L 12 AS 5326/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 2292/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5326/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Eingliederungsverwaltungsakts und den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung mit anderem Inhalt.

Die Klägerin bezieht seit 2005 Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Sie ist ausgebildete Masseurin, eine Ausbildung zur Physiotherapeutin hat sie begonnen, aber nicht abgeschlossen. Nach Ablauf einer früheren Eingliederungsvereinbarung am 4. Februar 2011 bemühte sich die Mitarbeiterin des Beklagten S. um eine neue Eingliederungsvereinbarung mit der Klägerin. In Aktenvermerken vom 25. März 2011, 1. April 2011, 18. April 2011 und 30. Mai 2011 hielt sie zu persönlichen Vorsprachen der Klägerin fest, zum Wunsch der Klägerin, bestimmte Punkte in die neu abzuschließende Eingliederungsvereinbarung aufzunehmen (insbesondere ihre Nachqualifizierung als Physiotherapeutin, höhere Leistungen u.a. unter Einschluss von Kosten der Unterkunft für die Vorhaltung eines Kinderzimmers für ihre nicht mehr im Haushalt lebende Tochter und eines Alleinerziehendenzuschlages), habe keine Klärung herbeigeführt werden können. Die Klägerin fasste diese Wünsche u.a. auch in Schreiben vom 31. März 2011 und 29. Mai 2011 zusammen. Noch am 30. Mai 2011 erließ der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt mit einer Geltungsdauer bis 4. Dezember 2011. Darin sind die von der Klägerin gewünschten Punkte nicht enthalten. Zum Inhalt der Aktenvermerke, der Schreiben der Klägerin sowie des Eingliederungsverwaltungsakts wird auf Bl. 1 bis 20 der Verwaltungsakte (Vorgang Eingliederungsvereinbarung) des Beklagten Bezug genommen.

Mit ihrem Widerspruch gegen den Eingliederungsverwaltungsakt beantragte die Klägerin gleichzeitig den Wechsel der Sachbearbeiterin. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 19. August 2011 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Es gehe ihr nicht nur um die Nachqualifizierung als Physiotherapeutin, da sie sich diskriminiert fühle, weil sie damals bei zwei Kindern der Aufsichts- und Sorgfaltspflicht habe nachkommen müssen und weil Frau S. Verleumdungen erhoben habe, daraufhin Gutachter fehlerhafte Diagnosen erhoben hätten, sondern auch um einen Sachbearbeiterwechsel von Frau S. wegen Verleumdung, Drohung und falscher Behauptung. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2011 hat die Klägerin angegeben, Frau S. habe sie nie richtig gefördert. Andere hätten beispielsweise die Kosten für die Abendrealschule vom Jobcenter bezahlt bekommen, während sie dies habe selbst zahlen müssen. Sie fühle sich in mehrfachen Punkten von Frau S. ungerecht behandelt und verweise auch auf Art. 6 GG.

Mit Urteil vom 27. Oktober 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Eingliederungsvereinbarung mit anderem Inhalt und auch nicht auf Zuteilung einer neuen Sachbearbeiterin bzw. eines neuen Sachbearbeiters. § 15 Abs. 1 SGB II sei eine reine Verfahrensvorschrift, die das Verhalten und Vorgehen der Grundsicherungsträger steuern solle. Der Grundsicherungsträger treffe insoweit eine nicht justiziable Opportunitätsentscheidung darüber, welchen Verfahrensweg er zur Erfüllung des Ziels der Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wähle, ohne dass dieser dadurch einen Rechtsverlust erleide. Der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung und der Erlass eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts seien dabei grundsätzlich gleichberechtigte Wege (BSG, Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 13/09 R -, SozR 4-4200 § 15 Nr. 1). Somit treffe der jeweilige Sachbearbeiter die Entscheidung darüber, ob Verhandlungen mit dem Ziel des Abschlusses einer Eingliederungsvereinbarung geführt würden oder die Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt ersetzt bzw. von vornherein ein Verwaltungsakt über Eingliederungsleistungen erlassen werde, in der konkreten Situation unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles. Er könne auf Grund seiner Sach- und Personenkenntnis in der konkreten Situation am besten beurteilen, welcher Weg am ehesten einen raschen Eingliederungserfolg verspreche. Der Hilfebedürftige erleide dadurch keinen Rechtsverlust. In der Sache habe die Entscheidung des Grundsicherungsträgers für einen der beiden Wege nämlich keinen Einfluss auf den Anspruch des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auf die für ihn in Betracht kommenden Eingliederungsleistungen (BSG a.a.O.). Daher habe die Klägerin keinen Anspruch auf Aufnahme weiterer, aus ihrer Sicht günstiger Bestimmungen in die Eingliederungsvereinbarung. Die von ihr begehrten Leistungen seien zudem Gegenstand weiterer Verfahren. Die Klägerin habe folglich ausreichende Rechtschutzmöglichkeiten. Art. 6 GG sehe das Gericht schon aus diesem Grund nicht als verletzt an. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf einen anderen Sachbearbeiter.

Hiergegen richtet sich die am 5. Dezember 2011 eingelegte Berufung.

Am 4. Januar 2012 und am 13. Juli 2012 hat der Beklagte jeweils für Folgezeiträume weitere Eingliederungsverwaltungsakte erlassen. Auch hiergegen hat die Klägerin Widersprüche eingelegt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 2013 haben die Beteiligten klargestellt, dass zwischenzeitlich ein Wechsel der für die Klägerin zuständigen Sachbearbeiterin stattgefunden habe, außerdem der streitige Eingliederungsverwaltungsakt vom 30. Mai 2011 keine Sanktionen für die Klägerin nach sich gezogen habe und solche von Beklagtenseite auch nicht beabsichtigt seien. Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass sich vor diesem Hintergrund das Berufungsbegehren insgesamt erledigt haben dürfte. Hierauf hat der Klägerbevollmächtigte die Berufung auf den Streitgegenstand des Eingliederungsverwaltungsakts bzw. der Eingliederungsvereinbarung beschränkt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27. Oktober 2011 abzuändern, den Bescheid vom 30. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juli 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, eine neue Eingliederungsvereinbarung auf der Grundlage ihres Schreibens vom 29. Mai 2011 und der begleitend geführten Gespräche abzuschließen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig. Die Klägerin hat die Berufung zulässigerweise auf eines der vor dem SG verfolgten Begehren beschränkt.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Trotz entsprechendem Hinweis des Senats hat die Klägerin mit der Berufung das auf Aufhebung des Eingliederungsverwaltungsakts vom 30. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juli 2011 und Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung anstelle des genannten Verwaltungsakts gerichtete Begehren unverändert weiterverfolgt. Die hierauf gerichtete Klage ist aber unzulässig. Mit dem streitigen Bescheid hat der Beklagte durch Verwaltungsakt eine Eingliederungsvereinbarung ersetzt. Der Verwaltungsakt hat sich zwischenzeitlich erledigt. Gemäß § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Vorliegend hat sich der Eingliederungsverwaltungsakt angesichts seiner Geltungsdauer vom 30. Mai 2011 bis 4. Dezember 2011 durch Zeitablauf erledigt. Dies gilt auch für das Begehren der Klägerin anstelle des Eingliederungsverwaltungsakts vom 30. Mai 2011 eine Eingliederungsvereinbarung mit anderweitigem Inhalt zu schließen. Denn auch insoweit ist der Zeitraum, für den eine solche Vereinbarung an Stelle des Verwaltungsakts hätte getroffen werden können, bereits abgelaufen. Die von der Klägerin gleichwohl fortgeführte kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, gerichtet auf Aufhebung des Eingliederungsverwaltungsakts vom 30. Mai 2011 und Verpflichtung des Beklagten zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung mit den von ihr gewünschten Inhalten, ist unzulässig. Eine Umstellung der Klage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage, was im Falle der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 3 SGG möglich ist, ist nicht erfolgt. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch eine Umstellung der Klage nicht zu deren Zulässigkeit hätte führen können, da ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht ersichtlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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