L 4 AS 87/11

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 61 AS 4621/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 87/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
&8195; Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 27. Januar 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, zwei Bewilligungsbescheide des Beklagten seien rechtswidrig gewesen.

Der Beklagte bewilligte dem am XXXXX 1952 geborenen Kläger, seiner Ehefrau und seinem Sohn mit Bescheid vom 5. Juli 2010 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 31. Dezember 2010 unter Anrechnung von Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers. Der Kläger legte hiergegen am 19. Juli 2010 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 26. Oktober 2010 bewilligte der Beklagte sodann endgültig Leistungen für denselben Zeitraum, jedoch in den Monaten Juli bis einschließlich September ohne Anrechnung des genannten Einkommens.

Nachdem der Kläger am 20. Dezember 2010 Untätigkeitsklage erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht hatte (Aktenzeichen S 61 AS 4620/10 ER), bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 27. Dezember 2010 auch für die Zeit vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. Dezember 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Anrechnung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit. Das Sozialgericht wies daraufhin die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. Januar 2011 als mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig ab.

Am 28. Februar 2011 hat der Kläger Berufung eingelegt und nun aufgrund von Wiederholungsgefahr eine gerichtliche Feststellung begehrt, wonach die Bescheide vom 5. Juli 2010 und vom 26. Oktober 2010 rechtswidrig gewesen seien. Die Berechnungen seines Einkommens aus selbständiger Tätigkeit hätten nicht seinen Angaben entsprochen und seien unzutreffend gewesen. Nachdem ein Überprüfungsantrag vom 26. Juli 2010 noch immer unbeschieden sei und der Beklagte es immer wieder unterlassen habe, die bewilligten Leistungen auszuzahlen, sei es ihm, dem Kläger, nicht länger zumutbar, seine Ansprüche im Wege von Klage und einstweiligem Rechtsschutz zu verfolgen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 27. Januar 2011 aufzuheben und festzustellen, dass die Bescheide des Beklagten vom 5. Juli 2010 und vom 26. Oktober 2010 rechtswidrig gewesen sind.

Der Beklagtenvertreter beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verneint ein Feststellungsinteresse des Klägers.

Mit Beschluss vom 31. August 2012 hat der Senat das Verfahren nach § 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Das Gericht hat am 7. Januar 2013 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten zum hiesigen Verfahren und zum Verfahren S 61 AS 4620/10 ER sowie die Leistungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da er das Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen hatte.

Die zulässige Berufung ist unbegründet, denn die zuletzt mit einem sog. Fortsetzungsfestellungsantrag aufrechterhaltene Klage ist unzulässig. Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Die Bescheide des Beklagten vom 5. Juli 2010 und vom 26. Oktober 2010 haben sich hinsichtlich einer Leistungsgewährung unter Anrechnung von Einkommen des Klägers aus seiner selbständigen Tätigkeit dadurch erledigt, dass der Beklagte diese Entscheidungen selbst abgeändert und Leistungen ohne Anrechnung gewährt hat.

Der Kläger hat jedoch kein berechtigtes Interesse an der Feststellung, wonach diese Bescheide hinsichtlich der dort vorgenommenen Einkommensanrechnung rechtswidrig gewesen sind. Ein berechtigtes Interesse, das erledigte ursprüngliche Verfahren mit dem veränderten Ziel einer Feststellung der Rechtswidrigkeit fortzusetzen, ist nach ganz überwiegendem Verständnis bei Wiederholungsgefahr, Rehabilitationsinteresse oder Präjudiziabilität des Verfahrens für einen anderen Rechtsstreit denkbar (vgl. etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.9.2011, L 19 AS 38/10 m.w.N.). Hiervon kommt – worauf auch der Kläger abstellt – im vorliegenden Fall lediglich die Wiederholungsgefahr näher in Betracht. Zwar lässt sich nicht bestreiten, dass es auch in späteren Bewilligungszeiträumen zu einer Einkommensanrechnung kommen kann, die sich (prognostisch oder rückblickend) als rechtswidrig erweist. Dennoch sieht das einschlägige Recht die vom Kläger der Sache nach begehrte verbindliche Feststellung einzelner Anspruchselemente für andere Bewilligungszeiträume als den im sozialgerichtlichen Verfahren streitgegenständlichen nicht vor.

Es ist dem Leistungssystem der Grundsicherung für Arbeitssuchende inhärent, dass die dort vorgesehenen Leistungen nicht als rentengleiche Dauerleistung, sondern lediglich befristet für einen bestimmten Zeitraum bewilligt werden: Der Regelbewilligungszeitraum beträgt nach § 41 Abs. 1 Satz 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) sechs Monate, eine Bewilligung für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten ist – wie sich aus § 41 Abs. 1 Satz 6 SGB II ergibt – nicht zulässig. Ebenso gehört es zu den Prinzipien der Grundsicherung für Arbeitsuchende, dass Grund und Höhe des Leistungsanspruchs vor jeder neuen Bewilligung in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht neu geprüft werden und dass bei dieser Prüfung die jeweils geltenden Verhältnisse zugrunde zu legen sind. Veränderungsfeste Positionen, die Bestandsschutz für die Zukunft entfalten, sind dem SGB II grundsätzlich fremd. All dies gilt in verstärktem Maße für die Frage, ob und in welcher Höhe sich Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit leistungsmindernd auswirkt, denn gerade dieser Schritt der Anspruchsprüfung kann vielfältigen rechtlichen und tatsächlichen Änderungen unterworfen sein. Somit sieht das Gesetz nicht vor, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in der Lage wären, dem Leistungsträger über den jeweils streitgegenständlichen Zeitraum hinaus eine bestimmte Methode zur Berechnung von Einkommen vorzugeben oder sogar dessen Berücksichtigung zu untersagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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