L 2 R 116/10

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 10 R 733/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 R 116/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 werden zurückgewiesen. 2. Im Berufungsverfahren haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines anlassbezogenen Betriebsprüfungsverfahrens über die Sozialversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1.

Die Klägerin betreibt ein medizinisches Dienstleistungsunternehmen, das über eine Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) verfügt.

Die 1972 geborene Beigeladene zu 1 schloss mit der Klägerin am 19.04.2004 eine mit "Dienstleistungsvertrag" überschriebene Vereinbarung folgenden Inhalts:

Das Dienstleistungsunternehmen vermittelt Pflegeaufträge auf Provisionsbasis in der stationären und ambulanten Pflege und Betreuung an selbständige Pflegekräfte (Unternehmer).

Mit Wirkung vom 19.04.2004 wird folgender Dienstleistungsvertrag im beiderseitigen Einvernehmen rechtswirksam geschlossen. Dem Mitarbeiter steht es frei, zusätzlich am Markt selbst aufzutreten. Dieser Vertrag wird zunächst für die Dauer von 6 Monaten geschlossen und verlängert sich um jeweils ein Jahr, falls er nicht fristgerecht von einer Vertragspartei gekündigt wird.

1. Die individuelle regelmäßige Arbeitszeit gilt in Vollzeit für 152,0 Stunden im Monatsdurchschnitt als vereinbart. Dies entspricht einer durchschnittlich wöchentlichen Arbeitszeit von 35,0 Stunden. Die individuelle regelmäßige Arbeitsanforderung pro Monat richtet sich nach der Anzahl der Arbeitstage. Im Monat mit: 20 Arbeitstagen beträgt die Monatsarbeitszeit 140,0 Stunden 21 Arbeitstagen 147,0 Stunden 22 Arbeitstagen 154,0 Stunden 23 Arbeitstagen 161,0 Stunden Dies ist als Kernarbeitszeit zu sehen, und immer garantiefrei in Abhängigkeit der jeweils aktuellen wirtschaftlichen Auftragslage zu betrachten.

2. Es wird ein Verrechnungspreis für geleistete Std. (Mo.-Fr.) 15,00 Euro netto Std. (Samstag) 16,00 Euro netto Std. (Sonntag) 16,00 Euro netto Std. (Feiertag) 19,50 Euro netto Std. (Nachtarbeit) 16,00 Euro netto vereinbart. Der Unternehmer stellt auf der Grundlage von Tätigkeitsnachweisen des Dienstleistungsunternehmens Rechnung mit ausgewiesener Mehrwertsteuer bis spätestens zum 3. Werktag des Folgemonats. Das Dienstleistungsunternehmen verpflichtet sich, bis spätestens zum 5. Werktag 50% des in Rechnung gestellten Betrages, den Restbetrag bis zum 20. Kalendertag auf das vom Unternehmer angegebene Konto zu überweisen.

3. Der Unternehmer ist zur unternehmerischen Sorgfalt hinsichtlich seiner Steuerangelegenheiten, Krankenversicherung und Altersvorsorge angehalten und selbst verantwortlich.

4. Dieser Vertrag gilt für mindestens 6 Monate als geschlossen. Eine Kündigungsfrist ist innerhalb von 4 Wochen zum Monatsende möglich.

Das Dienstleistungsunternehmen kann den Vertrag mit sofortiger Wirkung aufkündigen, falls der Vertragspartner seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt bzw. die berufliche Qualifikation als unzureichend einzuschätzen ist.

5. Sollte der Unternehmer während der Vertragsdauer bzw. für die Dauer von 6 Monaten nach Vertragsbeendigung mit einem vom Dienstleistungsunternehmen vermittelten Auftraggeber eine direkte Honorarvereinbarung abschließen, gilt ein Schadensersatzanspruch auf 25 % der so erzielten Honorare als vereinbart.

Sollte der Unternehmer aus Gründen mangelnder Sorgfaltspflicht im Pflegevertrag einen einklagbaren Schaden anrichten, so ist dieser durch den Verursacher selbst zu ersetzen.

6. Das Dienstleistungsunternehmen erhält für die Organisation des Betriebsablaufs bzw. für das Anaquirieren und die Disposition von Aufträgen, für beratende Tätigkeit in allen unternehmerischen Fragen eine gestaffelte Provision, die sich auf der Grundlage der vermittelten Arbeitsstunden wie folgt darstellt:

bis zu 150,00 Std./Mo. (3,0%) 151,00-175,00 Std./Mo. (3,5%) Ab 176,00 Std./Mo. (4,0%).

7. Der Vertragspartner verpflichtet sich gegenüber jedermann Stillschweigen hinsichtlich der Inhalte zum Dienstleistungsvertrag sowie zu betriebsorganisatorischen Fragen der Partnerschaft zu wahren.

8. Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein, bleiben die übrigen Bestandteile davon in ihrer Wirksamkeit unberührt.

Auf der Grundlage dieses Vertrages wurden der Beigeladenen zu 1 von der Klägerin Tätigkeiten als Pflegehelferin vermittelt, für die sie der Klägerin im Zeitraum vom 27.07.2004 bis 14.05.2005 Arbeitsstunden mit einem Verdienst von insgesamt 668,50 EUR und für den Juni 2005 solche mit 1147,84 EUR in Rechnung stellte.

Die Klägerin vermittelte auch andere Pflegekräfte auf der Grundlage gleich lautender Verträge an Pflegeeinrichtungen, insbesondere an Altenpflegeheime, wobei sie den Einrichtungen einen höheren Stundensatz in Rechnung stellte, als sie wiederum an die Pflegekräfte zahlte. Gleichzeitig beschäftigte sie auch Pflegekräfte, mit denen sie Leiharbeitsverhältnisse nach dem AÜG einging.

Auf einen Strafantrag/eine Strafanzeige vom 02.02.2005 des von einem Konkurrenzunternehmen der Klägerin beauftragten Rechtsanwalts gegen den Ehemann der Klägerin und Geschäftsführer von deren Unternehmen, wonach ein Verstoß gegen das AÜG durch die als Arbeitnehmerüberlassung verschleierte Vermittlung von Honorarkräften vorliege, nahm für die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg das Hauptzollamt H., Finanzkontrolle Schwarzarbeit, Ermittlungen auf. Es wurden u.a. verschiedene Zeugen gehört, so der vom späteren Klageverfahren S 10 R 731/09 betroffene G. sowie Repräsentanten von Einrichtungen, für die die "vermittelten" Kräfte tätig geworden sind. Bereits frühzeitig wurde das Ermittlungsverfahren auch auf die Klägerin als weitere Beschuldigte ausgedehnt. Das Ermittlungsverfahren ist derzeit nach § 154d der Strafprozessordnung im Hinblick auf dieses Verfahren sowie die Berufungsverfahren L 2 R 115, 117, 118, 119 und 120/10 vorläufig eingestellt.

Nachdem sich das Hauptzollamt mit der Bitte um überschlägige Schadensberechnung vom 04.04.2006 an die Beklagte gewandt hatte, leitete diese ein Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) ein und nahm ihrerseits Ermittlungen auf. Sie zog neben der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft vom Bevollmächtigten der Klägerin im Strafverfahren in Bezug genommene Unterlagen zu einer früheren Betriebsprüfung der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bei, deren Gegenstand nicht die freien Mitarbeiterverträge gewesen waren, zu einem eingestellten Verfahren der Bundesagentur für Arbeit wegen Verstoßes gegen das AÜG sowie zu einer beanstandungsfreien Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamts H.- E ... Der Bevollmächtigte der Klägerin bestätigte, dass alle vermittelten Arbeitskräfte einen gleich lautenden Dienstleistungsvertrag geschlossen hätten. Verschiedene Pflegeeinrichtungen, an die die Klägerin Arbeitskräfte vermittelt hatte, wurden angeschrieben, von denen eine mitteilte, dass sie wissentlich nie mit freiberuflichen Kräften zusammen gearbeitet habe und Zahlungen stets nur an die Klägerin, nicht an die vermittelten Arbeitskräfte erfolgt seien; die Zusammenarbeit mit der Klägerin habe auf der Zusicherung beruht, dass alle überlassenen Kräfte angestellte Mitarbeiter der Klägerin seien. Von einer Einrichtung wurde ein so genannter "Laufzettel" vorgelegt, den die vermittelten Arbeitskräfte jedenfalls bei jener hätten ausfüllen bzw. ausfüllen lassen müssen.

Im Rahmen der Befragung der auf der Grundlage eines "Dienstleistungsvertrags" vermittelten Pflegekräfte gab die Beigeladene zu 1 an, sie sei als Pflegehelferin in der Pflege von alten und kranken Menschen tätig. Ihr Auftraggeber sei die Firma R. Personalpartner. Zeitweise beziehe von dieser fünf Sechstel ihrer Einkünfte. Es stehe ihr frei am Markt zu operieren. Sie sei folglich nicht weisungsgebunden. Innerhalb der Betriebe passe sie sich den Betriebsabläufen an. Es biete sich an, ihre Dienste über einen Dienstleister anzubieten, da sie wegen der Tätigkeit innerhalb der Pflege und dem Schichtdienst nur teilweise die Möglichkeit habe, Aufträge zu akquirieren. Für den Fall, dass sie Aufträge ablehne, müsse sie sich nicht rechtfertigen. Sie habe keinen Anspruch auf Urlaub oder Lohnfortzahlung. Sie könne sich jederzeit frei nehmen. Sie sei beim Finanzamt als Selbstständige gemeldet und versteuere entsprechend. Sie zahle auch Umsatzsteuer.

Nach Anhörung der Klägerin, die sich mit Schreiben vom 28.08.2007 äußerte, und der betroffenen Pflegekräfte einschließlich der Beigeladenen zu 1 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 28.11.2007 gegenüber der Klägerin fest, dass zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestehe.

Hiergegen legte die Klägerin am 04.12.2007 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie unter Einbeziehung ihrer Ausführungen vom 28.08.2007 vor, dass nach der geltenden Rechtslage und nach der aktuellen Rechtsprechung zur Feststellung einer fehlenden Selbstständigkeit nicht mehr auf die Kriterien des früheren § 7 Abs. 4 SGB IV abgestellt werden könne, sondern sämtliche Umstände des Einzelfalls maßgeblich und in eine ganzheitliche Beurteilung einzubeziehen seien. Das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 18.05.2004 (Aktenzeichen L 1 KR 65/04) sei noch zu der alten Rechtslage ergangen und könne die Auffassung der Beklagten nicht stützen. Nach den mit den Pflegekräften gleichlautend abgeschlossenen Dienstleistungsverträgen habe die Klägerin ihnen lediglich die Vermittlung geschuldet. Sie seien gerade nicht in den Betrieb der Klägerin eingebunden und unterlägen nicht ihren Weisungen zu Zeit, Ort, Dauer und sonstigen Modalitäten der Arbeitsausführung. Vielmehr hätten sie die Freiheit, als Unternehmer selbst am Markt aufzutreten und ihre Gewinne zu maximieren. Entsprechend hätten sie sich bei ihren Finanzämtern als Selbstständige angemeldet, eigene Rechnungen erstellt und Umsatzsteuer entrichtet. Sie hätten selbst entscheiden können, ob sie einen Auftrag annehmen oder ablehnen wollten. Sie seien nicht in irgendwelche Dienstpläne eingeteilt gewesen und nur nach der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit bezahlt worden, ohne Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubs- oder Weihnachtsgeld zu haben. Sie hätten auch nicht verlangen können, ein bestimmtes Kontingent an Aufträgen oder Angeboten zu erhalten. Für ihre Steuer-, Krankenversicherungs- und Altersversorgungsangelegenheiten seien sie selbst verantwortlich gewesen. Sie hätten deshalb ein Unternehmerrisiko getragen. Dass sie ihre Tätigkeit bei Erbringung der Pflegeleistungen nicht frei hätten gestalten können, spreche nicht für eine arbeitsvertraglich typische Integration in den Organisationsablauf. Vielmehr folgten die zu erbringenden Leistungen gesetzlichen Vorgaben und den Anweisungen der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, die ihrerseits vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung angehalten seien, ihre Leistungen systematisch und nachweisbar zu erbringen. Im Übrigen könne nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch ein freier Mitarbeiter in organisatorische Abläufe eingebunden und zur Eingliederung in einer bestimmten Weise verpflichtet sein, ohne dass er deshalb als Arbeitnehmer anzusehen sei (Hinweis auf BAG, Urteil vom 14.03.2007 – 5 AZR 499/06). Auch könne eine einzelne Pflegekraft keine Verträge mit Heimbewohnern unterhalten und ihre Leistungen mit der Krankenkasse abrechnen, denn diese zahle nur an bestimmte, von ihr anerkannte Pflegeeinrichtungen, mit denen die zu pflegenden Personen Verträge abzuschließen hätten. Schließlich hätten die Beigeladenen es auch abgelehnt, von der Klägerin als Arbeitnehmer übernommen zu werden.

Mit Ergänzungsbescheid vom 06.04.2009 stellte die Beklagte weiter dem Grunde nach fest, dass die Beigeladene zu 1 in der Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung rückwirkend ab Aufnahme der Beschäftigung am 19.04.2004 unterliege. Ob und ggf. in welcher Höhe Ansprüche auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge entstanden seien, werde durch einen weiteren Bescheid festgestellt.

Hiergegen legte die Klägerin erneut Widerspruch ein und verwies auf ihr bisheriges Vorbringen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2009 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Zwar könnten Pflegeleistungen durchaus als selbstständige Tätigkeit erbracht werden, jedoch bestehe nach der gesicherten Rechtsprechung bei deren regelmäßiger Erbringung für einen anderen Vertragspartner als den Patienten ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, wenn nicht besondere Umstände hinzuträten, die die Abhängigkeit der Pflegekraft im Einzelfall aufhöben. Nach dem maßgeblichen tatsächlichen Gesamtbild der Arbeitsleistung sei die Beigeladene zu 1 abhängig beschäftigt. Sie schulde eine Arbeitsleistung, nicht aber einen bestimmten Erfolg oder ein bestimmtes Werk, so dass es insoweit an einem Unternehmerrisiko fehle. Die Beigeladene zu 1 verfüge über keine eigene Betriebsstätte, setze die Hilfs- und Arbeitsmittel der Pflegeeinrichtungen ein und sei mit der Entscheidung zur Übernahme des vermittelten Auftrags durch die Anforderungen der jeweiligen Pflegeeinrichtung, in der der Einsatz erfolgen solle, hinsichtlich Arbeitszeit, -ort, -dauer und Art der Arbeitsausführung festgelegt, mithin weisungsgebunden. Aus der Möglichkeit, auch für andere Auftraggeber tätig zu werden, lasse sich nicht auf eine Selbstständigkeit schließen; jede Tätigkeit sei vielmehr für sich und unabhängig voneinander sozialversicherungsrechtlich zu beurteilen. Dabei binde die steuerrechtliche Beurteilung durch das Finanzamt die Sozialversicherungsträger und -gerichte ebenso wenig, wie dies umgekehrt der Fall sei.

Am 07.08.2009 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben, mit der sie ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft hat. Unverändert hat sie die Ansicht vertreten, die Beigeladene zu 1 sei bei ihr nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Auch wenn sie eine Erlaubnis zur Überlassung von Arbeitnehmern habe, habe sie die Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1 bei den verschiedenen Altenheimen nur vermittelt. Die Beigeladene zu 1 sei dort selbstständig tätig gewesen. Sie sei in der Lage gewesen, Aufträge, die ihr die Klägerin angeboten habe, abzulehnen. Daneben habe sie auch noch für andere Auftraggeber tätig werden können und sei es auch geworden. Sie sei nicht in ihren Betriebsablauf eingegliedert gewesen und habe keine Weisungen befolgen müssen. Wenn ihr Weisungen erteilt worden seien, dann von den Altenheimen, in denen sie tätig gewesen sei. Dies ergebe sich aber aus der Art der verrichteten Tätigkeit. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten lasse sich auch nicht durch ihren Hinweis auf das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 18.05.2004 (Aktenzeichen L 1 KR 65/04) stützen. In ihm werde zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass jegliche Pflegeleistung nur im Rahmen eines abhängigen, sozialversicherungspflichtigen Verhältnisses erbracht werden könne. Diese Annahme sei schon mit § 2 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI) nicht zu vereinbaren, wonach selbstständig tätige Pflegepersonen unter weiteren Voraussetzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig seien. Danach erkenne der Gesetzgeber selbst an, dass Pflegepersonen auch dann selbstständig sein könnten, wenn sie in einen Pflegebetrieb integriert seien. Insoweit sei auf das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24.11.2009 (Aktenzeichen L 5 R 867/08) hinzuweisen, das in einem vergleichbaren Fall das Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit Rücksicht auf die Entscheidungsfreiheit der dortigen Pflegekraft abgelehnt habe. Außerdem habe die Beklagte der Klägerin als Ergebnis einer Betriebsprüfung vom 07.10.2009 bescheinigt, dass ihre Lohn- und Gehaltsunterlagen für die Jahre 2005 bis 2008 nicht zu beanstanden seien. Hierzu hat die Klägerin ein Schreiben der Beigeladenen zu 2 vom 07.10.2009 über das Ergebnis der von dieser durchgeführten Betriebsprüfung vorgelegt (Anlage K 6).

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat darauf hingewiesen, dass nicht sie die Betriebsprüfung vom 07.10.2009 durchgeführt habe, sondern die Beigeladene zu 2. Das Ergebnis dieser Prüfung sei auch inhaltlich für die Beurteilung der hier streitigen Sachverhalte ohne Belang. Sie sei nur stichprobenartig erfolgt, habe sich allein auf die vorgelegten Lohn- und Gehaltsunterlagen der zur Sozialversicherung angemeldeten Mitarbeiter bezogen und bewirke nicht, dass die Klägerin hinsichtlich der hier streitigen Feststellungen entlastet sei. Auf die steuerrechtliche Selbstständigkeit komme es nicht an. Nach dem Gesamtbild der Tätigkeit liege eine abhängige Beschäftigung vor. Denn die von der Klägerin eingesetzten Pflegekräfte hätten ihre Tätigkeit nach den Anweisungen der jeweiligen Einrichtung ausüben müssen und für jede Arbeitsstunde eine feste Vergütung erhalten. Die Abwälzung von Risiken auf die arbeitenden Personen spreche nicht für deren Selbstständigkeit aufgrund eines eingegangenen Unternehmerrisikos, weil sie über die Möglichkeit hinaus, angebotene Arbeitseinsätze abzulehnen, keine größeren Freiheiten und Verdienstmöglichkeiten gehabt hätten. Die vorliegende Fallgestaltung entspreche der vom Landessozialgericht Hamburg mit seinem Urteil vom 18.05.2004 (Aktenzeichen L 1 KR 65/04) beurteilten Konstellation. In dem von der Klägerin zitierten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.03.2007 (Aktenzeichen 5 AZR 499/06) sei es dagegen um einen Sportmoderator gegangen, dessen Tätigkeit mit derjenigen einer Pflegekraft in keiner Weise zu vergleichen sei.

Der Beigeladene zu 1 hat keine Stellungnahme abgegeben, sich aber dem Antrag der Klägerin angeschlossen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.08.2010 abgewiesen. Die Beigeladene zu 1 sei bei der Klägerin abhängig beschäftigt und in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig gewesen. Für die Beigeladene zu 1 seien in der Zeit ihrer Beschäftigung als Pflegehelferin ab 19.04.2004 bis 26.01.2005 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wegen Arbeitsunfähigkeit und in der Zeit vom 27.01.2005 bis 25.11.2005 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wegen Arbeitslosigkeit entrichtet worden. Lägen aber derartige Pflichtbeitragszeiten vor, so sei die Beigeladene arbeitsunfähig bzw. arbeitslos gewesen. Eine selbständige Tätigkeit habe daneben nicht ausgeübt werden können. Die Beigeladene zu 1 habe zuvor sozialversicherungspflichtig gearbeitet. Des Weiteren sei sie in den Betrieb der Klägerin eingebunden gewesen und habe kein unternehmerisches Risiko getragen, weil sie weder am Markt tatsächlich akquirierend tätig geworden sei noch für andere Unternehmen in nennenswerten Umfang gearbeitet habe. Die Beigeladene zu 1 habe auch nur in einem sehr geringen Umfang eigene Betriebsmittel wie Telefon, PC und PKW eingesetzt. Ihr Risiko sei einzig und allein gewesen, ob ihre Arbeitskraft gebraucht werde oder nicht. Dieses Risiko habe auch jeder abhängig Beschäftigte zu tragen. Auch wenn die Klägerin betone, die Beigeladene zu 1 hätte jederzeit einen Auftrag ablehnen können und habe deshalb nicht ihrem Weisungsrecht unterlegen bzw. sei nicht in ihren Betrieb eingliedert gewesen, überzeuge dies nicht. Ein Weisungsrecht habe seitens der Klägerin in Bezug auf den Arbeitsort, die Art der Tätigkeit und die Zeit bestanden. Den Auftraggebern der Klägerin sei es ja gerade darauf angekommen, für bestimmte Zeiten, bei Personalausfall, einen Ersatz zu bekommen. Nicht entscheidend sei, dass die Klägerin keine konkreten Anweisungen hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit bei ihren jeweiligen Auftraggebern gegeben habe. Dies sei auch immer dann der Fall, wenn Arbeitnehmer bei einem Entleiher eingesetzt würden, ohne dass damit der Verleiher sein Weisungsrecht verliere. Auch die verabredete Vergütung nach Stunden sei arbeitnehmertypisch, denn diese Entlohnungsart führe dazu, dass nur mit dem verstärkten Einsatz der eigenen Arbeitskraft höhere Einkünfte erzielt werden könnten. Die Klägerin habe typische Arbeitgeberrisiken auf die Beigeladene zu 1 abgewälzt, ohne dass für diese in angemessenem Umfang auch Unternehmerchancen gegenüber gestanden hätten.

Gegen dieses der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 jeweils am 29.09.2010 zugestellte Urteil richten sich deren am 18.10.2010 bzw. am 19.10.2010 eingelegte Berufungen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für unzutreffend und die Beigeladene zu 1 für nicht schutzbedürftig. Sie wiederholt und vertieft ihre bisherigen Ausführungen und trägt ergänzend vor, dass sie bei Anfragen von Pflegeeinrichtungen stets versuche, in erster Linie ihre eigenen Arbeitnehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung einzusetzen. Man müsse aber zur Kenntnis nehmen, dass es in diesem Bereich einen erhöhten Arbeitskräftemangel gebe, so dass sie bei Auslastung ihrer eigenen Arbeitnehmer auf Freiberufler zurückgreifen müsse. Diese könne sie nicht zwingen, Arbeitnehmer zu sein, wenn sie es nicht wollten, wie es häufig der Fall sei. Wenn sie keinen Arbeitnehmer finde, rufe sie einen Freiberufler an und, wenn dieser bereit sei, eingesetzt zu werden, bekomme die anfragende Einrichtung von ihr einen Überlassungsvertrag über den Einsatz einer Honorarkraft für den angegebenen Zeitraum. Wegen der rechtlichen Unsicherheit arbeite sie jedoch gegenwärtig nicht mehr mit Freiberuflern zusammen. Soweit überlassene Arbeitnehmer eingesetzt worden seien, seien diese auf Wunsch der Pflegeeinrichtungen von deren eigenen Arbeitnehmern dadurch zu unterscheiden gewesen, dass sie auf ihrer Arbeitskleidung Schilder mit der Aufschrift "Firma R." getragen hätten. Bei den eingesetzten Freiberuflern sei das nicht so gewesen; diese seien von den Arbeitnehmern der Pflegeeinrichtungen äußerlich nicht zu unterscheiden gewesen. Im Hinblick auf den Einsatz eigener Betriebsmittel müsse berücksichtigt werden, dass in der stationären Pflege keine eigenen Pflegeutensilien oder Hilfsmittel eingesetzt werden könnten, vielmehr müssten diese von den Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Die Klägerin ist im Übrigen der Ansicht, dass die Feststellung der Sozialversicherungspflicht mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht unvereinbar sei. Zur Begründung weist sie darauf hin, dass es in Pflegeheimen gängige Praxis sei, Honorarkräfte aus osteuropäischen Ländern einzusetzen. Das sei seit 01.05.2011 der Fall. Hierfür sei beispielweise vom polnischen Konsulat bei Pflegeeinrichtungen auch ausdrücklich geworben worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25.08.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.11.2007 in der Fassung des Bescheides vom 06.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2009 aufzuheben.

Die Beigeladene zu 1 trägt vor, das Sozialgericht habe zu Unrecht aus den für 2004 und 2005 im Rentenversicherungsverlauf ersichtlichen Pflichtbeiträgen wegen Arbeitsunfähigkeit bzw. wegen Arbeitslosigkeit geschlossen, dass sie in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Tatsächlich sei sie bis 2003 als abhängig Beschäftigte in der Altenpflege tätig gewesen; nach über einjähriger Arbeitsunfähigkeit sei ihr dann nach einem Reha-Vorbereitungslehrgang von Februar 2003 bis Januar 2005 von der Beklagten eine Umschulung zur Bürokauffrau gewährt worden. Diese habe sie zwar erfolgreich abgeschlossen, jedoch in diesem Bereich keine Anstellung gefunden. Daher habe sie ab November 2005 die bereits während der Umschulung, während der sie Übergangsgeld bezogen und formal als arbeitsunfähig gegolten habe, aufgenommene und der Beklagten sowie der Bundesagentur für Arbeit angezeigte selbstständige Tätigkeit für die Klägerin ausgeweitet. Sie habe hierbei ein Unternehmerrisiko getragen, das sich deutlich von dem von Arbeitnehmern getragenen Risiko unterschieden habe. So sei sie nicht gegen Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit abgesichert gewesen, und ihr habe kein Kündigungsschutz zugestanden. Sie sei jederzeit berechtigt gewesen, angebotene Aufträge abzulehnen, was belege, dass sie nicht weisungsabhängig gewesen sei. Auch sei sie nicht in die Betriebsorganisation der Klägerin eingebunden gewesen.

Die Beigeladene zu 1 beantragt ebenfalls.

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25.08.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.11.2007 in der Fassung des Bescheides vom 06.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und wiederholt im Wesentlichen ihre bisherigen Ausführungen. Zu deren Begründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, sie bestreite nicht, dass Pflegetätigkeiten auch im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit ausgeübt werden könnten, insbesondere bei Pflegetätigkeiten in Privathaushalten. In diesem Rahmen sei auch das genannte Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24.11.2009 zu werten. Werde jedoch in einem Heim die Pflege durch eine Vielzahl abhängig Beschäftigter ausgeübt und eine solche Pflegekraft durch einen Dritten ersetzt, so erfolge nach der zutreffenden Beurteilung des Landessozialgerichts Hamburg (in seinem Urteil vom 18.05.2004) dessen Arbeitsleistung als Pflegekraft aufgrund seiner Eingliederung in das Gesamtgefüge ebenfalls in abhängiger Beschäftigung. Eine abweichende Beurteilung sei nur bei Vorliegen besonderer Umstände denkbar, die hier indessen nicht vorlägen.

Der Senat hat die das Rentenkonto der Beigeladenen zu 1 führende Deutsche Rentenversicherung Bund (zu 2), die Bundesagentur für Arbeit (zu 3), die DAK-Gesundheit (zu 4), bei der die Beigeladene zu 1 freiwillig gesetzlich krankenversichert war und ist, sowie die bei Letzterer angesiedelte Pflegekasse (zu 5) zum Rechtsstreit beigeladen.

Die Beigeladenen zu 4 bis 5 haben in der Sache keine Stellungnahme abgegeben, während sich die Beigeladenen zu 2 und 3 der Auffassung der Beklagten anschließen.

Die Beigeladene zu 2 schließt sich auch dem Antrag der Beklagten an, während die Beigeladenen zu 3 – 5 keinen Antrag stellen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 20.06.2012 beigezogenen, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind statthaft (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere sind sie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden, und die Beigeladene zu 1 ist berufungsbefugt (vgl. hierzu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 75 Rn. 19 mN).

Die Berufungen sind jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 28.11.2007 in der Fassung des Gegenstandsbescheids (§ 86 SGG) vom 06.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.08.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin und die Beigeladene zu 1 daher nicht in deren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV festgestellt, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 auf der Grundlage des "Dienstleistungsvertrags" vom 19.04.2004 Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung begründete. Dass die ebenfalls zu treffende Festsetzung der Beitragshöhe einem gesonderten Bescheid vorbehalten bleibt, ist nicht zu beanstanden.

Gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide kann nicht eingewendet werden, dass die Klägerin durch das Ergebnis einer früheren Betriebsprüfung oder derjenigen vom 07.10.2009 im Sinne einer Bindungswirkung der dort getroffenen Feststellungen entlastet sei. Dies folgt schon daraus, dass keine dieser Betriebsprüfungen den hier in Rede stehenden Kreis der von der Klägerin als Honorarkräfte geführten Personen erfasst hat und Feststellungen, die diesen Personenkreis konkret betreffen, nicht getroffen worden sind. Hinsichtlich der Betriebsprüfung vom 07.10.2009 weist die Beklagte im Übrigen zu Recht darauf hin, dass nicht sie, sondern die Beigeladene zu 2 diese Prüfung durchgeführt hat.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs Elftes Buch (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sowie § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch (SGB III)). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. nur BSG 11.03.2009 – B 12 KR 21/07 R, Die Beiträge Beilage 2009, 340, und juris, mwN; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: Bundesverfassungsgericht 20.05.1996 - 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11, und juris).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe lag eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1 bei der Klägerin im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV vor, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sowie § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 SGB III Versicherungspflicht begründete, angesichts der offenen, die nur im Sinne von Obergrenzen getroffenen vertraglichen Regelungen zu dem regelmäßigen zeitlichen Umfang und den daraus resultierenden monatlichen Einkünften auch mehr als geringfügig (§ 8 SGB IV) war und in Anbetracht des Jahreseinkommens nicht zur Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung nach §§ 6 Abs. 1, 4 SGB V, 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI führte (die maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze betrug jährlich 46.350 EUR (2004) bzw. 46.800 EUR (2005)).

Das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV hat die Beklagte in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 04.08.2009, auf dessen Gründe der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug nimmt (§ 136 Abs. 3 SGG), überzeugend dargelegt. Die gegenteilige Würdigung durch die Klägerin und die Beigeladene zu 1 geht hingegen fehl.

Bereits aus dem Vertrag vom 19.04.2004 ergibt sich im Wege der Gesamtschau die Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1; die tatsächlichen Umstände bestätigen, dass die Beigeladene zu 1 in den Betrieb der Klägerin eingegliedert war und – rechtlich betrachtet – deren Weisungen hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit unterlag.

Bereits nach der gewählten rechtlichen Konstruktion war die Beigeladene zu 1 in gleicher Weise tätig wie die im Rahmen der erlaubten Arbeitnehmerüberlassung vermittelten abhängig Beschäftigten der Klägerin. Dies folgt schon daraus, dass die Beigeladene zu 1 an Pflegeeinrichtungen vermittelt wurde, mit denen sie keinerlei Vertragsbeziehung einging. Wäre sie als Selbstständige von der Klägerin vermittelt worden, wäre gerade das Begründen einer vertraglichen Beziehung zwischen ihr und der Einrichtung gegen Zahlung einer Provision an die Klägerin zu fordern. Eine selbstständige Tätigkeit im Bereich der Pflege, vermittelt durch einen Dritten, wäre ansonsten allenfalls noch als "Subunternehmer" eines Pflegeunternehmens denkbar, mithin in einer Fallgestaltung, wie sie der von der Klägerin mehrfach in Bezug genommenen Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24.11.2009 (L 5 R 867/08, aus neuerer Zeit ebenso Urteil vom 22.03.2011 - L 5 R 267/09, beide juris) zu Grunde lag. Dies kommt vorliegend unabhängig von der Frage, ob bei der Tätigkeit in einer Pflegeeinrichtung nicht grundsätzlich von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist, nicht in Betracht, weil es sich bei der Klägerin nicht um ein Pflegeunternehmen, sondern um einen Personaldienstleister handelt.

Aber selbst wenn die Beigeladene zu 1 mit den Pflegeeinrichtungen jeweils vertragliche Beziehungen eingegangen wäre, könnte in deren Tätigkeit keine selbstständige Tätigkeit erblickt werden. Allenfalls könnte dann nicht die Klägerin, sondern die Pflegeeinrichtung als Arbeitgeberin anzusehen sein. Wie bereits das Landgericht Hamburg und das Landessozialgericht Hamburg in ihren von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidungen vom 11.01.2005 (Aktenzeichen 315 U 128/94, Die Beiträge 1995, 585, und juris (Kurztext)) und vom 18.05.2004 (Aktenzeichen L 1 KR 65/04, www.sozialgerichtsbarkeit.de) zutreffend ausgeführt haben, ist die regelmäßige Erbringung von Pflegeleistungen für einen anderen Vertragspartner als den Patienten grundsätzlich nur als Arbeitsverhältnis aufzufassen, es sei denn, es treten besondere Umstände hinzu, die die Abhängigkeit der Pflegekraft im Einzelfall aufheben (ebenso: Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13.07.2005 - L 5 KR 187/04, PflR 2006, 26, und juris; Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20.07.2011 - L 8 R 531 und 534/10, jeweils juris; anders: Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts 24.11.2009 - L 5 R 867/08 - und 22.03.2011 - L 5 R 627/09, jeweils juris). Dies ergibt sich bereits aus der Eigenart der Tätigkeit, deren Zeit, Ort und Inhalt zwingend von den weisungsberechtigten Pflegeeinrichtungen vorgegeben wird, die im Übrigen auch die benutzten Arbeitsmittel stellen.

Dass der Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI selbst anerkennt, dass Pflegepersonen selbstständig sein können, führt nicht dazu, die Grundsätze der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit für Fälle der vorliegenden Art zu suspendieren. Mit der genannten Regelung zur Versicherungspflicht selbstständiger Pflegekräfte, die sich ausschließlich auf Kranken-, Wochen-, Säuglings- und Kinderpfleger beschränkt, die auf ärztliche Anordnung bzw. Verordnung tätig werden, und z.B. Altenpfleger nicht erfasst, wird nur klargestellt, dass der erfasste Personenkreis trotz seiner Weisungsabhängigkeit vom verordnenden Arzt nicht als abhängig beschäftigt anzusehen ist (vergleiche Gürtner in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 73. Ergänzungslieferung 2012, § 2 SGB VI Rn. 12).

Nach dem Gesamtbild verrichtete die Beigeladene zu 1 in den Pflegeeinrichtungen keine anderen Tätigkeiten als die im Rahmen der erlaubten Arbeitnehmerüberlassung vermittelten abhängig Beschäftigten der Klägerin und die in den Einrichtungen selbst abhängig beschäftigten Pflegekräfte. Ihre Zuordnung als Beschäftigte der Klägerin hatte nur zu erfolgen, weil sie nur mit dieser in einer ihren Einsatz als Pflegekraft regelnden vertraglichen Beziehung stand, die rechtlich indessen als Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG anzusehen ist. Mit der Annahme eines Einsatzes als Pflegekraft unterwarf sich die Beigeladene zu 1 der Bestimmung der Klägerin über ihren Einsatzbetrieb. Die zu erledigenden Arbeiten waren durch die jeweilige Pflegeeinrichtung ebenso detailliert vorgegeben wie der Arbeitsort und die Arbeitszeit.

Dass die Beigeladene zu 1 nach ihren Angaben und denjenigen der Klägerin frei war, die Arbeitsangebote anzunehmen oder abzulehnen, vermag hieran nichts zu ändern. Denn zum einen tritt dieses möglicherweise vorliegende, für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Indiz im Wege der Gesamtschau aller Umstände zurück (s. hierzu auch: LSG Hamburg, Urteil vom 16.05.2004 – L 1 KR 65/04, www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG NRW, Urteil vom 20.07.2011 – L 8 R 531/10, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.10.2006 – L 5 KR 3378/05, SozSichplus 2007, Nr 6/7, 8 (Kurzwiedergabe) und juris), zum anderen ist nicht ersichtlich, dass dies einen wesentlichen Unterschied zu den im Rahmen der erlaubten Arbeitnehmerüberlassung vermittelten abhängig Beschäftigten darstellen würde. Nach ihrem eigenen Internetauftritt bietet die Klägerin als Dienstleister für medizinische Zeitarbeit "flexible Arbeitszeiten unter Berücksichtigung eigener Wünsche". Dies dürfte der Praxis im Umgang mit den "Honorarkräften" wie der Beigeladenen zu 1 entsprechen, deren Entscheidungsfreiheit im Übrigen im Lichte des wirtschaftlichen Zwangs gesehen werden muss, wonach die häufigere Ablehnung von Aufträgen der Erteilung neuer hinderlich gewesen sein dürfte.

Für eine abhängige Beschäftigung spricht weiter, dass die Beigeladene zu 1 mit Ausnahme eigener Arbeitskleidung keinerlei eigene Betriebsmittel einsetzte, wenn man von den Utensilien zum Erstellen von Rechnungen sowie zum Erreichen des Arbeitsorts absieht, die aber typischerweise auch in Haushalten nicht selbstständig Erwerbstätiger vorhanden sind.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beigeladenen zu 1 mit dem Vertrag vom 19.04.2004 für einen Beschäftigten untypische Belastungen und Risiken auferlegt wurden (keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein Urlaubsanspruch, keine soziale Absicherung). Die Zuweisung von Risiken an den Arbeitenden spricht nur dann für Selbstständigkeit, wenn damit größere Freiheiten und größere Verdienstmöglichkeiten verbunden sind, die nicht bereits in der Sache angelegt sind, weil allein die Zuweisung von Risiken einen abhängig Beschäftigten noch nicht zum Selbstständigen macht (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1990 – 11 Rar 73/90, Breith 1992, 71 und juris, mwN). Eben dies ist vorliegend nicht ersichtlich. Die Risikozuweisung stellt sich vielmehr als Zweck einer vorgeschobenen Selbstständigkeit dar, welche wegen der aktuell höheren Einkünfte auch im - kurzsichtigen - Interesse der Beigeladenen zu 1 stand, und ist daher nicht geeignet, als mit ausschlaggebendes Indiz Berücksichtigung zu finden.

Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Beigeladene zu 1 auch für andere Auftraggeber bzw. Arbeitgeber tätig war und nach ihren Angaben großen Wert auf Selbstständigkeit gelegt hat. Zum einen tritt dieser Aspekt ohnehin angesichts der konkreten Umstände mit weit überwiegenden, für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Indizien, insbesondere der vertraglichen Gestaltung zwischen den drei Beteiligten (Klägerin, Beigeladene zu 1 sowie Pflegeeinrichtung) und dem Umstand, dass die Pflege im Rahmen einer Einrichtung in einem vorgegebenen Rahmen erfolgte, zurück, zum anderen vermag die gleichzeitige Ausübung weiterer Erwerbstätigkeiten nichts über den Charakter der zu beurteilenden auszusagen. Dies gilt selbst dann, wenn die übrigen Tätigkeiten selbstständiger Natur sein sollten, aber selbst das ist vorliegend höchst fraglich.

Entsprechendes gilt ebenfalls für die von der Klägerin behauptete Tätigkeit polnischer Honorarkräfte in deutschen Pflegeheimen. Und selbst wenn diese tatsächlich in nach polnischem und Europarecht zulässiger Form selbstständig erfolgen sollte, könnte die Klägerin daraus nichts für ihre Position herleiten. Abgesehen davon, dass sie das Bestehen einer derartigen Praxis erst ab Mai 2011 behauptet, mithin ab einem Zeitpunkt, der nach dem hier streitbefangenen Zeitraum liegt, könnte darin allenfalls eine europarechtlich unbedenkliche "Inländerdiskriminierung" zu erblicken sein; der deutsche Gesetzgeber hat in sachgerechter Anknüpfung an soziale Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern und die Funktionsfähigkeit des Sozialversicherungssystems die vorliegend maßgeblichen Regelungen zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständigem Unternehmertum geschaffen, und ein grenzüberschreitender Sachverhalt liegt in Bezug auf die durch den "Dienstleistungsvertrag" mit der Klägerin geregelte Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 nicht vor.

Schließlich vermag der Umstand, dass das zuständige Finanzamt im Rahmen einer Steuerprüfung an der durch die zwischen der Klägerin und den "Unternehmern" wie der Beigeladenen zu 1 abgeschlossenen "Dienstleistungsverträge" begründeten Praxis keinen Anstoß nahm, keine andere Beurteilung zu begründen. Zwischen arbeits- und sozialrechtlicher Einordnung einerseits und steuerrechtlicher andererseits besteht ebenso wenig eine Bindung wie umgekehrt (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urteil vom 28.08.1961 – 3 RK 57/57, BSGE 15, 65, und juris; Seewald in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 74. Ergänzungslieferung 2012, Rn. 9 mwN; BFH, Beschluss vom 17.10.2003 – V B 80/03, BFH/NV 2004, 379, und juris, mwN).

Insgesamt betrachtet stellt sich die Vertragsgestaltung als Bemühen dar, einem dem Gesamtbild nach typischen abhängigen Beschäftigungsverhältnis den äußeren Anstrich einer selbstständigen Tätigkeit zu geben, wodurch der soziale Schutzzweck der solidarischen Sozialversicherung von der Klägerin und der Beigeladenen zu 1, die im Falle der Bedürftigkeit insbesondere bei Arbeitslosigkeit, Invalidität oder im Alter ohne sozialversicherungsrechtliche Absicherung auf steuerfinanzierte Transferleistungen angewiesen gewesen wäre bzw. ist, unterlaufen worden wäre. Die in dem Vertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 geregelte Verschwiegenheitsverpflichtung hinsichtlich des Vertragsinhalts sowie die jedenfalls teilweise Vermittlung des Eindrucks nach außen, es handele sich bei den von der Klägerin vermittelten Arbeitskräften durchweg um abhängig Beschäftigte im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung, bestätigt diese Einschätzung des Senats.

Die Kostenentscheidung für dieses Berufungsverfahren beruht - anders als im Klageverfahren - auf § 193 SGG, weil die Beigeladene zu 1 als Kostenprivilegierte im Sinne des § 183 SGG neben der Klägerin als Berufungsklägerin auftritt und es sich um einen einheitlichen, nicht teilbaren Streitgegenstand handelt, so dass die Voraussetzungen des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2011 – B 2 U 27/10 R, UV-Recht Aktuell 2012, 394, und juris; BSG, Beschluss vom 29.05.2006 – B 2 U 391/05 B, NZS 2007, 53, und juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.03.2012 – L 4 R 2043/10, juris; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 197a Rn. 3; Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 197a Rn. 4; jeweils mwN).

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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