Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 562/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 171/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2009 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Honorarkürzung für die Quartale II/05 bis II/06 über insgesamt 43.130,24 Euro in Folge einer Plausibilitätsprüfung.
Der Kläger ist Chefarzt und Direktor der Klinik für des Uhauses B. Seit November 1997 verfügt er über eine Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in folgendem Umfange (EBM-Nrn. nach dem EBM mit Stand vom 1. April 2005, vgl. den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 22. Februar 2006):
- Konsiliarische Beratung auf Überweisung von Ärzten für HNO-Heilkunde, Leistungen nach den EBM-Nrn.
01310, 01311, 01312, 01601, 01602, 09311, 09312, 09313, 09314, 09320, 09321, 09322, 09323, 09325, 09326, 31232, 33010, 33011, 40120.
- Auf Überweisung von Ärzten für HNO-Heilkunde zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit vertebragenen HNO-Erkrankungen, von akuten und chronischen Innenohrerkrankungen bzw. Erkrankungen mit dem Leitsymptom "Schwindel" nach den EBM-Nrn.
01310, 01311, 01312, 01601, 01602, 09311, 09220, 09325, 09340, 09351, 09361, 30200,30201, 31232.
- Auf Überweisung von Ärzten für HNO-Heilkunde Leistungen nach den EBM-Nrn.
09324, 09327, 09331, 09340,
beschränkt auf maximal 25 Patienten im Quartal.
Der Plausibilitätsausschuss der Beklagten stellte auf der Grundlage kompletter Tageszeitprofile und eines Quartalszeitprofils im Rahmen der zeitgestützten Plausibilitätsprüfung für das Quartal II/05 fest, dass der Kläger mit einer Quartalszeit von 35.742 Minuten das Aufgreifkriterium von 9.360 Minuten um 26.382 Minuten überschritten hatte. Außerdem hatte der Kläger für acht Tage mehr als 12 Stunden täglicher Arbeitszeit zur Abrechnung eingereicht, womit auch das Aufgreifkriterium einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 12 Stunden an mindestens drei Tagen im Quartal überschritten war.
Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte den Honorarbescheid für das Quartal II/05 auf, setzte das Honorar auf 4.921,92 Euro (brutto) fest und forderte den nach Abzug gezahlter Verwaltungskosten errechneten Differenzbetrag von 12.035,31 Euro vom Kläger zurück (Bescheid vom 29. März 2007).
Auch für die Quartale III/05 bis II/06 stellte der Plausibilitätsausschuss auf der Grundlage kompletter Tageszeitprofile und eines Quartalszeitprofils im Rahmen der zeitgestützten Plausibilitätsprüfung fest, dass der Kläger die beiden genannten Aufgreifkriterien erfüllt hatte: Die Quartalszeiten betrugen
im Quartal III/05: 26.912 Minuten, im Quartal IV/05: 25.211 Minuten, im Quartal I/06: 28.268 Minuten und im Quartal II/06: 25.209 Minuten.
Außerdem hatte der Kläger in den Quartalen IV/05 und I/06 für jeweils drei Tage eine Arbeitszeit von mehr als zwölf Stunden abgerechnet.
Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte auch die Honorarbescheide für die Quartale III/05 bis II/06 auf, nahm eine sachlich-rechnerische Berichtigung vor, setzte die Honorare für die genannten Quartale neu fest und forderte den nach Abzug gezahlter Verwaltungskosten errechneten Differenzbetrag von insgesamt 31.094,93 Euro vom Kläger zurück (Bescheid vom 15. Februar 2008; III/05: 8.116,96 Euro; IV/05: 8.194,98 Euro; I/06: 8.425,90 Euro; II/06: 7.089,11 Euro). Anhand der Analysen verschiedener Behandlungstage (1. September 2005, 4. Oktober 2005, 5. Januar 2006 und 27. April 2006) sei nachgewiesen, dass der Kläger die für diese Tage abgerechneten Leistungen nicht bzw. nicht vollständig habe erbringen können.
Zur Begründung seiner gegen die Bescheide vom 29. März 2007 und vom 15. Februar 2008 erhobenen Widersprüche brachte der Kläger im Wesentlichen vor: Die Mehrzahl der funktionsdiagnostischen Untersuchungen des Hör- und Gleichgewichtssystems delegiere er an vier medizinisch-technische Assistenten für Funktionsdiagnostik (MTAF). Bei Ermittlung der Tagesleistungszeiten müssten etwa 140 Stunden wegen Delegierbarkeit abgezogen werden. Die meisten Patienten kämen aufgrund der Vordiagnostik der HNO-Fachärzte mit konkreten Fragestellungen; dies beschleunige die Beratung und die Untersuchung erheblich. Hinzu kämen erhebliche Erfahrung und Spezialisierung. Die Befundung funktionsdiagnostischer Leistungen nehme im Regelfall nur noch sehr wenig Zeit in Anspruch, nämlich etwa 60 Sekunden für Indikationsstellung und Auswertung durch Betrachten des Befundblattes bei audiometrischen Leistungen der Ton-, Sprach- und objektiven Audiometrie.
Mit Bescheid vom 19. August 2008 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 29. März 2007 und vom 15. Februar 2008 zurück. Auch eine nochmalige Überprüfung zeige, dass der Kläger in den fraglichen Quartalen Leistungen zur Abrechnung eingereicht habe, die er nicht vollständig habe erbringen können. Dies zeige die detaillierte Betrachtung jeweils eines Tages aus jedem streitigen Quartal, an dem der Kläger eine Leistungszeit von mehr als zwölf Stunden zur Abrechnung gebracht habe:
Donnerstag, 7. April 2005: 15:43 Stunden, Donnerstag, 1. Sept. 2005: 13:37 Stunden, Dienstag, 4. Oktober 2005: 13:16 Stunden, Donnerstag, 5. Januar 2006: 15:03 Stunden sowie Donnerstag, 27. April 2006: 13:53 Stunden.
Angesichts dieses allein für die KV-Sprechstunde geltend gemachten Zeitumfanges stehe fest, dass der Kläger die konkret abgerechneten Leistungen nicht ordnungsgemäß habe erbringen können.
Selbst wenn man die Leistungszeit für die delegierten funktionsdiagnostischen Untersuchungen herausrechne, komme es in jedem Quartal immer noch zu erheblichen Überschreitungen des Aufgreifwerts von 9.360 Minuten:
Quartal II/05: 27.646 Minuten, Quartal III/05: 18.126 Minuten, Quartal IV/05: 17.060 Minuten, Quartal I/06: 17.999 Minuten und Quartal II/06: 15.921 Minuten.
Die vorgegebenen Prüfzeiten seien so bemessen, dass ein erfahrener und geübter Arzt die Leistungen in einer kürzeren Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß erbringen könne. Die Zeitvorgaben für die funktionsdiagnostischen Leistungen mit Zeiten zwischen zwei und vier Minuten seien sicher nicht zu hoch angesetzt. Sofern der Kläger vorbringe, diese Leistungen in nur etwa 60 Sekunden erbringen zu können, schränke dies auf Dauer die Qualität der Patientenversorgung ein. So sei es auch ausgeschlossen, die der EBM-Ziffer 09326 zugrunde liegende Leistung (Abklärung einer retrocochleären Erkrankung), die mit einer Leistungszeit von 21 Minuten bewertet sei, in – wie vom Kläger behauptet – nur 60 Sekunden sachgerecht zu erbringen. Im Übrigen seien einzelne Leistungen nicht abrechenbar, wenn die dafür vorgesehene Mindestzeit – z.B. 10 Minuten für die Gesprächsleistung nach der EBM-Ziffer 09220 – nicht aufgewandt worden sei. Der vom Kläger dargelegte Ablauf eines Arbeitstages in der Klinik einschließlich KV-Sprechstunde sei angesichts seiner anderweitigen Verpflichtungen als Klinikdirektor nicht glaubhaft.
Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger ergänzend ausgeführt: Die Aufgreifkriterien aus § 8 Abs. 3 der Richtlinien der KBV und der Spitzenverbände der Krankenkassen zu Inhalt und Durchführung der Abrechnungsprüfungen seien nur vordergründig erfüllt. Er stehe als ermächtigter Krankenhausarzt der vertragsärztlichen Versorgung, gemessen an den Aufgreifkriterien, in nahezu doppeltem Zeitmaß zur Verfügung, nämlich im Rahmen regulärer Sprechstunden pro Woche etwa 24 Stunden, damit etwa 288 Stunden im Quartal. Hinzu kämen unvorhergesehene ambulante Zwischenfälle; auch an Feiertagen sei die Klinikambulanz geöffnet. In seiner Arbeitszeiteinteilung sei er frei; seine sonstigen Verpflichtungen könne er angesichts sehr hoher Arbeitszeiten von 12 bis 14 Stunden täglich trotz seiner umfangreichen KV-Sprechstunden erfüllen. Seine Quartalszeiten seien um 30 Prozent zu kürzen, denn dieser Anteil entfalle auf die Erbringung funktionsdiagnostischer Leistungen durch die MTAF. Die persönliche Vornahme der Befundungen nehme zeitlich einen verschwindend geringen Teil dieser Leistungen ein. Als hoch spezialisierter Experte habe er seine Arbeitszeiten optimiert und die Behandlungs- sowie Organisationsabläufe beschleunigt. Die vorgesehenen Prüfzeiten seien daher auf ihn nicht anwendbar.
Mit Urteil vom 18. November 2009 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die Vermutung der Unrichtigkeit seiner Abrechnungen habe der Kläger nicht entkräftet. Sein Vorbringen zum Umfange seiner Tätigkeit im Rahmen der Ermächtigung, insbesondere zu 288 Stunden "KV-Sprechstunde" pro Quartal, sei nicht plausibel. Seine Hauptaufgaben lägen im stationären Bereich. Schwierige Operationen müsse er selbst durchführen. Als Chefarzt und Klinikdirektor habe er umfangreiche Leitungsaufgaben. Hinzu kämen Lehr- und Vortragsverpflichtungen. Zudem gebe es einen signifikanten Anteil von berufsgenossenschaftlichen Patienten, außerdem Privatpatienten. Es bleibe völlig unklar, wie es zu den umfangreichen Überschreitungen der Quartalszeiten komme bzw. wie der vorgebliche Arbeitsanfall vom Kläger bewältigt werden solle. Das Vorbringen des Klägers zu seiner besonders schnellen Arbeitsweise sei ebenso wenig überzeugend. Zu ihm werde von den niedergelassenen Fachärzten ein besonders schwieriges Patientengut überwiesen, das besonderer Zuwendung und Sorgfalt bedürfe. Die Möglichkeit der Delegation von Leistungen betreffe nur den technischen Teil der Untersuchungen. Die Befundung sei persönlich zu erbringen. Die Delegierbarkeit der funktionsdiagnostischen Leistungen habe die Beklagte hinreichend berücksichtigt. Die Notfall- und Akutversorgung von Patienten sei nicht Inhalt der Ermächtigung. Notfallleistungen des Krankenhauses fielen ebenso wenig in die Plausibilitätsprüfung wie die ambulante Behandlung von Privatpatienten oder berufsgenossenschaftlicher Patienten. Sofern tatsächlich alle Leistungen entsprechend der Leistungslegende erbracht worden sein sollten, dann habe der Kläger sie unzulässiger Weise an ärztliches und nichtärztliches Assistenzpersonal delegiert.
Mit der am 14. Dezember 2009 erhobenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Es müsse berücksichtigt werden, dass er mit 288 Stunden pro Quartal fast doppelt so viele KV-Sprechstundenzeiten anbiete, wie das Aufgreifkriterium (156 Stunden) vorsehe. Er könne die Tätigkeit im Rahmen der Ermächtigung ohne Weiteres mit seinen sonstigen Verpflichtungen vereinbaren. Der statthaften Delegation funktionsdiagnostischer Leistungen sei auch das Sozialgericht nicht gerecht geworden. Die von der Beklagten auf der Grundlage der Anlage 3 zum EBM zugrunde gelegten Prüfzeiten könnten im Einzelfall durchaus unterschritten werden. Bei vielen Leistungen liege der tatsächliche ärztliche Zeitaufwand maßgeblich unter der vorgesehenen Prüfzeit: EBM-Nr. Kurzlegende Prüfzeit nach Anlage 3 zum EBM vom Kläger behauptete Zeit 09320 Tonschwellenaudiometrie 4 Minuten 30 Sekunden 09321 Zuschlag Sprachaudiometrie 4 Minuten 30 Sekunden 09322 Zuschlag Kinderaudiometrie 2 Minuten 30 Sekunden 09323 Reflexbestimmung in den Mittelohrmuskeln 2 Minuten 30 Sekunden 09324 Abklärung einer vestibulo-cochleären Erkrankung mittels Messungen otoakustischer Emissionen 3 Minuten 30 Sekunden 09325 Prüfung der Labyrinthe mit nystagmographischer Aufzeichnung 9 Minuten 2 Minuten 09326 Retro-cochleäre Erkrankung 21 Minuten 5 Minuten 09327 Hörschwellenbestimmung in Sedierung 21 Minuten 2 Minuten 09340 Hörgeräteanpassungs- und Gebrauchsschulung bei einem Säugling, Kleinkind, Kind oder Jugendlichen 18 Minuten 5 Minuten 20370 Störung der zentral-auditiven Wahrnehmung 10 Minuten 5 Minuten
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. März 2007 und vom 15. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2008 aufzuheben,
hilfsweise, darüber Beweis zu erheben, dass die vom Kläger vorgetragenen Tätigkeitszeiten realistisch und im Einklang mit dem medizinischen Standard sind, durch Inaugenscheinnahme des Senats.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Der Kläger gehe fehl, wenn er meine, dass die Leistungen, die er zulässiger Weise an MTAF delegieren dürfe, bei der Erstellung der Tagesprofile außer Betracht zu bleiben hätten. Die Delegierbarkeit von Leistungsanteilen sei bereits bei der Kalkulation im EBM berücksichtigt worden; das schlage auch auf die Bemessung der Prüfzeiten durch. Daher müsse die Delegierbarkeit von Leistungsanteilen bei der Erstellung von Tages- oder Quartalsprofilen nicht noch einmal berücksichtigt werden. Die Prüfzeit im Sinne der Anlage 3 zum EBM gehe schon von einer zügigen Leistungserbringung aus und liege in der Regel deutlich unter der auch in der Anlage 3 zum EBM aufgeführten Kalkulationszeit, um zu verhindern, dass überdurchschnittlich schnell arbeitende, erfahrene Ärzte bei der Abrechnung als implausibel aufgegriffen würden. Kalkulations- und Prüfzeiten bei funktionsdiagnostischen Untersuchungen enthielten auch einen Faktor für die Feststellung der Notwendigkeit der Funktionsdiagnostik, die Überwachung des Assistenzpersonals sowie die kritische Auswertung des Ergebnisses ggf. unter Hinzuziehung weiterer Befunde. Wenn der Kläger etwa meine, die Auswertung der funktionsdiagnostischen Messergebnisse bei der Tonschwellenaudiometrie dauere bei ihm nur etwa 30 Sekunden, könne dies nur darauf zurückgeführt werden, dass er für die Anordnung der Leistung und die Überwachung des Assistenzpersonals keine Zeit aufwende. Die Angaben des Klägers zu seinem tatsächlichen Zeitaufwand seien überaus bedenklich. Grundsätzlich stelle sich nach dem Vorbringen des Klägers außerdem die Frage, ob er seiner Überwachungspflicht im Hinblick auf die Tätigkeit der MTAF genüge.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Abrechnungen des Klägers für die Quartale II/05 bis II/06 zu Recht als unrichtig angesehen und sein Honorar gekürzt.
1. Rechtsgrundlage für die angefochtene Honorarberichtigung sind
- § 75 Abs. 2 Satz 2 und § 106a Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V), - die in den Abrechnungsprüfungs-Richtlinien (AbrPr-RL) enthaltenen Regelungen zur Plausibilitätsprüfung (insbesondere §§ 5, 7, 8, 12 und 13), - die von der Beklagten mit den Landesverbänden der Krankenkassen geschlossene Plausibilitätsvereinbarung vom 5. September 2007 in Verbindung mit der Verfahrensordnung der Beklagten zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung.
a) Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, zur Erfüllung dieser Pflichten anhalten. Zu den vertragsärztlichen Grundpflichten gehört das Gebot der peinlich genauen Abrechnung der zu vergütenden Leistungen, denn die Funktionsfähigkeit des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung, an dem der Arzt durch seine Zulassung teilnimmt, hängt im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung entscheidend mit davon ab, dass die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen auf die ordnungsgemäße Leistungserbringung und auf die peinlich genaue Abrechnung der zu vergütenden Leistungen vertrauen können. Dieses Vertrauen ist deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil ordnungsgemäße Leistungserbringung und peinlich genaue Abrechnung lediglich in einem beschränkten Umfang der Überprüfung durch diejenigen zugänglich sind, die die Gewähr für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu tragen haben, nämlich die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen. Der Arzt verstößt gegen seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung, wenn er Leistungen abrechnet, die er entweder nicht oder nicht vollständig oder - sofern sie sein Tätigwerden voraussetzen - nicht selbst erbracht hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. November 1993, 6 RKa 70/91, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22; Pawlita in jurisPK-SGB V, Rdnr. 383 zu § 95).
b) Die Voraussetzungen für die Prüfung vertragsärztlicher Abrechnungen auf Plausibilität regelt mit Wirkung vom 1. Januar 2004 § 106a SGB V (eingeführt durch Gesetz vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190), nachdem das Bundessozialgericht zuvor auf der Basis von Vereinbarungen der Partner der Bundesmantelverträge und gesamtvertraglicher Regelungen allgemeine Grundsätze zur Plausibilitätsprüfung entwickelt hatte (vgl. Urteil vom 8. März 2000, B 6 KA 16/99 R; hierzu Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 23 Rdnr. 5).
Danach prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung (§ 106a Abs. 1 SGB V). § 106a Abs. 2 Satz 1 bis 4 SGB V lautet:
1Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. 2Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes. 3Bei der Prüfung nach Satz 2 ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zu Grunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zu Grunde gelegt werden. 4Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen nach Satz 2 zu Grunde zu legen.
Nach § 106a Abs. 6 SGB V vereinbaren die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 und 3; die Richtlinien enthalten insbesondere Vorgaben zu den Kriterien nach Absatz 2 Satz 2 und 3.
c) Einzelheiten der Plausibilitätsprüfung ergeben sich dementsprechend aus den "Abrechnungsprüfungs-Richtlinien" (AbrPr-RL), die die Partner der Bundesmantelverträge auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 Satz 1 SGB V mit Wirkung vom 1. Januar 2005 vereinbart haben.
Nach § 5 Abs. 1 AbrPr-RL stellt die Plausibilitätsprüfung ein Verfahren dar, mit dessen Hilfe aufgrund bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender Betrachtungen die rechtliche Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen vermutet werden kann. Anhaltspunkte für eine solche Vermutung sind Abrechnungsauffälligkeiten. Diese sind durch die Anwendung von Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, die es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung zugrunde liegt.
Die regelhafte Plausibilitätsprüfung erstreckt sich auf die Feststellung von Abrechnungsauffälligkeiten durch Überprüfung des Umfangs der abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand (§ 7 Abs. 2 AbrPr-RL). Hierfür sind die im Anhang 3 zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen Leistungen zugrunde zu legen (§ 8 Abs. 1 AbrPr-RL). Für jeden Tag der ärztlichen Tätigkeit wird im Hinblick auf die angeforderten Leistungen ein Tageszeitprofil und ein Quartalszeitprofil ermittelt (§ 8 Abs. 2 AbrPr-RL). Die "Aufgreifkriterien" regelt § 8 Abs. 3 AbrPr-RL: Beträgt bei Vertragsärzten die auf der Grundlage der Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tagesprofilzeiten an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden, erfolgen weitere Überprüfungen nach § 12; dasselbe gilt bei ermächtigten Ärzten (wie dem Kläger), wenn die arbeitstägliche Zeit an mindestens drei Tagen mehr als 12 Stunden im Tageszeitprofil oder im Quartalszeitprofil mehr als 156 Stunden (9.360 Minuten) beträgt.
Ergibt die so vorgenommene Plausibilitätsprüfung Abrechnungsauffälligkeiten, hat eine weitere Prüfung auf der Grundlage von § 12 AbrPr-RL zu erfolgen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eignen sich Tageszeit- ebenso wie Quartalszeitprofile als Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung (vgl. zuletzt Beschluss vom 17. August 2011, B 6 KA 27/11 B, zitiert nach juris, dort Rdnr. 6; Clemens in jurisPK-SGB V, Rdnr. 144 zu § 106a; Engelhardt, a.a.O., Rdnr. 47 zu § 106a).
d) Auf der Grundlage von § 106 a Abs. 5 SGB V hat die Beklagte mit den Landesverbänden der Krankenkassen am 5. September 2007 eine Vereinbarung über die Durchführung der Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit und Plausibilität gemäß § 106a SGB V (Plausibilitätsvereinbarung) getroffen, die zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist und für die Prüfung von Abrechnungen ab dem Quartal III/06 gilt; nach einer Protokollnotiz hat die Beklagte allerdings erklärt, dass sie auch Prüfanträge der Krankenkassen bearbeitet, die die (vorliegend streitigen) Quartale II/05 bis II/06 betreffen. Die Plausibilitätsvereinbarung und die auf § 13 Abs. 1 und 2 der AbrPr-RL beruhende Verfahrensordnung der Beklagten zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung enthalten nähere Regelungen zu Inhalt und Verfahrensweise.
e) Das Richtigstellungsverfahren wird durchgeführt, wenn die Plausibilitätsprüfung zu dem Ergebnis geführt hat, dass Leistungen fehlerhaft abgerechnet worden sind (§ 5 Abs. 2 AbrPrRL). Ermessen hat die Kassenärztliche Vereinigung dabei nicht auszuüben (vgl. Urteil des Senats vom 23. März 2011, L 7 KA 93/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 30 m.w.N.).
2. Gemessen an alledem ist die angefochtene Honorarberichtigung zu Recht erfolgt, denn die durchgeführte Plausibilitätsprüfung für die Quartale II/05 bis II/06 belegt eine fehlerhafte Honorarforderung des Klägers, so dass zu viel geleistetes Honorar zurückzuzahlen ist.
a) Die Richtigkeit der von der Beklagten erstellten Quartals- bzw. Tagesprofile wird vom Kläger nicht bestritten; der Senat hat auch sonst keinen Anlass, an der Tragfähigkeit der von der Beklagten verwendeten Daten zu zweifeln, die auf den Abrechnungssammelerklärungen des Klägers beruhen. Für jeden Behandlungstag enthält der Verwaltungsvorgang der Beklagten eine Aufstellung der abgerechneten EBM-Nummern mit jeweiliger Anzahl und eine Zuordnung der darauf entfallenden Prüfzeit gemäß Anlage 3 zum EBM.
Für jedes der fünf zu prüfenden Quartale ist auf dieser Grundlage das als Aufgreifkriterium formulierte Quartalszeitprofil von 156 Stunden (9.360 Minuten) entsprechend den im Tatbestand wiedergegebenen Werten bei Weitem, nämlich um das Zweieinhalb- bis Dreieinhalbfache, überschritten.
Aufgrund der Regelung in § 106a Abs. 2 Satz 4 SGB V hatte die Beklagte der Ermittlung der Zeitprofile zwingend die (gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1, zweiter Halbs. SGB V) in Anlage 3 zum EBM enthaltenen Prüfzeiten zugrunde zu legen. Dort haben die Partner des EBM den für die Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes kalkuliert. Diese "Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 106a Abs. 2 SGB V" dienen neben der Verbesserung der Transparenz der Leistungsbewertung im EBM ausdrücklich der Verbesserung der Wirksamkeit der Abrechnungsprüfungen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 106a SGB V (Begründung zum GKV-Modernisierungsgesetz, BT-Drs. 15/1525, S. 104 zu § 87); die Plausibilitätsprüfungen werden nämlich erheblich erleichtert, wenn der Zeitaufwand für die einzelnen Leistungen anhand des EBM bestimmt werden kann (vgl. Engelhardt in Hauck/Noftz, SGB V, Rdnr. 69 zu § 106a). Die Normqualität des EBM erstreckt sich auch auf die in Anlage 3 enthaltenen Prüfzeiten.
Damit stehen im Rahmen der Plausibilitätsprüfung verbindliche Messgrößen zur Verfügung, die der Plausibilitätsprüfung nach Zeitprofilen zugrunde zu legen sind. Die "Prüfzeiten" in Anlage 3 zum EBM stellen Mindestzeiten dar (anders als die parallel aufgeführten längeren "Kalkulationszeiten", vgl. hierzu Clemens, a.a.O., Rdnr. 146 zu § 106a), die der besonders geübte oder erfahrene Vertragsarzt für die Erbringung der jeweiligen Leistung mindestens benötigt. Sie sind – wie von der Rechtsprechung gefordert, dazu m.w.N. Engelhardt, a.a.O., Rdnrn. 61 und 71 – so bemessen, dass auch ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Berücksichtigt sind zudem nur Leistungen, die der Arzt selbst erbringen muss, also nicht delegieren kann. Anders gesagt: Die Delegierbarkeit von Leistungen wurde bereits bei der Kalkulation der Zeitwerte in Anlage 3 zum EBM berücksichtigt. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, die Prüfzeiten für diejenigen ärztlichen Leistungen weiter abzusenken, in deren Zusammenhang es auch zur Erbringung funktionsdiagnostischer Leistungen durch Hilfspersonal in Gestalt von MTAF kommt.
Die Betrachtung einzelner Prüfzeiten für vom Kläger abgerechnete EBM-Nummern macht dies unmittelbar plausibel: So beträgt etwa die Prüfzeit für die Standardleistung der tonschwellenaudiometrischen Untersuchung (EBM-Nr. 09320) vier Minuten. Hierin enthalten sind jedenfalls ärztliche Anordnung der Untersuchung, Überwachung des Hilfspersonals und Auswertung der Messergebnisse. Der Ansatz von vier Minuten als Prüfzeit erscheint in diesem Zusammenhang schon als knapp, jedenfalls aber nicht als zu hoch. Der Kläger rechnet demgegenüber die Prüfzeiten rigide herab auf Minimalwerte, die dem Senat vollkommen unrealistisch erscheinen. So erscheint etwa der Ansatz von 30 Sekunden für die mit 405 Punkten bewertete tonschwellenaudiometrische Untersuchung schlechthin implausibel; ebenso verhält es sich zur Überzeugung des Senats mit den übrigen im Tatbestand aufgeführten EBM-Ziffern, für die der Kläger eine Absenkung der Prüfzeit auf bis zu ein Zehntel (EBM-Nummer 09327: 21 Minuten / 2 Minuten) für sich fordert.
Den somit über die Tages- und Quartalszeitprofile geführten Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung der im Rahmen der Ermächtigung erbrachten Leistungen hat der Kläger nicht entkräftet. Beide von ihm verfolgten Beanstandungen laufen leer: Weder hat die Beklagte die Erbringung funktionsdiagnostischer Leistungen durch Hilfspersonal fehlerhaft nicht mit einkalkuliert, noch führt der Einwand weiter, er verfolge über besondere Expertise, die ihm eine besonders schnelle Leistungserbringung ermögliche.
Nichts anderes ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers zum Umfang seiner Sprechstunden im Rahmen der Ermächtigung. Es ist aus mehreren Gründen schlechthin unschlüssig. Der Kläger behauptet insoweit, 24 Stunden pro Woche im Rahmen seiner Ermächtigung Patienten zu behandeln.
Zum einen erscheint diese schon unschlüssige Angabe umso unwahrscheinlicher, als der Kläger in einzelnen Wochen tatsächlich sogar noch eine weit darüber hinausgehende Leistungszeit abgerechnet hat, so beispielsweise an die 50 Stunden in der Woche vom 4. bis 8. April 2005 und an die 45 Stunden in der Woche vom 24. bis 28. April 2006. Angesichts dessen erscheint die Angabe von 24 Stunden wöchentlicher "KV-Sprechstunde" willkürlich.
Zu Recht hat das Sozialgericht zum anderen ausgeführt, es sei undenkbar, dass der Kläger regelmäßig (auch nur) 24 Stunden seiner persönlichen Wochenarbeitszeit auf die Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten im Rahmen seiner Ermächtigung verwende. Schon mit einer Ermächtigungssprechstunde im Umfange von 24 Wochenstunden läge der Kläger gleichauf mit dem Umfang der Sprechstunde einer Vielzahl vertragsärztlicher Praxen in Berlin; die tatsächlich abgerechneten Wochenzeiten würden ihn sogar in den Rang einer höchstausgelasteten Vertragsarztpraxis heben. Dies erscheint nicht ansatzweise plausibel. Die sich aus den Tagesprofilen ergebenden täglichen Behandlungszeiten des Klägers erfassen nämlich nur einen Teil der von ihm tatsächlich aufzuwendenden Arbeitszeit. Bei den mit den Tagesprofilen ermittelten Zeiten handelt es sich um die Addition ausschließlich von Behandlungszeiten. Für die Feststellung der Gesamtarbeitszeit des Klägers müsste ihnen ein durchschnittlicher Zeitaufwand für Befundung, Dokumentation, das Abfassen von Arztbriefen sowie für das Anleiten, Überwachen und Ausbilden des Hilfspersonals zugerechnet werden; hinzu käme privatärztliche Tätigkeit, die Behandlung berufsgenossenschaftlicher Patienten, die Durchführung von Operationen an stationär aufgenommenen Versicherten, sämtliche mit der Klinikleitung verbundenen Aufgaben, wissenschaftliche Arbeit (der Kläger ist Autor einer Vielzahl von Fachveröffentlichungen) sowie Vorlesungstätigkeit. Schließlich werden in den für den Kläger erstellten Tagesprofilen andere notwendige Unterbrechungen der Behandlungen wie die durch die Einnahme von Mahlzeiten o.ä. nicht erfasst (vgl. zu diesem Ansatz Bundessozialgericht, Urteil vom 24. November 1993, 6 RKa 70/91, zitiert nach juris, dort Rdnr. 30; Engelhardt, a.a.O., Rdnr. 65). Insgesamt erscheint damit auch die Behauptung implausibel, auf die Arbeit im Rahmen der Ermächtigung mehr als die Hälfte einer üblichen Wochenarbeitszeit verwendet zu haben.
b) Der danach bestehende Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung der im Rahmen der Ermächtigung erbrachten Leistungen erhärtet sich bei Betrachtung je eines Behandlungstages der streitigen Quartale; die detaillierte Analyse je eines Behandlungstages ist dabei auch ausreichend, denn die gegenüber der Beklagten abzugebende Abrechnungs-Sammelerklärung über die ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistungen ist schon dann unrichtig, wenn nur eine abgerechnete Leistung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht worden ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. September 1997, 6 RKa 86/95, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21):
Quartal II/05, 7. April 2005: Abrechnung einer Leistungszeit von 15 Stunden und 43 Minuten; auf Bl. 282 des Verwaltungsvorgangs wird insoweit Bezug genommen.
Quartal III/05, 1. September 2005, Abrechnung einer Leistungszeit von 13 Stunden und 37 Minuten; auf Bl. 12 des Verwaltungsvorgangs wird insoweit Bezug genommen.
Quartal IV/05, 4. Oktober 2005: Abrechnung einer Leistungszeit von 13 Stunden und 16 Minuten; auf Bl. 22 des Verwaltungsvorgangs wird insoweit Bezug genommen.
Quartal I/06, 5. Januar 2006: Abrechnung einer Leistungszeit von 15 Stunden und 3 Minuten; auf Bl. 37 des Verwaltungsvorgangs wird insoweit Bezug genommen.
Quartal II/06, 27. April 2006: Abrechnung einer Leistungszeit von 13 Stunden und 53 Minuten; auf Bl. 53 des Verwaltungsvorgangs wird insoweit Bezug genommen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat wegen der Analyse der im Einzelnen abgerechneten Leistungen Bezug auf die eingehenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 19. August 2008, dort Bl. 12 bis 18. Sie belegen nachdrücklich, dass der Kläger die abgerechneten Leistungen an den aufgeführten Tagen nicht vollständig oder nicht selbst erbracht haben kann.
c) Unabhängig davon lässt der Fall des Klägers im Gesamtbild und bei lebensnaher Betrachtung nur die Schlussfolgerung zu, dass eine Vielzahl der von ihm abgerechneten Leistungen – ihre tatsächliche Erbringung vorausgesetzt – nicht von ihm persönlich, sondern von anderen Ärzten der von ihm geleiteten Klinik erbracht wurden (vgl. zum Gebot der persönlichen Leistungserbringung bei ermächtigten Krankenhausärzten: Clemens, a.a.O., Rdnr. 134 zu § 106a).
Hinzu tritt, dass der Kläger offensichtlich auch Leistungen über seinen Ermächtigungsstatus abgerechnet hat, die von ihm als Krankenhausarzt erbracht werden mussten und nicht von der Ermächtigung erfasst waren. Hierbei handelte es sich vorwiegend um Notfall- und Akutpatienten, die auf der Station des Klägers zu versorgen waren. Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2008 hat er etwa mit Bezug zum Behandlungstag 7. April 2005 insoweit detailliert vortragen lassen, welche Patienten – so der Kläger: im Rahmen der Ermächtigung – behandelt wurden:
- P S. offene Nasentrümmer- und Septumfraktur, Planung operativen Vorgehens, chirurgische Versorgung drei Tage später; - P B., akut aufgetretene Atemnot nach Schilddrüsen-Operation; - M H., akute Epiglottitis, medikamentölse Erstbehandlung, acht Stunden später stationäre Aufnahme; - K P., Nasenbeinfraktur, ambulante chirurgische Weiterversorgung; - E B., offene Nasentrümmerfraktur, Planung der chirurgischen Weiterversorgung; - A L., allergisch-anaphylaktische Reaktion, ambulante Kontrolle, eintägige stationäre Überwachung; - V P., stationäre Aufnahme und intensivmedizinische Überwachung nach Einleitung einer Wespengift-Hyposensibilisierung.
Angesichts dieses Vorbringens liegt sehr nahe, dass der Kläger seine Arbeit als ermächtigter Arzt nicht genau genug von seiner Arbeit als Krankenhausarzt getrennt hat.
d) Den Anschein unrichtiger Abrechnung hat der Kläger nach alledem nicht entkräftet. Die Beklagte war daher berechtigt, eine Honorarberichtigung vorzunehmen und das Honorar verhältnismäßig zu kürzen. Die von der Beklagten dabei gewählte Berechnungsmethode der "Faktorbildung" ist sachgerecht. Sie setzt die zeitmäßige Überschreitung des Aufgreifkriteriums ins Verhältnis zur abgerechneten Leistungszeit, bildet daraus einen Faktor und multipliziert diesen Faktor mit der für das betreffende Quartal geleisteten bereinigten Vergütungssumme, woraus sich der Rückforderungsbetrag ergibt (Beispiel: Quartal II/05):
Abgerechnete Quartalszeit: 35.742 Minuten, Zeitüberschreitung: 26.382 Minuten (Aufgreifkriterium: 9.360 Minuten), 26.382: 35.742 = 0,7381232, Bereinigte Vergütungssumme: 16.809,58 Euro, 16.809,58 x 0,7381232 = 12.407,54 Euro, 12.407 abzüglich 3 % Verwaltungskosten = 12.035,31 Euro = Rückforderungssumme.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 VwGO und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Die Revision war nicht zuzulassen, weil hierfür kein Grund nach § 160 Abs. 2 SGG vorlag.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Honorarkürzung für die Quartale II/05 bis II/06 über insgesamt 43.130,24 Euro in Folge einer Plausibilitätsprüfung.
Der Kläger ist Chefarzt und Direktor der Klinik für des Uhauses B. Seit November 1997 verfügt er über eine Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in folgendem Umfange (EBM-Nrn. nach dem EBM mit Stand vom 1. April 2005, vgl. den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 22. Februar 2006):
- Konsiliarische Beratung auf Überweisung von Ärzten für HNO-Heilkunde, Leistungen nach den EBM-Nrn.
01310, 01311, 01312, 01601, 01602, 09311, 09312, 09313, 09314, 09320, 09321, 09322, 09323, 09325, 09326, 31232, 33010, 33011, 40120.
- Auf Überweisung von Ärzten für HNO-Heilkunde zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit vertebragenen HNO-Erkrankungen, von akuten und chronischen Innenohrerkrankungen bzw. Erkrankungen mit dem Leitsymptom "Schwindel" nach den EBM-Nrn.
01310, 01311, 01312, 01601, 01602, 09311, 09220, 09325, 09340, 09351, 09361, 30200,30201, 31232.
- Auf Überweisung von Ärzten für HNO-Heilkunde Leistungen nach den EBM-Nrn.
09324, 09327, 09331, 09340,
beschränkt auf maximal 25 Patienten im Quartal.
Der Plausibilitätsausschuss der Beklagten stellte auf der Grundlage kompletter Tageszeitprofile und eines Quartalszeitprofils im Rahmen der zeitgestützten Plausibilitätsprüfung für das Quartal II/05 fest, dass der Kläger mit einer Quartalszeit von 35.742 Minuten das Aufgreifkriterium von 9.360 Minuten um 26.382 Minuten überschritten hatte. Außerdem hatte der Kläger für acht Tage mehr als 12 Stunden täglicher Arbeitszeit zur Abrechnung eingereicht, womit auch das Aufgreifkriterium einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 12 Stunden an mindestens drei Tagen im Quartal überschritten war.
Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte den Honorarbescheid für das Quartal II/05 auf, setzte das Honorar auf 4.921,92 Euro (brutto) fest und forderte den nach Abzug gezahlter Verwaltungskosten errechneten Differenzbetrag von 12.035,31 Euro vom Kläger zurück (Bescheid vom 29. März 2007).
Auch für die Quartale III/05 bis II/06 stellte der Plausibilitätsausschuss auf der Grundlage kompletter Tageszeitprofile und eines Quartalszeitprofils im Rahmen der zeitgestützten Plausibilitätsprüfung fest, dass der Kläger die beiden genannten Aufgreifkriterien erfüllt hatte: Die Quartalszeiten betrugen
im Quartal III/05: 26.912 Minuten, im Quartal IV/05: 25.211 Minuten, im Quartal I/06: 28.268 Minuten und im Quartal II/06: 25.209 Minuten.
Außerdem hatte der Kläger in den Quartalen IV/05 und I/06 für jeweils drei Tage eine Arbeitszeit von mehr als zwölf Stunden abgerechnet.
Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte auch die Honorarbescheide für die Quartale III/05 bis II/06 auf, nahm eine sachlich-rechnerische Berichtigung vor, setzte die Honorare für die genannten Quartale neu fest und forderte den nach Abzug gezahlter Verwaltungskosten errechneten Differenzbetrag von insgesamt 31.094,93 Euro vom Kläger zurück (Bescheid vom 15. Februar 2008; III/05: 8.116,96 Euro; IV/05: 8.194,98 Euro; I/06: 8.425,90 Euro; II/06: 7.089,11 Euro). Anhand der Analysen verschiedener Behandlungstage (1. September 2005, 4. Oktober 2005, 5. Januar 2006 und 27. April 2006) sei nachgewiesen, dass der Kläger die für diese Tage abgerechneten Leistungen nicht bzw. nicht vollständig habe erbringen können.
Zur Begründung seiner gegen die Bescheide vom 29. März 2007 und vom 15. Februar 2008 erhobenen Widersprüche brachte der Kläger im Wesentlichen vor: Die Mehrzahl der funktionsdiagnostischen Untersuchungen des Hör- und Gleichgewichtssystems delegiere er an vier medizinisch-technische Assistenten für Funktionsdiagnostik (MTAF). Bei Ermittlung der Tagesleistungszeiten müssten etwa 140 Stunden wegen Delegierbarkeit abgezogen werden. Die meisten Patienten kämen aufgrund der Vordiagnostik der HNO-Fachärzte mit konkreten Fragestellungen; dies beschleunige die Beratung und die Untersuchung erheblich. Hinzu kämen erhebliche Erfahrung und Spezialisierung. Die Befundung funktionsdiagnostischer Leistungen nehme im Regelfall nur noch sehr wenig Zeit in Anspruch, nämlich etwa 60 Sekunden für Indikationsstellung und Auswertung durch Betrachten des Befundblattes bei audiometrischen Leistungen der Ton-, Sprach- und objektiven Audiometrie.
Mit Bescheid vom 19. August 2008 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 29. März 2007 und vom 15. Februar 2008 zurück. Auch eine nochmalige Überprüfung zeige, dass der Kläger in den fraglichen Quartalen Leistungen zur Abrechnung eingereicht habe, die er nicht vollständig habe erbringen können. Dies zeige die detaillierte Betrachtung jeweils eines Tages aus jedem streitigen Quartal, an dem der Kläger eine Leistungszeit von mehr als zwölf Stunden zur Abrechnung gebracht habe:
Donnerstag, 7. April 2005: 15:43 Stunden, Donnerstag, 1. Sept. 2005: 13:37 Stunden, Dienstag, 4. Oktober 2005: 13:16 Stunden, Donnerstag, 5. Januar 2006: 15:03 Stunden sowie Donnerstag, 27. April 2006: 13:53 Stunden.
Angesichts dieses allein für die KV-Sprechstunde geltend gemachten Zeitumfanges stehe fest, dass der Kläger die konkret abgerechneten Leistungen nicht ordnungsgemäß habe erbringen können.
Selbst wenn man die Leistungszeit für die delegierten funktionsdiagnostischen Untersuchungen herausrechne, komme es in jedem Quartal immer noch zu erheblichen Überschreitungen des Aufgreifwerts von 9.360 Minuten:
Quartal II/05: 27.646 Minuten, Quartal III/05: 18.126 Minuten, Quartal IV/05: 17.060 Minuten, Quartal I/06: 17.999 Minuten und Quartal II/06: 15.921 Minuten.
Die vorgegebenen Prüfzeiten seien so bemessen, dass ein erfahrener und geübter Arzt die Leistungen in einer kürzeren Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß erbringen könne. Die Zeitvorgaben für die funktionsdiagnostischen Leistungen mit Zeiten zwischen zwei und vier Minuten seien sicher nicht zu hoch angesetzt. Sofern der Kläger vorbringe, diese Leistungen in nur etwa 60 Sekunden erbringen zu können, schränke dies auf Dauer die Qualität der Patientenversorgung ein. So sei es auch ausgeschlossen, die der EBM-Ziffer 09326 zugrunde liegende Leistung (Abklärung einer retrocochleären Erkrankung), die mit einer Leistungszeit von 21 Minuten bewertet sei, in – wie vom Kläger behauptet – nur 60 Sekunden sachgerecht zu erbringen. Im Übrigen seien einzelne Leistungen nicht abrechenbar, wenn die dafür vorgesehene Mindestzeit – z.B. 10 Minuten für die Gesprächsleistung nach der EBM-Ziffer 09220 – nicht aufgewandt worden sei. Der vom Kläger dargelegte Ablauf eines Arbeitstages in der Klinik einschließlich KV-Sprechstunde sei angesichts seiner anderweitigen Verpflichtungen als Klinikdirektor nicht glaubhaft.
Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger ergänzend ausgeführt: Die Aufgreifkriterien aus § 8 Abs. 3 der Richtlinien der KBV und der Spitzenverbände der Krankenkassen zu Inhalt und Durchführung der Abrechnungsprüfungen seien nur vordergründig erfüllt. Er stehe als ermächtigter Krankenhausarzt der vertragsärztlichen Versorgung, gemessen an den Aufgreifkriterien, in nahezu doppeltem Zeitmaß zur Verfügung, nämlich im Rahmen regulärer Sprechstunden pro Woche etwa 24 Stunden, damit etwa 288 Stunden im Quartal. Hinzu kämen unvorhergesehene ambulante Zwischenfälle; auch an Feiertagen sei die Klinikambulanz geöffnet. In seiner Arbeitszeiteinteilung sei er frei; seine sonstigen Verpflichtungen könne er angesichts sehr hoher Arbeitszeiten von 12 bis 14 Stunden täglich trotz seiner umfangreichen KV-Sprechstunden erfüllen. Seine Quartalszeiten seien um 30 Prozent zu kürzen, denn dieser Anteil entfalle auf die Erbringung funktionsdiagnostischer Leistungen durch die MTAF. Die persönliche Vornahme der Befundungen nehme zeitlich einen verschwindend geringen Teil dieser Leistungen ein. Als hoch spezialisierter Experte habe er seine Arbeitszeiten optimiert und die Behandlungs- sowie Organisationsabläufe beschleunigt. Die vorgesehenen Prüfzeiten seien daher auf ihn nicht anwendbar.
Mit Urteil vom 18. November 2009 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die Vermutung der Unrichtigkeit seiner Abrechnungen habe der Kläger nicht entkräftet. Sein Vorbringen zum Umfange seiner Tätigkeit im Rahmen der Ermächtigung, insbesondere zu 288 Stunden "KV-Sprechstunde" pro Quartal, sei nicht plausibel. Seine Hauptaufgaben lägen im stationären Bereich. Schwierige Operationen müsse er selbst durchführen. Als Chefarzt und Klinikdirektor habe er umfangreiche Leitungsaufgaben. Hinzu kämen Lehr- und Vortragsverpflichtungen. Zudem gebe es einen signifikanten Anteil von berufsgenossenschaftlichen Patienten, außerdem Privatpatienten. Es bleibe völlig unklar, wie es zu den umfangreichen Überschreitungen der Quartalszeiten komme bzw. wie der vorgebliche Arbeitsanfall vom Kläger bewältigt werden solle. Das Vorbringen des Klägers zu seiner besonders schnellen Arbeitsweise sei ebenso wenig überzeugend. Zu ihm werde von den niedergelassenen Fachärzten ein besonders schwieriges Patientengut überwiesen, das besonderer Zuwendung und Sorgfalt bedürfe. Die Möglichkeit der Delegation von Leistungen betreffe nur den technischen Teil der Untersuchungen. Die Befundung sei persönlich zu erbringen. Die Delegierbarkeit der funktionsdiagnostischen Leistungen habe die Beklagte hinreichend berücksichtigt. Die Notfall- und Akutversorgung von Patienten sei nicht Inhalt der Ermächtigung. Notfallleistungen des Krankenhauses fielen ebenso wenig in die Plausibilitätsprüfung wie die ambulante Behandlung von Privatpatienten oder berufsgenossenschaftlicher Patienten. Sofern tatsächlich alle Leistungen entsprechend der Leistungslegende erbracht worden sein sollten, dann habe der Kläger sie unzulässiger Weise an ärztliches und nichtärztliches Assistenzpersonal delegiert.
Mit der am 14. Dezember 2009 erhobenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Es müsse berücksichtigt werden, dass er mit 288 Stunden pro Quartal fast doppelt so viele KV-Sprechstundenzeiten anbiete, wie das Aufgreifkriterium (156 Stunden) vorsehe. Er könne die Tätigkeit im Rahmen der Ermächtigung ohne Weiteres mit seinen sonstigen Verpflichtungen vereinbaren. Der statthaften Delegation funktionsdiagnostischer Leistungen sei auch das Sozialgericht nicht gerecht geworden. Die von der Beklagten auf der Grundlage der Anlage 3 zum EBM zugrunde gelegten Prüfzeiten könnten im Einzelfall durchaus unterschritten werden. Bei vielen Leistungen liege der tatsächliche ärztliche Zeitaufwand maßgeblich unter der vorgesehenen Prüfzeit: EBM-Nr. Kurzlegende Prüfzeit nach Anlage 3 zum EBM vom Kläger behauptete Zeit 09320 Tonschwellenaudiometrie 4 Minuten 30 Sekunden 09321 Zuschlag Sprachaudiometrie 4 Minuten 30 Sekunden 09322 Zuschlag Kinderaudiometrie 2 Minuten 30 Sekunden 09323 Reflexbestimmung in den Mittelohrmuskeln 2 Minuten 30 Sekunden 09324 Abklärung einer vestibulo-cochleären Erkrankung mittels Messungen otoakustischer Emissionen 3 Minuten 30 Sekunden 09325 Prüfung der Labyrinthe mit nystagmographischer Aufzeichnung 9 Minuten 2 Minuten 09326 Retro-cochleäre Erkrankung 21 Minuten 5 Minuten 09327 Hörschwellenbestimmung in Sedierung 21 Minuten 2 Minuten 09340 Hörgeräteanpassungs- und Gebrauchsschulung bei einem Säugling, Kleinkind, Kind oder Jugendlichen 18 Minuten 5 Minuten 20370 Störung der zentral-auditiven Wahrnehmung 10 Minuten 5 Minuten
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. März 2007 und vom 15. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2008 aufzuheben,
hilfsweise, darüber Beweis zu erheben, dass die vom Kläger vorgetragenen Tätigkeitszeiten realistisch und im Einklang mit dem medizinischen Standard sind, durch Inaugenscheinnahme des Senats.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Der Kläger gehe fehl, wenn er meine, dass die Leistungen, die er zulässiger Weise an MTAF delegieren dürfe, bei der Erstellung der Tagesprofile außer Betracht zu bleiben hätten. Die Delegierbarkeit von Leistungsanteilen sei bereits bei der Kalkulation im EBM berücksichtigt worden; das schlage auch auf die Bemessung der Prüfzeiten durch. Daher müsse die Delegierbarkeit von Leistungsanteilen bei der Erstellung von Tages- oder Quartalsprofilen nicht noch einmal berücksichtigt werden. Die Prüfzeit im Sinne der Anlage 3 zum EBM gehe schon von einer zügigen Leistungserbringung aus und liege in der Regel deutlich unter der auch in der Anlage 3 zum EBM aufgeführten Kalkulationszeit, um zu verhindern, dass überdurchschnittlich schnell arbeitende, erfahrene Ärzte bei der Abrechnung als implausibel aufgegriffen würden. Kalkulations- und Prüfzeiten bei funktionsdiagnostischen Untersuchungen enthielten auch einen Faktor für die Feststellung der Notwendigkeit der Funktionsdiagnostik, die Überwachung des Assistenzpersonals sowie die kritische Auswertung des Ergebnisses ggf. unter Hinzuziehung weiterer Befunde. Wenn der Kläger etwa meine, die Auswertung der funktionsdiagnostischen Messergebnisse bei der Tonschwellenaudiometrie dauere bei ihm nur etwa 30 Sekunden, könne dies nur darauf zurückgeführt werden, dass er für die Anordnung der Leistung und die Überwachung des Assistenzpersonals keine Zeit aufwende. Die Angaben des Klägers zu seinem tatsächlichen Zeitaufwand seien überaus bedenklich. Grundsätzlich stelle sich nach dem Vorbringen des Klägers außerdem die Frage, ob er seiner Überwachungspflicht im Hinblick auf die Tätigkeit der MTAF genüge.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Abrechnungen des Klägers für die Quartale II/05 bis II/06 zu Recht als unrichtig angesehen und sein Honorar gekürzt.
1. Rechtsgrundlage für die angefochtene Honorarberichtigung sind
- § 75 Abs. 2 Satz 2 und § 106a Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V), - die in den Abrechnungsprüfungs-Richtlinien (AbrPr-RL) enthaltenen Regelungen zur Plausibilitätsprüfung (insbesondere §§ 5, 7, 8, 12 und 13), - die von der Beklagten mit den Landesverbänden der Krankenkassen geschlossene Plausibilitätsvereinbarung vom 5. September 2007 in Verbindung mit der Verfahrensordnung der Beklagten zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung.
a) Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, zur Erfüllung dieser Pflichten anhalten. Zu den vertragsärztlichen Grundpflichten gehört das Gebot der peinlich genauen Abrechnung der zu vergütenden Leistungen, denn die Funktionsfähigkeit des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung, an dem der Arzt durch seine Zulassung teilnimmt, hängt im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung entscheidend mit davon ab, dass die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen auf die ordnungsgemäße Leistungserbringung und auf die peinlich genaue Abrechnung der zu vergütenden Leistungen vertrauen können. Dieses Vertrauen ist deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil ordnungsgemäße Leistungserbringung und peinlich genaue Abrechnung lediglich in einem beschränkten Umfang der Überprüfung durch diejenigen zugänglich sind, die die Gewähr für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu tragen haben, nämlich die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen. Der Arzt verstößt gegen seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung, wenn er Leistungen abrechnet, die er entweder nicht oder nicht vollständig oder - sofern sie sein Tätigwerden voraussetzen - nicht selbst erbracht hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. November 1993, 6 RKa 70/91, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22; Pawlita in jurisPK-SGB V, Rdnr. 383 zu § 95).
b) Die Voraussetzungen für die Prüfung vertragsärztlicher Abrechnungen auf Plausibilität regelt mit Wirkung vom 1. Januar 2004 § 106a SGB V (eingeführt durch Gesetz vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190), nachdem das Bundessozialgericht zuvor auf der Basis von Vereinbarungen der Partner der Bundesmantelverträge und gesamtvertraglicher Regelungen allgemeine Grundsätze zur Plausibilitätsprüfung entwickelt hatte (vgl. Urteil vom 8. März 2000, B 6 KA 16/99 R; hierzu Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 23 Rdnr. 5).
Danach prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung (§ 106a Abs. 1 SGB V). § 106a Abs. 2 Satz 1 bis 4 SGB V lautet:
1Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. 2Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes. 3Bei der Prüfung nach Satz 2 ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zu Grunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zu Grunde gelegt werden. 4Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen nach Satz 2 zu Grunde zu legen.
Nach § 106a Abs. 6 SGB V vereinbaren die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 und 3; die Richtlinien enthalten insbesondere Vorgaben zu den Kriterien nach Absatz 2 Satz 2 und 3.
c) Einzelheiten der Plausibilitätsprüfung ergeben sich dementsprechend aus den "Abrechnungsprüfungs-Richtlinien" (AbrPr-RL), die die Partner der Bundesmantelverträge auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 Satz 1 SGB V mit Wirkung vom 1. Januar 2005 vereinbart haben.
Nach § 5 Abs. 1 AbrPr-RL stellt die Plausibilitätsprüfung ein Verfahren dar, mit dessen Hilfe aufgrund bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender Betrachtungen die rechtliche Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen vermutet werden kann. Anhaltspunkte für eine solche Vermutung sind Abrechnungsauffälligkeiten. Diese sind durch die Anwendung von Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, die es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung zugrunde liegt.
Die regelhafte Plausibilitätsprüfung erstreckt sich auf die Feststellung von Abrechnungsauffälligkeiten durch Überprüfung des Umfangs der abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand (§ 7 Abs. 2 AbrPr-RL). Hierfür sind die im Anhang 3 zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen Leistungen zugrunde zu legen (§ 8 Abs. 1 AbrPr-RL). Für jeden Tag der ärztlichen Tätigkeit wird im Hinblick auf die angeforderten Leistungen ein Tageszeitprofil und ein Quartalszeitprofil ermittelt (§ 8 Abs. 2 AbrPr-RL). Die "Aufgreifkriterien" regelt § 8 Abs. 3 AbrPr-RL: Beträgt bei Vertragsärzten die auf der Grundlage der Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tagesprofilzeiten an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden, erfolgen weitere Überprüfungen nach § 12; dasselbe gilt bei ermächtigten Ärzten (wie dem Kläger), wenn die arbeitstägliche Zeit an mindestens drei Tagen mehr als 12 Stunden im Tageszeitprofil oder im Quartalszeitprofil mehr als 156 Stunden (9.360 Minuten) beträgt.
Ergibt die so vorgenommene Plausibilitätsprüfung Abrechnungsauffälligkeiten, hat eine weitere Prüfung auf der Grundlage von § 12 AbrPr-RL zu erfolgen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eignen sich Tageszeit- ebenso wie Quartalszeitprofile als Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung (vgl. zuletzt Beschluss vom 17. August 2011, B 6 KA 27/11 B, zitiert nach juris, dort Rdnr. 6; Clemens in jurisPK-SGB V, Rdnr. 144 zu § 106a; Engelhardt, a.a.O., Rdnr. 47 zu § 106a).
d) Auf der Grundlage von § 106 a Abs. 5 SGB V hat die Beklagte mit den Landesverbänden der Krankenkassen am 5. September 2007 eine Vereinbarung über die Durchführung der Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit und Plausibilität gemäß § 106a SGB V (Plausibilitätsvereinbarung) getroffen, die zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist und für die Prüfung von Abrechnungen ab dem Quartal III/06 gilt; nach einer Protokollnotiz hat die Beklagte allerdings erklärt, dass sie auch Prüfanträge der Krankenkassen bearbeitet, die die (vorliegend streitigen) Quartale II/05 bis II/06 betreffen. Die Plausibilitätsvereinbarung und die auf § 13 Abs. 1 und 2 der AbrPr-RL beruhende Verfahrensordnung der Beklagten zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung enthalten nähere Regelungen zu Inhalt und Verfahrensweise.
e) Das Richtigstellungsverfahren wird durchgeführt, wenn die Plausibilitätsprüfung zu dem Ergebnis geführt hat, dass Leistungen fehlerhaft abgerechnet worden sind (§ 5 Abs. 2 AbrPrRL). Ermessen hat die Kassenärztliche Vereinigung dabei nicht auszuüben (vgl. Urteil des Senats vom 23. März 2011, L 7 KA 93/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 30 m.w.N.).
2. Gemessen an alledem ist die angefochtene Honorarberichtigung zu Recht erfolgt, denn die durchgeführte Plausibilitätsprüfung für die Quartale II/05 bis II/06 belegt eine fehlerhafte Honorarforderung des Klägers, so dass zu viel geleistetes Honorar zurückzuzahlen ist.
a) Die Richtigkeit der von der Beklagten erstellten Quartals- bzw. Tagesprofile wird vom Kläger nicht bestritten; der Senat hat auch sonst keinen Anlass, an der Tragfähigkeit der von der Beklagten verwendeten Daten zu zweifeln, die auf den Abrechnungssammelerklärungen des Klägers beruhen. Für jeden Behandlungstag enthält der Verwaltungsvorgang der Beklagten eine Aufstellung der abgerechneten EBM-Nummern mit jeweiliger Anzahl und eine Zuordnung der darauf entfallenden Prüfzeit gemäß Anlage 3 zum EBM.
Für jedes der fünf zu prüfenden Quartale ist auf dieser Grundlage das als Aufgreifkriterium formulierte Quartalszeitprofil von 156 Stunden (9.360 Minuten) entsprechend den im Tatbestand wiedergegebenen Werten bei Weitem, nämlich um das Zweieinhalb- bis Dreieinhalbfache, überschritten.
Aufgrund der Regelung in § 106a Abs. 2 Satz 4 SGB V hatte die Beklagte der Ermittlung der Zeitprofile zwingend die (gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1, zweiter Halbs. SGB V) in Anlage 3 zum EBM enthaltenen Prüfzeiten zugrunde zu legen. Dort haben die Partner des EBM den für die Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes kalkuliert. Diese "Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 106a Abs. 2 SGB V" dienen neben der Verbesserung der Transparenz der Leistungsbewertung im EBM ausdrücklich der Verbesserung der Wirksamkeit der Abrechnungsprüfungen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 106a SGB V (Begründung zum GKV-Modernisierungsgesetz, BT-Drs. 15/1525, S. 104 zu § 87); die Plausibilitätsprüfungen werden nämlich erheblich erleichtert, wenn der Zeitaufwand für die einzelnen Leistungen anhand des EBM bestimmt werden kann (vgl. Engelhardt in Hauck/Noftz, SGB V, Rdnr. 69 zu § 106a). Die Normqualität des EBM erstreckt sich auch auf die in Anlage 3 enthaltenen Prüfzeiten.
Damit stehen im Rahmen der Plausibilitätsprüfung verbindliche Messgrößen zur Verfügung, die der Plausibilitätsprüfung nach Zeitprofilen zugrunde zu legen sind. Die "Prüfzeiten" in Anlage 3 zum EBM stellen Mindestzeiten dar (anders als die parallel aufgeführten längeren "Kalkulationszeiten", vgl. hierzu Clemens, a.a.O., Rdnr. 146 zu § 106a), die der besonders geübte oder erfahrene Vertragsarzt für die Erbringung der jeweiligen Leistung mindestens benötigt. Sie sind – wie von der Rechtsprechung gefordert, dazu m.w.N. Engelhardt, a.a.O., Rdnrn. 61 und 71 – so bemessen, dass auch ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Berücksichtigt sind zudem nur Leistungen, die der Arzt selbst erbringen muss, also nicht delegieren kann. Anders gesagt: Die Delegierbarkeit von Leistungen wurde bereits bei der Kalkulation der Zeitwerte in Anlage 3 zum EBM berücksichtigt. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, die Prüfzeiten für diejenigen ärztlichen Leistungen weiter abzusenken, in deren Zusammenhang es auch zur Erbringung funktionsdiagnostischer Leistungen durch Hilfspersonal in Gestalt von MTAF kommt.
Die Betrachtung einzelner Prüfzeiten für vom Kläger abgerechnete EBM-Nummern macht dies unmittelbar plausibel: So beträgt etwa die Prüfzeit für die Standardleistung der tonschwellenaudiometrischen Untersuchung (EBM-Nr. 09320) vier Minuten. Hierin enthalten sind jedenfalls ärztliche Anordnung der Untersuchung, Überwachung des Hilfspersonals und Auswertung der Messergebnisse. Der Ansatz von vier Minuten als Prüfzeit erscheint in diesem Zusammenhang schon als knapp, jedenfalls aber nicht als zu hoch. Der Kläger rechnet demgegenüber die Prüfzeiten rigide herab auf Minimalwerte, die dem Senat vollkommen unrealistisch erscheinen. So erscheint etwa der Ansatz von 30 Sekunden für die mit 405 Punkten bewertete tonschwellenaudiometrische Untersuchung schlechthin implausibel; ebenso verhält es sich zur Überzeugung des Senats mit den übrigen im Tatbestand aufgeführten EBM-Ziffern, für die der Kläger eine Absenkung der Prüfzeit auf bis zu ein Zehntel (EBM-Nummer 09327: 21 Minuten / 2 Minuten) für sich fordert.
Den somit über die Tages- und Quartalszeitprofile geführten Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung der im Rahmen der Ermächtigung erbrachten Leistungen hat der Kläger nicht entkräftet. Beide von ihm verfolgten Beanstandungen laufen leer: Weder hat die Beklagte die Erbringung funktionsdiagnostischer Leistungen durch Hilfspersonal fehlerhaft nicht mit einkalkuliert, noch führt der Einwand weiter, er verfolge über besondere Expertise, die ihm eine besonders schnelle Leistungserbringung ermögliche.
Nichts anderes ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers zum Umfang seiner Sprechstunden im Rahmen der Ermächtigung. Es ist aus mehreren Gründen schlechthin unschlüssig. Der Kläger behauptet insoweit, 24 Stunden pro Woche im Rahmen seiner Ermächtigung Patienten zu behandeln.
Zum einen erscheint diese schon unschlüssige Angabe umso unwahrscheinlicher, als der Kläger in einzelnen Wochen tatsächlich sogar noch eine weit darüber hinausgehende Leistungszeit abgerechnet hat, so beispielsweise an die 50 Stunden in der Woche vom 4. bis 8. April 2005 und an die 45 Stunden in der Woche vom 24. bis 28. April 2006. Angesichts dessen erscheint die Angabe von 24 Stunden wöchentlicher "KV-Sprechstunde" willkürlich.
Zu Recht hat das Sozialgericht zum anderen ausgeführt, es sei undenkbar, dass der Kläger regelmäßig (auch nur) 24 Stunden seiner persönlichen Wochenarbeitszeit auf die Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten im Rahmen seiner Ermächtigung verwende. Schon mit einer Ermächtigungssprechstunde im Umfange von 24 Wochenstunden läge der Kläger gleichauf mit dem Umfang der Sprechstunde einer Vielzahl vertragsärztlicher Praxen in Berlin; die tatsächlich abgerechneten Wochenzeiten würden ihn sogar in den Rang einer höchstausgelasteten Vertragsarztpraxis heben. Dies erscheint nicht ansatzweise plausibel. Die sich aus den Tagesprofilen ergebenden täglichen Behandlungszeiten des Klägers erfassen nämlich nur einen Teil der von ihm tatsächlich aufzuwendenden Arbeitszeit. Bei den mit den Tagesprofilen ermittelten Zeiten handelt es sich um die Addition ausschließlich von Behandlungszeiten. Für die Feststellung der Gesamtarbeitszeit des Klägers müsste ihnen ein durchschnittlicher Zeitaufwand für Befundung, Dokumentation, das Abfassen von Arztbriefen sowie für das Anleiten, Überwachen und Ausbilden des Hilfspersonals zugerechnet werden; hinzu käme privatärztliche Tätigkeit, die Behandlung berufsgenossenschaftlicher Patienten, die Durchführung von Operationen an stationär aufgenommenen Versicherten, sämtliche mit der Klinikleitung verbundenen Aufgaben, wissenschaftliche Arbeit (der Kläger ist Autor einer Vielzahl von Fachveröffentlichungen) sowie Vorlesungstätigkeit. Schließlich werden in den für den Kläger erstellten Tagesprofilen andere notwendige Unterbrechungen der Behandlungen wie die durch die Einnahme von Mahlzeiten o.ä. nicht erfasst (vgl. zu diesem Ansatz Bundessozialgericht, Urteil vom 24. November 1993, 6 RKa 70/91, zitiert nach juris, dort Rdnr. 30; Engelhardt, a.a.O., Rdnr. 65). Insgesamt erscheint damit auch die Behauptung implausibel, auf die Arbeit im Rahmen der Ermächtigung mehr als die Hälfte einer üblichen Wochenarbeitszeit verwendet zu haben.
b) Der danach bestehende Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung der im Rahmen der Ermächtigung erbrachten Leistungen erhärtet sich bei Betrachtung je eines Behandlungstages der streitigen Quartale; die detaillierte Analyse je eines Behandlungstages ist dabei auch ausreichend, denn die gegenüber der Beklagten abzugebende Abrechnungs-Sammelerklärung über die ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistungen ist schon dann unrichtig, wenn nur eine abgerechnete Leistung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht worden ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. September 1997, 6 RKa 86/95, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21):
Quartal II/05, 7. April 2005: Abrechnung einer Leistungszeit von 15 Stunden und 43 Minuten; auf Bl. 282 des Verwaltungsvorgangs wird insoweit Bezug genommen.
Quartal III/05, 1. September 2005, Abrechnung einer Leistungszeit von 13 Stunden und 37 Minuten; auf Bl. 12 des Verwaltungsvorgangs wird insoweit Bezug genommen.
Quartal IV/05, 4. Oktober 2005: Abrechnung einer Leistungszeit von 13 Stunden und 16 Minuten; auf Bl. 22 des Verwaltungsvorgangs wird insoweit Bezug genommen.
Quartal I/06, 5. Januar 2006: Abrechnung einer Leistungszeit von 15 Stunden und 3 Minuten; auf Bl. 37 des Verwaltungsvorgangs wird insoweit Bezug genommen.
Quartal II/06, 27. April 2006: Abrechnung einer Leistungszeit von 13 Stunden und 53 Minuten; auf Bl. 53 des Verwaltungsvorgangs wird insoweit Bezug genommen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat wegen der Analyse der im Einzelnen abgerechneten Leistungen Bezug auf die eingehenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 19. August 2008, dort Bl. 12 bis 18. Sie belegen nachdrücklich, dass der Kläger die abgerechneten Leistungen an den aufgeführten Tagen nicht vollständig oder nicht selbst erbracht haben kann.
c) Unabhängig davon lässt der Fall des Klägers im Gesamtbild und bei lebensnaher Betrachtung nur die Schlussfolgerung zu, dass eine Vielzahl der von ihm abgerechneten Leistungen – ihre tatsächliche Erbringung vorausgesetzt – nicht von ihm persönlich, sondern von anderen Ärzten der von ihm geleiteten Klinik erbracht wurden (vgl. zum Gebot der persönlichen Leistungserbringung bei ermächtigten Krankenhausärzten: Clemens, a.a.O., Rdnr. 134 zu § 106a).
Hinzu tritt, dass der Kläger offensichtlich auch Leistungen über seinen Ermächtigungsstatus abgerechnet hat, die von ihm als Krankenhausarzt erbracht werden mussten und nicht von der Ermächtigung erfasst waren. Hierbei handelte es sich vorwiegend um Notfall- und Akutpatienten, die auf der Station des Klägers zu versorgen waren. Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2008 hat er etwa mit Bezug zum Behandlungstag 7. April 2005 insoweit detailliert vortragen lassen, welche Patienten – so der Kläger: im Rahmen der Ermächtigung – behandelt wurden:
- P S. offene Nasentrümmer- und Septumfraktur, Planung operativen Vorgehens, chirurgische Versorgung drei Tage später; - P B., akut aufgetretene Atemnot nach Schilddrüsen-Operation; - M H., akute Epiglottitis, medikamentölse Erstbehandlung, acht Stunden später stationäre Aufnahme; - K P., Nasenbeinfraktur, ambulante chirurgische Weiterversorgung; - E B., offene Nasentrümmerfraktur, Planung der chirurgischen Weiterversorgung; - A L., allergisch-anaphylaktische Reaktion, ambulante Kontrolle, eintägige stationäre Überwachung; - V P., stationäre Aufnahme und intensivmedizinische Überwachung nach Einleitung einer Wespengift-Hyposensibilisierung.
Angesichts dieses Vorbringens liegt sehr nahe, dass der Kläger seine Arbeit als ermächtigter Arzt nicht genau genug von seiner Arbeit als Krankenhausarzt getrennt hat.
d) Den Anschein unrichtiger Abrechnung hat der Kläger nach alledem nicht entkräftet. Die Beklagte war daher berechtigt, eine Honorarberichtigung vorzunehmen und das Honorar verhältnismäßig zu kürzen. Die von der Beklagten dabei gewählte Berechnungsmethode der "Faktorbildung" ist sachgerecht. Sie setzt die zeitmäßige Überschreitung des Aufgreifkriteriums ins Verhältnis zur abgerechneten Leistungszeit, bildet daraus einen Faktor und multipliziert diesen Faktor mit der für das betreffende Quartal geleisteten bereinigten Vergütungssumme, woraus sich der Rückforderungsbetrag ergibt (Beispiel: Quartal II/05):
Abgerechnete Quartalszeit: 35.742 Minuten, Zeitüberschreitung: 26.382 Minuten (Aufgreifkriterium: 9.360 Minuten), 26.382: 35.742 = 0,7381232, Bereinigte Vergütungssumme: 16.809,58 Euro, 16.809,58 x 0,7381232 = 12.407,54 Euro, 12.407 abzüglich 3 % Verwaltungskosten = 12.035,31 Euro = Rückforderungssumme.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 VwGO und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Die Revision war nicht zuzulassen, weil hierfür kein Grund nach § 160 Abs. 2 SGG vorlag.
Rechtskraft
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