Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 255/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
1. Eine Neuberechnung der Vergütungsforderung des Sachverständigen ist nach Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG nur nach fristgerechtem Verlängerungsantrag gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG oder über einen Wiedereinsetzungsantrag gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG möglich.
2. Eine fristgerechte Rechnungsstellung ermöglicht nicht die Geltendmachung von weiteren Vergütungsbestandteilen oder eine Abänderung der Vergütungsforderung außerhalb der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG.
3. Ein Wiedereinsetzungsantrag ist innerhalb von zwei Wochen ab Wegfall des Hindernisses, das einer fristgerechten Rechnungsstellung entgegen steht, zu stellen.
4. Jedenfalls mit der Erstellung der Rechnung des Sachverständigen ist nachgewiesen, dass das einer rechtzeitigen Rechnungsstellung entgegen stehende Hindernis spätestens zu diesem Zeitpunkt weggefallen ist.
2. Eine fristgerechte Rechnungsstellung ermöglicht nicht die Geltendmachung von weiteren Vergütungsbestandteilen oder eine Abänderung der Vergütungsforderung außerhalb der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG.
3. Ein Wiedereinsetzungsantrag ist innerhalb von zwei Wochen ab Wegfall des Hindernisses, das einer fristgerechten Rechnungsstellung entgegen steht, zu stellen.
4. Jedenfalls mit der Erstellung der Rechnung des Sachverständigen ist nachgewiesen, dass das einer rechtzeitigen Rechnungsstellung entgegen stehende Hindernis spätestens zu diesem Zeitpunkt weggefallen ist.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung wegen der mit Rechnung vom 06.07.2010 erfolgten Neuberechnung der Vergütung für das Gutachten vom 06.12.2009 wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller, Arzt an einer Klinik in A-Stadt, begehrt wegen der Neuberechnung seiner Vergütung eines von ihm erstatteten Gutachtens nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) die Wiedereinsetzung.
In dem am Bayer. Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 1 R 301/09 geführten rentenrechtlichen Klageverfahren fertigte der Antragsteller im Auftrag des Gerichts unter dem Datum vom 06.12.2009 ein Gutachten an; bei Gericht ging das Gutachten am 07.12.2009 ein. Mit Rechnung vom 11.12.2009 stellte er dem Gericht dafür einen Betrag in Höhe von 1.913,97 EUR in Rechnung, der antragsgemäß gezahlt wurde.
Mit Schreiben vom 24.08.2010, eingegangen bei Gericht am 26.08.2010, hat eine Mitarbeiterin der Klinik mitgeteilt, dass bei der ursprünglichen Abrechnung des Gutachtens aufgrund eines Softwarefehlers eine zu niedrige Vergütungsforderung in Rechnung gestellt worden sei. Aus der dem Schreiben vom 24.08.2010 beigelegten überarbeiteten Rechnung vom 06.07.2010 ("Erstelldatum") ergibt sich ein Gesamtbetrag von 2.311,62 EUR. Es ist gebeten worden, das Versehen zu entschuldigen und den Differenzbetrag nachzuentrichten. Am 01.09.2010 hat der Antragsteller selbst ein wortgleiches Schreiben wie das vom 24.08.2010 an das Gericht gerichtet.
II.
Dem Antragsteller ist keine Wiedereinsetzung zu gewähren.
Im vorliegenden Fall ist die Neuberechnung des Vergütungsanspruchs zu spät bei Gericht eingereicht worden. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung liegen nicht vor.
1. Geänderte Rechnung zu spät gestellt
Der Vergütungsanspruch war bereits erloschen, als die geänderte Rechnung bei Gericht vorgelegt wurde.
Der Anspruch auf Vergütung erlischt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle geltend gemacht wird, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat. Die Frist beginnt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG im Falle der schriftlichen Begutachtung mit Eingang des Gutachtens bei der Stelle, die den Berechtigten herangezogen hat.
Das streitgegenständliche Gutachten ist am 07.12.2009 bei Gericht eingegangen. Damit ist eine (geänderte) Vergütung aufgrund einer erst im August 2010 bei Gericht eingereichten abgeänderten Rechnung ausgeschlossen.
Eines Hinweises des Gerichts auf den bevorstehenden Ablauf der Frist oder einer Aufforderung zur Bezifferung der Vergütungsforderung bedurfte es nicht (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Beschlüsse vom 16.09.2008, Az.: L 15 SF 144/08, vom 21.12.2011, Az.: L 15 SF 208/10 B E, und vom 14.08.2012, Az.: L 15 SF 135/12 B). Dies gilt in gleicher Weise für die Einreichung einer originären Rechnung als auch für eine nachgereichte Rechnungskorrektur.
Ohne rechtliche Relevanz ist es bei der Erlöschensregelung des § 2 Abs. 1
Satz 1 JVEG, wenn zuvor - fristgerecht - bereits eine Rechnung gestellt worden ist und diese Rechnung nur abgeändert werden soll (vgl. dazu - überwiegend zur nachträglichen Geltendmachung der Umsatzsteuer - Beschlüsse des Senats vom 23.12.2009, Az.: L 15 SF 352/09, vom 22.12.1009, Az.: L 15 SF 348/09, vom 14.11.2008, Az.: L 15 SF 189/08 R KO, vom 05.05.2008, Az.: L 15 SF 17/08 R KO,
L 15 SF 18/08 U KO; Landessozialgericht - LSG - für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.07.2012, Az.: L 18 SF 391/11 E; Thüringer LSG, Beschluss vom 18.06.2007, Az.: L 6 B 77/07 SF). Denn mit einer fristgerechten Rechnungsstellung wird nicht die Geltendmachung von (weiteren) Vergütungsbestandteilen oder eine Abänderung der Vergütungsforderung außerhalb der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG ermöglicht. Die - von der Wiedereinsetzung abgesehen - einzige Möglichkeit, eine Vergütung, eine Neuberechnung der Vergütung oder einen weiteren Vergütungsbestandteil auch nach Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG geltend machen zu können, besteht nach der Entscheidung des Gesetzgebers im Wege eines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrags gemäß § 2 Abs. 1
Satz 3 JVEG.
An dieser Auslegung bestehen nicht die geringsten Zweifel. Sie ergibt sich auch zwingend aus den Gesetzesmaterialien. So wird in der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG) -, Bundestags-Drucksache 15/1971 S. 178, Folgendes zu § 2 JVEG ausgeführt:
Absatz 1 regelt das Verfahren zur Verfolgung des Anspruchs auf Vergütung bzw. Entschädigung in Anlehnung an § 15 Abs. 2 und 3 ZuSEG. Die Frist zur (bezifferten und substantiierten) Geltendmachung des Anspruchs soll gemäß Satz 1 auf drei Monate vereinheitlicht werden ... Für Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer würde jedoch an Stelle der bisherigen Regelungen in § 15 Abs. 3 Satz 1 bis 3 ZuSEG zukünftig gelten, dass der Anspruch nach drei Monaten erlöschen würde, ohne dass dies - wie bisher - zuvor eine individuelle Fristsetzung und eine Belehrung über die Folgen der Fristversäumung zur Voraussetzung hätte. Damit soll besser als bisher sichergestellt werden, dass die Abrechnung zeitnah erfolgt. Dies hätte wiederum eine größere Gewähr für deren Richtigkeit zur Folge und würde die Möglichkeiten zur schnellen Durchsetzung einer etwaigen Nachzahlungspflicht des Kostenschuldners erheblich verbessern.
Mit der Einführung der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG für alle Adressaten des JVEG hat der Gesetzgeber ersichtlich das Ziel verfolgt, eine zügige Abrechnung von Vergütungen oder Entschädigungen nach dem JVEG, nämlich innerhalb von drei Monaten, sicherzustellen. Vereinfacht und plakativ kann die gesetzgeberische Entscheidung wie folgt formuliert werden: "Nach drei Monaten geht nichts mehr." Würde eine Rechnungsergänzung auch noch nach Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG zugelassen, würde die gesetzgeberische Entscheidung konterkariert und ad absurdum geführt. Es reicht gerade nicht aus, dass ein potentieller Anspruchsberechtigter nur eine Willensäußerung von sich gibt, dass er eine Entschädigung oder Vergütung beanspruchen wird, deren Höhe er aber noch nicht genau beziffern oder bestimmen kann oder möchte. Denn dies wäre kein Schritt hin zu der vom Gesetzgeber bezweckten zeitnahen Abrechnung. Dies wird auch in der Gesetzesbegründung klar und deutlich zugrunde gelegt, wenn dort die "bezifferte und substantiierte" Geltendmachung des Anspruchs innerhalb der Drei-Monats-Frist vorausgesetzt wird.
Für den Eintritt des Erlöschens ist es daher ohne Bedeutung, ob ein Anspruch überhaupt nicht, nur teilweise oder aus (späterer) Sicht (des Antragstellers) ergänzungsbedürftig geltend gemacht wird. Jedenfalls nach Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG steht der Geltendmachung des Anspruchs die Erlöschensregelung entgegen. Einziger Weg, in einem derartigen Fall eine Vergütung oder Entschädigung noch geltend machen zu können, ist ein Wiedereinsetzungsantrag.
2. Keine Wiedereinsetzung
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, da es an einem fristgerechten Wiedereinsetzungsantrag fehlt.
2.1. Allgemeines zu den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung
Eine Wiedereinsetzung ist dann zu gewähren, wenn
- der Antragsteller innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2
Satz 1 JVEG einen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht hat,
- sich das Gericht bei weiteren, von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen vom hinreichend wahrscheinlichen Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrunds überzeugt hat,
- der Antragsteller innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt und
- er innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG den Entschädigungsanspruch beziffert hat
(vgl. zu den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung auch den grundsätzlichen Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12). Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG nicht mehr beantragt werden.
Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen ist dem JVEG - im Gegensatz zu vielen anderen gesetzlichen Regelungen - fremd (vgl. Beschlüsse des Senats vom 01.08.2012, Az.: L 15 SF 156/12, und vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12). Auch wenn ein Wiedereinsetzungsgrund nahe liegt oder sogar offensichtlich gegeben ist, kann das Gericht ohne entsprechenden Antrag keine Wiedereinsetzung gewähren. Das Antragserfordernis verbietet es auch, allein in der verspäteten Vorlage einer Rechnung einen Wiedereinsetzungsantrag zu sehen. Denn würde die verspätete Rechnungsstellung als Wiedereinsetzungsantrag gesehen, würde damit der gesetzgeberische Wille, eine Wiedereinsetzung nur von Amts wegen zuzulassen, konterkariert. Im Übrigen wäre es auch in der Sache nicht vertretbar, in einer verspäteten Rechnungsstellung ohne irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsteller der Verspätung bewusst gewesen sein könnte und diese begründen möchte, einen Wiedereinsetzungsantrag zu sehen. Denn mangels entsprechenden und insbesondere nach außen erkennbaren Bewusstseins würde dem Rechnungssteller ein einschlägiger Wille unterstellt, den er gar nicht gehabt hat. Dies wäre bei allem Wohlwollen für einen Rechnungssteller nicht mehr vertretbar. Zudem würde es in einem derartigen Fall auch an der im Rahmen der Darlegungslast des Antragstellers erforderlichen Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes mangeln (vgl. Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12).
2.2. Zum konkreten Fall
Es liegt kein fristgemäßer Wiedereinsetzungsantrag vor.
Ein Wiedereinsetzungsantrag ist im Schreiben vom 24.08.2010, das am 26.08.2010 bei Gericht eingegangen ist, enthalten. Auch wenn dieses Schreiben nicht vom Antragsteller, sondern von einer Klinikmitarbeiterin unterzeichnet ist, rechnet es der Senat ihm zu.
Zu diesem Zeitpunkt war aber das geltend gemachte Hindernis, das einer rechtzeitigen Rechnungsstellung betreffend aller erbrachten Leistungen nach den Angaben des Antragstellers entgegen stand, nämlich die vorgetragenen Softwareprobleme, bereits seit deutlich mehr als zwei Wochen beseitigt.
Zu welchem exakten Zeitpunkt das vom Antragsteller angegebene Hindernis für die rechtzeitige Rechnungsstellung entfallen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls mit der Erstellung der Rechnung am 06.07.2010 - dieses Datum ist als "Erstelldatum" auf der ergänzten/berichtigten Rechnung angegeben - ist objektiv feststellbar, dass das Hindernis spätestens zu diesem Zeitpunkt weggefallen ist. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Abrechnung möglich.
Ohne Bedeutung für den Fristbeginn ist, ob der Antragsteller sich der Fristversäumnis bewusst war oder nicht. Denn der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis der Fristversäumung zu stellen, sondern - wie dies dem Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG eindeutig zu entnehmen ist - innerhalb von zwei Wochen ab Wegfall des einer rechtzeitigen Rechnungsstellung entgegen stehenden Hindernisses.
Damit hat spätestens am 06.07.2010 die Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2
Satz 1 JVEG zu laufen begonnen. Zu dem Zeitpunkt, als der Wiedereinsetzungsantrag bei Gericht eingegangen ist - es kommt auf den Eingang bei Gericht, nicht auf die Abfassung des Antrags an -, nämlich am 26.08.2010, war die Zwei-Wochen-Frist bereits lange abgelaufen.
Rein der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass sich der Antragsteller auch nicht darauf berufen könnte, dass ihm die Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG unbekannt gewesen wäre. Eine Unkenntnis von einzuhaltenden Fristen ist grundsätzlich nicht geeignet, eine Wiedereinsetzung zu begründen. Denn wegen des Grundsatzes der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen gelten Gesetze mit ihrer Verkündung allen Normadressaten als bekannt ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich davon Kenntnis davon erhalten haben. Eine Unkenntnis des Rechts und der Befristung seiner Ausübung vermag daher eine Wiedereinsetzung nicht zu rechtfertigen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 06.05.2010, Az.: B 13 R 44/09 R - m.w.N.).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher schon deshalb ausgeschlossen, weil der Antragsteller keinen fristgerechten Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat.
Auf die Frage, ob die angegebenen Softwareprobleme überhaupt einen Wiedereinsetzungsgrund dargestellt hätten, kommt es daher nicht mehr an.
Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf Wiedereinsetzung, der einer Entscheidung durch den Kostenbeamten entzogen ist, als Einzelrichter zu entscheiden gehabt (§ 2 Abs. 2 Satz 6, § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG).
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 2 Abs. 2 Satz 6, § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 2 Abs. 2 Satz 6, § 4 Abs. 8 JVEG).
Gründe:
I.
Der Antragsteller, Arzt an einer Klinik in A-Stadt, begehrt wegen der Neuberechnung seiner Vergütung eines von ihm erstatteten Gutachtens nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) die Wiedereinsetzung.
In dem am Bayer. Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 1 R 301/09 geführten rentenrechtlichen Klageverfahren fertigte der Antragsteller im Auftrag des Gerichts unter dem Datum vom 06.12.2009 ein Gutachten an; bei Gericht ging das Gutachten am 07.12.2009 ein. Mit Rechnung vom 11.12.2009 stellte er dem Gericht dafür einen Betrag in Höhe von 1.913,97 EUR in Rechnung, der antragsgemäß gezahlt wurde.
Mit Schreiben vom 24.08.2010, eingegangen bei Gericht am 26.08.2010, hat eine Mitarbeiterin der Klinik mitgeteilt, dass bei der ursprünglichen Abrechnung des Gutachtens aufgrund eines Softwarefehlers eine zu niedrige Vergütungsforderung in Rechnung gestellt worden sei. Aus der dem Schreiben vom 24.08.2010 beigelegten überarbeiteten Rechnung vom 06.07.2010 ("Erstelldatum") ergibt sich ein Gesamtbetrag von 2.311,62 EUR. Es ist gebeten worden, das Versehen zu entschuldigen und den Differenzbetrag nachzuentrichten. Am 01.09.2010 hat der Antragsteller selbst ein wortgleiches Schreiben wie das vom 24.08.2010 an das Gericht gerichtet.
II.
Dem Antragsteller ist keine Wiedereinsetzung zu gewähren.
Im vorliegenden Fall ist die Neuberechnung des Vergütungsanspruchs zu spät bei Gericht eingereicht worden. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung liegen nicht vor.
1. Geänderte Rechnung zu spät gestellt
Der Vergütungsanspruch war bereits erloschen, als die geänderte Rechnung bei Gericht vorgelegt wurde.
Der Anspruch auf Vergütung erlischt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle geltend gemacht wird, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat. Die Frist beginnt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG im Falle der schriftlichen Begutachtung mit Eingang des Gutachtens bei der Stelle, die den Berechtigten herangezogen hat.
Das streitgegenständliche Gutachten ist am 07.12.2009 bei Gericht eingegangen. Damit ist eine (geänderte) Vergütung aufgrund einer erst im August 2010 bei Gericht eingereichten abgeänderten Rechnung ausgeschlossen.
Eines Hinweises des Gerichts auf den bevorstehenden Ablauf der Frist oder einer Aufforderung zur Bezifferung der Vergütungsforderung bedurfte es nicht (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Beschlüsse vom 16.09.2008, Az.: L 15 SF 144/08, vom 21.12.2011, Az.: L 15 SF 208/10 B E, und vom 14.08.2012, Az.: L 15 SF 135/12 B). Dies gilt in gleicher Weise für die Einreichung einer originären Rechnung als auch für eine nachgereichte Rechnungskorrektur.
Ohne rechtliche Relevanz ist es bei der Erlöschensregelung des § 2 Abs. 1
Satz 1 JVEG, wenn zuvor - fristgerecht - bereits eine Rechnung gestellt worden ist und diese Rechnung nur abgeändert werden soll (vgl. dazu - überwiegend zur nachträglichen Geltendmachung der Umsatzsteuer - Beschlüsse des Senats vom 23.12.2009, Az.: L 15 SF 352/09, vom 22.12.1009, Az.: L 15 SF 348/09, vom 14.11.2008, Az.: L 15 SF 189/08 R KO, vom 05.05.2008, Az.: L 15 SF 17/08 R KO,
L 15 SF 18/08 U KO; Landessozialgericht - LSG - für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.07.2012, Az.: L 18 SF 391/11 E; Thüringer LSG, Beschluss vom 18.06.2007, Az.: L 6 B 77/07 SF). Denn mit einer fristgerechten Rechnungsstellung wird nicht die Geltendmachung von (weiteren) Vergütungsbestandteilen oder eine Abänderung der Vergütungsforderung außerhalb der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG ermöglicht. Die - von der Wiedereinsetzung abgesehen - einzige Möglichkeit, eine Vergütung, eine Neuberechnung der Vergütung oder einen weiteren Vergütungsbestandteil auch nach Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG geltend machen zu können, besteht nach der Entscheidung des Gesetzgebers im Wege eines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrags gemäß § 2 Abs. 1
Satz 3 JVEG.
An dieser Auslegung bestehen nicht die geringsten Zweifel. Sie ergibt sich auch zwingend aus den Gesetzesmaterialien. So wird in der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG) -, Bundestags-Drucksache 15/1971 S. 178, Folgendes zu § 2 JVEG ausgeführt:
Absatz 1 regelt das Verfahren zur Verfolgung des Anspruchs auf Vergütung bzw. Entschädigung in Anlehnung an § 15 Abs. 2 und 3 ZuSEG. Die Frist zur (bezifferten und substantiierten) Geltendmachung des Anspruchs soll gemäß Satz 1 auf drei Monate vereinheitlicht werden ... Für Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer würde jedoch an Stelle der bisherigen Regelungen in § 15 Abs. 3 Satz 1 bis 3 ZuSEG zukünftig gelten, dass der Anspruch nach drei Monaten erlöschen würde, ohne dass dies - wie bisher - zuvor eine individuelle Fristsetzung und eine Belehrung über die Folgen der Fristversäumung zur Voraussetzung hätte. Damit soll besser als bisher sichergestellt werden, dass die Abrechnung zeitnah erfolgt. Dies hätte wiederum eine größere Gewähr für deren Richtigkeit zur Folge und würde die Möglichkeiten zur schnellen Durchsetzung einer etwaigen Nachzahlungspflicht des Kostenschuldners erheblich verbessern.
Mit der Einführung der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG für alle Adressaten des JVEG hat der Gesetzgeber ersichtlich das Ziel verfolgt, eine zügige Abrechnung von Vergütungen oder Entschädigungen nach dem JVEG, nämlich innerhalb von drei Monaten, sicherzustellen. Vereinfacht und plakativ kann die gesetzgeberische Entscheidung wie folgt formuliert werden: "Nach drei Monaten geht nichts mehr." Würde eine Rechnungsergänzung auch noch nach Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG zugelassen, würde die gesetzgeberische Entscheidung konterkariert und ad absurdum geführt. Es reicht gerade nicht aus, dass ein potentieller Anspruchsberechtigter nur eine Willensäußerung von sich gibt, dass er eine Entschädigung oder Vergütung beanspruchen wird, deren Höhe er aber noch nicht genau beziffern oder bestimmen kann oder möchte. Denn dies wäre kein Schritt hin zu der vom Gesetzgeber bezweckten zeitnahen Abrechnung. Dies wird auch in der Gesetzesbegründung klar und deutlich zugrunde gelegt, wenn dort die "bezifferte und substantiierte" Geltendmachung des Anspruchs innerhalb der Drei-Monats-Frist vorausgesetzt wird.
Für den Eintritt des Erlöschens ist es daher ohne Bedeutung, ob ein Anspruch überhaupt nicht, nur teilweise oder aus (späterer) Sicht (des Antragstellers) ergänzungsbedürftig geltend gemacht wird. Jedenfalls nach Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG steht der Geltendmachung des Anspruchs die Erlöschensregelung entgegen. Einziger Weg, in einem derartigen Fall eine Vergütung oder Entschädigung noch geltend machen zu können, ist ein Wiedereinsetzungsantrag.
2. Keine Wiedereinsetzung
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, da es an einem fristgerechten Wiedereinsetzungsantrag fehlt.
2.1. Allgemeines zu den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung
Eine Wiedereinsetzung ist dann zu gewähren, wenn
- der Antragsteller innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2
Satz 1 JVEG einen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht hat,
- sich das Gericht bei weiteren, von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen vom hinreichend wahrscheinlichen Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrunds überzeugt hat,
- der Antragsteller innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt und
- er innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG den Entschädigungsanspruch beziffert hat
(vgl. zu den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung auch den grundsätzlichen Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12). Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG nicht mehr beantragt werden.
Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen ist dem JVEG - im Gegensatz zu vielen anderen gesetzlichen Regelungen - fremd (vgl. Beschlüsse des Senats vom 01.08.2012, Az.: L 15 SF 156/12, und vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12). Auch wenn ein Wiedereinsetzungsgrund nahe liegt oder sogar offensichtlich gegeben ist, kann das Gericht ohne entsprechenden Antrag keine Wiedereinsetzung gewähren. Das Antragserfordernis verbietet es auch, allein in der verspäteten Vorlage einer Rechnung einen Wiedereinsetzungsantrag zu sehen. Denn würde die verspätete Rechnungsstellung als Wiedereinsetzungsantrag gesehen, würde damit der gesetzgeberische Wille, eine Wiedereinsetzung nur von Amts wegen zuzulassen, konterkariert. Im Übrigen wäre es auch in der Sache nicht vertretbar, in einer verspäteten Rechnungsstellung ohne irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsteller der Verspätung bewusst gewesen sein könnte und diese begründen möchte, einen Wiedereinsetzungsantrag zu sehen. Denn mangels entsprechenden und insbesondere nach außen erkennbaren Bewusstseins würde dem Rechnungssteller ein einschlägiger Wille unterstellt, den er gar nicht gehabt hat. Dies wäre bei allem Wohlwollen für einen Rechnungssteller nicht mehr vertretbar. Zudem würde es in einem derartigen Fall auch an der im Rahmen der Darlegungslast des Antragstellers erforderlichen Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes mangeln (vgl. Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12).
2.2. Zum konkreten Fall
Es liegt kein fristgemäßer Wiedereinsetzungsantrag vor.
Ein Wiedereinsetzungsantrag ist im Schreiben vom 24.08.2010, das am 26.08.2010 bei Gericht eingegangen ist, enthalten. Auch wenn dieses Schreiben nicht vom Antragsteller, sondern von einer Klinikmitarbeiterin unterzeichnet ist, rechnet es der Senat ihm zu.
Zu diesem Zeitpunkt war aber das geltend gemachte Hindernis, das einer rechtzeitigen Rechnungsstellung betreffend aller erbrachten Leistungen nach den Angaben des Antragstellers entgegen stand, nämlich die vorgetragenen Softwareprobleme, bereits seit deutlich mehr als zwei Wochen beseitigt.
Zu welchem exakten Zeitpunkt das vom Antragsteller angegebene Hindernis für die rechtzeitige Rechnungsstellung entfallen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls mit der Erstellung der Rechnung am 06.07.2010 - dieses Datum ist als "Erstelldatum" auf der ergänzten/berichtigten Rechnung angegeben - ist objektiv feststellbar, dass das Hindernis spätestens zu diesem Zeitpunkt weggefallen ist. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Abrechnung möglich.
Ohne Bedeutung für den Fristbeginn ist, ob der Antragsteller sich der Fristversäumnis bewusst war oder nicht. Denn der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis der Fristversäumung zu stellen, sondern - wie dies dem Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG eindeutig zu entnehmen ist - innerhalb von zwei Wochen ab Wegfall des einer rechtzeitigen Rechnungsstellung entgegen stehenden Hindernisses.
Damit hat spätestens am 06.07.2010 die Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2
Satz 1 JVEG zu laufen begonnen. Zu dem Zeitpunkt, als der Wiedereinsetzungsantrag bei Gericht eingegangen ist - es kommt auf den Eingang bei Gericht, nicht auf die Abfassung des Antrags an -, nämlich am 26.08.2010, war die Zwei-Wochen-Frist bereits lange abgelaufen.
Rein der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass sich der Antragsteller auch nicht darauf berufen könnte, dass ihm die Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG unbekannt gewesen wäre. Eine Unkenntnis von einzuhaltenden Fristen ist grundsätzlich nicht geeignet, eine Wiedereinsetzung zu begründen. Denn wegen des Grundsatzes der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen gelten Gesetze mit ihrer Verkündung allen Normadressaten als bekannt ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich davon Kenntnis davon erhalten haben. Eine Unkenntnis des Rechts und der Befristung seiner Ausübung vermag daher eine Wiedereinsetzung nicht zu rechtfertigen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 06.05.2010, Az.: B 13 R 44/09 R - m.w.N.).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher schon deshalb ausgeschlossen, weil der Antragsteller keinen fristgerechten Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat.
Auf die Frage, ob die angegebenen Softwareprobleme überhaupt einen Wiedereinsetzungsgrund dargestellt hätten, kommt es daher nicht mehr an.
Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf Wiedereinsetzung, der einer Entscheidung durch den Kostenbeamten entzogen ist, als Einzelrichter zu entscheiden gehabt (§ 2 Abs. 2 Satz 6, § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG).
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 2 Abs. 2 Satz 6, § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 2 Abs. 2 Satz 6, § 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved