Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AS 1671/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 580/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12. Januar 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist noch, ob dem Kläger im Zeitraum vom 1.2.2011 bis 30.4.2011 Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 Abs. 7 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) zustehen, konkret für die Miete eines Cellos.
Der am 1998 geborene Kläger, seine Mutter und zwei Geschwister standen vom 1.3.2010 bis 30.4.2011 beim Beklagten im Leistungsbezug nach dem SGB II, ab 1.5.2011 wurde die Leistungsbewilligung wegen fehlender Hilfebedürftigkeit aufgehoben, ab 1.7.2011 erhielten sie Wohngeld und Kinderzuschlag. Der Kläger besuchte im Schuljahr 2010/2011 die Klasse 7b1 und im Schuljahr 2011/2012 die Klasse 7b2 des E.-Gymnasiums in A ... Dieses bietet zwei unterschiedliche Ausbildungsprofile ab Klasse 7 an, ein Musikprofil und ein natur-wissenschaftliches Profil. Der Kläger hat das Musikprofil gewählt. In der Schule stehen Musikinstrumente für den gesamten Unterricht im Musikprofil kostenlos zur Verfügung. Der Kläger hat außerdem bereits ab der 5./6. Klasse ein Cello von der Schule gemietet. Die Miete für das Cello beträgt halbjährlich 90 EUR, fällig am 1.2. und 1.8. eines Jahres. Die Mutter des Klägers hat eine Abbuchungsermächtigung erteilt, am 8.2.2011 wurde der Betrag von 90 EUR abgebucht.
Mit Schreiben vom 21.2.2011, beim Beklagten am 22.2.2011 eingegangen, beantragte die Mutter des Klägers u.a. die Übernahme der Kosten für die Miete des Cellos, da ihr Sohn das Musikprofil am E.-Gymnasium gewählt habe.
Mit Bescheid vom 5.4.2011 lehnte das Landratsamt Neckar Odenwald den Antrag ab.
Hiergegen erhob die Mutter des Klägers im Namen ihres Sohnes am 11.4.2011 Widerspruch. Ohne Instrument könne ihr Sohn nicht am Musikprofil teilnehmen, das Leihinstrument sei zwingend.
Der Widerspruch wurde vom Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 13.4.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Eine Übernahme von Mietkosten für ein Instrument sei nicht förderfähig.
Hiergegen hat die Mutter des Klägers am 10.5.2011 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Ihr Sohn besuche derzeit die siebte Klasse, habe das Musikprofil gewählt und benötige daher das Instrument, dessen Mietkosten sich auf 180 EUR/Jahr belaufen würden. Es könne nicht sein, dass das Musikprofil für sozial schwächere Schüler wegen der hohen Kosten für die Instrumente ausscheide.
Auf Antrag der Mutter des Klägers vom 24.7.2011 hat das Landratsamt Neckar-Odenwald Kreis mit Bescheid vom 17.8.2011 dem Kläger einen Betrag von 120 EUR aus dem Teilhabebudget nach § 28 Abs. 7 SGB II (kumuliert für das ganze Jahr 2011) für dessen Teilnahme an einem Dance-Camp in A. vom 30.8. bis 3.9.2011 bewilligt und den Betrag auch ausgezahlt.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.1.2012 hat das SG den Bescheid des Beklagten (richtig des Landratsamts Neckar-Odenwald Kreis) vom 5.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 13.4.2011 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Mutter des Klägers 90 EUR für die Miete des geliehenen Cellos für den Mietzeitraum 1.2.2011 bis 31.7.2011 zu gewähren und außerdem, betreffend den Mietzeitraum 1.8.2011 bis 31.1.2012, eine Direktzahlung an die Stadt A. in Höhe von 30 EUR zu veranlassen. Auch ein in der Schule erteilter Unterricht sei über das Bildungs- und Teilhabebudget nach § 28 Abs. 7 SGB II förderbar. Ansonsten drohe die Gefahr, dass der Kläger das Musikprofil an seiner Schule unter Umständen verlassen müsse, wenn die Miete für das Instrument nicht bezahlt werden könne. Die Bezuschussung der Cello-Miete mit 10 EUR/Monat aus dem Bildungs- und Teilhabebudget nach § 28 Abs. 7 SGB II verhindere einen Ausschluss einkommensschwacher Schüler und fördere ihre Integration. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Gegen den ihm am 13.1.2012 mit persönlicher Übergabe zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Beklagte am 8.2.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass über § 28 Abs. 7 SGB II nur Mitgliedsbeiträge und Unterrichtskosten selbst übernommen werden könnten, nicht aber Kosten für Gegenstände oder Materialien, die infolge des Unterrichts anfallen würden. Der schulische Unterricht sei kostenfrei. Würde man den Ansatz des SG konsequent zu Ende denken, müssten beispielsweise auch Turnschuhe für den schulischen Sportunterricht über § 28 Abs. 7 SGB II finanziert werden, wodurch die Schulpauschale des § 28 Abs. 3 SGB II ausgehebelt bzw. erweitert würde.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12. Januar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er nimmt auf die Ausführungen des SG Bezug. Es könne keinen Unterschied machen, ob ein Kind ein Musikinstrument besitze und mit dem Bildungs- und Teilhabepaket den Unterricht finanziere oder ob der Unterricht kostenlos sei und das Instrument gemietet werden müsse.
Im Erörterungstermin mit dem Berichterstatter am 28.9.2012 hat die Mutter des Klägers bestätigt, dass der Kläger im Jahr 2011 für die Teilnahme an einem Dance-Camp 120 EUR erhalten und verbraucht habe. Außerdem sei die Familie seit Sommer 2011 nicht mehr im SGB II-, sondern im Wohngeldbezug. Die Beteiligten haben im Erörterungstermin am 28.9.2012 und in der mündlichen Verhandlung vom 23.1.2013 den Streitgegenstand einvernehmlich auf die Gewährung der Bildungs- und Teilhabeleistungen nach § 28 Abs. 7 SGB II im Zeitraum 1.2.2011 bis 30.4.2011 beschränkt und den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt. Mit Einverständnis der Beteiligten ist auch das Rubrum dahingehend berichtigt worden, dass die Mutter des Klägers nicht selbst am Verfahren beteiligt ist.
Im Erörterungstermin am 28.9.2012 ist Beweis erhoben worden durch die Vernehmung des Musiklehrers des Klägers, Herrn A., der u.a. mitgeteilt hat, dass die Instrumente im Pool des Musikprofils schon immer Geld gekostet hätten, seit er an der Schule sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch die schriftliche Vernehmung des beim Gymnasium des Klägers zuständigen Verwaltungsmitarbeiters H ... Der Zeuge H. hat mit einem über die Schulleitung dem Senat zugeleiteten Schreiben vom 10.10.2012 insbesondere mitgeteilt, dass die Nutzung der von der Schule gestellten Instrumente für Schüler im Rahmen des gesamten Pflichtunterrichts des Musikprofils ab Klasse 7 kostenfrei sei. Nur für die Teilnahme an einer freiwilligen Arbeitsgemeinschaft (sog. Instrumentalklasse) in Klasse 5/6 außerhalb des schulischen Pflichtunterrichts würde eine Miete für Instrumente erhoben. Diese Instrumente könnten auch im privaten Bereich eingesetzt werden. Im Anschluss an Klasse 6 sei im Hinblick auf die musikalische Weiterentwicklung der Schüler nach Absprache und Verfügbarkeit eine Verlängerung des Mietzeitraums möglich, um eine zur Schule ergänzende Nutzung auch im privaten Bereich und/oder Musikverein zu ermöglichen. Der Kläger habe hiervon Gebrauch gemacht und nach Abschluss der Klasse 6 freiwillig ein Cello über die Stadt A. angemietet. Schulträger für die Klassen 5/6 (Progymnasium) sei die Stadt A., welche die technische Abwicklung an die Verwaltung des E.-Gymnasiums übertragen habe. Der Zeuge legte einen Formularmietvertrag vor (Bl. 28 Gerichtsakte). Der in Klasse 5/6 geschlossene Mietvertrag sei ab Klasse 7 mündlich verlängert worden, Bestandteil sei eine Abbuchungsermächtigung der Mutter des Klägers gewesen. Am 1.2.2011 sei ein Betrag von 90 EUR fällig und abgebucht geworden. Ob der Kläger im Pflichtunterricht des Musikprofils das freiwillig gemietete Cello oder ein schuleigenes Instrument einsetze, sei ihm nicht bekannt.
In der mündlichen Verhandlung vom 23.1.2013 hat die Mutter des Klägers auf Frage des Senats erklärt, dass der Kläger das Cello nur in der Schule, nicht im außerschulischen Bereich (z.B. einem Musikverein) genutzt hat. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass das Instrument nur in Klasse 5 und 6 kostenpflichtig gewesen sei. Der Mietvertrag sei einfach weiter gelaufen, ohne dass man ihr gesagt habe, dass das Instrument ab Klasse 7 im Musikprofil kostenfrei zur Verfügung stehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Streitig sind noch die Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 Abs. 7 SGB II (Teilhabebudget) im Zeitraum vom 1.2.2011 bis 30.4.2011, nachdem die Beteiligten den Streitgegenstand übereinstimmend und ausdrücklich entsprechend beschränkt und den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt haben.
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.
I.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig.
Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten und der Mutter des Klägers das Rubrum dahingehend berichtigt, dass die Mutter der Klägers nicht selbst am Verfahren beteiligt ist. Es handelt sich im Rahmen der Leistungen nach § 28 SGB II um einen Individualanspruch desjenigen, der den entsprechenden Bedarf geltend macht. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG, vgl. BSG 22.11.2011 – B 4 AS 204/10 R = SozR 4-4200 § 23 Nr. 15 RdNr. 10 m.w.N. zur Klassenfahrt).
Auf eine (im Hinblick auf den ab Sommer 2011 gegebenen Bezug von Wohngeld und Kinderzuschlag nach § 6b BKKG) Beiladung des kommunalen Trägers, der gemäß §§ 7 Abs. 3, 6b BKGG i.V.m. § 7 Satz 1 des baden-württembergischen Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und zur Ausführung der Aufgaben nach § 6b des Bundeskindergeldgesetzes vom 14.12.2004 (GBl. 2004, 907), zuletzt geändert am 16.12.2011 (GBl. 2011, 548), zuständige Stelle für die Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe ist, konnte der Senat wegen der Beschränkung des Streitgegenstands durch die Beteiligten verzichten, zumal der Landkreis im Jobcenter (§ 44b SGB II) sowieso der für seine Leistung verantwortliche Träger ist (§ 44b Abs. 3 SGB II).
II.
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Eine Verurteilung des Beklagten für einen Zeitraum über den 30.4.2011 hinaus, wie vom SG vorgenommen, war schon mangels SGB-II-Bezug des Klägers über diesen Zeitraum hinaus nicht möglich. Wie sich überdies im Zuge der Beweiserhebung herausgestellt hat, wird das Instrument für den gesamten Unterricht im Musikprofil kostenlos zur Verfügung gestellt. Außerdem war das Teilhabebudget für das ganze Jahr 2011 mit der Inanspruchnahme der 120 EUR für das außerschulische private Dance-Camp verbraucht und der Anspruch des Klägers aus § 28 Abs. 7 SGB II insoweit vollständig erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).
Die Beteiligten haben den Streitgegenstand wirksam auf die Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.V.m. § 28 Abs. 7 SGB II beschränkt (1.). Schulische Bedarfe werden nicht von § 28 Abs. 7 SGB II erfasst. Diese Norm zielt auf außerschulische Aktivitäten, auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (2.). Eine Verwendung des Teilhabebudgets für außerschulisches Musizieren im Rahmen einer angeleiteten Tätigkeit in einem institutionell organisierten Rahmen ist zwar nach § 28 Abs. 7 SGB II möglich (3.). Vorliegend besteht der Anspruch aber nicht, weil das Teilhabebudget zwar kumuliert, aber insgesamt nur einmal beansprucht verwendet werden kann und der Kläger den gesamten Betrag für das Jahr 2011 erhalten und verbraucht hat; ein neuer Anspruch entsteht nicht durch den unterjährigen Wechsel in ein anderes Leistungssystem (4.).
1. Zulässige Beschränkung des Streitgegenstands durch die Beteiligten
Im Erörterungstermin am 28.9.2012 und in der mündlichen Verhandlung vom 23.1.2013 haben die Beteiligten ausdrücklich den Streitgegenstand auf die Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 Abs. 7 SGB II und auf den Zeitraum vom 1.2.2011 (Fälligkeit der Mietzahlung) bis 30.4.2011 (Ende des SGB-II-Bezugs) beschränkt.
Zwar sind bei einem Streit um höhere SGB II-Leistungen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 23.11.2006 – B 11b AS 9/06 R = SozR 4-4300 § 428 Nr. 3). Eine Begrenzung des Streitgegenstandes ist jedoch zulässig, wenn ein Bescheid im Einzelfall mehrere abtrennbare Verfügungen (Verwaltungsakte i.S. des § 31 SGB X) enthält (grundlegend BSG, Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 RdNr. 18 ff.). Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich bei der Bewilligung der Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II bzw. § 34 SGB XII (zum vor dem 1.4.2011 geltenden Recht siehe bereits BSG, Urteil v. 10.05.2011 – B 4 AS 11/10 = SozR 4-4200 § 44 Nr2 RdNr. 15, Schulbedarf; 13.11.2008 – B 14 AS 36/07 R – BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr. 1 und 22.11.2011 – B 4 AS 204/10 R = SozR 4-4200 § 23 Nr. 15, jeweils Klassenfahrt, jeweils m.w.N.).
Diese Grundsätze finden auch auf die § 28 SGB II und § 34 SGB XII, jeweils in der ab 1.1.2011 gültigen Fassung (Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 24.3.2011, BGBl I, 453) Anwendung. Die jeweiligen Leistungen für Bildung und Teilhabe können gesondert geltend gemacht werden (so zutreffend SG Darmstadt, Urteil vom 27.3.2012 - S 1 AS 1217/11; SG Kassel, Urteil vom 3.8.2012 - S 10 AS 958/11; SG Berlin, Urteil vom 12.9.2012 - S 55 AS 34011/11; ebenso Burkiczak in Estelmann, SGB II, § 28 RdNr. 104, Stand November 2011; Luik in jurisPK-SGB XII, § 34 idF d. 24.3.2011, RdNr. 26.1).
Bei abtrennbaren Verfügungen ist eine Begrenzung des Streitgegenstands durch ausdrückliche Erklärung der Beteiligten möglich (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 6.4.2011 – B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr. 21 RdNr. 32 m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (grundsätzlich im Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 RdNr. 20), der sich der Senat anschließt, ist maßgeblich für die Frage, ob abtrennbare Verfügungen vorliegen, welcher der beiden Grundsicherungsträger für welche Leistung verantwortlich ist.
Dies ergibt sich auch nach dem 1.1.2011 allein aus § 6 SGB II (Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende). Die Jobcenter (§ 6d SGB II) sind selbst nicht "Grundsicherungsträger", sondern Leistungsträger sind weiterhin und jetzt auch über Art. 91e GG verfassungsrechtlich verfestigt entweder die kommunalen Träger, soweit das Arbeitslosengeld II zur Deckung der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II enumerativ aufgeführten Bedarfe geleistet wird. Das bedeutet, dass sowohl die Bedarfe für Bildung und Teilhabe als auch die Bedarfe für Unterkunft/Heizung von der Regelleistung (Arbeitslosengeld II, soweit es zur Deckung des Regelbedarfs geleistet wird) abtrennbar sind (zu den "KdU" vgl. Senatsurteil vom 23.1.2013 – L 2 AS 2313/12; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 12.12.2012 - L 3 AS 4252/11; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 10.7.2012 – L 3 AS 307/12 B ER = NZS 2012, 796; SG Stuttgart, Urteil v. 30.11.2011 – S 20 AS 6617/10; Piepenstock in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 22 RdNr. 229; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 19 RdNr. 30; Link in jurisPK-SGB XII, § 35 i.d.F. v. 24.03.2011, RdNr. 160).
In den übrigen Fällen außerhalb von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II ist die Bundesagentur für Arbeit Träger der Grundsicherung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), es sei denn, es handelt sich um eine Optionskommune (zugelassener kommunaler Träger nach § 6a SGB II, der an die Stelle der BA tritt). Es handelt sich deshalb nach § 6 SGB II um voneinander zu unterscheidende Leistungen verschiedener Träger, die auch im Rahmen der Leistungserbringung durch die Jobcenter für ihre jeweiligen Leistungen verantwortlich bleiben (vgl. § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II). § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II spricht daher bei seiner Beschreibung des Arbeitslosengeldes II auch zutreffend im Plural von "Leistungen". Das Arbeitslosengeld II besteht eben aus verschiedenen unterscheidbaren Leistungen verschiedener Träger und wird erst im Leistungserbringungsrecht über die Jobcenter zusammengeführt (siehe auch BSG, Urteil vom 12.7.2012 - B 14 AS 153/11 R = SozR 4-4200 § 20 Nr. 17 RdNr. 12, wo zu der ab 1.1.2011 geltenden Rechtslage sogar bei noch fortbestehender getrennter Aufgabenwahrnehmung kein Anlass gesehen wurde, den kommunalen Träger beizuladen und es für zulässig erachtet wurde, dass die Beteiligten den Streitgegenstand auf die Leistungen eines Trägers beschränken, dort das Arbeitslosengeld II, soweit es in der Trägerschaft der BA zur Deckung des Regelbedarfs erbracht wird).
Im Vermittlungsverfahren des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (BGBl. I, 453) ist die kommunale Trägerschaft für die Leistungen nach § 28 SGB II vereinbart worden (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II; BT-Drucks 17/4719, 2). Wegen des Regelfalles der Aufgabenwahrnehmung durch gemeinsame Einrichtungen (Art. 91e Abs. 1 GG i.V.m. § 44b SGB II) bedeutet dies zwar idR, dass die Leistungserbringung "aus einer Hand" über die gemeinsamen Einrichtungen stattfindet (§ 44b Abs. 1 S. 2 und 3 SGB II), welche insoweit die Wahrnehmungskompetenz haben (vgl. Luik in GK-SGB II, § 44b RdNr. 39, 41, 80 ff., Stand Oktober 2011). Die kommunalen Träger sind aber gleichwohl für die recht- und zweckmäßige Leistungserbringung verantwortlich (§ 44b Abs. 3 S. 1 SGB II) und haben insoweit eigene Steuerungsbefugnisse gegenüber der gemeinsamen Einrichtung (§ 44b Abs. 3 S. 2 und 3 SGB II).
Im Zuge der sog. Jobcenterreform 2010 (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes [Art. 91e GG] vom 21.7.2010, BGBl I, 944 und Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010, BGBl I, 1112) sind die Weisungs- und Aufsichtsrechte des Bundes und der Länder entsprechend den getrennten Aufgaben und Befugnissen der beiden Träger ausgestaltet worden (vgl. das Schaubild bei Luik in GK-SGB II, § 44b RdNr. 201, Stand Oktober 2011). Die Rechts- und (je nach Landesrecht ggf.) Fachaufsicht gegenüber den kommunalen Trägern ist streng von der Leistungserbringung betreffend die BA-Trägerschaft getrennt und obliegt den Ländern (§§ 47 Abs. 2, 48 Abs. 1 SGB II). Hingegen obliegt für den Bereich der BA-Leistungen die Rechts- und Fachaufsicht dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (§ 47 Abs. 1 SGB II). Die jeweiligen getrennten Weisungs- und Aufsichtsstränge sind gekoppelt an die den Trägern für ihre jeweiligen Leistungen zustehenden Weisungsrechte nach § 44 Abs. 3 SGB II (zu den Gründen für die Trennung der Aufsichts- und Weisungsrechte siehe BVerfG, Urteil v. 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04 u.a. - BVerfGE 119, 331, 390 = NJW 2008, 1212).
Aufgrund dieses Systems der getrennten Trägerschaft, der getrennten Verantwortungsbereiche und der getrennten Weisungs- und Aufsichtsstränge gibt es folglich ab 1.1.2011 im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts drei zu unterscheidende Komplexe im SGB II, hinsichtlich derer immer abtrennbare Verfügungen vorliegen: die Regel- und Mehrbedarfe nach §§ 20 f. SGB II, die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II und die Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II.
Nichts anderes gilt im Fall einer kommunalen Option (§§ 6a, 6b SGB II; so bereits BSG, Urteil v. 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R – BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 RdNr. 20). Auch in diesem Fall gilt, dass die an sich von der BA zu erbringenden Leistungen gesondert zu betrachten sind. Insoweit treten zwar die zugelassenen kommunalen Träger an die Stelle der BA, die notwendigen Ausgaben einschließlich der Verwaltungsausgaben trägt aber der Bund (Art. 91e Abs. 2 S. 2 GG). Flankiert wird die Finanzierungsverantwortung des Bundes spiegelbildlich durch eine gesonderte Aufsichtsregelung (§ 48 Abs. 2 SGB II), das Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs und die Finanzkontroll- und Prüfbefugnisse des BMAS (§ 6b Abs. 2a – 5 SGB II).
2. Zum Umfang des Leistungsanspruchs nach §§ 19 Abs. 2 Satz 1, 28 Abs. 7 SGB II
a) Prüfungsumfang
Der Kläger ist leistungsberechtigt i.S. des § 7 Abs. 1 SGB II, er ist insbesondere hilfebedürftig. Wegen der zulässigen isolierten Geltendmachung des Bedarfs nach § 28 Abs. 7 SGB II ist nicht zu überprüfen, ob die im Übrigen gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Höhe nach richtig bemessen waren (vgl. BSG, Urteil v. 23.3.2010 – B 14 AS 1/09 R = SozR 4-4200 § 23 Nr. 9 RdNr. 11 zur Klassenfahrt nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 a.F.).
b) Rechtsanspruch
Eigentliche Anspruchsgrundlage für die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets ist § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB II (siehe nur O. Loose in GK-SGB II, § 28 RdNr. 15, Stand Dezember 2011). Auf die Leistungen besteht bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch i.S. des § 38 SGB I (Leopold in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 29 RdNr. 88; unzutreffend Lenze in Münder, SGB II, 4. Aufl 2011, § 28 RdNr. 39, die die Auffassung vertritt, dass kein individueller Rechtsanspruch bestehe). Auch das Bundesverfassungsgericht geht im Urteil vom 18.7.2012 – 1 BvL 10/10 u.a. = ZFSH/SGB 2012, 450 = juris RdNr. 122 in der Gegenüberstellung von § 28 SGB II und § 34 SGB XII zum Asylbewerber-Leistungsgesetz von gesetzlichen Ansprüchen ("Anspruchsnormen") im SGB II/XII aus.
c) Tatbestandsvoraussetzungen
§ 19 Abs. 2 SGB II bestimmt: Leistungsberechtigte haben unter den Voraussetzungen des § 28 SGB II Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben. Soweit für Kinder Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Bildung und Teilhabe nach § 6b BKGG gewährt werden, haben sie keinen Anspruch auf entsprechende Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 28 SGB II.
Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres wird gemäß § 28 Abs. 7 SGB II ein Bedarf zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von insgesamt 10 EUR monatlich berücksichtigt für 1. Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, 2. Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und 3. die Teilnahme an Freizeiten.
d) keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe des Budgets
Bei Kindern und Jugendlichen wird ein Bedarf in Höhe von 10 EUR monatlich berücksichtigt. Dieses neben den Regelbedarfen zu berücksichtigende Budget ist pauschaliert. Dieses Teilhabebudget nach § 28 Abs. 7 SGB II in Höhe von 10 EUR/Monat ist nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig angesetzt (zur Kritik Lenze in Münder, LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 28 RdNr. 37, 39 f.; Rothkegel, ZFSH 2011, 69, 80). Bei der Bemessung der Regelbedarfe von Kindern und Jugendlichen sind die Positionen "Außerschulische Unterrichte, Hobbykurse" in der Abteilung 09 und "Mitgliedsbeiträge an Organisationen ohne Erwerbszweck" in Abteilung 12 der EVS 2008 unberücksichtigt geblieben, die sonst mit bis zu 3,58 EUR monatlich in die Bemessung des Regelbedarfs eingegangen wären (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S. 72, 106). Der Betrag von 10 EUR monatlich liegt deutlich darüber, so dass verfassungsrechtlich wegen des insoweit bestehenden Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers für den sozio-kulturellen Teil des Existenzminimums keine Bedenken bestehen (Voelzke in: Hauck/Noftz, § 28 RdNr. 119 Stand XII/11; Groth in Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 2011, RdNr. 303; Burkiczak in Estelmann, SGB II, § 28 RdNr 8, 69, Stand Oktober 2011; Luik in: jurisPK-SGB XII, § 34 i.d.F. v. 24.3.2011 RdNr. 78; kritisch O. Loose in GK-SGB II, § 28 RdNr. 55, Stand Dezember 2011; Lenze in Münder, LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, § 28 RdNr. 18; Klerks, info also 2011, 157 f.; Rothkegel, ZFSH/SGB 2011, 80 f.).
e) rechtzeitiger Antrag der Klägerseite
Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Abs. 7 SGB sind gesondert zu beantragen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Der geltend gemachte Bedarf, die Mietgebühr, ist am 1.2.2011 fällig geworden, so dass die Antragstellung am 22.2.2011, die nach der Übergangsregelung des § 77 Abs. 8 SGB II auf den 1.1.2011 zurückwirkt, rechtzeitig war. Das Verhältnis der Regelung des § 77 Abs. 8 SGB II (vgl. zu Sinn und Zweck der Vorschrift Behrend in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 77 RdNr. 6) zu § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II i.d.F. d. Art. 2 Nr. 32 G. v. 24.3.2011, BGBl. I 453, m.W.v. 1.1.2011 braucht vorliegend nicht näher beleuchtet zu werden, denn auch nach § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II wäre die Antragstellung wegen der dort angeordneten Rückwirkung auf den Monatsersten rechtzeitig gewesen.
f) Mietkosten eines Cellos für den schulischen Unterricht sind kein Bedarf, der von § 28 Abs. 7 SGB II umfasst wird.
Im Rahmen des § 28 Abs. 7 SGB II sind nur außerschulische Aktivitäten förderfähig (vgl. BSG, Urteil v. 25.1.2012 - B 14 AS 131/11 R = juris RdNr. 13: "10 Euro pro Monat für außerschulische Teilhabeleistungen [§ 28 Abs. 7 SGB II]"). Für Schülerinnen und Schüler und deren schulspezifische Bedarfe sind in § 28 Abs. 2 bis 6 SGB II besondere Regelungen getroffen (vgl. die Unterscheidung in der Gesetzesbegründung zwischen Teilnahme an schulischen Aktivitäten und Bedarfen für die außerschulische Bildung, BT-Drucks 17/3404, S. 104; zur Struktur der Vorschrift vgl. Groth in jurisPR-SozR 8/2011 Anm. 1; Leopold in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 28 RdNr 28 ff.). Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass die außerschulischen Aktivitäten institutionell organisiert und angeleitet sind, eine formelle Vereinsmitgliedschaft ist nicht erforderlich (so zutreffend SG Darmstadt, Urteil vom 27.3.2012 – S 1 AS 1217/11). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte der Norm und entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Anders als die Absätze 2 bis 6, die spezielle Regelungen für Schülerinnen und Schüler und Leistungen für den Schulbesuch enthalten, spricht § 28 Abs. 7 SGB II von der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben "in der Gemeinschaft". Ziel der Norm ist es, Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Haushalten stärker als bisher in bestehende Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen zu integrieren und den Kontakt mit Gleichaltrigen zu intensivieren (BT-Drucks 17/3404, 106). Bei der Bedarfsbemessung wurden aus der EVS die Positionen "Außerschulische Unterrichte, Hobbykurse" in der Abteilung 09 und "Mitgliedsbeiträge an Organisationen ohne Erwerbszweck" in Abteilung 12 herangezogen (s. oben).
Selbst wenn der Kläger das Cello für den Schulunterricht hätte kostenpflichtig anmieten müssen, was aber nach der Auskunft des Zeugen H. nicht der Fall ist, wäre ein solcher Bedarf nicht über § 28 Abs. 7 SGB II berücksichtigungsfähig, sondern könnte allenfalls mit der Pauschale des § 28 Abs. 3 SGB II bestritten werden, die aber hierfür nicht gedacht ist. Die Gesetzesbegründung zu § 28 Abs. 3 SGB II nennt beispielhaft Gegenstände wie Schulranzen und Schulrucksack, Sportzeug und für den persönlichen Ge- und Verbrauch bestimmte Schreib-, Rechen- und Zeichenmaterialien (BT-Drucks. 17/3404, S. 105, 124, vgl. auch die Bsp. in BT-Drucks. 16/10809, S. 16 zu § 24a SGB II a.F.). Auf diese Frage kommt es aber nach der eingeholten Auskunft von der Schule nicht an, die entsprechend dem baden-württembergischen Landesrecht die Instrumente für den gesamten Pflichtunterricht des Musikprofils kostenfrei zur Verfügung stellt (vgl. Erläuterung A Ziff. 4 der Lernmittelverordnung Baden-Württemberg v. 19.4.2004 [GBl., S. 368], wonach Musikinstrumente als Einrichtungsgegenstände der Schule kostenfrei im Unterricht zur Verfügung stehen). Zu diesem Unterricht gehören laut Profilbeschreibung der Schule (Bl. 16e Gerichtsakte) u.a. Musizieren im Ensemble, im Chor und in der Bigband, Schulungen in Improvisation, Dirigieren, Musik und Bewegung. Für diesen ganzen "Praxisteil" müssen die Instrumente kostenfrei zur Verfügung stehen, einschließlich als Annex für die hierfür erforderlichen Übungen.
Nicht in Betracht kommt bei der vorliegenden freiwilligen Miete eines Cellos ein Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II, da kein unabweisbarer atypischer Sonderbedarf vorliegt. Auch eine Darlehensgewährung nach § 24 SGB II ist mangels unabweisbarem Bedarf nicht angezeigt.
Es geht nicht zu Lasten des Beklagten, falls die Klägerseite irrig angenommen haben sollte, sie sei dazu verpflichtet, das Instrument entgeltlich auszuleihen.
Es geht auch nicht zu Lasten des Beklagten, falls die Mutter des Klägers von der Schule nicht ausreichend darüber informiert wurde, dass ein entscheidender Unterschied zwischen der freiwilligen Instrumentalklasse in Stufe 5/6 und dem Musikprofil besteht und dass das bisherige kostenpflichtige Leihinstrument ab Klasse 7 für den gesamten Unterreicht kostenfrei zur Verfügung steht. In diesem Fall könnte die Klägerseite allerdings prüfen, ob sie den Vertrag wegen Irrtums anfechten kann und auch gegenüber der Schule hinterfragen, ob der geltend gemachte Zahlungsanspruch überhaupt besteht, z.B. wegen einer sog. culpa in contrahendo. Der Gedanke einer unzureichenden Information der Mutter des Klägers durch die Schule liegt nahe, denn sogar dem Musiklehrer des Klägers scheint die vom Zeugen A. dargelegte Differenzierung nicht geläufig zu sein, wie sich in der Zeugenvernehmung am 28.9.2012 gezeigt hat, in welcher er ausführte, dass für die Instrumente des Musikprofils schon immer Miete von den Schülerinnen und Schülern verlangt worden wäre.
3. Außerschulische Aktivitäten, Kosten für Musikinstrument
Eine Verwendung des Teilhabebudgets für außerschulisches Musizieren im Rahmen einer angeleiteten Tätigkeit in einem institutionell organisierten Rahmen (z.B. regelmäßiges Musizieren in einem Musikverein) ist zwar nach § 28 Abs. 7 SGB II möglich, das ist aber vorliegend nicht geschehen. Der Kläger hat mit dem Cello nicht an außerschulischen angeleiteten Aktivitäten teilgenommen, wie in der mündlichen Verhandlung vom 23.1.2013 von der Klägerseite auf Befragen des Senats eindeutig erklärt.
Der Senat lässt insoweit ausdrücklich offen, ob bei Mitgliedschaft in einem Musikverein nur Mitgliedsgebühren aber nicht anfallende Kosten für benötigte Gegenstände, etwa ein Instrument, über § 28 Abs. 7 SGB II berücksichtigungsfähig sind (für diese dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmende restriktive Auslegung etwa Lenze in Münder, SGB II, 4. Aufl. 2011, § 28 RdNr. 32) oder ob nicht umgekehrt - wofür nach dem Gesetzeszweck spricht – die gesetzlich vorgesehene Leistungserbringung als Budget dem Leistungsempfänger folgerichtig auch die Freiheit lässt, selbst zu bestimmen, welche von den im Rahmen des Gesetzeszwecks des § 28 Abs. 7 SGB II entstehenden Aufwendungen und anfallenden Bedarfe er mit diesem Teilhabebudget deckt (siehe zum Gesetzeszweck und zur Betonung des Freiheitsaspekts auch die Rede der zuständigen Bundesministerin von der Leyen vor dem Bundesrat, Plenarprotokoll 880, Stenografischer Bericht der 880. Sitzung am 25.2.2011, S. 95 f., abrufbar unter http://www.bundesrat.de: "Ich habe den damaligen Hinweis des Gerichts als Chance verstanden, für bedürftige Kinder in unserem Land grundlegend etwas zu verändern. [ ] Ich will das Thema weiter fassen. Mich treibt der Gedanke um, dass es uns gelingen muss, den Auftrag aus Artikel 2 Absatz 1 unserer Verfassung, das Menschenrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zu gewährleisten, ernst zu nehmen. Für Kinder ist es bedingungslos wichtig, dass sie mit Zuwendung aufwachsen, gewaltfrei erzogen werden und am Anfang ihres Lebens ihre Fähigkeiten entwickeln können, um als Erwachsene ihre Persönlichkeit frei und vollumfänglich zu entfalten. Das ist Auftrag an uns alle."). Eine solche Auslegung führt nicht zu einer Erhöhung des Budgets von monatlich 10 EUR. Auch Mietkosten für ein Instrument könnten insoweit Aufwendungen sein, die durch Musikunterricht bzw. anlässlich der Wahrnehmung eines bestimmten Angebots entstehen (vgl. auch die umfassenden und weitgehenden Formulierungen in BT-Drucks 17/3404, S. 106 f.: "Der anerkannte Bedarf umfasst bis zum Höchstbetrag von monatlich 10 Euro die Aufwendungen, die durch Musikunterricht (und vergleichbaren Unterricht) [ ] entstehen." Mit § 28 Abs. 7 SGB II werde "Kindern und Jugendlichen ein Budget zur Verfügung gestellt, damit sie ein ihren Wünschen und Fähigkeiten entsprechendes Angebot wahrnehmen können. Das neben den Regelbedarfen zu berücksichtigende Budget ist pauschaliert. [ ] Das gemeinschaftliche Erleben oder Ziele der gemeinsamen kulturellen Teilhabe sollen gefördert werden.").
4. Zum Erlöschen des Anspruchs nach vollständiger Erfüllung für das Jahr 2011 durch das Landratsamt Neckar-Odenwald nach § 6b Abs. 2 BKGG i.V.m. § 28 Abs. 7 SGB II
Soweit für Kinder Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Bildung und Teilhabe nach § 6b BKGG gewährt werden, haben sie gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SGB II keinen Anspruch auf entsprechende Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 28 SGB II, sondern der im Hinblick auf das Teilhabebudget nach § 28 Abs. 7 SGB II inhaltlich identische Anspruch richtet sich nach § 6b Abs. 2 BKKG i.V.m. § 28 Abs. 7 SGB II. Das 10 EUR-Monatsbudget kann kumuliert werden, wie vorliegend geschehen. Mit der Erbringung von 120 EUR für die Teilnahme am Dance Camp im August 2011 an den Kläger ist der ganze Anspruch für das Jahr 2011 erfüllt worden und damit erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Auch wenn dies erst nach Klageerhebung geschehen ist, muss dieser Umstand Beachtung finden, da maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist (siehe etwa BSG, Urteil v. 5.7.2007 - B 9/9a SB 2/07 R - BSGE 99, 9, 10 = SozR 4-3250 § 69 Nr. 6 RdNr. 13 m.w.N.). Durch den Wechsel vom SGB II in den Wohngeld- und Kinderzuschlagbezug entsteht kein neuer Anspruch.
Es ist einem Leistungsberechtigten zwar unbenommen, wie vorliegend mehrere Anträge auf Gewährung des Bildungs- und Teilhabebudgets zustellen. Wenn der Anspruch jedoch durch Erfüllung vollständig erloschen ist, können noch offene Anträge für denselben Zeitraum grundsätzlich keinen Erfolg mehr haben. Da die vorliegend nicht erforderliche Mietzahlung für das Cello und die nur schulische Verwendung des Instruments ohnehin nicht von § 28 Abs. 7 SGB II umfasst sind, braucht die Frage, ob der Kläger ggf. anders zu stellen wäre, wenn die Verwaltung frühzeitig (vor der Bewilligung der 120 EUR für das Dance-Camp) eine andere Entscheidung getroffen hätte (vgl. zu dieser Frage Castendiek in HK-SGG, 4. Aufl. 2012, § 54 RdNr. 77, 131; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 54 RdNr. 34; Ulmer in H.ig, SGG, § 54 RdNr. 150) nicht erörtert zu werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist noch, ob dem Kläger im Zeitraum vom 1.2.2011 bis 30.4.2011 Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 Abs. 7 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) zustehen, konkret für die Miete eines Cellos.
Der am 1998 geborene Kläger, seine Mutter und zwei Geschwister standen vom 1.3.2010 bis 30.4.2011 beim Beklagten im Leistungsbezug nach dem SGB II, ab 1.5.2011 wurde die Leistungsbewilligung wegen fehlender Hilfebedürftigkeit aufgehoben, ab 1.7.2011 erhielten sie Wohngeld und Kinderzuschlag. Der Kläger besuchte im Schuljahr 2010/2011 die Klasse 7b1 und im Schuljahr 2011/2012 die Klasse 7b2 des E.-Gymnasiums in A ... Dieses bietet zwei unterschiedliche Ausbildungsprofile ab Klasse 7 an, ein Musikprofil und ein natur-wissenschaftliches Profil. Der Kläger hat das Musikprofil gewählt. In der Schule stehen Musikinstrumente für den gesamten Unterricht im Musikprofil kostenlos zur Verfügung. Der Kläger hat außerdem bereits ab der 5./6. Klasse ein Cello von der Schule gemietet. Die Miete für das Cello beträgt halbjährlich 90 EUR, fällig am 1.2. und 1.8. eines Jahres. Die Mutter des Klägers hat eine Abbuchungsermächtigung erteilt, am 8.2.2011 wurde der Betrag von 90 EUR abgebucht.
Mit Schreiben vom 21.2.2011, beim Beklagten am 22.2.2011 eingegangen, beantragte die Mutter des Klägers u.a. die Übernahme der Kosten für die Miete des Cellos, da ihr Sohn das Musikprofil am E.-Gymnasium gewählt habe.
Mit Bescheid vom 5.4.2011 lehnte das Landratsamt Neckar Odenwald den Antrag ab.
Hiergegen erhob die Mutter des Klägers im Namen ihres Sohnes am 11.4.2011 Widerspruch. Ohne Instrument könne ihr Sohn nicht am Musikprofil teilnehmen, das Leihinstrument sei zwingend.
Der Widerspruch wurde vom Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 13.4.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Eine Übernahme von Mietkosten für ein Instrument sei nicht förderfähig.
Hiergegen hat die Mutter des Klägers am 10.5.2011 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Ihr Sohn besuche derzeit die siebte Klasse, habe das Musikprofil gewählt und benötige daher das Instrument, dessen Mietkosten sich auf 180 EUR/Jahr belaufen würden. Es könne nicht sein, dass das Musikprofil für sozial schwächere Schüler wegen der hohen Kosten für die Instrumente ausscheide.
Auf Antrag der Mutter des Klägers vom 24.7.2011 hat das Landratsamt Neckar-Odenwald Kreis mit Bescheid vom 17.8.2011 dem Kläger einen Betrag von 120 EUR aus dem Teilhabebudget nach § 28 Abs. 7 SGB II (kumuliert für das ganze Jahr 2011) für dessen Teilnahme an einem Dance-Camp in A. vom 30.8. bis 3.9.2011 bewilligt und den Betrag auch ausgezahlt.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.1.2012 hat das SG den Bescheid des Beklagten (richtig des Landratsamts Neckar-Odenwald Kreis) vom 5.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 13.4.2011 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Mutter des Klägers 90 EUR für die Miete des geliehenen Cellos für den Mietzeitraum 1.2.2011 bis 31.7.2011 zu gewähren und außerdem, betreffend den Mietzeitraum 1.8.2011 bis 31.1.2012, eine Direktzahlung an die Stadt A. in Höhe von 30 EUR zu veranlassen. Auch ein in der Schule erteilter Unterricht sei über das Bildungs- und Teilhabebudget nach § 28 Abs. 7 SGB II förderbar. Ansonsten drohe die Gefahr, dass der Kläger das Musikprofil an seiner Schule unter Umständen verlassen müsse, wenn die Miete für das Instrument nicht bezahlt werden könne. Die Bezuschussung der Cello-Miete mit 10 EUR/Monat aus dem Bildungs- und Teilhabebudget nach § 28 Abs. 7 SGB II verhindere einen Ausschluss einkommensschwacher Schüler und fördere ihre Integration. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Gegen den ihm am 13.1.2012 mit persönlicher Übergabe zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Beklagte am 8.2.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass über § 28 Abs. 7 SGB II nur Mitgliedsbeiträge und Unterrichtskosten selbst übernommen werden könnten, nicht aber Kosten für Gegenstände oder Materialien, die infolge des Unterrichts anfallen würden. Der schulische Unterricht sei kostenfrei. Würde man den Ansatz des SG konsequent zu Ende denken, müssten beispielsweise auch Turnschuhe für den schulischen Sportunterricht über § 28 Abs. 7 SGB II finanziert werden, wodurch die Schulpauschale des § 28 Abs. 3 SGB II ausgehebelt bzw. erweitert würde.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12. Januar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er nimmt auf die Ausführungen des SG Bezug. Es könne keinen Unterschied machen, ob ein Kind ein Musikinstrument besitze und mit dem Bildungs- und Teilhabepaket den Unterricht finanziere oder ob der Unterricht kostenlos sei und das Instrument gemietet werden müsse.
Im Erörterungstermin mit dem Berichterstatter am 28.9.2012 hat die Mutter des Klägers bestätigt, dass der Kläger im Jahr 2011 für die Teilnahme an einem Dance-Camp 120 EUR erhalten und verbraucht habe. Außerdem sei die Familie seit Sommer 2011 nicht mehr im SGB II-, sondern im Wohngeldbezug. Die Beteiligten haben im Erörterungstermin am 28.9.2012 und in der mündlichen Verhandlung vom 23.1.2013 den Streitgegenstand einvernehmlich auf die Gewährung der Bildungs- und Teilhabeleistungen nach § 28 Abs. 7 SGB II im Zeitraum 1.2.2011 bis 30.4.2011 beschränkt und den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt. Mit Einverständnis der Beteiligten ist auch das Rubrum dahingehend berichtigt worden, dass die Mutter des Klägers nicht selbst am Verfahren beteiligt ist.
Im Erörterungstermin am 28.9.2012 ist Beweis erhoben worden durch die Vernehmung des Musiklehrers des Klägers, Herrn A., der u.a. mitgeteilt hat, dass die Instrumente im Pool des Musikprofils schon immer Geld gekostet hätten, seit er an der Schule sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch die schriftliche Vernehmung des beim Gymnasium des Klägers zuständigen Verwaltungsmitarbeiters H ... Der Zeuge H. hat mit einem über die Schulleitung dem Senat zugeleiteten Schreiben vom 10.10.2012 insbesondere mitgeteilt, dass die Nutzung der von der Schule gestellten Instrumente für Schüler im Rahmen des gesamten Pflichtunterrichts des Musikprofils ab Klasse 7 kostenfrei sei. Nur für die Teilnahme an einer freiwilligen Arbeitsgemeinschaft (sog. Instrumentalklasse) in Klasse 5/6 außerhalb des schulischen Pflichtunterrichts würde eine Miete für Instrumente erhoben. Diese Instrumente könnten auch im privaten Bereich eingesetzt werden. Im Anschluss an Klasse 6 sei im Hinblick auf die musikalische Weiterentwicklung der Schüler nach Absprache und Verfügbarkeit eine Verlängerung des Mietzeitraums möglich, um eine zur Schule ergänzende Nutzung auch im privaten Bereich und/oder Musikverein zu ermöglichen. Der Kläger habe hiervon Gebrauch gemacht und nach Abschluss der Klasse 6 freiwillig ein Cello über die Stadt A. angemietet. Schulträger für die Klassen 5/6 (Progymnasium) sei die Stadt A., welche die technische Abwicklung an die Verwaltung des E.-Gymnasiums übertragen habe. Der Zeuge legte einen Formularmietvertrag vor (Bl. 28 Gerichtsakte). Der in Klasse 5/6 geschlossene Mietvertrag sei ab Klasse 7 mündlich verlängert worden, Bestandteil sei eine Abbuchungsermächtigung der Mutter des Klägers gewesen. Am 1.2.2011 sei ein Betrag von 90 EUR fällig und abgebucht geworden. Ob der Kläger im Pflichtunterricht des Musikprofils das freiwillig gemietete Cello oder ein schuleigenes Instrument einsetze, sei ihm nicht bekannt.
In der mündlichen Verhandlung vom 23.1.2013 hat die Mutter des Klägers auf Frage des Senats erklärt, dass der Kläger das Cello nur in der Schule, nicht im außerschulischen Bereich (z.B. einem Musikverein) genutzt hat. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass das Instrument nur in Klasse 5 und 6 kostenpflichtig gewesen sei. Der Mietvertrag sei einfach weiter gelaufen, ohne dass man ihr gesagt habe, dass das Instrument ab Klasse 7 im Musikprofil kostenfrei zur Verfügung stehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Streitig sind noch die Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 Abs. 7 SGB II (Teilhabebudget) im Zeitraum vom 1.2.2011 bis 30.4.2011, nachdem die Beteiligten den Streitgegenstand übereinstimmend und ausdrücklich entsprechend beschränkt und den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt haben.
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.
I.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig.
Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten und der Mutter des Klägers das Rubrum dahingehend berichtigt, dass die Mutter der Klägers nicht selbst am Verfahren beteiligt ist. Es handelt sich im Rahmen der Leistungen nach § 28 SGB II um einen Individualanspruch desjenigen, der den entsprechenden Bedarf geltend macht. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG, vgl. BSG 22.11.2011 – B 4 AS 204/10 R = SozR 4-4200 § 23 Nr. 15 RdNr. 10 m.w.N. zur Klassenfahrt).
Auf eine (im Hinblick auf den ab Sommer 2011 gegebenen Bezug von Wohngeld und Kinderzuschlag nach § 6b BKKG) Beiladung des kommunalen Trägers, der gemäß §§ 7 Abs. 3, 6b BKGG i.V.m. § 7 Satz 1 des baden-württembergischen Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und zur Ausführung der Aufgaben nach § 6b des Bundeskindergeldgesetzes vom 14.12.2004 (GBl. 2004, 907), zuletzt geändert am 16.12.2011 (GBl. 2011, 548), zuständige Stelle für die Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe ist, konnte der Senat wegen der Beschränkung des Streitgegenstands durch die Beteiligten verzichten, zumal der Landkreis im Jobcenter (§ 44b SGB II) sowieso der für seine Leistung verantwortliche Träger ist (§ 44b Abs. 3 SGB II).
II.
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Eine Verurteilung des Beklagten für einen Zeitraum über den 30.4.2011 hinaus, wie vom SG vorgenommen, war schon mangels SGB-II-Bezug des Klägers über diesen Zeitraum hinaus nicht möglich. Wie sich überdies im Zuge der Beweiserhebung herausgestellt hat, wird das Instrument für den gesamten Unterricht im Musikprofil kostenlos zur Verfügung gestellt. Außerdem war das Teilhabebudget für das ganze Jahr 2011 mit der Inanspruchnahme der 120 EUR für das außerschulische private Dance-Camp verbraucht und der Anspruch des Klägers aus § 28 Abs. 7 SGB II insoweit vollständig erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).
Die Beteiligten haben den Streitgegenstand wirksam auf die Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.V.m. § 28 Abs. 7 SGB II beschränkt (1.). Schulische Bedarfe werden nicht von § 28 Abs. 7 SGB II erfasst. Diese Norm zielt auf außerschulische Aktivitäten, auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (2.). Eine Verwendung des Teilhabebudgets für außerschulisches Musizieren im Rahmen einer angeleiteten Tätigkeit in einem institutionell organisierten Rahmen ist zwar nach § 28 Abs. 7 SGB II möglich (3.). Vorliegend besteht der Anspruch aber nicht, weil das Teilhabebudget zwar kumuliert, aber insgesamt nur einmal beansprucht verwendet werden kann und der Kläger den gesamten Betrag für das Jahr 2011 erhalten und verbraucht hat; ein neuer Anspruch entsteht nicht durch den unterjährigen Wechsel in ein anderes Leistungssystem (4.).
1. Zulässige Beschränkung des Streitgegenstands durch die Beteiligten
Im Erörterungstermin am 28.9.2012 und in der mündlichen Verhandlung vom 23.1.2013 haben die Beteiligten ausdrücklich den Streitgegenstand auf die Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 Abs. 7 SGB II und auf den Zeitraum vom 1.2.2011 (Fälligkeit der Mietzahlung) bis 30.4.2011 (Ende des SGB-II-Bezugs) beschränkt.
Zwar sind bei einem Streit um höhere SGB II-Leistungen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 23.11.2006 – B 11b AS 9/06 R = SozR 4-4300 § 428 Nr. 3). Eine Begrenzung des Streitgegenstandes ist jedoch zulässig, wenn ein Bescheid im Einzelfall mehrere abtrennbare Verfügungen (Verwaltungsakte i.S. des § 31 SGB X) enthält (grundlegend BSG, Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 RdNr. 18 ff.). Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich bei der Bewilligung der Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II bzw. § 34 SGB XII (zum vor dem 1.4.2011 geltenden Recht siehe bereits BSG, Urteil v. 10.05.2011 – B 4 AS 11/10 = SozR 4-4200 § 44 Nr2 RdNr. 15, Schulbedarf; 13.11.2008 – B 14 AS 36/07 R – BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr. 1 und 22.11.2011 – B 4 AS 204/10 R = SozR 4-4200 § 23 Nr. 15, jeweils Klassenfahrt, jeweils m.w.N.).
Diese Grundsätze finden auch auf die § 28 SGB II und § 34 SGB XII, jeweils in der ab 1.1.2011 gültigen Fassung (Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 24.3.2011, BGBl I, 453) Anwendung. Die jeweiligen Leistungen für Bildung und Teilhabe können gesondert geltend gemacht werden (so zutreffend SG Darmstadt, Urteil vom 27.3.2012 - S 1 AS 1217/11; SG Kassel, Urteil vom 3.8.2012 - S 10 AS 958/11; SG Berlin, Urteil vom 12.9.2012 - S 55 AS 34011/11; ebenso Burkiczak in Estelmann, SGB II, § 28 RdNr. 104, Stand November 2011; Luik in jurisPK-SGB XII, § 34 idF d. 24.3.2011, RdNr. 26.1).
Bei abtrennbaren Verfügungen ist eine Begrenzung des Streitgegenstands durch ausdrückliche Erklärung der Beteiligten möglich (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 6.4.2011 – B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr. 21 RdNr. 32 m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (grundsätzlich im Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 RdNr. 20), der sich der Senat anschließt, ist maßgeblich für die Frage, ob abtrennbare Verfügungen vorliegen, welcher der beiden Grundsicherungsträger für welche Leistung verantwortlich ist.
Dies ergibt sich auch nach dem 1.1.2011 allein aus § 6 SGB II (Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende). Die Jobcenter (§ 6d SGB II) sind selbst nicht "Grundsicherungsträger", sondern Leistungsträger sind weiterhin und jetzt auch über Art. 91e GG verfassungsrechtlich verfestigt entweder die kommunalen Träger, soweit das Arbeitslosengeld II zur Deckung der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II enumerativ aufgeführten Bedarfe geleistet wird. Das bedeutet, dass sowohl die Bedarfe für Bildung und Teilhabe als auch die Bedarfe für Unterkunft/Heizung von der Regelleistung (Arbeitslosengeld II, soweit es zur Deckung des Regelbedarfs geleistet wird) abtrennbar sind (zu den "KdU" vgl. Senatsurteil vom 23.1.2013 – L 2 AS 2313/12; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 12.12.2012 - L 3 AS 4252/11; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 10.7.2012 – L 3 AS 307/12 B ER = NZS 2012, 796; SG Stuttgart, Urteil v. 30.11.2011 – S 20 AS 6617/10; Piepenstock in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 22 RdNr. 229; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 19 RdNr. 30; Link in jurisPK-SGB XII, § 35 i.d.F. v. 24.03.2011, RdNr. 160).
In den übrigen Fällen außerhalb von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II ist die Bundesagentur für Arbeit Träger der Grundsicherung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), es sei denn, es handelt sich um eine Optionskommune (zugelassener kommunaler Träger nach § 6a SGB II, der an die Stelle der BA tritt). Es handelt sich deshalb nach § 6 SGB II um voneinander zu unterscheidende Leistungen verschiedener Träger, die auch im Rahmen der Leistungserbringung durch die Jobcenter für ihre jeweiligen Leistungen verantwortlich bleiben (vgl. § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II). § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II spricht daher bei seiner Beschreibung des Arbeitslosengeldes II auch zutreffend im Plural von "Leistungen". Das Arbeitslosengeld II besteht eben aus verschiedenen unterscheidbaren Leistungen verschiedener Träger und wird erst im Leistungserbringungsrecht über die Jobcenter zusammengeführt (siehe auch BSG, Urteil vom 12.7.2012 - B 14 AS 153/11 R = SozR 4-4200 § 20 Nr. 17 RdNr. 12, wo zu der ab 1.1.2011 geltenden Rechtslage sogar bei noch fortbestehender getrennter Aufgabenwahrnehmung kein Anlass gesehen wurde, den kommunalen Träger beizuladen und es für zulässig erachtet wurde, dass die Beteiligten den Streitgegenstand auf die Leistungen eines Trägers beschränken, dort das Arbeitslosengeld II, soweit es in der Trägerschaft der BA zur Deckung des Regelbedarfs erbracht wird).
Im Vermittlungsverfahren des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (BGBl. I, 453) ist die kommunale Trägerschaft für die Leistungen nach § 28 SGB II vereinbart worden (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II; BT-Drucks 17/4719, 2). Wegen des Regelfalles der Aufgabenwahrnehmung durch gemeinsame Einrichtungen (Art. 91e Abs. 1 GG i.V.m. § 44b SGB II) bedeutet dies zwar idR, dass die Leistungserbringung "aus einer Hand" über die gemeinsamen Einrichtungen stattfindet (§ 44b Abs. 1 S. 2 und 3 SGB II), welche insoweit die Wahrnehmungskompetenz haben (vgl. Luik in GK-SGB II, § 44b RdNr. 39, 41, 80 ff., Stand Oktober 2011). Die kommunalen Träger sind aber gleichwohl für die recht- und zweckmäßige Leistungserbringung verantwortlich (§ 44b Abs. 3 S. 1 SGB II) und haben insoweit eigene Steuerungsbefugnisse gegenüber der gemeinsamen Einrichtung (§ 44b Abs. 3 S. 2 und 3 SGB II).
Im Zuge der sog. Jobcenterreform 2010 (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes [Art. 91e GG] vom 21.7.2010, BGBl I, 944 und Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010, BGBl I, 1112) sind die Weisungs- und Aufsichtsrechte des Bundes und der Länder entsprechend den getrennten Aufgaben und Befugnissen der beiden Träger ausgestaltet worden (vgl. das Schaubild bei Luik in GK-SGB II, § 44b RdNr. 201, Stand Oktober 2011). Die Rechts- und (je nach Landesrecht ggf.) Fachaufsicht gegenüber den kommunalen Trägern ist streng von der Leistungserbringung betreffend die BA-Trägerschaft getrennt und obliegt den Ländern (§§ 47 Abs. 2, 48 Abs. 1 SGB II). Hingegen obliegt für den Bereich der BA-Leistungen die Rechts- und Fachaufsicht dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (§ 47 Abs. 1 SGB II). Die jeweiligen getrennten Weisungs- und Aufsichtsstränge sind gekoppelt an die den Trägern für ihre jeweiligen Leistungen zustehenden Weisungsrechte nach § 44 Abs. 3 SGB II (zu den Gründen für die Trennung der Aufsichts- und Weisungsrechte siehe BVerfG, Urteil v. 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04 u.a. - BVerfGE 119, 331, 390 = NJW 2008, 1212).
Aufgrund dieses Systems der getrennten Trägerschaft, der getrennten Verantwortungsbereiche und der getrennten Weisungs- und Aufsichtsstränge gibt es folglich ab 1.1.2011 im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts drei zu unterscheidende Komplexe im SGB II, hinsichtlich derer immer abtrennbare Verfügungen vorliegen: die Regel- und Mehrbedarfe nach §§ 20 f. SGB II, die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II und die Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II.
Nichts anderes gilt im Fall einer kommunalen Option (§§ 6a, 6b SGB II; so bereits BSG, Urteil v. 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R – BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 RdNr. 20). Auch in diesem Fall gilt, dass die an sich von der BA zu erbringenden Leistungen gesondert zu betrachten sind. Insoweit treten zwar die zugelassenen kommunalen Träger an die Stelle der BA, die notwendigen Ausgaben einschließlich der Verwaltungsausgaben trägt aber der Bund (Art. 91e Abs. 2 S. 2 GG). Flankiert wird die Finanzierungsverantwortung des Bundes spiegelbildlich durch eine gesonderte Aufsichtsregelung (§ 48 Abs. 2 SGB II), das Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs und die Finanzkontroll- und Prüfbefugnisse des BMAS (§ 6b Abs. 2a – 5 SGB II).
2. Zum Umfang des Leistungsanspruchs nach §§ 19 Abs. 2 Satz 1, 28 Abs. 7 SGB II
a) Prüfungsumfang
Der Kläger ist leistungsberechtigt i.S. des § 7 Abs. 1 SGB II, er ist insbesondere hilfebedürftig. Wegen der zulässigen isolierten Geltendmachung des Bedarfs nach § 28 Abs. 7 SGB II ist nicht zu überprüfen, ob die im Übrigen gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Höhe nach richtig bemessen waren (vgl. BSG, Urteil v. 23.3.2010 – B 14 AS 1/09 R = SozR 4-4200 § 23 Nr. 9 RdNr. 11 zur Klassenfahrt nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 a.F.).
b) Rechtsanspruch
Eigentliche Anspruchsgrundlage für die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets ist § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB II (siehe nur O. Loose in GK-SGB II, § 28 RdNr. 15, Stand Dezember 2011). Auf die Leistungen besteht bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch i.S. des § 38 SGB I (Leopold in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 29 RdNr. 88; unzutreffend Lenze in Münder, SGB II, 4. Aufl 2011, § 28 RdNr. 39, die die Auffassung vertritt, dass kein individueller Rechtsanspruch bestehe). Auch das Bundesverfassungsgericht geht im Urteil vom 18.7.2012 – 1 BvL 10/10 u.a. = ZFSH/SGB 2012, 450 = juris RdNr. 122 in der Gegenüberstellung von § 28 SGB II und § 34 SGB XII zum Asylbewerber-Leistungsgesetz von gesetzlichen Ansprüchen ("Anspruchsnormen") im SGB II/XII aus.
c) Tatbestandsvoraussetzungen
§ 19 Abs. 2 SGB II bestimmt: Leistungsberechtigte haben unter den Voraussetzungen des § 28 SGB II Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben. Soweit für Kinder Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Bildung und Teilhabe nach § 6b BKGG gewährt werden, haben sie keinen Anspruch auf entsprechende Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 28 SGB II.
Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres wird gemäß § 28 Abs. 7 SGB II ein Bedarf zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von insgesamt 10 EUR monatlich berücksichtigt für 1. Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, 2. Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und 3. die Teilnahme an Freizeiten.
d) keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe des Budgets
Bei Kindern und Jugendlichen wird ein Bedarf in Höhe von 10 EUR monatlich berücksichtigt. Dieses neben den Regelbedarfen zu berücksichtigende Budget ist pauschaliert. Dieses Teilhabebudget nach § 28 Abs. 7 SGB II in Höhe von 10 EUR/Monat ist nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig angesetzt (zur Kritik Lenze in Münder, LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 28 RdNr. 37, 39 f.; Rothkegel, ZFSH 2011, 69, 80). Bei der Bemessung der Regelbedarfe von Kindern und Jugendlichen sind die Positionen "Außerschulische Unterrichte, Hobbykurse" in der Abteilung 09 und "Mitgliedsbeiträge an Organisationen ohne Erwerbszweck" in Abteilung 12 der EVS 2008 unberücksichtigt geblieben, die sonst mit bis zu 3,58 EUR monatlich in die Bemessung des Regelbedarfs eingegangen wären (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S. 72, 106). Der Betrag von 10 EUR monatlich liegt deutlich darüber, so dass verfassungsrechtlich wegen des insoweit bestehenden Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers für den sozio-kulturellen Teil des Existenzminimums keine Bedenken bestehen (Voelzke in: Hauck/Noftz, § 28 RdNr. 119 Stand XII/11; Groth in Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 2011, RdNr. 303; Burkiczak in Estelmann, SGB II, § 28 RdNr 8, 69, Stand Oktober 2011; Luik in: jurisPK-SGB XII, § 34 i.d.F. v. 24.3.2011 RdNr. 78; kritisch O. Loose in GK-SGB II, § 28 RdNr. 55, Stand Dezember 2011; Lenze in Münder, LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, § 28 RdNr. 18; Klerks, info also 2011, 157 f.; Rothkegel, ZFSH/SGB 2011, 80 f.).
e) rechtzeitiger Antrag der Klägerseite
Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Abs. 7 SGB sind gesondert zu beantragen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Der geltend gemachte Bedarf, die Mietgebühr, ist am 1.2.2011 fällig geworden, so dass die Antragstellung am 22.2.2011, die nach der Übergangsregelung des § 77 Abs. 8 SGB II auf den 1.1.2011 zurückwirkt, rechtzeitig war. Das Verhältnis der Regelung des § 77 Abs. 8 SGB II (vgl. zu Sinn und Zweck der Vorschrift Behrend in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 77 RdNr. 6) zu § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II i.d.F. d. Art. 2 Nr. 32 G. v. 24.3.2011, BGBl. I 453, m.W.v. 1.1.2011 braucht vorliegend nicht näher beleuchtet zu werden, denn auch nach § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II wäre die Antragstellung wegen der dort angeordneten Rückwirkung auf den Monatsersten rechtzeitig gewesen.
f) Mietkosten eines Cellos für den schulischen Unterricht sind kein Bedarf, der von § 28 Abs. 7 SGB II umfasst wird.
Im Rahmen des § 28 Abs. 7 SGB II sind nur außerschulische Aktivitäten förderfähig (vgl. BSG, Urteil v. 25.1.2012 - B 14 AS 131/11 R = juris RdNr. 13: "10 Euro pro Monat für außerschulische Teilhabeleistungen [§ 28 Abs. 7 SGB II]"). Für Schülerinnen und Schüler und deren schulspezifische Bedarfe sind in § 28 Abs. 2 bis 6 SGB II besondere Regelungen getroffen (vgl. die Unterscheidung in der Gesetzesbegründung zwischen Teilnahme an schulischen Aktivitäten und Bedarfen für die außerschulische Bildung, BT-Drucks 17/3404, S. 104; zur Struktur der Vorschrift vgl. Groth in jurisPR-SozR 8/2011 Anm. 1; Leopold in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 28 RdNr 28 ff.). Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass die außerschulischen Aktivitäten institutionell organisiert und angeleitet sind, eine formelle Vereinsmitgliedschaft ist nicht erforderlich (so zutreffend SG Darmstadt, Urteil vom 27.3.2012 – S 1 AS 1217/11). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte der Norm und entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Anders als die Absätze 2 bis 6, die spezielle Regelungen für Schülerinnen und Schüler und Leistungen für den Schulbesuch enthalten, spricht § 28 Abs. 7 SGB II von der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben "in der Gemeinschaft". Ziel der Norm ist es, Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Haushalten stärker als bisher in bestehende Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen zu integrieren und den Kontakt mit Gleichaltrigen zu intensivieren (BT-Drucks 17/3404, 106). Bei der Bedarfsbemessung wurden aus der EVS die Positionen "Außerschulische Unterrichte, Hobbykurse" in der Abteilung 09 und "Mitgliedsbeiträge an Organisationen ohne Erwerbszweck" in Abteilung 12 herangezogen (s. oben).
Selbst wenn der Kläger das Cello für den Schulunterricht hätte kostenpflichtig anmieten müssen, was aber nach der Auskunft des Zeugen H. nicht der Fall ist, wäre ein solcher Bedarf nicht über § 28 Abs. 7 SGB II berücksichtigungsfähig, sondern könnte allenfalls mit der Pauschale des § 28 Abs. 3 SGB II bestritten werden, die aber hierfür nicht gedacht ist. Die Gesetzesbegründung zu § 28 Abs. 3 SGB II nennt beispielhaft Gegenstände wie Schulranzen und Schulrucksack, Sportzeug und für den persönlichen Ge- und Verbrauch bestimmte Schreib-, Rechen- und Zeichenmaterialien (BT-Drucks. 17/3404, S. 105, 124, vgl. auch die Bsp. in BT-Drucks. 16/10809, S. 16 zu § 24a SGB II a.F.). Auf diese Frage kommt es aber nach der eingeholten Auskunft von der Schule nicht an, die entsprechend dem baden-württembergischen Landesrecht die Instrumente für den gesamten Pflichtunterricht des Musikprofils kostenfrei zur Verfügung stellt (vgl. Erläuterung A Ziff. 4 der Lernmittelverordnung Baden-Württemberg v. 19.4.2004 [GBl., S. 368], wonach Musikinstrumente als Einrichtungsgegenstände der Schule kostenfrei im Unterricht zur Verfügung stehen). Zu diesem Unterricht gehören laut Profilbeschreibung der Schule (Bl. 16e Gerichtsakte) u.a. Musizieren im Ensemble, im Chor und in der Bigband, Schulungen in Improvisation, Dirigieren, Musik und Bewegung. Für diesen ganzen "Praxisteil" müssen die Instrumente kostenfrei zur Verfügung stehen, einschließlich als Annex für die hierfür erforderlichen Übungen.
Nicht in Betracht kommt bei der vorliegenden freiwilligen Miete eines Cellos ein Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II, da kein unabweisbarer atypischer Sonderbedarf vorliegt. Auch eine Darlehensgewährung nach § 24 SGB II ist mangels unabweisbarem Bedarf nicht angezeigt.
Es geht nicht zu Lasten des Beklagten, falls die Klägerseite irrig angenommen haben sollte, sie sei dazu verpflichtet, das Instrument entgeltlich auszuleihen.
Es geht auch nicht zu Lasten des Beklagten, falls die Mutter des Klägers von der Schule nicht ausreichend darüber informiert wurde, dass ein entscheidender Unterschied zwischen der freiwilligen Instrumentalklasse in Stufe 5/6 und dem Musikprofil besteht und dass das bisherige kostenpflichtige Leihinstrument ab Klasse 7 für den gesamten Unterreicht kostenfrei zur Verfügung steht. In diesem Fall könnte die Klägerseite allerdings prüfen, ob sie den Vertrag wegen Irrtums anfechten kann und auch gegenüber der Schule hinterfragen, ob der geltend gemachte Zahlungsanspruch überhaupt besteht, z.B. wegen einer sog. culpa in contrahendo. Der Gedanke einer unzureichenden Information der Mutter des Klägers durch die Schule liegt nahe, denn sogar dem Musiklehrer des Klägers scheint die vom Zeugen A. dargelegte Differenzierung nicht geläufig zu sein, wie sich in der Zeugenvernehmung am 28.9.2012 gezeigt hat, in welcher er ausführte, dass für die Instrumente des Musikprofils schon immer Miete von den Schülerinnen und Schülern verlangt worden wäre.
3. Außerschulische Aktivitäten, Kosten für Musikinstrument
Eine Verwendung des Teilhabebudgets für außerschulisches Musizieren im Rahmen einer angeleiteten Tätigkeit in einem institutionell organisierten Rahmen (z.B. regelmäßiges Musizieren in einem Musikverein) ist zwar nach § 28 Abs. 7 SGB II möglich, das ist aber vorliegend nicht geschehen. Der Kläger hat mit dem Cello nicht an außerschulischen angeleiteten Aktivitäten teilgenommen, wie in der mündlichen Verhandlung vom 23.1.2013 von der Klägerseite auf Befragen des Senats eindeutig erklärt.
Der Senat lässt insoweit ausdrücklich offen, ob bei Mitgliedschaft in einem Musikverein nur Mitgliedsgebühren aber nicht anfallende Kosten für benötigte Gegenstände, etwa ein Instrument, über § 28 Abs. 7 SGB II berücksichtigungsfähig sind (für diese dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmende restriktive Auslegung etwa Lenze in Münder, SGB II, 4. Aufl. 2011, § 28 RdNr. 32) oder ob nicht umgekehrt - wofür nach dem Gesetzeszweck spricht – die gesetzlich vorgesehene Leistungserbringung als Budget dem Leistungsempfänger folgerichtig auch die Freiheit lässt, selbst zu bestimmen, welche von den im Rahmen des Gesetzeszwecks des § 28 Abs. 7 SGB II entstehenden Aufwendungen und anfallenden Bedarfe er mit diesem Teilhabebudget deckt (siehe zum Gesetzeszweck und zur Betonung des Freiheitsaspekts auch die Rede der zuständigen Bundesministerin von der Leyen vor dem Bundesrat, Plenarprotokoll 880, Stenografischer Bericht der 880. Sitzung am 25.2.2011, S. 95 f., abrufbar unter http://www.bundesrat.de: "Ich habe den damaligen Hinweis des Gerichts als Chance verstanden, für bedürftige Kinder in unserem Land grundlegend etwas zu verändern. [ ] Ich will das Thema weiter fassen. Mich treibt der Gedanke um, dass es uns gelingen muss, den Auftrag aus Artikel 2 Absatz 1 unserer Verfassung, das Menschenrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zu gewährleisten, ernst zu nehmen. Für Kinder ist es bedingungslos wichtig, dass sie mit Zuwendung aufwachsen, gewaltfrei erzogen werden und am Anfang ihres Lebens ihre Fähigkeiten entwickeln können, um als Erwachsene ihre Persönlichkeit frei und vollumfänglich zu entfalten. Das ist Auftrag an uns alle."). Eine solche Auslegung führt nicht zu einer Erhöhung des Budgets von monatlich 10 EUR. Auch Mietkosten für ein Instrument könnten insoweit Aufwendungen sein, die durch Musikunterricht bzw. anlässlich der Wahrnehmung eines bestimmten Angebots entstehen (vgl. auch die umfassenden und weitgehenden Formulierungen in BT-Drucks 17/3404, S. 106 f.: "Der anerkannte Bedarf umfasst bis zum Höchstbetrag von monatlich 10 Euro die Aufwendungen, die durch Musikunterricht (und vergleichbaren Unterricht) [ ] entstehen." Mit § 28 Abs. 7 SGB II werde "Kindern und Jugendlichen ein Budget zur Verfügung gestellt, damit sie ein ihren Wünschen und Fähigkeiten entsprechendes Angebot wahrnehmen können. Das neben den Regelbedarfen zu berücksichtigende Budget ist pauschaliert. [ ] Das gemeinschaftliche Erleben oder Ziele der gemeinsamen kulturellen Teilhabe sollen gefördert werden.").
4. Zum Erlöschen des Anspruchs nach vollständiger Erfüllung für das Jahr 2011 durch das Landratsamt Neckar-Odenwald nach § 6b Abs. 2 BKGG i.V.m. § 28 Abs. 7 SGB II
Soweit für Kinder Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Bildung und Teilhabe nach § 6b BKGG gewährt werden, haben sie gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SGB II keinen Anspruch auf entsprechende Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 28 SGB II, sondern der im Hinblick auf das Teilhabebudget nach § 28 Abs. 7 SGB II inhaltlich identische Anspruch richtet sich nach § 6b Abs. 2 BKKG i.V.m. § 28 Abs. 7 SGB II. Das 10 EUR-Monatsbudget kann kumuliert werden, wie vorliegend geschehen. Mit der Erbringung von 120 EUR für die Teilnahme am Dance Camp im August 2011 an den Kläger ist der ganze Anspruch für das Jahr 2011 erfüllt worden und damit erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Auch wenn dies erst nach Klageerhebung geschehen ist, muss dieser Umstand Beachtung finden, da maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist (siehe etwa BSG, Urteil v. 5.7.2007 - B 9/9a SB 2/07 R - BSGE 99, 9, 10 = SozR 4-3250 § 69 Nr. 6 RdNr. 13 m.w.N.). Durch den Wechsel vom SGB II in den Wohngeld- und Kinderzuschlagbezug entsteht kein neuer Anspruch.
Es ist einem Leistungsberechtigten zwar unbenommen, wie vorliegend mehrere Anträge auf Gewährung des Bildungs- und Teilhabebudgets zustellen. Wenn der Anspruch jedoch durch Erfüllung vollständig erloschen ist, können noch offene Anträge für denselben Zeitraum grundsätzlich keinen Erfolg mehr haben. Da die vorliegend nicht erforderliche Mietzahlung für das Cello und die nur schulische Verwendung des Instruments ohnehin nicht von § 28 Abs. 7 SGB II umfasst sind, braucht die Frage, ob der Kläger ggf. anders zu stellen wäre, wenn die Verwaltung frühzeitig (vor der Bewilligung der 120 EUR für das Dance-Camp) eine andere Entscheidung getroffen hätte (vgl. zu dieser Frage Castendiek in HK-SGG, 4. Aufl. 2012, § 54 RdNr. 77, 131; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 54 RdNr. 34; Ulmer in H.ig, SGG, § 54 RdNr. 150) nicht erörtert zu werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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