L 10 R 946/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 4278/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 946/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.01.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Die am 1958 geborene Klägerin hat den Beruf der Fotolaborantin erlernt. Nach einem operativen Eingriff auf Grund eines Nierenkarzinoms bezog sie von September 1989 bis November 1993 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Seither nahm die Klägerin keine vollschichtige Tätigkeit mehr auf. Zeitgleich mit der Aufnahme einer Teilzeittätigkeit (an drei bis vier Tagen dreieinhalb bis vier Stunden) als Verkäuferin in einem Reformhaus im Januar 2008 (Beendigung dieses Beschäftigungsverhältnisses Ende 2008) beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer "Teilrente" (so ausdrücklich Bl. 795 VA). Sie sah sich selbst lediglich in der Lage, ca. drei bis sechs Stunden täglich zu arbeiten (Bl. 686 Rs. VA). Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie S. diagnostizierte bei der Klägerin nach gutachtlicher Untersuchung im April 2008 atypische Gesichtsschmerzen links, Wechseljahresbeschwerden mit vermehrtem Erschöpfungsgefühl und Stimmungsschwankungen, eine linksseitige Migräne, Heuschnupfen bei Pollenallergie, nach der Bauchoperation im Jahr 1989 wiederkehrend auftretende verwachsungsbedingte Verdauungs- und Oberbauchbeschwerden, ein myofasciales Halswirbelsäulen(HWS)-Syndrom mit gelegentlichen Schulter-Arm-Schmerzen, einen vermehrten Harndrang und eine vermehrte Infektneigung. Er erachtete die Klägerin für in der Lage, in vollschichtigem Umfang leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ohne Nachtschicht und ohne ständig erhöhten Zeitdruck und ohne Exposition gegenüber Atemreizstoffen und Allergenen zu verrichten. Auf die Einwendungen des behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. , die Klägerin könne wegen einer erheblichen neurotischen Fehlentwicklung und krankheitswertiger "Persönlichkeitsgravur" (Bl. 873 VA) nur noch maximal drei Stunden arbeiten, wies der Gutachter S. auf eine Diskrepanz zwischen der Selbstwahrnehmung der Klägerin und der objektiven Belastbarkeit hin (Bl. 883 VA).

Mit Bescheid vom 09.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2008 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin gestützt auf die Ausführungen des Gutachters S. ab.

Deswegen hat die Klägerin am 29.12.2008 beim Sozialgericht Mannheim Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den Facharzt für Innere Medizin Dr. G. , Dr. G. , den Frauenarzt Dr. C. , den Urologen S. und den Allgemeinmediziner Dr. H. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. G. hat seiner Zeugenaussage den Arztbrief von Dr. G. von 22.11.2008 (Bl. 26 SG-Akte) beigefügt, in dem dieser u.a. seine im Januar 2008 geäußerte Skepsis hinsichtlich des Rentenantrages und einen Streit um die zu attestierende Stundenzahl dokumentierte. In seiner sachverständigen Zeugenaussage hat Dr. G. an der Einschätzung, die Klägerin könne maximal drei bzw. vier Stunden arbeiten, festgehalten und hierzu auf das Vorliegen einer multiplen psychosomatischen Störung im Rahmen einer schweren neurotischen Fehlhaltung hingewiesen. Dr. C. hat die Klägerin besonders auch im Hinblick auf die Nierenerkrankung nur noch für vier bis fünf Stunden täglich belastbar erachtet.

Sodann hat das Sozialgericht den Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Nach Untersuchung der Klägerin im Juni 2009 hat dieser depressive Verstimmungen im Sinne einer Dysthymia mit asthenischen Persönlichkeitszügen, Somatisierungstendenzen auch mit einer nicht-organischen Insomnie (Schlaflosigkeit), einen atypischen Gesichtsschmerz links, Wechseljahresbe-schwerden, einen Zustand nach Hypernephrom sowie Verwachsungsbeschwerden nach operativen Eingriffen diagnostiziert und ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von ca. acht Stunden als Verkäuferin und Beraterin in einem Reformhaus und entsprechend auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gesehen. Entgegen der Auffassung von Dr. G. liege keine schwere neurotische Fehlhaltung vor. Das vor 20 Jahren entfernte Nierenzellkarzinom könne schwerlich, wie von Dr. C. vertreten, als Begründung für eine gegenwärtige Einschränkung des täglichen Leistungsvermögens angenommen werden. Die Klägerin hat gegen das Gutachten eingewandt, sie sehe besser aus, als sie sich fühle. Sie hat einen umfassenden Lebenslauf (Bl. 78 SG-Akte) vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass die Klägerin seit Abschluss der Lehre als Fotolaborantin im Jahr 1978 mit wenigen Ausnahmen nie längerfristig eine Tätigkeit ausübte. Ferner hat sie eine von Dr. G. im Juni 2009 verfasste "Epikrise" zur Akte gegeben (Bl. 79 SG-Akte), in der dieser ausführlich einen depressiven Grundkonflikt mit schizoiden Elementen und zwangsneurotischen Komponenten beschrieben hat.

Mit Urteil vom 14.01.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zwar leide die Klägerin, wie sich aus dem Sachverständigengutachten des Dr. S. sowie den eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen ergebe, an depressiven Verstimmungen im Sinne einer Dysthymia, asthenischen Persönlichkeitszügen, Somatisierungstendenzen auch mit einer nicht-organischen Insomnie, einem atypischen Gesichtsschmerz links, Wechseljahresbeschwerden, einem Zustand nach Hypernephrom, sowie Verwachsungsbeschwerden nach operativen Eingriffen. Diese Gesundheitsstörungen führten jedoch nicht zu einem untervollschichten Leistungsvermögen. Tätigkeiten unter vermehrtem Zeitdruck oder Akkordbedingungen seien nicht leidensgerecht. Im Übrigen könne die Klägerin leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten ausüben. Unvertretbar seien Tätigkeiten mit vermehrten emotionalen Belastungen. Das Sozialgericht hat sich insoweit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. angeschlossen und auf den Einklang mit den Ergebnissen des Verwaltungsgutachters S. hingewiesen. Insbesondere im Hinblick auf den Tagesablauf der Klägerin seien die vom Sachverständigen angenommenen acht Stunden Leistungsvermögen täglich schlüssig und nachvollziehbar. Die Klägerin stehe zwischen 6:30 Uhr und 7:30 Uhr auf, mache den Haushalt und beschäftige sich am PC. Sie gehe auch einkaufen. Nach dem Mittag lege sie sich hin, schlafe ab und zu mittags. Sie habe gute soziale Kontakte und mache zwei Mal pro Woche zusammen mit anderen Frauen Walking. Abends schaue sie fern, seltener lese sie. Im Januar 2009 sei sie zusammen mit einem Bruder in Ö. in Skiurlaub gewesen. Sie sei dort gewandert, dies habe ihr sehr gut getan. Hingegen habe Dr. G. keine objektiven Ansatzpunkte benannt, um seine Auffassung eines Leistungsvermögens von nur drei bis vier Stunden nachvollziehbar zu gestalten.

Gegen das ihr am 10.02.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.02.2010 Berufung eingelegt, wie schon im Klageverfahren mit dem Ziel, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu erhalten.

Der Senat hat die von der Klägerin neu benannten Therapeuten schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie E. hat im Mai 2010 über lediglich eine im Jahr 2009 erfolgte Behandlung berichtet und die diagnostizierten Störungen - chronifizierte depressive Störung, Dysthymia, Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung - für prinzipiell behandelbar und besserungsfähig erachtet. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. hat im August 2010 angegeben, die Klägerin leide an einem depressiven Grundkonflikt mit zwanghafter Kompensation, einer somatisierten Depression, einer neurotischen Fehlhaltung, einer Schlafstörung sowie einer Persönlichkeitsfehlentwicklung und könne nicht mehr sechs Stunden täglich arbeiten.

Sodann hat der Senat Dr. S. um eine ergänzende Begutachtung gebeten. Nach erneuter gutachtlicher Untersuchung im Januar 2010 hat Dr. S. mitgeteilt, es seien im Vergleich zum Vorgutachten keine wesentlichen neuen Aspekte aufgetreten. Die Klägerin weise eindeutig dysfunktionale Kognitionen hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit auf. Diese seien in der Vergangenheit teilweise ärztlicherseits verstärkt worden. Die psychische Symptomatik entziehe sich nicht der zumutbaren Willensanstrengung. Die abweichenden Leistungsbeurteilungen von Dr. G. und Dr. S. sehe er im Rahmen eines vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnisses, wo sich Therapeuten auch für die sozialen Anliegen ihrer Patienten im Sinne eines "medizinischen Anwalts" einsetzten.

Die Klägerin hat sich mit diesem Ergebnis nicht einverstanden gezeigt und hierzu auf eine sozialmedizinische Stellungnahme der Vertragsärztin der Agentur für Arbeit Dr. R. vom Juli 2010 hingewiesen, in der diese nur von einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden ausgegangen ist (Bl. 73 LSG-Akte). Auf ihren Antrag hat der Senat gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) sodann das psychosomatische Gutachten des Facharztes für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Oberarzt im Zentrum für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums H. Dr. H. eingeholt. Dieser hat nach Untersuchung im Dezember 2011 bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung, eine Neurasthenie, eine Dysthymie, eine Persönlichkeitsaktzentuierung mit zwanghaft-selbstunsicheren Zügen, eine nicht organische Schlafstörung, eine Migräne, Klimakteriumsbeschwerden sowie eine Pollenallergie beschrieben und hinsichtlich der diagnostischen Ebene eine weitgehende Einigung mit den Vorgutachtern gesehen. Im Unterschied zu deren Auffassung hat er die Klägerin jedoch nur noch für in der Lage gehalten, eine halb- bis unter vollschichtige Tätigkeit auszuüben. Der Tätigkeitsumfang sollte unter sechs Stunden liegen. Durch die anhaltende Symptomatik scheine ein sekundärer Krankheitsgewinn vorzuliegen, gleichzeitig sei hierin ein krankheitswertiges Verhalten zu sehen, das von der Klägerin willentlich nicht beeinflusst bzw. überwunden werden könne. Die Klägerin hat im Rahmen der Begutachtung u.a. angegeben, vier bis fünf Stunden pro Woche für eine Sozialstation ehrenamtlich zu arbeiten, ihre zwischenzeitlich pflegebedürftige Mutter mit zu betreuen und auch Walken zu gehen. Eine drei bis sechsstündige Tätigkeit könne sie sich vorstellen (Bl. 106 LSG-Akte). Dem Gutachten ist ein chronologischer Tagesablauf für eine Woche beigefügt, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 139 LSG-Akte).

Für den Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten hat sich der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. geäußert. Er hat die von Dr. H. vorgenommene Leistungsbeurteilung angesichts der gestellten Diagnosen, des erhobenen Befundes, bei dem es sich faktisch beinahe um einen Normalbefund gehandelt habe, und der weitreichenden Aktivitäten auf gutem Funktionsniveau nicht für nachvollziehbar erachtet.

Die Klägerin hat zur abschließenden Begründung ihrer Berufung vorgetragen, das Gutachten von Dr. H. , ihre psychosomatischen Beschwerden, ihr atypischer Gesichtsschmerz, die Schlafstörungen und die Migräne würden ignoriert. Unter keiner Therapie sei eine Besserung eingetreten. Sie behaupte nicht, gar nicht arbeiten zu könne, sie sei in ihrer Leistung eingeschränkt. Es sei grotesk, aus ihren Aktivitäten etwas anderes zu schließen. Es koste sie oft einen enormen Energieaufwand, ihren Alltag einigermaßen strukturiert zu halten. Es sei absurd, ihre Kontakte zur Familie als Indiz für ihre Leistungsfähigkeit zu nehmen. Oft müsse sie auch auf Aktivitäten, die sie sehr gerne ausüben würde, verzichten. Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung sei für sie Voraussetzung, um in das Berufsleben zurückzukehren.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.01.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 09.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2008 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteil zutreffend die rechtliche Grundlage für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI) dargelegt und ist überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für diese Rente nicht erfüllt, weil sie trotz depressiver Verstimmungen im Sinne einer Dysthymia mit asthenischen Persönlichkeitszügen, Somatisierungstendenzen mit einer nicht-organischen Insomnie, atypischen Gesichtsschmerzen links, Wechseljahresbeschwerden, einem Zustand nach Hypernephrom mit Verwachsungsbeschwerden nach operativen Eingriffen zumindest leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne vermehrten Zeitdruck oder Akkordbedingungen und ohne vermehrte emotionale Belastungen in einem zeitlich nicht rentenrelevant eingeschränktem Umfang ausüben kann. Hinsichtlich der Bewertung der bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens eingeholten Gutachten und sachverständigen Zeugenaussagen schließt sich der Senat den Ausführungen des Sozialgerichts an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Lediglich soweit das Sozialgericht hier ausdrücklich von einem vollschichtigen Leistungsvermögen (ca. acht Stunden) ausgegangen ist, lässt der Senat dahingestellt, ob von einem solchen vollschichtigen Leistungsvermögen auszugehen ist. Denn die Gewährung einer Rente kommt bereits dann nicht in Betracht, wenn eine Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden kann. Jedenfalls davon ist der Senat bei der Klägerin auf der Grundlage der Argumentation des Sozialgerichts überzeugt. Dieses Leistungsvermögen steht im Übrigen sogar im Einklang mit der von der Klägerin zum Zeitpunkt des Rentenantrages vorgenommenen und bei Dr. H. wiederholten Selbsteinschätzung, bis zu sechs Stunden täglich arbeiten zu können. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch bei einem sechsstündigen Leistungsvermögen eine Rentengewährung nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers ausgeschlossen. Ob die Klägerin eine achtstündige Tätigkeit zu Recht für "unvorstellbar" hält (Bl. 106 LSG-Akte), ist mithin bedeutungslos.

Auch die im Berufungsverfahren neu gewonnenen medizinischen Erkenntnisse sind nicht geeignet, den Senat in Abweichung zur Entscheidung des Sozialgericht davon zu überzeugen, dass die Klägerin teilweise erwerbsgemindert ist.

Vielmehr hat Dr. S. erneut überzeugend dargestellt, dass, wie schon in seinem Vorgutachten beschrieben, ein nicht rentenrelevant zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen vorliegt. Die davon abweichende Leistungsbeurteilungen von Dr. S. und Dr. H. - Letzterer hat im Übrigen hinsichtlich der Diagnoseebene ausdrücklich keine Widersprüche zum Gutachten von Dr. S. gesehen - überzeugen den Senat nicht. Die insbesondere nach dem Inhalt der Gutachten gegen eine rentenrelevante Leistungseinschränkung sprechenden Argumente hat Dr. N. in der sozialmedizinischen Stellungnahme vom Juni 2012 eindrücklich dargelegt. Bei der in beiden Gutachten beschriebenen Dysthymia handelt es sich - so Dr. N. - um eine geringgradige Stimmungsauffälligkeit, die nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation nicht das Ausmaß einer wenigstens leichten bis mittelgradigen Episode erfüllt. Eine überdauerende Leistungseinschränkung ist hieraus, wie Dr. N. weiter überzeugend ausgeführt hat, nicht zu erwarten. Nachvollziehbar hat Dr. N. darauf hingewiesen, dass Dr. H. in seinem Gutachten klinisch-psychopathologisch faktisch beinahe einen Normalbefund beschrieben hat (missmutige, gedrückte Stimmung, ohne wesentliche Beeinträchtigung der Schwingungsfähigkeit, immer wieder auslenkbar, keine Funktionsdefizite im Hinblick auf Konzentration, Gedächtnis und Antrieb). Der Senat teilt die Auffassung von Dr. N. , dass den abweichenden Testbefunden angesichts dieses klinischen Befundes, da es sich um Selbsteinschätzungsfragebögen gehandelt hat, keine durchschlagende Bedeutung zukommt. Auffällig ist - so Dr. N. weiter -, dass in Bezug auf die Persönlichkeitsebene der Klägerin in beiden Gutachten keine Persönlichkeitsstörung, d.h. eine tiefer gehende Erkrankung beschrieben worden ist. Es werden nur eine Persönlichkeitsakzentuierung (Dr. H. ) bzw. akzentuierte Persönlichkeitszüge (Dr. S. ) diagnostiziert. Wie Dr. N. ausgeführt hat, entwickeln sich Persönlichkeitszüge aus sozialmedizinischer Sicht im Laufe des Lebens seit der Jugend. Zwar ist die Einschätzung von Dr. N. , die Klägerin habe "sicherlich über Jahre mit diesen Persönlichkeitszügen erfolgreich gearbeitet", angesichts der schon vor der Nierenerkrankung unregelmäßigen Erwerbsbiografie in Frage zu stellen. Da die Klägerin aber selbst nicht behauptet, schon vor der Nierenerkrankung erwerbsunfähig gewesen zu sein und - so wiederum Dr. N. überzeugend - sich bei einer nicht einmal vollumfänglichen Persönlichkeitsstörung eine sozialmedizinisch relevante Leistungseinschränkung nicht begründen lässt, teilt der Senat die Auffassung von Dr. S. und Dr. N. , dass insoweit keine zeitlich rentenrelevante Leistungseinschränkung besteht.

Nachvollziehbar hat Dr. N. dargestellt, dass sich auch anhand der von der Klägerin beschriebenen sozialen Kontakte und ihrer Aktivitäten die behauptete zeitliche Leistungseinschränkung nicht belegen lässt. Auch aus Sicht der Senat weist der von der Klägerin vorgelegte tabellarische Ablauf einer Woche eine bemerkenswerte Dichte auf. Der Tagesablauf wird von der Bewältigung des eigenen Haushaltes, einer ehrenamtlichen Tätigkeit in einer Sozialstation, Besuchen und Betreuung der Mutter sowie Freizeitaktivitäten wie Walken und Wandern in einem Umfang geprägt, der gegen die Annahme eines unter sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten spricht.

Hinsichtlich der ohnehin sehr vagen Formulierungen von Dr. H. zum zeitlichen Leistungsvermögen - "sollte dabei eine halb- bis unter vollschichtige Tätigkeit ausgeübt werden", "der Tätigkeitsumfang sollte unter sechs Stunden liegen" - teilt der Senat in vollem Umfang die Auffassung von Dr. N. , dass aus sozialmedizinischer Sicht hier nicht nachvollziehbar ist, der Klägerin eine Tätigkeit von unter sechs Stunden, jedoch nicht mehr von mindestens sechs Stunden zuzumuten. Der Senat sieht sich dabei, wie bereits ausgeführt, durch die eigenen Ausführungen der Klägerin, die lediglich eine achtstündige Tätigkeit als "unvorstellbar" bezeichnet hat, bestärkt.

Soweit die Klägerin die zweimalige Bestellung von Dr. S. zum Sachverständigen bemängelt hat, ist darauf hinzuweisen, dass die erneute Bestellung des Sachverständigen im Berufungsverfahren erfolgt ist, weil Hinweise für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin vorgelegen haben, die sich freilich nicht bestätigt haben. Es ist mithin nicht um etwaige Bedenken des Senats hinsichtlich der Überzeugungskraft seines erstinstanzlichen Gutachtens gegangen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat Dr. N. die Auffassung von Dr. H. und die bei ihr wiederholt beschriebenen Krankheitsbilder wie beispielsweise Gesichtsschmerzen und Migräne nicht ignoriert. Er ist vielmehr auf die angesprochenen Krankheitsbilder ("Problembereich der körpernahen Beschwerden", Bl. 144 Rs. LSG-Akte) eingegangen und hat sich umfassend und eingehend mit der Argumentation von Dr. H. auseinandergesetzt. Soweit die Klägerin auf erfolglose Therapien hingewiesen hat, steht die Frage, ob die geltend gemachten Beschwerden in einem mehr oder minder langen Zeitraum abklingen können - wobei der sachverständige Zeuge E. eine Besserungsfähigkeit ausdrücklich bejaht hat -, hier nicht im Vordergrund. Maßgeblich ist vielmehr die Beurteilung der Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung der aktuell geklagten Beschwerden, die allerdings - wie bereits dargestellt - im Zusammenhang mit dem aktuellen klinischen Befund und den Angaben zum täglichen Leben zu sehen bzw. zu hinterfragen sind. Mithin kann die Bestimmung des Leistungsvermögens - wie in allen Rentenverfahren - nicht alleine auf Beschwerdeangeben der Klägerin beruhen, vor allem nicht, da nach den Ausführungen von Dr. S. davon auszugehen ist, dass die Klägerin dysfunktionale Kognitionen hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit aufweist. Soweit die Klägerin die Berücksichtigung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit, ihrer sozialen Aktivitäten, ihrer Familienkontakte und ihres Freizeitverhaltens für "absurd" bzw. "grotesk" erachtet hat, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Diese - trotz der von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden - dokumentierten Aktivitäten müssen in die vorzunehmende Gesamtschau einfließen. Dabei ist (noch einmal) darauf hinzuweisen, dass wiederum nicht alleine diese Umstände die Beurteilung stützen, vielmehr hier auch der klinische Befund und die von allen Sachverständigen gestellten (als solche nicht gravierenden) Diagnosen berücksichtigt worden sind.

Abschließend ist noch anzumerken, dass das von der Kläger auszugsweise vorgelegte Gutachten der Vertragsärztin der Agentur für Arbeit Dr. R. vom Juli 2010 nicht geeignet ist, das umfassend begründete Gutachten von Dr. S. zu widerlegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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