Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3477/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4245/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18.08.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, streitig.
Die am 1956 geborene Klägerin erlernte den Beruf der Bankkauffrau und war in diesem Beruf bis 1980 beschäftigt. Nach einer Familienpause war sie ab März 1988 als Sekretärin beschäftigt, zunächst in Vollzeit und zuletzt seit September 2005 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Oktober 2008 in Teilzeit (17,5 Stunden wöchentlich).
Am 10.12.2008 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Ihren Antrag begründete sie mit seit langem bestehenden und sich stetig verschlimmernden Beschwerden, die seit August 2008 so unerträglich seien, dass sie kaum in die Öffentlichkeit gehen bzw. die Tätigkeiten im Büro nicht mehr ausüben könne. Diesbezüglich ist den vorgelegten Arztbriefen zu entnehmen, dass die Klägerin über eine umfangreiche Beschwerdesymptomatik klagt, die sie auf Umweltgifte zurückführt, insbesondere körperliche Missempfindungen, wie Zittern, Kribbeln, Ohren klopfen, Blähungsgefühle, Atembeschwerden (vgl. Arztbriefe der Ärztin für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. S. vom 06.03.2007 und des HNO-Arztes Dr. O. vom 16.08.2007) Die Beklagte veranlasste das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. O. , der die Klägerin am 28.01.2009 untersuchte. Er diagnostizierte eine Somatisierungsstörung sowie einen Zustand nach akuter Borreliose und äußerte den Verdacht auf eine chronische Borreliose und eine arterielle Hypertonie. Von internistischer Seite sah er keine Hinweise auf eine organische Erkrankung. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Sekretärin hielt er die Klägerin in vollem Umfang einsatzfähig. Die ferner mit einer Begutachtung beauftragte Ärztin für Psychiatrie Dr. S. diagnostizierte eine hypochondrische Störung sowie eine histrionische Persönlichkeitsstörung. Sie beschrieb die Klägerin als nicht motiviert, eine medikamentöse Therapie durchzuführen; auch bestehe kein ausgeprägter Leidensdruck oder eine depressive Auslenkung. Demgegenüber bestehe eine gewisse Affektstarre und freundliche Indolenz. Auffällig sei ein histrionisches Aggravieren, eine etwas manieristische und übertreibende Darstellungsweise. Denken und Bewusstsein seien klar ohne abnorme Bewusstseinsinhalte. Für die bisherige Tätigkeit erachtete Dr. S. die Klägerin vollschichtig belastbar.
Mit Bescheid vom 27.02.2009 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne sie Tätigkeiten im bisherigen Beruf als Sekretariatsangestellte sowie Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich verrichten und sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, sie sei selbst ihrer letzten Tätigkeit an einem an ihre Bedürfnisse angepassten Einzelarbeitsplatz mit der Möglichkeit, uneingeschränkt lüften zu können, aufgrund der Raumstäube, Abluftdünsten von Drucker, Faxgerät und PC sowie der Klimaanlage nicht mehr gewachsen gewesen, was zu zunehmenden krankheitsbedingten Ausfällen geführt habe. Aufgrund ihres Krankheitsbildes könne sie auch keinen persönlichen Kontakt mit Dritten aufnehmen, da sie nicht wisse, ob die von diesen Personen ausgehenden Ausdünstungen und Gerüche aus Kleidern und Kunststoffen zu Krankheitssymptomen führen, wie bspw. Blutdrucksteigerungen, plötzlich einsetzendem Anschwellen der Arme, Beine und des Leibes, Schwindel, Konzentrationsstörungen und Wortfindungsstörungen. Nach Einholung eines Befundberichts des Hausarztes der Klägerin, Allgemeinarzt/Naturheilverfahren H. , der als Diagnose eine chronische Borreliose und ein Multiple-chemical-sensivity-Syndrom mitteilte und die Beschwerden mit Konzentrationsstörungen, Sprachstörungen, Unruhe, Minderung der Leistungsfähigkeit und multiple Unverträglichkeiten gegen chemische Stoffe in der Umwelt beschrieb, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.2009 zurück.
Am 06.10.2009 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben, im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren verwiesen und geltend gemacht, ihr Gesundheitszustand verschlechtere sich weiter.
Das SG hat das Gutachten des Dr. S. , Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, aufgrund Untersuchung der Klägerin vom 17.02.2010 eingeholt. Der Sachverständige hat eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und auch narzisstischen Anteilen sowie eine ausgeprägte somatoforme Störung diagnostiziert und keine Anhaltspunkte für eine Neuroborreliose gesehen. Er hat die Klägerin für fähig erachtet, die Tätigkeit einer Sekretariatsangestellten vollschichtig zu verrichten. Die psychische Symptomatik sei nicht derart ausgeprägt bzw. entziehe sich nicht derart der zumutbaren Willensanstrengung, als dass sie ein unüberwindbares Hemmnis für die Aufnahme und Ausführung einer vollschichtigen Tätigkeit darstellen würde. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG darüber hinaus das Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin, Medizinische Informatik, Ernährungsmedizin A. aufgrund Untersuchung der Klägerin vom 17.09.2010 eingeholt. Der Sachverständige hat eine Somatisierung auf dem Boden einer gemischten Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend histrionischen Anteilen diagnostiziert, den Verdacht auf eine chronische Borreliose geäußert und ist aufgrund der aktenkundigen Befunde von einer kombinierten Lipidstoffwechselstörung und einer instabilen Blutdruckregulation ausgegangen, was sich auf die berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nicht nachteilig auswirke. Aufgrund der chronifizierten Somatisierung und der Persönlichkeitsstörung hat er die Klägerin für nicht erfolgreich in die Arbeitswelt integrierbar erachtet, da neben der Minderung der eigenen Leistungsfähigkeit durch somatisierte Symptome (das subjektive Beschwerdeerleben stehe einer wirtschaftlich effizienten Leistung entgegen) massive Konflikte mit der Kollegenschaft und den Vorgesetzten vorprogrammiert seien. Grund hierfür sei das Begehren der Klägerin, ihre Umgebung trotz fehlender Nachweise schädigender Agenzien auch auf Kosten des Wohlbefindens anderer Mitarbeiter leidensgerecht anzupassen oder anpassen zu wollen. Die Klägerin könne daher auch körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht länger als drei Stunden täglich ausüben. Hierzu hat sich für die Beklagte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. geäußert und angezweifelt, ob der Sachverständige A. ausreichend die von Dr. S. gesehene zumutbare Willensanstrengung, einer Arbeitstätigkeit nachzugehen, berücksichtigt habe. Hierzu hat sich der Sachverständige A. ergänzend geäußert. Er hat eine "Lücke" in seinem Gutachten, "wie sie von Herr Dr. med. S. vermutet" werde, verneint und die Richtigkeit seiner abweichenden Beurteilung bekräftigt. Hinsichtlich der Frage der zumutbaren Willensanstrengung verfüge er aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen im Übrigen auch über Sachkompetenz, die ohnehin nicht exklusiv dem neurologischen Fachgebiet zuzuschreiben sei, sondern generell zu den Aufgaben eines jeden Sachverständigen gehöre. Das SG hat ferner den Hautarzt Dr. F. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört, der mitgeteilt hat, dass bei der Klägerin eine akute bzw. floride Borreliose nicht nachgewiesen sei. Eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt um Umfang von sechs Stunden hat er mit Sicherheit für möglich erachtet, wenn die Psyche dies zulasse. Seines Erachtens sollte die Klägerin einer Psychotherapie zugeführt werden. Das SG hat schließlich eine ergänzende Stellungnahme des Dr. S. eingeholt, der darauf hingewiesen hat, dass der Sachverständige A. die Problematik der zumutbaren Willensanstrengung nicht diskutiert habe. Er hat unter vertiefter Begründung an der bisher vertretenen Auffassung festgehalten. Mit Urteil vom 18.08.2011 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten des Dr. S. abgewiesen. Die psychische Symptomatik der Klägerin sei angesichts ihres Tagesablaufs und ihrer Hobbies nicht derart ausgeprägt, dass sie sich der zumutbaren Willensanstrengung entziehe und sich als unüberwindbares Hemmnis für die Aufnahme und Ausführung einer vollschichtigen Tätigkeit darstelle.
Gegen das Ihren Bevollmächtigten am 30.08.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.09.2011 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG hätte nicht aus den Alltagsaktivitäten und dem Tagesablauf auf eine zumutbare Willensanstrengung schließen dürfen. Vielmehr hätte es dem Gutachten des Sachverständigen A. folgen müssen, das diesbezüglich keine "Lücke" enthalte. Das SG habe es im Übrigen versäumt, der Frage nachzugehen, ob bei ihr eine Borreliose bzw. eine Neuroborreliose vorliege. Insoweit legte sie den Befundbericht des MVZ Laborzentrums E. vom 28.11.2011 vor.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18.08.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.09.2009 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ab 01.09.2009 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Der Senat hat die Praktische Ärztin und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S.-S. schriftlich als sachverständige Zeugin angehört, die von einigen orientierenden psychotherapeutischen Gesprächen in der Zeit vom 14.06. bis 19.11.2010 berichtet hat. Die Klägerin habe sie, ihren eigenen Angaben zu Folge, einzig deshalb aufgesucht, weil die Rentenversicherung von ihr verlange eine Psychotherapie zu machen. Das Krankheitsbild der Klägerin sei sehr komplex und nicht einfach einzuordnen. Diagnostisch sei sie von einer schweren Somatisierungssstörung bei histrionischer Persönlichkeitsstruktur ausgegangen. Der Abbruch der Behandlung sei erfolgt, weil sie eine Verhaltenstherapie nicht für sinnvoll und aussichtsreich erachtet habe.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 27.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung noch wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Denn im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen ist sie weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruches (§§ 43, 240 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass die Klägerin diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil sie die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Sekretärin weiterhin zumindest sechs Stunden täglich verrichten kann und sie im Sinne der maßgeblichen Regelungen daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig ist. Der Senat schließt sich den Darlegungen des SG an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung.
In Übereinstimmung mit der Auffassung des SG vermag auch der Senat nicht festzustellen, dass die psychischen Störungen der Klägerin, die von den Sachverständigen Dr. S. und A. im Wesentlichen übereinstimmend als Somatisierungsstörung auf dem Boden einer kombinierten Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wurden, der Ausübung der zuletzt verrichteten Tätigkeit einer Sekretariatsangestellten im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich entgegen stehen und solche Tätigkeiten insbesondere auch bei zumutbarer Willensanstrengung nicht mehr möglich sein sollen. Seelisch bedingte Störungen kommen für die Begründung einer Erwerbsminderung nämlich nur dann in Betracht, wenn der Betroffene sie bei der ihm zuzumutenden Willensanspannung nicht aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe (BSG, Urteil vom 21.10.1969, 11 RA 219/66 in SozR Nr. 76 zu § 1246 RVO) sogleich oder innerhalb eines halben Jahres überwinden kann (BSG, Urteil vom 01.07.1964, 11/1 RA 158/61 in SozR Nr. 39 zu § 1246 RVO). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.
Aus welchen Gründen die von dem Sachverständigen A. vertretene gegenteilige Auffassung, auf die sich die Klägerin stützt, nicht überzeugt, hat das SG ausführlich dargelegt und dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass der Sachverständige seiner Leistungsbeurteilung im Wesentlichen die Beschwerdeschilderungen der Klägerin zu Grunde gelegt hat. Hieraus hat er abgeleitet, dass sie einerseits nicht in die Arbeitswelt integrierbar sei, da ihre Forderungen nach leidensgerechter Anpassung ihres Arbeitsplatzes auf Kosten des Wohlbefindens anderer Mitarbeiter zu massiven Konflikte führe und andererseits ihr subjektives Beschwerdeerleben einer wirtschaftlich effizienten Leistung entgegen stehe. Dies überzeugt auch den Senat nicht. Denn das Gutachten des Sachverständigen A. lässt eine Plausibilitäts- bzw. Konsistenzprüfung im Sinne einer kritischen Zusammenschau der Untersuchungsbefunde und der Verhaltensweise der Klägerin unter Berücksichtigung der Tagesstruktur und des Freizeitverhaltens vermissen, zumal nicht allein die diagnostische Zuordnung eines Beschwerdekomplexes zu einer psychiatrischen Erkrankung auf eine rentenrelevante Leistungseinschränkung hinweist, sondern maßgeblich insoweit vielmehr das Ausmaß und die Schwere der von der Erkrankung ausgehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist, was eine kritische Würdigung des subjektiven Beschwerdevorbringens zwingend erfordert. Darüber hinaus ist der Sachverständige A. nicht nur in seinem Gutachten, sondern auch im Rahmen seiner ergänzenden Ausführungen - worauf das SG ebenfalls zutreffend hingewiesen hat - eine Begründung dafür schuldig geblieben, weshalb er - im Gegensatz zu der Auffassung des Dr. S. - die Klägerin auch bei zumutbarer Willensanstrengung nicht für in der Lage erachtet, einer Beschäftigung nachzugehen. Der Sachverständige hat in umfangreichen Ausführungen zwar ausgeführt, weshalb sein Gutachten hinsichtlich dieser Frage entgegen der Vermutung des von der Beklagten hinzugezogenen Beratungsarztes Dr. S. keine Lücke enthalte und er für die Beurteilung der Problematik der zumutbaren Willensanstrengung durchaus auch als Arbeitsmediziner kompetent sei, jedoch hat er sich zu der aufgeworfenen Frage letztlich inhaltlich nicht geäußert, so dass für den Senat offen bleibt, aus welchen konkreten Gesichtspunkten er seine insoweit vertretene Ansicht ableitet.
Demgegenüber hat der Senat im Hinblick auf die von dem Sachverständigen Dr. S. dargelegten Gesichtspunkte erhebliche Zweifel daran, dass die Erkrankung der Klägerin einer beruflichen Tätigkeiten der zuletzt ausgeübten Art im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich auch bei der ihr zuzumutenden Willensanspannung entgegen steht. Dr. S. hat für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass bei Menschen mit schwerwiegenden Persönlichkeitsstörungen schon die Ausbildung oder Aufnahme einer Arbeitstätigkeit erschwert ist und es dann ggf. zu sehr häufigen Stellenwechseln kommt. Hinweise auf eine derartige Ausprägung der Persönlichkeitsstörung der Klägerin finden sich nicht. Denn der Werdegang der Klägerin weist diesbezüglich keine Auffälligkeiten auf. Vielmehr wurde die Klägerin nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau im Ausbildungsbetrieb weiterbeschäftigt und löste das Arbeitsverhältnis dann erst wegen einer beruflichen Ortsveränderung des damaligen Ehemanns auf. Die nach der Familienpause sodann im Jahr 1988 aufgenommene Beschäftigung bei der Firma Weinig AG übte die Klägerin, wenn auch mit Änderungen im Aufgabenbereich und zuletzt im zeitlichen Umfang, dann bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Oktober 2008 aus. Hinweise auf schwerwiegende Persönlichkeitsstörungen ergeben sich damit nicht. Auch hinsichtlich der Schwere der somatoformen Schmerzstörung vermag der Senat seiner Beurteilung nicht die Darlegungen der Klägerin zu Grunde zu legen. Vielmehr hat der Senat erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des vorgebrachten Beschwerdeausmaßes. So erfolgte im Hinblick darauf zu keinem Zeitpunkt eine kontinuierliche psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung. Bei der Schwere der geltend gemachten Beeinträchtigungen und dem Umstand, dass von organischer Seite zu keinem Zeitpunkt relevante Gesundheitsstörungen diagnostiziert wurden, die die Beschwerden hätten erklären können, wäre jedoch zu erwarten, dass die Klägerin als Folge des erheblichen Leidensdruck therapeutische Hilfe sucht und in Anspruch nimmt. Entsprechende Behandlungsmöglichkeiten hat sie jedoch zu keinem Zeitpunkt in Anspruch genommen. Soweit sie sich im Juni 2010 bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S.-S. vorgestellt hat, lag auch dieser Konsultation kein Behandlungswunsch mit dem Ziel der Linderung von Beschwerden zugrunde. Denn nach den Ausführungen der Dr. S.-S. in ihrer dem Senat erteilten Auskunft als sachverständige Zeugin stellte sich die Klägerin dort einzig deshalb vor, weil die Rentenversicherung - so die Angaben der Dr. S.-S. - von ihr verlange, eine Psychotherapie zu machen. Auf einen erheblichen Leidensdruck weist dieses Vorgehen nicht hin. In diesem Zusammenhang sind für den Senat auch die weiteren Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. von Bedeutung, wonach er im Rahmen seiner Untersuchung eine auffällige Diskrepanz zwischen den Beschwerdeschilderungen der Klägerin und den objektivierbaren Befunden und insbesondere auch nur einen sehr geringen spürbaren Leidensdruck gesehen hat. Er hat deshalb auf eine (gewisse) Instrumentalisierung der Beschwerden im laufenden Rentenrechtsstreit geschlossen und hat es für nahe liegend erachtet, dass die Beschwerden auch im Sinne einer Regulierung der sozialen bzw. privaten Beziehungen und Konflikte instrumentalisiert werden. In diesem Zusammenhang misst der Senat auch dem weiteren Gesichtspunkt Bedeutung zu, dass die Klägerin, obwohl sie weitreichende Beeinträchtigungen durch Umweltgifte beschreibt, regelmäßig alle 14 Tage ein Sonnenstudio aufsucht und sich damit gezielt sogar bekanntermaßen starken Expositionen schädlicher Strahlen aussetzt. Nachdem die Klägerin im Übrigen keine wesentlichen Einschränkungen der Motorik, des geistigen Leistungsvermögens und der Wahrnehmung ihrer Interessen zeigt und zudem auch problemlos die in der Praxis des Dr. S. durchgeführte Untersuchung bewältigt hat, ohne dass es zu einer Exacerbation der Symptomatik gekommen wäre, sieht der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Auswirkungen der somatoformen Störungen durch zumutbare Willensanstrengung für die Klägerin nicht zu beherrschen wären bzw. nicht überwunden werden könnten.
Soweit sich die Klägerin im Berufungsverfahren auf Laborbefunde beruft, die das Vorliegen einer Borreliose bestätigten, hat Dr. S. für die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass aus einer positiven Borrelienserologie nicht auf eine dauerhafte rentenrelevante Leistungsminderung geschlossen werden kann. Im Hinblick auf die insoweit maßgeblichen Funktionsbeeinträchtigungen sind vielmehr allein die klinischen Befunde relevant. Hinweise auf relevante Änderungen im Gesundheitszustand der Klägerin seit den zuletzt durchgeführten Begutachtungen sind jedoch nicht ersichtlich. Entsprechende Änderungen hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Nach alledem kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, streitig.
Die am 1956 geborene Klägerin erlernte den Beruf der Bankkauffrau und war in diesem Beruf bis 1980 beschäftigt. Nach einer Familienpause war sie ab März 1988 als Sekretärin beschäftigt, zunächst in Vollzeit und zuletzt seit September 2005 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Oktober 2008 in Teilzeit (17,5 Stunden wöchentlich).
Am 10.12.2008 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Ihren Antrag begründete sie mit seit langem bestehenden und sich stetig verschlimmernden Beschwerden, die seit August 2008 so unerträglich seien, dass sie kaum in die Öffentlichkeit gehen bzw. die Tätigkeiten im Büro nicht mehr ausüben könne. Diesbezüglich ist den vorgelegten Arztbriefen zu entnehmen, dass die Klägerin über eine umfangreiche Beschwerdesymptomatik klagt, die sie auf Umweltgifte zurückführt, insbesondere körperliche Missempfindungen, wie Zittern, Kribbeln, Ohren klopfen, Blähungsgefühle, Atembeschwerden (vgl. Arztbriefe der Ärztin für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. S. vom 06.03.2007 und des HNO-Arztes Dr. O. vom 16.08.2007) Die Beklagte veranlasste das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. O. , der die Klägerin am 28.01.2009 untersuchte. Er diagnostizierte eine Somatisierungsstörung sowie einen Zustand nach akuter Borreliose und äußerte den Verdacht auf eine chronische Borreliose und eine arterielle Hypertonie. Von internistischer Seite sah er keine Hinweise auf eine organische Erkrankung. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Sekretärin hielt er die Klägerin in vollem Umfang einsatzfähig. Die ferner mit einer Begutachtung beauftragte Ärztin für Psychiatrie Dr. S. diagnostizierte eine hypochondrische Störung sowie eine histrionische Persönlichkeitsstörung. Sie beschrieb die Klägerin als nicht motiviert, eine medikamentöse Therapie durchzuführen; auch bestehe kein ausgeprägter Leidensdruck oder eine depressive Auslenkung. Demgegenüber bestehe eine gewisse Affektstarre und freundliche Indolenz. Auffällig sei ein histrionisches Aggravieren, eine etwas manieristische und übertreibende Darstellungsweise. Denken und Bewusstsein seien klar ohne abnorme Bewusstseinsinhalte. Für die bisherige Tätigkeit erachtete Dr. S. die Klägerin vollschichtig belastbar.
Mit Bescheid vom 27.02.2009 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne sie Tätigkeiten im bisherigen Beruf als Sekretariatsangestellte sowie Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich verrichten und sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, sie sei selbst ihrer letzten Tätigkeit an einem an ihre Bedürfnisse angepassten Einzelarbeitsplatz mit der Möglichkeit, uneingeschränkt lüften zu können, aufgrund der Raumstäube, Abluftdünsten von Drucker, Faxgerät und PC sowie der Klimaanlage nicht mehr gewachsen gewesen, was zu zunehmenden krankheitsbedingten Ausfällen geführt habe. Aufgrund ihres Krankheitsbildes könne sie auch keinen persönlichen Kontakt mit Dritten aufnehmen, da sie nicht wisse, ob die von diesen Personen ausgehenden Ausdünstungen und Gerüche aus Kleidern und Kunststoffen zu Krankheitssymptomen führen, wie bspw. Blutdrucksteigerungen, plötzlich einsetzendem Anschwellen der Arme, Beine und des Leibes, Schwindel, Konzentrationsstörungen und Wortfindungsstörungen. Nach Einholung eines Befundberichts des Hausarztes der Klägerin, Allgemeinarzt/Naturheilverfahren H. , der als Diagnose eine chronische Borreliose und ein Multiple-chemical-sensivity-Syndrom mitteilte und die Beschwerden mit Konzentrationsstörungen, Sprachstörungen, Unruhe, Minderung der Leistungsfähigkeit und multiple Unverträglichkeiten gegen chemische Stoffe in der Umwelt beschrieb, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.2009 zurück.
Am 06.10.2009 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben, im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren verwiesen und geltend gemacht, ihr Gesundheitszustand verschlechtere sich weiter.
Das SG hat das Gutachten des Dr. S. , Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, aufgrund Untersuchung der Klägerin vom 17.02.2010 eingeholt. Der Sachverständige hat eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und auch narzisstischen Anteilen sowie eine ausgeprägte somatoforme Störung diagnostiziert und keine Anhaltspunkte für eine Neuroborreliose gesehen. Er hat die Klägerin für fähig erachtet, die Tätigkeit einer Sekretariatsangestellten vollschichtig zu verrichten. Die psychische Symptomatik sei nicht derart ausgeprägt bzw. entziehe sich nicht derart der zumutbaren Willensanstrengung, als dass sie ein unüberwindbares Hemmnis für die Aufnahme und Ausführung einer vollschichtigen Tätigkeit darstellen würde. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG darüber hinaus das Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin, Medizinische Informatik, Ernährungsmedizin A. aufgrund Untersuchung der Klägerin vom 17.09.2010 eingeholt. Der Sachverständige hat eine Somatisierung auf dem Boden einer gemischten Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend histrionischen Anteilen diagnostiziert, den Verdacht auf eine chronische Borreliose geäußert und ist aufgrund der aktenkundigen Befunde von einer kombinierten Lipidstoffwechselstörung und einer instabilen Blutdruckregulation ausgegangen, was sich auf die berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nicht nachteilig auswirke. Aufgrund der chronifizierten Somatisierung und der Persönlichkeitsstörung hat er die Klägerin für nicht erfolgreich in die Arbeitswelt integrierbar erachtet, da neben der Minderung der eigenen Leistungsfähigkeit durch somatisierte Symptome (das subjektive Beschwerdeerleben stehe einer wirtschaftlich effizienten Leistung entgegen) massive Konflikte mit der Kollegenschaft und den Vorgesetzten vorprogrammiert seien. Grund hierfür sei das Begehren der Klägerin, ihre Umgebung trotz fehlender Nachweise schädigender Agenzien auch auf Kosten des Wohlbefindens anderer Mitarbeiter leidensgerecht anzupassen oder anpassen zu wollen. Die Klägerin könne daher auch körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht länger als drei Stunden täglich ausüben. Hierzu hat sich für die Beklagte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. geäußert und angezweifelt, ob der Sachverständige A. ausreichend die von Dr. S. gesehene zumutbare Willensanstrengung, einer Arbeitstätigkeit nachzugehen, berücksichtigt habe. Hierzu hat sich der Sachverständige A. ergänzend geäußert. Er hat eine "Lücke" in seinem Gutachten, "wie sie von Herr Dr. med. S. vermutet" werde, verneint und die Richtigkeit seiner abweichenden Beurteilung bekräftigt. Hinsichtlich der Frage der zumutbaren Willensanstrengung verfüge er aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen im Übrigen auch über Sachkompetenz, die ohnehin nicht exklusiv dem neurologischen Fachgebiet zuzuschreiben sei, sondern generell zu den Aufgaben eines jeden Sachverständigen gehöre. Das SG hat ferner den Hautarzt Dr. F. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört, der mitgeteilt hat, dass bei der Klägerin eine akute bzw. floride Borreliose nicht nachgewiesen sei. Eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt um Umfang von sechs Stunden hat er mit Sicherheit für möglich erachtet, wenn die Psyche dies zulasse. Seines Erachtens sollte die Klägerin einer Psychotherapie zugeführt werden. Das SG hat schließlich eine ergänzende Stellungnahme des Dr. S. eingeholt, der darauf hingewiesen hat, dass der Sachverständige A. die Problematik der zumutbaren Willensanstrengung nicht diskutiert habe. Er hat unter vertiefter Begründung an der bisher vertretenen Auffassung festgehalten. Mit Urteil vom 18.08.2011 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten des Dr. S. abgewiesen. Die psychische Symptomatik der Klägerin sei angesichts ihres Tagesablaufs und ihrer Hobbies nicht derart ausgeprägt, dass sie sich der zumutbaren Willensanstrengung entziehe und sich als unüberwindbares Hemmnis für die Aufnahme und Ausführung einer vollschichtigen Tätigkeit darstelle.
Gegen das Ihren Bevollmächtigten am 30.08.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.09.2011 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG hätte nicht aus den Alltagsaktivitäten und dem Tagesablauf auf eine zumutbare Willensanstrengung schließen dürfen. Vielmehr hätte es dem Gutachten des Sachverständigen A. folgen müssen, das diesbezüglich keine "Lücke" enthalte. Das SG habe es im Übrigen versäumt, der Frage nachzugehen, ob bei ihr eine Borreliose bzw. eine Neuroborreliose vorliege. Insoweit legte sie den Befundbericht des MVZ Laborzentrums E. vom 28.11.2011 vor.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18.08.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.09.2009 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ab 01.09.2009 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Der Senat hat die Praktische Ärztin und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S.-S. schriftlich als sachverständige Zeugin angehört, die von einigen orientierenden psychotherapeutischen Gesprächen in der Zeit vom 14.06. bis 19.11.2010 berichtet hat. Die Klägerin habe sie, ihren eigenen Angaben zu Folge, einzig deshalb aufgesucht, weil die Rentenversicherung von ihr verlange eine Psychotherapie zu machen. Das Krankheitsbild der Klägerin sei sehr komplex und nicht einfach einzuordnen. Diagnostisch sei sie von einer schweren Somatisierungssstörung bei histrionischer Persönlichkeitsstruktur ausgegangen. Der Abbruch der Behandlung sei erfolgt, weil sie eine Verhaltenstherapie nicht für sinnvoll und aussichtsreich erachtet habe.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 27.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung noch wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Denn im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen ist sie weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruches (§§ 43, 240 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass die Klägerin diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil sie die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Sekretärin weiterhin zumindest sechs Stunden täglich verrichten kann und sie im Sinne der maßgeblichen Regelungen daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig ist. Der Senat schließt sich den Darlegungen des SG an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung.
In Übereinstimmung mit der Auffassung des SG vermag auch der Senat nicht festzustellen, dass die psychischen Störungen der Klägerin, die von den Sachverständigen Dr. S. und A. im Wesentlichen übereinstimmend als Somatisierungsstörung auf dem Boden einer kombinierten Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wurden, der Ausübung der zuletzt verrichteten Tätigkeit einer Sekretariatsangestellten im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich entgegen stehen und solche Tätigkeiten insbesondere auch bei zumutbarer Willensanstrengung nicht mehr möglich sein sollen. Seelisch bedingte Störungen kommen für die Begründung einer Erwerbsminderung nämlich nur dann in Betracht, wenn der Betroffene sie bei der ihm zuzumutenden Willensanspannung nicht aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe (BSG, Urteil vom 21.10.1969, 11 RA 219/66 in SozR Nr. 76 zu § 1246 RVO) sogleich oder innerhalb eines halben Jahres überwinden kann (BSG, Urteil vom 01.07.1964, 11/1 RA 158/61 in SozR Nr. 39 zu § 1246 RVO). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.
Aus welchen Gründen die von dem Sachverständigen A. vertretene gegenteilige Auffassung, auf die sich die Klägerin stützt, nicht überzeugt, hat das SG ausführlich dargelegt und dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass der Sachverständige seiner Leistungsbeurteilung im Wesentlichen die Beschwerdeschilderungen der Klägerin zu Grunde gelegt hat. Hieraus hat er abgeleitet, dass sie einerseits nicht in die Arbeitswelt integrierbar sei, da ihre Forderungen nach leidensgerechter Anpassung ihres Arbeitsplatzes auf Kosten des Wohlbefindens anderer Mitarbeiter zu massiven Konflikte führe und andererseits ihr subjektives Beschwerdeerleben einer wirtschaftlich effizienten Leistung entgegen stehe. Dies überzeugt auch den Senat nicht. Denn das Gutachten des Sachverständigen A. lässt eine Plausibilitäts- bzw. Konsistenzprüfung im Sinne einer kritischen Zusammenschau der Untersuchungsbefunde und der Verhaltensweise der Klägerin unter Berücksichtigung der Tagesstruktur und des Freizeitverhaltens vermissen, zumal nicht allein die diagnostische Zuordnung eines Beschwerdekomplexes zu einer psychiatrischen Erkrankung auf eine rentenrelevante Leistungseinschränkung hinweist, sondern maßgeblich insoweit vielmehr das Ausmaß und die Schwere der von der Erkrankung ausgehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist, was eine kritische Würdigung des subjektiven Beschwerdevorbringens zwingend erfordert. Darüber hinaus ist der Sachverständige A. nicht nur in seinem Gutachten, sondern auch im Rahmen seiner ergänzenden Ausführungen - worauf das SG ebenfalls zutreffend hingewiesen hat - eine Begründung dafür schuldig geblieben, weshalb er - im Gegensatz zu der Auffassung des Dr. S. - die Klägerin auch bei zumutbarer Willensanstrengung nicht für in der Lage erachtet, einer Beschäftigung nachzugehen. Der Sachverständige hat in umfangreichen Ausführungen zwar ausgeführt, weshalb sein Gutachten hinsichtlich dieser Frage entgegen der Vermutung des von der Beklagten hinzugezogenen Beratungsarztes Dr. S. keine Lücke enthalte und er für die Beurteilung der Problematik der zumutbaren Willensanstrengung durchaus auch als Arbeitsmediziner kompetent sei, jedoch hat er sich zu der aufgeworfenen Frage letztlich inhaltlich nicht geäußert, so dass für den Senat offen bleibt, aus welchen konkreten Gesichtspunkten er seine insoweit vertretene Ansicht ableitet.
Demgegenüber hat der Senat im Hinblick auf die von dem Sachverständigen Dr. S. dargelegten Gesichtspunkte erhebliche Zweifel daran, dass die Erkrankung der Klägerin einer beruflichen Tätigkeiten der zuletzt ausgeübten Art im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich auch bei der ihr zuzumutenden Willensanspannung entgegen steht. Dr. S. hat für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass bei Menschen mit schwerwiegenden Persönlichkeitsstörungen schon die Ausbildung oder Aufnahme einer Arbeitstätigkeit erschwert ist und es dann ggf. zu sehr häufigen Stellenwechseln kommt. Hinweise auf eine derartige Ausprägung der Persönlichkeitsstörung der Klägerin finden sich nicht. Denn der Werdegang der Klägerin weist diesbezüglich keine Auffälligkeiten auf. Vielmehr wurde die Klägerin nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau im Ausbildungsbetrieb weiterbeschäftigt und löste das Arbeitsverhältnis dann erst wegen einer beruflichen Ortsveränderung des damaligen Ehemanns auf. Die nach der Familienpause sodann im Jahr 1988 aufgenommene Beschäftigung bei der Firma Weinig AG übte die Klägerin, wenn auch mit Änderungen im Aufgabenbereich und zuletzt im zeitlichen Umfang, dann bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Oktober 2008 aus. Hinweise auf schwerwiegende Persönlichkeitsstörungen ergeben sich damit nicht. Auch hinsichtlich der Schwere der somatoformen Schmerzstörung vermag der Senat seiner Beurteilung nicht die Darlegungen der Klägerin zu Grunde zu legen. Vielmehr hat der Senat erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des vorgebrachten Beschwerdeausmaßes. So erfolgte im Hinblick darauf zu keinem Zeitpunkt eine kontinuierliche psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung. Bei der Schwere der geltend gemachten Beeinträchtigungen und dem Umstand, dass von organischer Seite zu keinem Zeitpunkt relevante Gesundheitsstörungen diagnostiziert wurden, die die Beschwerden hätten erklären können, wäre jedoch zu erwarten, dass die Klägerin als Folge des erheblichen Leidensdruck therapeutische Hilfe sucht und in Anspruch nimmt. Entsprechende Behandlungsmöglichkeiten hat sie jedoch zu keinem Zeitpunkt in Anspruch genommen. Soweit sie sich im Juni 2010 bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S.-S. vorgestellt hat, lag auch dieser Konsultation kein Behandlungswunsch mit dem Ziel der Linderung von Beschwerden zugrunde. Denn nach den Ausführungen der Dr. S.-S. in ihrer dem Senat erteilten Auskunft als sachverständige Zeugin stellte sich die Klägerin dort einzig deshalb vor, weil die Rentenversicherung - so die Angaben der Dr. S.-S. - von ihr verlange, eine Psychotherapie zu machen. Auf einen erheblichen Leidensdruck weist dieses Vorgehen nicht hin. In diesem Zusammenhang sind für den Senat auch die weiteren Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. von Bedeutung, wonach er im Rahmen seiner Untersuchung eine auffällige Diskrepanz zwischen den Beschwerdeschilderungen der Klägerin und den objektivierbaren Befunden und insbesondere auch nur einen sehr geringen spürbaren Leidensdruck gesehen hat. Er hat deshalb auf eine (gewisse) Instrumentalisierung der Beschwerden im laufenden Rentenrechtsstreit geschlossen und hat es für nahe liegend erachtet, dass die Beschwerden auch im Sinne einer Regulierung der sozialen bzw. privaten Beziehungen und Konflikte instrumentalisiert werden. In diesem Zusammenhang misst der Senat auch dem weiteren Gesichtspunkt Bedeutung zu, dass die Klägerin, obwohl sie weitreichende Beeinträchtigungen durch Umweltgifte beschreibt, regelmäßig alle 14 Tage ein Sonnenstudio aufsucht und sich damit gezielt sogar bekanntermaßen starken Expositionen schädlicher Strahlen aussetzt. Nachdem die Klägerin im Übrigen keine wesentlichen Einschränkungen der Motorik, des geistigen Leistungsvermögens und der Wahrnehmung ihrer Interessen zeigt und zudem auch problemlos die in der Praxis des Dr. S. durchgeführte Untersuchung bewältigt hat, ohne dass es zu einer Exacerbation der Symptomatik gekommen wäre, sieht der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Auswirkungen der somatoformen Störungen durch zumutbare Willensanstrengung für die Klägerin nicht zu beherrschen wären bzw. nicht überwunden werden könnten.
Soweit sich die Klägerin im Berufungsverfahren auf Laborbefunde beruft, die das Vorliegen einer Borreliose bestätigten, hat Dr. S. für die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass aus einer positiven Borrelienserologie nicht auf eine dauerhafte rentenrelevante Leistungsminderung geschlossen werden kann. Im Hinblick auf die insoweit maßgeblichen Funktionsbeeinträchtigungen sind vielmehr allein die klinischen Befunde relevant. Hinweise auf relevante Änderungen im Gesundheitszustand der Klägerin seit den zuletzt durchgeführten Begutachtungen sind jedoch nicht ersichtlich. Entsprechende Änderungen hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Nach alledem kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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