L 4 AS 490/11

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 AS 581/08
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 490/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. &8195;

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Erstattung der Kosten für ein Widerspruchsverfahren hat und, ob der Beklagte zu Recht vor Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II) die Vorlage einer Aufenthaltserlaubnis verlangen durfte.

Der 1954 geborene Kläger, der t. Staatsangehöriger ist, bezog seit Januar 2005 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Auf der Grundlage einer Fiktionsbescheinigung vom 11. Januar 2007, gültig bis 10. April 2007, und einem entsprechenden Fortzahlungsantrag vom 27. Februar 2007 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Februar 2007 Leistungen für die Zeit vom 1. April bis 10. April 2007 in Höhe von 179,73 EUR. Mit Schreiben vom selben Tag wies sie den Kläger darauf hin, dass nach den vorliegenden Unterlagen der Aufenthalt nur bis zum 10. April 2007 gültig sei, und forderte ihn auf, umgehend den darüber hinaus gültigen Aufenthalt nachzuweisen.

Gegen den Bescheid vom 28. Februar 2007 legte der Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch ein mit der Begründung, der Kläger habe Anspruch auf Arbeitslosengeld II, weil er einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis habe. Dieser Anspruch ergebe sich aus Art. 7 II ARB 1/80 (Beschluss des Assoziationsrats EWG – Türkei vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation).

Mit Schreiben vom 28. März 2007 wies der Beklagte darauf hin, dass Leistungen ab 11. April 2007 selbstverständlich wieder aufgenommen würden, wenn der Kläger eine gültige Aufenthaltserlaubnis vorlege.

Nachdem der Kläger eine Fiktionsbescheinigung vom 2. April 2007, gültig bis 1. Juli 2007 vorgelegt hatte, bewilligte der Beklagte mit Bewilligungsbescheid vom 5. April 2007 Leistungen für die Zeit vom 11. April 2007 bis 1. Juli 2007.

Mit Bescheid vom 20. August 2007 lehnte der Beklagte die Erstattung von Kosten für das Widerspruchsverfahren ab, da die Stattgabe des Widerspruchs auf Grund eines neuen Sachverhalts erfolgt sei und die Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht notwendig gewesen sei. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2008 zurückgewiesen.

Mit der am 5. März 2008 erhobenen Klage verfolgte der Kläger seinen Anspruch weiter. Es sei erforderlich gewesen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, da er sich von den Behörden verfolgt gefühlt habe. Er sei nicht verpflichtet gewesen, eine Aufenthaltserlaubnis vorzulegen, da nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis bei einem t. Staatsangehörigen, der Rechte aus Art. 6 oder 7 ARB 1/80 herleiten könne, nur deklaratorische Bedeutung hätten. Die Beklagte habe jedoch die Zahlung der Leistung von der Vorlage einer Aufenthaltserlaubnis abhängig gemacht. Damit habe sie gegen hochrangige EU-Vorschriften über die Gleichbehandlung von t. Mitbürgern verstoßen. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse, dass festgestellt werde, dass die Behörde es in Zukunft unterlasse, von ihm entsprechende Nachweise zu verlangen.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2008 lehnte das Sozialgericht Hamburg den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab; auch die entsprechende Beschwerde blieb ohne Erfolg (vgl. Beschluss des LSG Hamburg vom 6.5.2011 - L 5 B 397/08 PKH AS).

Mit Gerichtsbescheid vom 25. November 2011, zugestellt an den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 1. Dezember 2011, wurde die Klage abgewiesen, da die Voraussetzungen für eine Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens nach § 63 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) nicht vorlägen. Die mit Bescheid vom 5. April 2007 verfügte Leistungsbewilligung ab 11. April 2007 stelle keine Abhilfeentscheidung des Beklagten dar, sondern sei auf die Vorlage der Fiktionsbescheinigung vom 2. April 2007 zurückzuführen. In Fällen, in denen nach dem konkreten Sachverhalt ein anderer Umstand als der Widerspruch rechtlich zurechenbar sei, was z.B. dann gelte, wenn der Widerspruchsführer seien Mitwirkungspflichten erst im Widerspruchsverfahren nachkomme, greife die Kostenerstattungsregel des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht. Im Übrigen sei auch das Feststellungsbegehren des Klägers zwar zulässig aber unbegründet. Auch wenn der Aufenthaltstitel nur deklaratorischen Charakter habe, sei der Kläger nach § 4 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) verpflichtet, sein Aufenthaltsrecht nachzuweisen, so dass der Beklagte berechtigt war, einen entsprechenden Nachweis zu verlangen.

Am 28. Dezember 2011 legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Berufung ein und weist erneut darauf hin, dass dem Kläger nach den Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses ein Aufenthaltsrecht zustehe und der Bescheinigung nur deklaratorische Bedeutung zukomme. Der Kläger sei als Kind von t. Wanderarbeitnehmern in das Bundesgebiet eingereist und habe bereits vor Jahren eine unbefristete Arbeitserlaubnis erhalten. Warum der Kläger bisher keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten habe, könne unbeantwortet bleiben, da ihm diese auch ohne schriftliche Bestätigung zustünde.

Der Prozessbevollmächtigte beantragt,

den Gerichtsbescheid aufzuheben und der Klage in vollem Umfang stattzugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und verweist insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid und den Beschluss des Landessozialgerichts vom 6. Mai 2011 (L 5 B 397/08 PKH AS).

Mit Beschluss vom 12. März 2012 wurde der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt; mit weiterem Beschluss vom 31. Juli 2012 wurde das Verfahren nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Berichterstatterin übertragen, die zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Hinsichtlich des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Niederschrift der mündliche Verhandlung vom 15. November 2012, die Prozessakte und die beigezogenen Leistungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Der geltend gemachte Feststellungsanspruch wird von der Berufungsbeschränkung des § 144 § 144 Abs. 1 SGG nicht erfasst, da insoweit keine Geld- Dienst- oder Sachleistung begehrt wird. Damit kann im Wege der subjektiven Klagehäufung auch der Anspruch auf Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens im Berufungsverfahren weiterverfolgt werden, unabhängig davon, ob insoweit die Wertgrenze des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG überschritten wird.

Die Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg, da der Kläger weder Anspruch auf Erstattung seiner Kosten im Widerspruchsverfahren hat, noch festzustellen ist, dass der Beklagte nicht berechtigt war, vom Kläger einen gültigen Nachweis über sein Aufenthaltsrecht zu verlangen.

Insoweit wird nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Gerichtsbescheids verwiesen. Weiterhin wird auf die Begründung der bisher ergangenen Beschlüsse des Landessozialgerichts vom 6. Mai 2011 (L 5 B 397/08 PKH AS) und vom 12. März 2012 Bezug genommen. In diesen Entscheidungen wird ausführlich auf die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers eingegangen. Lediglich ergänzend ist noch festzustellen, dass es grundsätzlich einem Antragsteller obliegt, die Leistungsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II nachzuweisen. Mit Blick auf § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II kann hier keine Gleichbehandlung von deutschen und ausländischen Staatsangehörigen erfolgen. Insoweit hat der Beklagte bei ausländischen Antragstellern zu prüfen, ob ein Ausschlusstatbestand vorliegt, der für deutsche Staatsangehörige nicht in Betracht kommt. Aus diesem Grund ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte hierzu eine aktuelle Aussage der zuständigen Ausländerbehörde verlangt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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