L 8 R 406/12 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 5 R 3049/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 406/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt G T für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.3.2012 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 95.426,12 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wehrt sich im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Die Antragstellerin, die ihren Geschäftsbetrieb nach eigenen Angaben bereits seit Längerem eingestellt hat, betrieb ein Unternehmen zur Vermittlung von selbständigen Kranführern ohne eigenen Kran (Gewerbeummeldung v. 10.10.2006). Über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügte sie nicht. Sie schloss mit im Internet angeworbenen, mehrheitlich polnischen Kranführern "Vermittlungsverträge", in denen die Baustelle, der Stundensatz sowie ggf. eine Tagespauschale festgelegt waren. Der Stundensatz lag - von zwei Ausnahmen abgesehen - bei 18 Euro. Vereinbarungsgemäß galten die unterschriebenen Stundennachweise als Grundlage der Abrechnung der Kranführer gegenüber der Antragstellerin, die ihrerseits Verträge mit den Bauunternehmen geschlossen hatte. Die Kranführer hatten eine Gewerbeerlaubnis und eine Steuernummer.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vom 23.10.2010 bis 16.8.2011, gestützt auf Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes (HZA) Krefeld, forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin für den Prüfzeitraum vom 1.4.2006 bis 30.9.2008 insgesamt 381.704,47 Euro nach, darin enthalten 126.207,50 Euro an Säumniszuschlägen (Bescheid v. 19.9.2011). Zur Begründung führte sie aus, die Kranführer seien von der Antragstellerin abhängig beschäftigt worden. Sie seien in den Arbeitsablauf der Baufirmen eingebunden gewesen, hätten Weisungen hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort ihrer Beschäftigung erhalten, weder eigene Kräne oder anderweitige Betriebsmittel von Gewicht eingesetzt noch sonst ein unternehmerisches Risiko getragen. Die Beiträge rechnete die Antragsgegnerin nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) auf der Grundlage der gezahlten Entgelte sowie der Lohnsteuerklasse VI hoch.

Die Antragstellerin hat Widerspruch erhoben und einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Sie hat vorgetragen: Nach Vermittlung habe sie keinerlei Einfluss mehr auf die Tätigkeit der Kranführer gehabt. Die von diesen verrichteten Arbeiten seien vielmehr auf Veranlassung und Führung der maßgeblichen Entscheidungsträger der verschiedenen Bauunternehmen durchgeführt worden. Die Kranführer hätten nicht nur für ein bestimmtes Bauunternehmen gearbeitet, sondern für eine Vielzahl verschiedener Unternehmen. Es habe keine regelmäßigen Arbeitszeiten gegeben. Sobald ein Auftrag beendet gewesen sei, hätten die Kranführer die Baustelle wieder verlassen. Es habe im Übrigen auch keine generelle Anwesenheitspflicht geherrscht. Die Stundenvergütung der vermittelten Kranführer sei sehr viel höher gewesen als bei angestellten Kranführern. Die Kranführer hätten über eine Betriebshaftpflichtversicherung verfügt, die bei Fehlverhalten auch in Anspruch genommen worden sei. Die Geltendmachung der Nachforderung bedeute für sie, die Antragstellerin, und ihre Gesellschafter eine unbillige Härte. Zum Abschluss einer Stundungsvereinbarung seien die Beteiligten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation nicht in der Lage. Die Antragstellerin hat eine ihren Vortrag bestätigende eidesstattliche Versicherung ihrer Gesellschafter vorgelegt.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt und vorgetragen, die Antragstellerin könne zur Abwehr einer Existenzgefährdung einen Stundungsantrag stellen.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Anträge der Antragstellerin auf einstweiligen Rechtsschutz und Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt (Beschluss v. 16.3.2012, auf dessen Gründe Bezug genommen wird).

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der diese ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und die Höhe der geltend gemachten Forderung als nicht nachvollziehbar bestreitet.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

unter Änderung des Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.3.2012

1. die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.9.2011 anzuordnen

2. ihr für das erstinstanzliche und das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt G T beizuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin beigezogen.

II.

1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen. Unbeschadet der Frage der Erfolgsaussichten oder der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH sind nämlich keine Umstände ersichtlich, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (§ 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. im Einzelnen Senat, Beschluss v. 27.8.2012, L 8 R 384/12 B, juris), beschränkt sich der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf Sachverhalte, die größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens betreffen und soziale Wirkungen nach sich ziehen können. Das ist hier nicht der Fall. Weder wird die Antragstellerin ohne die Durchführung des Rechtsstreits gehindert, der Allgemeinheit dienende Aufgaben zu erfüllen, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass an der Existenz ihres Unternehmens wegen der großen Zahl von Arbeitsplätzen ein allgemeines Interesse besteht. Das gilt in Sonderheit angesichts des Umstandes, dass sie ihren Geschäftsbetrieb nach eigenen Angaben eingestellt hat. Aus den genannten Gründen hat das SG auch die Bewilligung von PKH für das erstinstanzliche Verfahren zu Recht abgelehnt.

2. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des SG vom 16.3.2012 ist zwar zulässig, aber unbegründet.

a) Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906 m.w.N.). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, NZS 2011, 906 [907 f.]; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; juris; jeweils m.w.N.).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen gegenwärtig keine überwiegenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Beitragsnachforderungen. Ausgehend von den hierfür maßgebenden Rechtsgrundlagen (aa) ist zwar entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin davon auszugehen, dass die Kranführer nicht bei der Antragstellerin, sondern bei den jeweiligen Bauunternehmen beschäftigt waren (bb). Das ändert aber nichts an der Haftung der Antragstellerin für die von der Antragsgegnerin nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge (cc), gegen deren Höhe gegenwärtig ebenfalls keine überwiegenden Bedenken bestehen (dd).

aa) Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Beitragsbescheid ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern. Arbeitgeber in diesem Sinne ist nach § 28e Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 SGB IV auch der Verleiher bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung. Dabei unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt wurden, im Streitzeitraum der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch).

Eine Beschäftigung im Sinne dieser Vorschriften setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies regelmäßig der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (BSG, Urteil v. 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5; v. 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45; v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, USK 2011-125; Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgeblich ist die zwischen den Beteiligten praktizierte Rechtsbeziehung und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Ausgangspunkt der Prüfung sind dabei jeweils die (schriftlichen) vertraglichen Vereinbarungen, soweit solche bestehen.

bb) Es bestehen derzeit keine überwiegenden Zweifel, dass die von der Antragstellerin vermittelten Kranführer im Rahmen ihrer Arbeit auf den jeweiligen Baustellen in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne gestanden haben. Prüfungsmaßstab ist dabei die Tätigkeit auf der jeweiligen Baustelle, so wie sie von der Antragstellerin vermittelt worden ist.

(1) Die Antragstellerin hat selbst vorgetragen und durch Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen ihrer Gesellschafter glaubhaft gemacht, dass die Kranführer ihre Arbeiten auf Veranlassung und Führung der maßgeblichen Entscheidungsträger der verschiedenen Bauunternehmen durchgeführt hätten. Dies spricht für eine Eingliederung in die Betriebe der jeweiligen Bauunternehmen und für die Ausübung eines Weisungsrechts durch die dortigen von der Antragstellerin so bezeichneten Entscheidungsträger. Eine Ortsgebundenheit der Tätigkeit ergab sich dabei schon kraft Natur der Sache. Soweit die Antragstellerin vorträgt, es habe keine generelle Anwesenheitspflicht bestanden, zeigen die von der Antragsgegnerin herangezogenen Stundenaufstellungen, dass die Kranführer vielfach mehr als zehn Stunden am Tag auf den Baustellen gearbeitet haben. Da sie somit im Rahmen des jeweiligen Auftrags ihre gesamte Arbeitskraft in den Dienst des Bauunternehmens gestellt haben, ist auch von einer Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Arbeitszeit auszugehen.

(2) Demgegenüber sind derzeit kaum Gesichtspunkte ersichtlich, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen. Weder verfügten die Kranführer über eine eigene Betriebsstätte noch unterlagen sie einem nennenswerten unternehmerischen Risiko. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.) ist maßgebliches Kriterium hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel, also ungewiss ist.

Eine solche Ungewissheit hat es hier nicht gegeben. Eigenes Kapital ist nicht einmal in Form von zur Verfügung gestelltem Material eingesetzt worden. Die Kräne sind, soweit ersichtlich, den Kranführern von den Bauunternehmen zur Verfügung gestellt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Kranführer anderweitige, ihnen gehörende Baugeräte in nennenswertem Umfang eingesetzt haben, sind nicht erkennbar oder vorgetragen worden. Es bestand auch keine Gefahr, die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes einzusetzen, da eine feste Stundenvergütung vereinbart war und von der Antragstellerin offenbar auch gezahlt wurde.

Ohne Erfolg verweist die Antragstellerin demgegenüber auf den Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung. Die Überbürdung von Risiken (wie z.B. der Haftung für Schlechtleistung, aber auch des Risikos, im Urlaubs- und Krankheitsfall keine Entgeltfortzahlung zu erhalten) ist nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächliche Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind, also eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten stattfindet. Für eine derartige Erweiterung der unternehmerischen Handlungsspielräume sind hier keine hinreichenden Anhaltspunkte erkennbar. Es kommt hinzu, dass der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung auch für Arbeitnehmer nicht untypisch ist. Die Betriebshaftpflichtversicherung unterscheidet sich hiervon in erster Linie dadurch, dass sie sich auch auf die Haftpflicht der zur Vertretung des Unternehmens befugten Personen sowie der Personen, die in einem Dienstverhältnis zu dem Unternehmen stehen, erstreckt (vgl. § 102 Abs. 1 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz). Hier ist jedoch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Kranführer Dritte im Rahmen des von ihnen angemeldeten Gewerbes und der von der Antragstellerin vermittelten Aufträge eingesetzt hätten.

Als einziger Gesichtspunkt für eine Erweiterung unternehmerischer Chancen verbleibt daher, dass die Kranführer offenbar höhere Stundenvergütungen erzielt haben, als in den streitigen Zeiträumen nach den maßgeblichen Lohntabellen des Baugewerbes (Berufsgruppen 2 oder 3) an abhängig Beschäftigte hätten gezahlt werden müssen. Andererseits zeigen die von der Antragsgegnerin herangezogenen Unterlagen, dass der mit Abstand größte Teil der betroffenen Kranführer eine Stundenvergütung von 18 Euro erhalten hat. Das spricht wiederum gegen eine frei ausgehandelte Vergütung und nimmt dem Argument der Erweiterung unternehmerischer Chancen erhebliches Gewicht.

Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung sprechen daher die mit Abstand meisten Gesichtspunkte für eine abhängige Beschäftigung der von der Antragstellerin vermittelten Kranführer.

cc) Auch wenn nach dem gegenwärtigen Sachstand davon auszugehen ist, dass die Kranführer in die Betriebe der jeweiligen Bauunternehmen eingegliedert waren, an die die Antragstellerin sie vermittelt hat, ändert dies nichts an der Haftung der Antragsgegnerin für die hierfür nachzuentrichtenden Sozialversicherungsbeiträge. Im Falle der nach § 9 Nr. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) unwirksamen Arbeitnehmerüberlassung hat der Verleiher, wenn er das vereinbarte Arbeitsentgelt an den Leiharbeitnehmer zahlt, auch den hierauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen (§ 28e Abs. 2 Satz 3 SGB IV). Er haftet insoweit neben dem Entleiher als Gesamtschuldner (§ 28e Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 SGB IV). Nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam sind Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern, wenn der Verleiher - wie hier die Antragstellerin - keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt. Die Vermittlung der Kranführer an die Bauunternehmen stellt Arbeitnehmerüberlassung, nämlich die Überlassung von Arbeitnehmern im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit der Antragstellerin zur Arbeitsleistung dar.

dd) Auch gegen die Höhe der nachzuzahlenden Beträge bestehen im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung keine durchgreifenden Bedenken.

(1) Es ist zunächst nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin von den von ihr festgestellten Zahlungen der Antragstellerin an die Kranführer ausgegangen ist. Überwiegende Zweifel an der Richtigkeit ihrer Berechnungen bestehen unter diesem Gesichtspunkt jedenfalls nicht schon deshalb, weil die Antragstellerin die Höhe dieser Zahlungen (einfach) bestreitet. Um überwiegende Zweifel zu rechtfertigen, müsste die Antragstellerin vielmehr die ihrer Ansicht nach richtigen Zahlungen substantiiert vortragen und belegen. Da sie diese Zahlungen selbst erbracht hat, ist auch nicht ersichtlich, was dem entgegenstehen sollte.

(2) Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV erfolgt die Beitragsberechnung auf der Grundlage eines hochzurechnenden Nettoarbeitsentgelts, wenn ein illegales Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Voraussetzung dafür ist zum einen die Verletzung von zentralen arbeitgeberbezogenen Pflichten des Sozialversicherungsrechts. Da die Kranführer hier nicht zur Sozialversicherung angemeldet worden sind, ist diese Voraussetzung nach gegenwärtigem Sachstand erfüllt. Darüber hinaus muss die Verletzung der arbeitgeberbezogenen Pflichten mit zumindest bedingtem Vorsatz erfolgt sein (BSG, Urteil v. 9.11.2011, B 12 R 18/09 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 13). Hiervon kann in Fällen echter Schwarzarbeit, wie sie hier vorliegt, grundsätzlich ausgegangen werden (vgl. BSG, Urteil v. 30.3.2000, B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Gesichtspunkte, die dagegen sprechen, sind im Rahmen der summarischen Prüfung nicht erkennbar.

(3) Anhaltspunkte, die es rechtfertigen würden, ausnahmsweise nicht von der Lohnsteuerklasse VI auszugehen (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 9.11.2011, a.a.O.), sind bislang ebenfalls weder ersichtlich noch vorgetragen.

(4) Die Verpflichtung, Säumniszuschläge zu verlangen, folgt aus § 24 Abs. 1 SGB IV. Für eine unverschuldete Nichtentrichtung der Beiträge (§ 24 Abs. 2 SGB IV) bestehen keine Anhaltspunkte.

c) Es ist nicht ersichtlich, dass die Vollziehung des Beitragsbescheides für die Antragstellerin eine unbillige Härte bedeuten würde. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für den Antragsteller verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wieder gut zu machende Nachteile sind auch nach Auswertung der mit dem PKH-Antrag überreichten Unterlagen nicht erkennbar. Im Hinblick auf die mit der Beitragsnachforderung verbundenen berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft sowie der einzelnen Versicherten kann vielmehr gerade bei bestehender oder drohender Zahlungsunfähigkeit des Beitragsschuldners eine alsbaldige Beitreibung geboten sein (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 21.2.2012, L 8 R 1047/11 B ER, juris). Anders liegt es nur dann, wenn gerade durch die Verpflichtung zur Zahlung die Existenzvernichtung droht. Davon ist bei einem - wie hier - bereits seit Längerem stillgelegten Betrieb jedoch nicht auszugehen (ebenso Bayerisches LSG, Beschluss v. 30.7.2012, L 5 R 267/12 B ER, juris, mit Anm. Schafhausen, ASR 2012, 210).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren gemäß § 197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz entspricht der ständigen Senatspraxis, im einstweiligen Rechtsschutz von einem Viertel des Hauptsachestreitwerts (Senat, Beschluss v. 27.7.2009, L 8 B 5/09 R, juris) einschließlich der Säumniszuschläge (Senat, Beschlüsse v. 31.8 2009, L 8 B 11/09 R, und v. 3.9.2009, L 8 B 12/09 R; jeweils juris und sozialgerichtsbarkeit.de) auszugehen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved