Berechnung ergibt (§ 2 Abs 8 Satz 2 BEEG). Ist die dem zu berücksichtigenden Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit zugrundeliegende Erwerbstätigkeit sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgeblichen Zeitraums als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums ausgeübt worden, gilt nach § 2 Abs 9 Satz 1 BEEG abweichend von Absatz 8 als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus dieser Erwerbstätigkeit der durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn, wie er sich aus dem für den Veranlagungszeitraum ergangenen Steuerbescheid ergibt. Dies gilt nicht, wenn die berechtigte Person im Veranlagungszeitraum Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat (§ 2 Abs 9 Satz 2 iVm § 2 Abs 7 Satz 5 BEEG). Als auf den Gewinn entfallende Steuern ist bei Anwendung von § 2 Abs 9 Satz 1 BEEG der auf die Einnahmen entfallende monatliche Anteil der im Steuerbescheid festgesetzten Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer anzusetzen.
Die Klägerin übte ihre selbständige Tätigkeit sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt von J maßgeblichen Zeitraums als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums aus. Im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt von J - im Steuerjahr 2008 - bezog die Klägerin keine Leistungen im Sinne des § 2 Abs 7 Satz 5 bis 7 BEEG (insb Bezug von Eltern- oder Mutterschaftsgeld). Damit gilt gemäß § 2 Abs 9 Satz 1 BEEG als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen der durchschnittlich monatliche erzielte Gewinn aus der selbständiger Tätigkeit, wie er sich aus dem Steuerbescheid für 2008 ergibt. Der Vorauszahlungsbescheid ist somit nicht maßgeblich. Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 ist der Gewinn der Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 10.355,00 EUR ausgewiesen.
Zutreffend hat die Beklagte von den Einnahmen den monatlichen Anteil der im Steuerbescheid festgesetzten Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag abgezogen. Dies ergibt sich bereits aus § 2 Abs 9 Satz 4 BEEG (in der Fassung vom 05.12.2006). Danach ist als auf den Gewinn entfallende Steuern "der auf die Einnahmen entfallende monatliche Anteil der im Steuerbescheid festgesetzten Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer anzusetzen". Die Beklagte hatte die Steuerschuld demnach nicht selbst anhand der Vorschriften der Abgabenordnung zu berechnen, sondern die Zahlen aus dem Einkommensteuerbescheid zugrundezulegen. Dies gilt auch, wenn – wie hier – der Elterngeldberechtigte mit seinem Ehegatten nach § 26b EStG zusammen veranlagt ist. Bei dieser Veranlagungsart werden die von beiden Eheleuten erzielten Einkünfte zunächst zusammengerechnet und sodann die Ehegatten als ein Steuerpflichtiger (Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft) behandelt, also vom Gesamtbetrag der (positiven) Einkünfte (§ 2 Abs 3 EStG) die Sonderausgaben (§§ 10 ff EStG), die außergewöhnlichen Belastungen (§§ 33 bis 33c EStG) und der existenzsichernden Aufwendungen abgezogen (vgl § 2 Abs 4 und 5 EStG). Die Einkommensteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) wird nach dem Splitting-Verfahren, also nach der in § 32a Abs 5 EStG vorgeschriebenen Halbteilung des Einkommens, ermittelt. Danach beträgt die tarifliche Einkommensteuer das Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte des gemeinsam zu versteuernden Einkommens ergibt. Die Klägerin wird demnach so behandelt, als hätte sie die Hälfte des Gesamtbetrags der Einkünfte erzielt. Somit ist es folgerichtig, bei der Berechnung des Elterngeldes die Steuerlast der Klägerin entsprechend ihrem proportionalen Anteil am gemeinsam erwirtschafteten Gesamteinkommen zu bestimmen und nicht anhand einer fiktiven Betrachtung nur ihres Einkommens, dh anhand der Einkommensteuer-Grundtabelle für Alleinstehende. Diese Vorgehensweise entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl BT-Drucks 16/2785 S 38) und blieb höchstrichterlich unbeanstandet (BSG 17.02.2011, B 10 EG 1/10 R, juris-RdNr 30 f; vgl auch LSG Nordrhein-Westfalen 27.04.2010, L 13 EG 55/09 und 12.04.2011, L 13 EG 57/09, beide juris).
Ein Verstoß gegen das Grundgesetz ergibt sich daraus nicht. Mangels vorgegebener Referenzgröße aufgrund eines versicherungstypischen Gegenseitigkeitsverhältnisses von Beiträgen und Leistungen (vgl BVerfG 7.12.2010, 1 BvR 2628/07, juris-RdNr 36) steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, bei der gesetzlichen Ausgestaltung steuerfinanzierter Sozialleistungen, die nicht auf eigenen Beiträgen des Anspruchsberechtigten beruhen, eigenständige Regelungen zu treffen und zur Verwirklichung der Gesetzesziele den als Referenzgröße maßgeblichen Begriff frei zu wählen (BSG 17.02.2011, B 10 EG 17/09 R, juris-RdNr 68 mwN, zur Verfassungsmäßigkeit des Anknüpfens an das im Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes bezogene Einkommen aus Erwerbstätigkeit). Aus Art 6 Abs 1 GG folgt nicht, dass verheirateten Eltern über das Ehegattensplitting hinaus im Rahmen des Elterngeldes ein weiterer Vorteil gegenüber nichtverheirateten Eltern oder Alleinerziehenden einzuräumen wäre.
Aus dem Einkommen der Klägerin ergeben sich deshalb Steuern (einschließlich Solidaritätszuschlag) aus dem Anteil der im Steuerbescheid für die Eheleute insgesamt festgesetzten Steuern (hier 7.468,00 EUR + 321,42 EUR = 7.789,42 EUR), der dem Anteil der Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit (hier 10.355,00 EUR) an dem ebenfalls im Steuerbescheid ausgewiesenen Gesamtbetrag der Einkünfte (hier 54.100,00 EUR) entspricht (hier 19,14048 %). Im Ergebnis errechnet sich vorliegend ein Betrag in Höhe von 1.490,93 EUR (19,14048 % von 7.789,42 EUR). Als Nettoeinkünfte der Klägerin sind mithin 8.864,07 EUR anzusetzen (10.355,00 EUR - 1.490,93 EUR), also monatlich 738,67 EUR.
Da nachgeburtlich keine Einkünfte erzielt wurden ist keine Differenzberechnung vorzunehmen (§ 2 Abs 3 BEEG). Aufgrund der Unterschreitung von 1.000,00 EUR ist der Prozentsatz von 67 % gemäß § 2 Abs 2 BEEG um je 0,1 Prozentpunkte für je 2,00 EUR, dh für je 2,00 EUR des Differenzbetrages von 261,33 EUR (1.000,00 EUR - 783,67 EUR) um 0,1 Prozentpunkte, also um 13 Prozentpunkte zu erhöhen (130 x 0,1 = 13). Hieraus errechnet sich ein monatlicher Zahlbetrag von 590,94 EUR (80 % aus 738,67 EUR). In dieser Höhe hat die Beklagte Elterngeld bewilligt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, nachdem mittlerweile eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Rechtsfrage vorliegt (BSG 17.02.2011, B 10 EG 1/10 R, juris-RdNr 30 f).
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