Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SO 2515/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 3511/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 31. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) hat.
Der 1935 geborene Kläger bezieht eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe des monatlichen Zahlbetrages von 1.318,58 EUR ab dem 01.07.2010. Der Kläger gibt den derzeitigen Auszahlungsbetrag mit ca. 1.400 Euro an. Daneben bezieht der Kläger eine Rente von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) in Höhe von monatlich 52,62 EUR wegen in der ehemaligen DDR erlittenen Unrechts. Beim Kläger ist ein Grad der Behinderung von 60 mit Merkzeichen G anerkannt. Die 1942 geborene Ehefrau des Klägers bezieht ebenfalls eine Altersrente, ab dem 01.07.2007 kommt nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ein Betrag von 645,38 EUR zur Auszahlung. Der Kläger gibt den derzeitigen monatlichen Auszahlungsbetrag mit 660 EUR an. Bei der Ehefrau des Klägers ist der Grad der Behinderung mit 100 und das Merkzeichen "G" festgestellt. Der Kläger und seine Ehefrau haben neben älteren Kindern die 1984 geborenen Söhne D. und A., von denen sich der eine noch im Studium befindet, der andere Arbeitslosengeld II bezieht und die beide von dem Kläger nach seinen Angaben finanziell unterstützt werden. Die Eheleute unterhalten zwei Wohnungen: eine in Z. 21 in D., Landkreis Tuttlingen (für den der Beklagte zuständig ist) und eine weitere in B.str. 22 in A., Zollernalbkreis. Für die Wohnung in A., wo der Kläger wohnt, fallen nach Angaben des Klägers monatliche Kosten in Höhe von 400,- EUR an (250,- Kaltmiete, 110 Heizkosten, 40,- EUR Nebenkosten) auf die er 370,- EUR zahlt. Für das Haus in D., hierbei handelt es sich um ein im Eigentum des Klägers stehendes angeblich renovierungsbedürftiges Haus, in dem seine Ehefrau und auch die Söhne D. und A. wohnen, fallen nach Angaben des Klägers Kosten in Höhe von ca. 600,- EUR monatlich an (35,- EUR Belastungen aus Fremdmitteln, ca. 290,- EUR Heizkosten, 275 ,- EUR Nebenkosten) auf die der Kläger bis 500,- EUR zahlt.
Anträge des Klägers und seiner Ehefrau auf Leistungen der Grundsicherung nach dem Grundsicherungsgesetz im Jahr 2003 sowie auf aufstockende Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII im Jahr 2007 sind wegen fehlender Hilfebedürftigkeit erfolglos geblieben (Bescheid des Landratsamts Tuttlingen vom 04.03.2003 und vom 03.09.2003, Bescheide des Beklagten vom 07.04.2008). Ebenso blieb der Antrag des Klägers vom 21.02.2010 auf "ergänzende Hilfe zur Rente" mangels Bedürftigkeit und mangels Wohnsitz im Bezirk des Beklagten erfolglos (Bescheid vom 11.03.2010, Widerspruchsbescheid vom 24.03.2010). Auch der dagegen geführte Rechtsstreit blieb ohne Erfolg (Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz: S 5 SO 1398/10 ER, L 2 SO 4371/10 ER-B; Hauptsacheverfahren: S 5 SO 1397/10, L 7 SO 1049/11 - beendet durch Rücknahme, Wiederaufnahmeverfahren L 7 SO 1748/11 W-A, B 8 SO 10/11 BH).
Der Kläger beantragte bei dem Beklagten mit Schreiben vom 08.06.2011 und vom 10.06.2011 einen "kommunalen Sofortausgleich wegen Mittellosigkeit nach Wohnkosten, Heizkosten und Finanzierung uns zustehender Behinderten-Mobilität". Als Begründung führte der Kläger an, eine Soforthilfe sei erforderlich, da er als Ausgleichs- und Entschädigungsberechtigter nach dem 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz nicht in der Lage sei, sich seine Altersrente von ca. 1.300 EUR voll anrechnen zu lassen. Nach Auskunft des Sozialgerichts Reutlingen sei er zudem leistungsfähig bezüglich jeglicher Unterhaltspflicht. Sämtliche engen Familienangehörigen seien mittellos. Diese Mittellosigkeit sei ihnen aus sittlichen und behindertenrechtlichen Gründen nicht zuzumuten. Die Ehefrau des Klägers sei zu 100%, Merkzeichen G, er selbst zu 60%, ebenfalls Merkzeichen G, schwerbehindert. Ungeachtet der melderechtlichen Einschätzung der Behinderten-Aufenthaltsmöglichkeit seien sie aus gesundheitsfürsorgerischen Gründen wechselseitig aufeinander angewiesen. Ganz gleich welcher Gemeinde man sie zuordne, einzeln würden sie nirgends aufgenommen. Die noch immer sicherste gemeinsame soziale Anlaufstelle bleibe der Landkreis Tuttlingen. Obwohl dies teils mit der Auskunft, ihre Meldeverhältnisse seien ungeklärt, bestritten werde, würden die Angelegenheiten ihrer erwachsenen, der Gemeinde D. zuzuordnenden Kinder den Eltern zugeordnet. Die Höhe des Anspruchs ergebe sich aus dem durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommen multipliziert mit dem prozentualen Abdeckungsgrad unter Berücksichtigung der jeweiligen familiären und entschädigungsrechtlichen Situation, insgesamt multipliziert mit der familiär vorhandenen Anzahl berechtigter Personen. Daraus errechne sich – allerdings erst einmal auf dem Niveau der Wohnungslosigkeit – eine Soforthilfe von zunächst 750 EUR.
Die Anträge lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 16.06.2011 ab. Sozialhilferechtlich sei das Einkommen des Klägers hoch genug, um seinen Lebensunterhalt zu decken. Auch habe der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in A., Zollernalbkreis, angegeben. Somit sei die Zuständigkeit des dortigen Landratsamts in Balingen gegeben.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Der Landkreis Tuttlingen sei seit Jahrzehnten der Heimatkreis des Klägers und seiner Ehefrau und müsse seiner soziokulturellen Verpflichtung nachkommen. Der Zollernalbkreis hingegen sei aus Gründen eines wirtschaftlich unmöglichen Umzugs nicht zuständig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2011 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er aus, das Sozialamt Tuttlingen könne dem Kläger bei seinem Problem, das aus DDR-Zeiten resultiere, nicht helfen. Es sei dafür nicht zuständig.
Der Kläger hat dagegen am 19.08.2011 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, dass sie sich als Familie nicht mehr "über Wasser halten" könnten. Dies gelte insbesondere angesichts einer offenen Forderung für Wasser-/Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 1.517,56 EUR. Als Ehepaar verfügten sie nicht einmal über das soziokulturelle Existenzminimum. Von A. aus könnten sie nicht die Wasserversorgung für D. organisieren, wo sie den familiären Hauptwohnsitz zu erhalten suchten.
Der Kläger hat eine melderechtliche Erklärung von sich und seiner Ehefrau vom 15.09.2011 vorgelegt, wonach es ihnen als nicht getrennt lebendem Ehepaar nicht möglich sei einen gemeinsamen Wohnsitz zu benennen. Die Wohnung in D. sei die alleinige der Ehefrau, die Wohnung in A. die alleinige des Klägers.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.07.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu. Da es dem Kläger maßgeblich um die Bestreitung seines Lebensunterhaltes gehe, kämen einzig Leistungen nach § 19 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 41 Abs. 2 SGB XII in Betracht. Der Kläger sei aber in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu decken. Dies sei bereits – bei gleichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen – in mehreren Verfahren festgestellt worden.
Gegen den ihm mit Postzustellungsurkunde am 02.08.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) am 08.08.2012, Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf Hilfe zustehe. Als Schwerbehinderter komme der Kläger mit seiner Altersrente von ca. 1.400 EUR netto nicht mehr zurecht, nachdem er am 3.10.2011 schuldlos in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt worden sei. Das Kreissozialamt müsse zunächst für die daraus entstandenen Schäden einstehen. Auch könnten seine Ehefrau und er aufgrund fehlender Barrierefreiheit nicht überall wohnen. Sie pendelten daher zwischen zwei Notaufenthalten in D. und A. hin und her, was mit unzumutbar hohen Wohn- und Fahrtkosten verbunden sei. Dem Kläger entstünden daher mindestens – und mit steigender Tendenz – Kosten in Höhe von 1.820 EUR, die nur in Höhe von 1.400 EUR von seiner Altersrente gedeckt seien. Dem Beklagten sei seit Jahrzehnten bekannt, dass es um die Anrechenbarkeit seiner Entschädigungsrente gehe. Auch könnten die Unterstützungsleistungen für seine Frau und seine Söhne nicht außer Acht gelassen werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 31. Juli 2012 sowie den Bescheid vom 16. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. August 2011 aufzuheben und den Beklagten zur Gewährung von Leistungen, mindestens in Höhe von 420 EUR monatlich, zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin am 18.10.2012 übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten, die beigezogene Akte des LSG Baden-Württemberg, Az. L 2 SO 4371/10 ER-B, sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
I. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Sozialhilfe gegen den Beklagten. Es fehlt sowohl an einer Anspruchsberechtigung (1.) als auch an der örtlichen Zuständigkeit des Beklagten (2.).
1. Dem Kläger kommt es ausweislich seiner Anträge vom 08.06.2011 und 10.06.2011, in denen er die Übernahme der Wohn- und Heizkosten sowie die Absicherung seines Existenzminimums begehrt, maßgeblich auf das Bestreiten seines Lebensunterhaltes an. Als Leistungsart kommen damit ausschließlich die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Betracht. Gemäß §§ 19 Abs. 2 Satz 1, 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen, die die Altersgrenze des § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben, auf Antrag Grundsicherung im Alter zu gewähren, soweit diese ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII bestreiten können. Diese Voraussetzungen sind beim Kläger nicht erfüllt.
Der 1935 geborene Kläger ist zwar auf Grund seines Alters grundsätzlich leistungsberechtigt. Er ist jedoch nicht hilfebedürftig, weil sein Renteneinkommen seinen Bedarf deckt. Der Umfang der Leistungen bestimmt sich nach § 42 SGB XII (i.d.F. d. Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011, BGBl. I, 453, gültig ab 01.01.2011). Danach umfassen die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 1. die sich für die leistungsberechtigte Person nach der Anlage zu § 28 ergebende Regelbedarfsstufe, 2. die zusätzlichen Bedarfe nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels, 3. die Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach dem Dritten Abschnitt des Dritten Kapitels, ausgenommen die Bedarfe nach § 34 Absatz 7 - die beim Kläger nicht in Betracht kommen - 4. die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Abschnitt des Dritten Kapitels; bei Leistungen in einer stationären Einrichtung sind als Kosten für Unterkunft und Heizung Beträge in Höhe der durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die Warmmiete eines Einpersonenhaushaltes im Bereich des nach § 98 zuständigen Trägers der Sozialhilfe zugrunde zu legen, 5. ergänzende Darlehen nach § 37 Absatz 1.
Für den Kläger ist die Regelbedarfsstufe 1 zu berücksichtigen. Diese gilt für Personen, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt. Obwohl der Kläger verheiratet ist und ein Getrenntleben (maßgeblich für die Beurteilung ist der Begriff des Getrenntlebens in § 1567 BGB - vgl. BSG, Urteil vom 18.2.2010 – B 4 AS 49/09 R – BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr. 16 RdNr. 13 f) nicht dem Willen der Ehepartner entspricht, ist nicht die Regelbedarfsstufe 2 zu berücksichtigen, da danach Voraussetzung ist, dass die Ehepartner einen gemeinsamen Haushalt führen, also zusammen wohnen. Dies ist jedoch bei dem Kläger und seiner Frau nicht der Fall, da ausdrücklich melderechtlich erklärt der Kläger in A. und seine Frau in D. in getrennten Haushalten leben und sie sich wechselseitig besuchen. Die Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII beträgt ab 01.01.2012 374,- EUR (vorher ab 01.01.2011 364,- EUR).
Weiterhin steht dem Kläger ein Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII zu. Für Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit der Feststellung des Merkzeichens "G" wird ein Mehrbedarf von 17 v.H. der jeweiligen Regelbedarfsstufe anerkannt, somit 63,58 EUR ab 01.01.2010 (2011: 61,88 EUR).
Nicht unter die zusätzlichen Bedarfe fallen mangels gesetzlicher Grundlage die vom Kläger geltend gemachten Folgen des Verkehrsunfalles vom 03.10.2011. Auch die vom Kläger geltend gemachte Verfolgung in der ehemaligen DDR stellt keinen sozialhilferechtlich berücksichtigungsfähigen Belang dar. Ebenso wenig sind die 1984 geborenen Kinder des Klägers als Mehrbedarf zu berücksichtigen. Dies kommt nach § 30 Abs. 3 SGB XII allenfalls für minderjährige Kinder von Alleinerziehenden in Betracht.
Die Leistungen für Unterkunft und Heizung bestimmen sich nach § 35 SGB XII (i.d.F. d. Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011, BGBl. I, 453, gültig ab 01.01.2011). Danach werden Leistungen für die Unterkunft grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht (§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Zu berücksichtigen sind im Falle des Klägers hier allein die Kosten der von ihm bewohnten Wohnung in A., auf die der Kläger 370 EUR zahlt. Nicht hinzuzurechnen sind die Kosten für das von seiner Ehefrau und den beiden Söhnen bewohnte Haus in D., da der Kläger dort nicht wohnt, sondern sich nur besuchsweise aufhält. Selbst wenn der Kläger auch dort wohnen würde, wäre eine weitere Wohnung als sozialhilferechtlich unangemessen zu beurteilen. Ebenso könnten auch nicht die gesamten Kosten, sondern nur die anteiligen nach Kopfteilen ermittelten Kosten - hier ein Viertel - berücksichtigt werden.
Danach ergibt sich ein Gesamtbedarf des Klägers in Höhe von 807,58 EUR (Regelbedarf 374 EUR + Mehrbedarf 63,58 EUR + KdU 370 EUR).
Das demgegenüber zu berücksichtigende Einkommen des Klägers wird wesentlich durch seine gesetzliche Altersrente bestimmt, die nach § 82 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 SGB XII mit dem ungeminderten Nettobetrag anzusetzen ist. Dafür dass, wie vom Kläger geltend gemacht, aufgrund seiner Ausgleichs- und Entschädigungsberechtigung nach dem 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz die gesetzliche Rente lediglich teilweise zu berücksichtigen sei, fehlt eine gesetzliche Grundlage. Selbst unter Berücksichtigung der bereits für 2010 beschiedenen Rente in Höhe von 1.318,58 EUR übersteigt das Einkommen des Klägers auch ohne Berücksichtigung seiner VBL-Rente seinen Bedarf in Höhe von 807,58 EUR um 511,- EUR. Auch unter Berücksichtigung eines Wohnkostenanteils in Höhe von 150,- EUR (600,- EUR geteilt durch 4 Personen) für das Haus in D. ist sein Bedarf durch eigenes Einkommen gedeckt.
Darüber hinaus sind weder die Ehefrau noch die volljährigen Kinder des Antragstellers in die Betrachtung einzubeziehen. Sie sind einzeln zu betrachten und gehalten, gegebenenfalls bestehende Leistungsansprüche eigenständig geltend zu machen. Auch im Falle einer eventuell bestehenden Anspruchsberechtigung bestehen für die Mitglieder eines Haushalts stets Individualansprüche gegen den Sozialhilfeträger; ein gemeinsamer Anspruch scheidet aus (Coseriu in: Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl. 2011, § 19 SGB XII RdNr. 4). Vielmehr wäre der Einkommensüberhang des Klägers nach § 43 Abs. 1 Halbs. 1 SGB XII (i.d.F. d. Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011, BGBl. I, 453, gültig ab 01.01.2011) bei einer Entscheidung über die Anspruchsberechtigung der Ehefrau zu berücksichtigen.
Auch eine familienrechtliche Unterhaltsverpflichtung ist – sofern wie hier nicht tituliert und nicht gegenüber Minderjährigen – nicht im Rahmen der Einkommensermittlung des Klägers im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB XII zu berücksichtigen (vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 24.01.1986 - IX OE 88/82 = NJW-RR 1986, 1268). Eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber seinen Kindern besteht lediglich im Rahmen seiner persönlichen Leistungsfähigkeit. Soweit es an dieser Leistungsfähigkeit fehlt, scheidet ein Unterhaltsanspruch aus. Gleichzeitig darf Folge einer auferlegten Unterhaltsverpflichtung nicht die Sozialhilfebedürftigkeit des Verpflichteten sein. Dieser darf, um sein Existenzminimum zu sichern, vor den Unterhaltsberechtigten aus seinem Einkommen seinen Bedarf vorab decken (vgl. BGH, Urteil vom 02.05.1999 - XII ZR 72/89 = NJW 1991, 356). Infolgedessen ist die Beurteilung der sozialhilferechtlichen Bedürftigkeit unabhängig von bestehenden Unterhaltspflichten. Eine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit kann nicht durch einen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger hergestellt werden (vgl. auch BVerfG 20.08.2001 - 1 BvR 1509/97 = FamRZ 2001, 1685 = juris Rn. 11).
2. Ferner ist der Beklagte nicht der örtlich zuständige Sozialhilfeträger. Nach § 98 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ist für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthaltsort des Leistungsberechtigten liegt. Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen muss aus den Umständen erkennbar sein. Sie müssen den Schluss zulassen, dass sich der Normadressat über einen längeren Zeitraum in dem bestimmten Gebiet aufhalten will. Von einem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt kann in der Regel ausgegangen werden, wenn die geplante Verweildauer mehr als sechs Monate betragen soll (vgl. zu dem gleichlautenden § 9 AO BFH, Urteil vom 30.08.1989 – I R 215/85 = BStBl. II 1989, 956). Im Gegensatz zum Wohnsitz kann ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht an mehreren Orten gleichzeitig bestehen (zu § 9 AO BFH, Urteil vom 09.02.1966 – I 244/63 = BStBl. III 1966, 522).
Nach der Überzeugung des Senats liegt nach diesen Maßstäben der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers in A. und somit außerhalb der Zuständigkeit des Landkreises Tuttlingen. Dafür spricht insbesondere, dass der Kläger über einen längeren Zeitraum von seiner Adresse B.straße 22 in A. Gebrauch gemacht hat, woran sich der Wille, sich längere Zeit in A. aufzuhalten, festmachen lässt. Schon der "Wiederholungs-Antrag" vom 10.06.2011 enthält unter der Überschrift "Arbeitsbereich" die Anschrift B.str. 22, A ... Ebenfalls mit dieser Adresse und mit der Ortsangabe A. hat der Kläger sowohl die Klage- als auch die Berufungsschrift überschrieben. Ferner erreichten den Beklagten auch sämtliche Zustellungen unter dieser Adresse. Auch die vom Kläger vorgelegten Schreiben der DRV vom 19.04.2011 – also zeitlich vor dem beim Beklagten gestellten Antrag –, des GVV H. für die Gemeinde D. vom 29.07.2011 sowie des Rechtsanwalts N. vom 26.10.2011 haben den Kläger unter der Adresse in A. erreicht. Besonderes Gewicht hat darüber hinaus, dass der Kläger und seine Ehefrau vor der Stadtverwaltung A. am 15.09.2011 erklärten, die Wohnung in D. sei als alleinige Wohnung der G. S., die Wohnung in A. als alleinige Wohnung des R. S. zu betrachten. Dass der Kläger ausweislich der Aufenthaltsbescheinigung der Gemeinde D. vom 2.11.2010 dort seit dem 19.02.2004 mit der Hauptwohnung gemeldet ist, ist vor diesem Hintergrund unerheblich. Der polizeilichen An- und Abmeldung kommt lediglich indizielle Bedeutung zu, die hier durch die letztlich maßgebliche tatsächliche Gestaltung widerlegt ist. Aus denselben Gründen ist auch weder entscheidend, dass sich der Kläger aufgrund äußerer Umstände gezwungen sieht, sich in A. aufzuhalten, noch dass dieser Aufenthaltsort aus der Sicht des Klägers lediglich eine Notunterkunft darstellt.
3. Sofern der Antrag des Klägers vom 08.06.2011 und 10.06.2011, in dem die Formulierung "Behindertenmobilität" verwendet wird, als Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gem. §§ 55 ff SGB XII zu verstehen sein sollte und der Beklagte damit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX als erstangegangener Rehabilitationsträger, der den Antrag nicht weitergeleitet hat, zuständig sein sollte, liegen jedenfalls die Voraussetzungen für die Gewährung nicht vor. Der Bedarf des Klägers für Mobilität ergibt sich nicht aus seiner Behinderung, sondern aus dem frei gewählten Umstand, dass er und seine Frau in verschiedenen Wohnungen an getrennten Orten leben und sich besuchen.
Eine Mitteilung an den zuständigen Träger gem. § 18 Abs. 2 Satz 1 SGB XII kommt vorliegend nicht mehr in Betracht, nachdem der Kläger nach seinem Bekunden im Erörterungstermin nun auch einen Antrag beim zuständigen Träger der Sozialhilfe beim Landratsamt in Balingen gestellt hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) hat.
Der 1935 geborene Kläger bezieht eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe des monatlichen Zahlbetrages von 1.318,58 EUR ab dem 01.07.2010. Der Kläger gibt den derzeitigen Auszahlungsbetrag mit ca. 1.400 Euro an. Daneben bezieht der Kläger eine Rente von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) in Höhe von monatlich 52,62 EUR wegen in der ehemaligen DDR erlittenen Unrechts. Beim Kläger ist ein Grad der Behinderung von 60 mit Merkzeichen G anerkannt. Die 1942 geborene Ehefrau des Klägers bezieht ebenfalls eine Altersrente, ab dem 01.07.2007 kommt nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ein Betrag von 645,38 EUR zur Auszahlung. Der Kläger gibt den derzeitigen monatlichen Auszahlungsbetrag mit 660 EUR an. Bei der Ehefrau des Klägers ist der Grad der Behinderung mit 100 und das Merkzeichen "G" festgestellt. Der Kläger und seine Ehefrau haben neben älteren Kindern die 1984 geborenen Söhne D. und A., von denen sich der eine noch im Studium befindet, der andere Arbeitslosengeld II bezieht und die beide von dem Kläger nach seinen Angaben finanziell unterstützt werden. Die Eheleute unterhalten zwei Wohnungen: eine in Z. 21 in D., Landkreis Tuttlingen (für den der Beklagte zuständig ist) und eine weitere in B.str. 22 in A., Zollernalbkreis. Für die Wohnung in A., wo der Kläger wohnt, fallen nach Angaben des Klägers monatliche Kosten in Höhe von 400,- EUR an (250,- Kaltmiete, 110 Heizkosten, 40,- EUR Nebenkosten) auf die er 370,- EUR zahlt. Für das Haus in D., hierbei handelt es sich um ein im Eigentum des Klägers stehendes angeblich renovierungsbedürftiges Haus, in dem seine Ehefrau und auch die Söhne D. und A. wohnen, fallen nach Angaben des Klägers Kosten in Höhe von ca. 600,- EUR monatlich an (35,- EUR Belastungen aus Fremdmitteln, ca. 290,- EUR Heizkosten, 275 ,- EUR Nebenkosten) auf die der Kläger bis 500,- EUR zahlt.
Anträge des Klägers und seiner Ehefrau auf Leistungen der Grundsicherung nach dem Grundsicherungsgesetz im Jahr 2003 sowie auf aufstockende Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII im Jahr 2007 sind wegen fehlender Hilfebedürftigkeit erfolglos geblieben (Bescheid des Landratsamts Tuttlingen vom 04.03.2003 und vom 03.09.2003, Bescheide des Beklagten vom 07.04.2008). Ebenso blieb der Antrag des Klägers vom 21.02.2010 auf "ergänzende Hilfe zur Rente" mangels Bedürftigkeit und mangels Wohnsitz im Bezirk des Beklagten erfolglos (Bescheid vom 11.03.2010, Widerspruchsbescheid vom 24.03.2010). Auch der dagegen geführte Rechtsstreit blieb ohne Erfolg (Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz: S 5 SO 1398/10 ER, L 2 SO 4371/10 ER-B; Hauptsacheverfahren: S 5 SO 1397/10, L 7 SO 1049/11 - beendet durch Rücknahme, Wiederaufnahmeverfahren L 7 SO 1748/11 W-A, B 8 SO 10/11 BH).
Der Kläger beantragte bei dem Beklagten mit Schreiben vom 08.06.2011 und vom 10.06.2011 einen "kommunalen Sofortausgleich wegen Mittellosigkeit nach Wohnkosten, Heizkosten und Finanzierung uns zustehender Behinderten-Mobilität". Als Begründung führte der Kläger an, eine Soforthilfe sei erforderlich, da er als Ausgleichs- und Entschädigungsberechtigter nach dem 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz nicht in der Lage sei, sich seine Altersrente von ca. 1.300 EUR voll anrechnen zu lassen. Nach Auskunft des Sozialgerichts Reutlingen sei er zudem leistungsfähig bezüglich jeglicher Unterhaltspflicht. Sämtliche engen Familienangehörigen seien mittellos. Diese Mittellosigkeit sei ihnen aus sittlichen und behindertenrechtlichen Gründen nicht zuzumuten. Die Ehefrau des Klägers sei zu 100%, Merkzeichen G, er selbst zu 60%, ebenfalls Merkzeichen G, schwerbehindert. Ungeachtet der melderechtlichen Einschätzung der Behinderten-Aufenthaltsmöglichkeit seien sie aus gesundheitsfürsorgerischen Gründen wechselseitig aufeinander angewiesen. Ganz gleich welcher Gemeinde man sie zuordne, einzeln würden sie nirgends aufgenommen. Die noch immer sicherste gemeinsame soziale Anlaufstelle bleibe der Landkreis Tuttlingen. Obwohl dies teils mit der Auskunft, ihre Meldeverhältnisse seien ungeklärt, bestritten werde, würden die Angelegenheiten ihrer erwachsenen, der Gemeinde D. zuzuordnenden Kinder den Eltern zugeordnet. Die Höhe des Anspruchs ergebe sich aus dem durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommen multipliziert mit dem prozentualen Abdeckungsgrad unter Berücksichtigung der jeweiligen familiären und entschädigungsrechtlichen Situation, insgesamt multipliziert mit der familiär vorhandenen Anzahl berechtigter Personen. Daraus errechne sich – allerdings erst einmal auf dem Niveau der Wohnungslosigkeit – eine Soforthilfe von zunächst 750 EUR.
Die Anträge lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 16.06.2011 ab. Sozialhilferechtlich sei das Einkommen des Klägers hoch genug, um seinen Lebensunterhalt zu decken. Auch habe der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in A., Zollernalbkreis, angegeben. Somit sei die Zuständigkeit des dortigen Landratsamts in Balingen gegeben.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Der Landkreis Tuttlingen sei seit Jahrzehnten der Heimatkreis des Klägers und seiner Ehefrau und müsse seiner soziokulturellen Verpflichtung nachkommen. Der Zollernalbkreis hingegen sei aus Gründen eines wirtschaftlich unmöglichen Umzugs nicht zuständig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2011 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er aus, das Sozialamt Tuttlingen könne dem Kläger bei seinem Problem, das aus DDR-Zeiten resultiere, nicht helfen. Es sei dafür nicht zuständig.
Der Kläger hat dagegen am 19.08.2011 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, dass sie sich als Familie nicht mehr "über Wasser halten" könnten. Dies gelte insbesondere angesichts einer offenen Forderung für Wasser-/Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 1.517,56 EUR. Als Ehepaar verfügten sie nicht einmal über das soziokulturelle Existenzminimum. Von A. aus könnten sie nicht die Wasserversorgung für D. organisieren, wo sie den familiären Hauptwohnsitz zu erhalten suchten.
Der Kläger hat eine melderechtliche Erklärung von sich und seiner Ehefrau vom 15.09.2011 vorgelegt, wonach es ihnen als nicht getrennt lebendem Ehepaar nicht möglich sei einen gemeinsamen Wohnsitz zu benennen. Die Wohnung in D. sei die alleinige der Ehefrau, die Wohnung in A. die alleinige des Klägers.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.07.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu. Da es dem Kläger maßgeblich um die Bestreitung seines Lebensunterhaltes gehe, kämen einzig Leistungen nach § 19 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 41 Abs. 2 SGB XII in Betracht. Der Kläger sei aber in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu decken. Dies sei bereits – bei gleichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen – in mehreren Verfahren festgestellt worden.
Gegen den ihm mit Postzustellungsurkunde am 02.08.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) am 08.08.2012, Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf Hilfe zustehe. Als Schwerbehinderter komme der Kläger mit seiner Altersrente von ca. 1.400 EUR netto nicht mehr zurecht, nachdem er am 3.10.2011 schuldlos in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt worden sei. Das Kreissozialamt müsse zunächst für die daraus entstandenen Schäden einstehen. Auch könnten seine Ehefrau und er aufgrund fehlender Barrierefreiheit nicht überall wohnen. Sie pendelten daher zwischen zwei Notaufenthalten in D. und A. hin und her, was mit unzumutbar hohen Wohn- und Fahrtkosten verbunden sei. Dem Kläger entstünden daher mindestens – und mit steigender Tendenz – Kosten in Höhe von 1.820 EUR, die nur in Höhe von 1.400 EUR von seiner Altersrente gedeckt seien. Dem Beklagten sei seit Jahrzehnten bekannt, dass es um die Anrechenbarkeit seiner Entschädigungsrente gehe. Auch könnten die Unterstützungsleistungen für seine Frau und seine Söhne nicht außer Acht gelassen werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 31. Juli 2012 sowie den Bescheid vom 16. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. August 2011 aufzuheben und den Beklagten zur Gewährung von Leistungen, mindestens in Höhe von 420 EUR monatlich, zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin am 18.10.2012 übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten, die beigezogene Akte des LSG Baden-Württemberg, Az. L 2 SO 4371/10 ER-B, sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
I. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Sozialhilfe gegen den Beklagten. Es fehlt sowohl an einer Anspruchsberechtigung (1.) als auch an der örtlichen Zuständigkeit des Beklagten (2.).
1. Dem Kläger kommt es ausweislich seiner Anträge vom 08.06.2011 und 10.06.2011, in denen er die Übernahme der Wohn- und Heizkosten sowie die Absicherung seines Existenzminimums begehrt, maßgeblich auf das Bestreiten seines Lebensunterhaltes an. Als Leistungsart kommen damit ausschließlich die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Betracht. Gemäß §§ 19 Abs. 2 Satz 1, 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen, die die Altersgrenze des § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben, auf Antrag Grundsicherung im Alter zu gewähren, soweit diese ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII bestreiten können. Diese Voraussetzungen sind beim Kläger nicht erfüllt.
Der 1935 geborene Kläger ist zwar auf Grund seines Alters grundsätzlich leistungsberechtigt. Er ist jedoch nicht hilfebedürftig, weil sein Renteneinkommen seinen Bedarf deckt. Der Umfang der Leistungen bestimmt sich nach § 42 SGB XII (i.d.F. d. Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011, BGBl. I, 453, gültig ab 01.01.2011). Danach umfassen die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 1. die sich für die leistungsberechtigte Person nach der Anlage zu § 28 ergebende Regelbedarfsstufe, 2. die zusätzlichen Bedarfe nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels, 3. die Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach dem Dritten Abschnitt des Dritten Kapitels, ausgenommen die Bedarfe nach § 34 Absatz 7 - die beim Kläger nicht in Betracht kommen - 4. die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Abschnitt des Dritten Kapitels; bei Leistungen in einer stationären Einrichtung sind als Kosten für Unterkunft und Heizung Beträge in Höhe der durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die Warmmiete eines Einpersonenhaushaltes im Bereich des nach § 98 zuständigen Trägers der Sozialhilfe zugrunde zu legen, 5. ergänzende Darlehen nach § 37 Absatz 1.
Für den Kläger ist die Regelbedarfsstufe 1 zu berücksichtigen. Diese gilt für Personen, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt. Obwohl der Kläger verheiratet ist und ein Getrenntleben (maßgeblich für die Beurteilung ist der Begriff des Getrenntlebens in § 1567 BGB - vgl. BSG, Urteil vom 18.2.2010 – B 4 AS 49/09 R – BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr. 16 RdNr. 13 f) nicht dem Willen der Ehepartner entspricht, ist nicht die Regelbedarfsstufe 2 zu berücksichtigen, da danach Voraussetzung ist, dass die Ehepartner einen gemeinsamen Haushalt führen, also zusammen wohnen. Dies ist jedoch bei dem Kläger und seiner Frau nicht der Fall, da ausdrücklich melderechtlich erklärt der Kläger in A. und seine Frau in D. in getrennten Haushalten leben und sie sich wechselseitig besuchen. Die Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII beträgt ab 01.01.2012 374,- EUR (vorher ab 01.01.2011 364,- EUR).
Weiterhin steht dem Kläger ein Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII zu. Für Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit der Feststellung des Merkzeichens "G" wird ein Mehrbedarf von 17 v.H. der jeweiligen Regelbedarfsstufe anerkannt, somit 63,58 EUR ab 01.01.2010 (2011: 61,88 EUR).
Nicht unter die zusätzlichen Bedarfe fallen mangels gesetzlicher Grundlage die vom Kläger geltend gemachten Folgen des Verkehrsunfalles vom 03.10.2011. Auch die vom Kläger geltend gemachte Verfolgung in der ehemaligen DDR stellt keinen sozialhilferechtlich berücksichtigungsfähigen Belang dar. Ebenso wenig sind die 1984 geborenen Kinder des Klägers als Mehrbedarf zu berücksichtigen. Dies kommt nach § 30 Abs. 3 SGB XII allenfalls für minderjährige Kinder von Alleinerziehenden in Betracht.
Die Leistungen für Unterkunft und Heizung bestimmen sich nach § 35 SGB XII (i.d.F. d. Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011, BGBl. I, 453, gültig ab 01.01.2011). Danach werden Leistungen für die Unterkunft grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht (§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Zu berücksichtigen sind im Falle des Klägers hier allein die Kosten der von ihm bewohnten Wohnung in A., auf die der Kläger 370 EUR zahlt. Nicht hinzuzurechnen sind die Kosten für das von seiner Ehefrau und den beiden Söhnen bewohnte Haus in D., da der Kläger dort nicht wohnt, sondern sich nur besuchsweise aufhält. Selbst wenn der Kläger auch dort wohnen würde, wäre eine weitere Wohnung als sozialhilferechtlich unangemessen zu beurteilen. Ebenso könnten auch nicht die gesamten Kosten, sondern nur die anteiligen nach Kopfteilen ermittelten Kosten - hier ein Viertel - berücksichtigt werden.
Danach ergibt sich ein Gesamtbedarf des Klägers in Höhe von 807,58 EUR (Regelbedarf 374 EUR + Mehrbedarf 63,58 EUR + KdU 370 EUR).
Das demgegenüber zu berücksichtigende Einkommen des Klägers wird wesentlich durch seine gesetzliche Altersrente bestimmt, die nach § 82 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 SGB XII mit dem ungeminderten Nettobetrag anzusetzen ist. Dafür dass, wie vom Kläger geltend gemacht, aufgrund seiner Ausgleichs- und Entschädigungsberechtigung nach dem 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz die gesetzliche Rente lediglich teilweise zu berücksichtigen sei, fehlt eine gesetzliche Grundlage. Selbst unter Berücksichtigung der bereits für 2010 beschiedenen Rente in Höhe von 1.318,58 EUR übersteigt das Einkommen des Klägers auch ohne Berücksichtigung seiner VBL-Rente seinen Bedarf in Höhe von 807,58 EUR um 511,- EUR. Auch unter Berücksichtigung eines Wohnkostenanteils in Höhe von 150,- EUR (600,- EUR geteilt durch 4 Personen) für das Haus in D. ist sein Bedarf durch eigenes Einkommen gedeckt.
Darüber hinaus sind weder die Ehefrau noch die volljährigen Kinder des Antragstellers in die Betrachtung einzubeziehen. Sie sind einzeln zu betrachten und gehalten, gegebenenfalls bestehende Leistungsansprüche eigenständig geltend zu machen. Auch im Falle einer eventuell bestehenden Anspruchsberechtigung bestehen für die Mitglieder eines Haushalts stets Individualansprüche gegen den Sozialhilfeträger; ein gemeinsamer Anspruch scheidet aus (Coseriu in: Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl. 2011, § 19 SGB XII RdNr. 4). Vielmehr wäre der Einkommensüberhang des Klägers nach § 43 Abs. 1 Halbs. 1 SGB XII (i.d.F. d. Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011, BGBl. I, 453, gültig ab 01.01.2011) bei einer Entscheidung über die Anspruchsberechtigung der Ehefrau zu berücksichtigen.
Auch eine familienrechtliche Unterhaltsverpflichtung ist – sofern wie hier nicht tituliert und nicht gegenüber Minderjährigen – nicht im Rahmen der Einkommensermittlung des Klägers im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB XII zu berücksichtigen (vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 24.01.1986 - IX OE 88/82 = NJW-RR 1986, 1268). Eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber seinen Kindern besteht lediglich im Rahmen seiner persönlichen Leistungsfähigkeit. Soweit es an dieser Leistungsfähigkeit fehlt, scheidet ein Unterhaltsanspruch aus. Gleichzeitig darf Folge einer auferlegten Unterhaltsverpflichtung nicht die Sozialhilfebedürftigkeit des Verpflichteten sein. Dieser darf, um sein Existenzminimum zu sichern, vor den Unterhaltsberechtigten aus seinem Einkommen seinen Bedarf vorab decken (vgl. BGH, Urteil vom 02.05.1999 - XII ZR 72/89 = NJW 1991, 356). Infolgedessen ist die Beurteilung der sozialhilferechtlichen Bedürftigkeit unabhängig von bestehenden Unterhaltspflichten. Eine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit kann nicht durch einen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger hergestellt werden (vgl. auch BVerfG 20.08.2001 - 1 BvR 1509/97 = FamRZ 2001, 1685 = juris Rn. 11).
2. Ferner ist der Beklagte nicht der örtlich zuständige Sozialhilfeträger. Nach § 98 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ist für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthaltsort des Leistungsberechtigten liegt. Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen muss aus den Umständen erkennbar sein. Sie müssen den Schluss zulassen, dass sich der Normadressat über einen längeren Zeitraum in dem bestimmten Gebiet aufhalten will. Von einem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt kann in der Regel ausgegangen werden, wenn die geplante Verweildauer mehr als sechs Monate betragen soll (vgl. zu dem gleichlautenden § 9 AO BFH, Urteil vom 30.08.1989 – I R 215/85 = BStBl. II 1989, 956). Im Gegensatz zum Wohnsitz kann ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht an mehreren Orten gleichzeitig bestehen (zu § 9 AO BFH, Urteil vom 09.02.1966 – I 244/63 = BStBl. III 1966, 522).
Nach der Überzeugung des Senats liegt nach diesen Maßstäben der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers in A. und somit außerhalb der Zuständigkeit des Landkreises Tuttlingen. Dafür spricht insbesondere, dass der Kläger über einen längeren Zeitraum von seiner Adresse B.straße 22 in A. Gebrauch gemacht hat, woran sich der Wille, sich längere Zeit in A. aufzuhalten, festmachen lässt. Schon der "Wiederholungs-Antrag" vom 10.06.2011 enthält unter der Überschrift "Arbeitsbereich" die Anschrift B.str. 22, A ... Ebenfalls mit dieser Adresse und mit der Ortsangabe A. hat der Kläger sowohl die Klage- als auch die Berufungsschrift überschrieben. Ferner erreichten den Beklagten auch sämtliche Zustellungen unter dieser Adresse. Auch die vom Kläger vorgelegten Schreiben der DRV vom 19.04.2011 – also zeitlich vor dem beim Beklagten gestellten Antrag –, des GVV H. für die Gemeinde D. vom 29.07.2011 sowie des Rechtsanwalts N. vom 26.10.2011 haben den Kläger unter der Adresse in A. erreicht. Besonderes Gewicht hat darüber hinaus, dass der Kläger und seine Ehefrau vor der Stadtverwaltung A. am 15.09.2011 erklärten, die Wohnung in D. sei als alleinige Wohnung der G. S., die Wohnung in A. als alleinige Wohnung des R. S. zu betrachten. Dass der Kläger ausweislich der Aufenthaltsbescheinigung der Gemeinde D. vom 2.11.2010 dort seit dem 19.02.2004 mit der Hauptwohnung gemeldet ist, ist vor diesem Hintergrund unerheblich. Der polizeilichen An- und Abmeldung kommt lediglich indizielle Bedeutung zu, die hier durch die letztlich maßgebliche tatsächliche Gestaltung widerlegt ist. Aus denselben Gründen ist auch weder entscheidend, dass sich der Kläger aufgrund äußerer Umstände gezwungen sieht, sich in A. aufzuhalten, noch dass dieser Aufenthaltsort aus der Sicht des Klägers lediglich eine Notunterkunft darstellt.
3. Sofern der Antrag des Klägers vom 08.06.2011 und 10.06.2011, in dem die Formulierung "Behindertenmobilität" verwendet wird, als Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gem. §§ 55 ff SGB XII zu verstehen sein sollte und der Beklagte damit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX als erstangegangener Rehabilitationsträger, der den Antrag nicht weitergeleitet hat, zuständig sein sollte, liegen jedenfalls die Voraussetzungen für die Gewährung nicht vor. Der Bedarf des Klägers für Mobilität ergibt sich nicht aus seiner Behinderung, sondern aus dem frei gewählten Umstand, dass er und seine Frau in verschiedenen Wohnungen an getrennten Orten leben und sich besuchen.
Eine Mitteilung an den zuständigen Träger gem. § 18 Abs. 2 Satz 1 SGB XII kommt vorliegend nicht mehr in Betracht, nachdem der Kläger nach seinem Bekunden im Erörterungstermin nun auch einen Antrag beim zuständigen Träger der Sozialhilfe beim Landratsamt in Balingen gestellt hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved