Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KR 385/11 ES
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Krankenversicherung
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Gegenstandswert wird auf 24.996.15 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die beklagte Krankenkasse zur Tragung der Lohnkosten für eine Schulbegleiterin/Integrationshelferin im Rahmen der häuslichen Krankenpflege verpflichtet ist.
A., geb. 18.05.2002 (im Folgenden: Beigeladene), besucht die St. S. Schule P., Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Sie ist bei der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse krankenversichert. Die Gewährung von Leistungen durch die Beklagte erfolgt auf Basis des zwischen den Bundesrepublik Deutschland und dem Land Österreich bestehenden Auslandsabkommens.
Bei der Beigeladenen sind folgende Diagnosen ärztlich festgestellt:
- Propionazidämie (Abbaustörung im Eiweißstoffwechsel)
- Long-QT-Syndrom im Rahmen der Grunderkrankung (kardiale Rhythmusstörung)
- Statomotorische Entwicklungsverzögerung
- Expressive Sprachstörung
- Asthma bronchiale
- Gastroösophagiale Refluxkrankheit
- Adipositas
Auf Antrag des Schulträgers wurden vom klagenden Sozialhilfeträger die Kosten eines Schulbegleiters für das Schuljahr 2010/2011 für bis zu 20,25 Wochenstunden übernommen, zudem die Kosten eines Integrationshelfers zum Besuch der angeschlossenen Tagesstätte für bis zu 9,45 Wochenstunden.
Die Beigeladene besucht die Schule montags, mittwochs und freitags von 8.00 bis 11.45 Uhr, dienstags und donnerstags von 8.00 bis 12.30 Uhr, anschließend befindet sie sich bis 15.00 Uhr in Obhut der Tagesstätte.
Wegen der bei der Beigeladenen bestehenden Nahrungsunverträglichkeit ist die Zufuhr einer speziellen Sondennahrung erforderlich, die 4 mal täglich zu festen Zeiten (8.30 Uhr, 10.30 Uhr, 12.30 Uhr, 14.30 Uhr) verabreicht werden muss. Des Weiteren erhält sie um 9.00 Uhr, 10.00 Uhr, 13.00 Uhr und 14.00 Uhr Medikamente. Von der Pflegekasse bezieht die Beigeladene Leistungen nach Pflegestufe I (Pflegegutachten vom 11.02.2004), der GdB nach dem Schwerbehindertenrecht beträgt 70, außerdem sind die Merkzeichen "G", "B" und "H" in den Schwerbehindertenausweis eingetragen (Bescheid vom 28.11.2008).
Unter Zusendung der Kostenübernahmebescheide hat der Kläger bei der Beklagten Erstattungsansprüche gem. §§ 102 ff SGB X angemeldet.
Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung mit der Begründung ab, dass die Schulbegleitung durch eine Integrationshelferin keine Leistung der häuslichen Krankenpflege im Sinne von § 37 SGB V sei.
Mit Schreiben vom 19.12.2011, eingegangen am 20.12.2011, erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut.
Nach Ansicht des Klägers ist die Beklagte zur Kostenerstattung verpflichtet, da die Beigeladene einen vorrangigen Anspruch auf Behandlungspflege gem. § 37 Abs.2 SGB V gegenüber der Beklagten habe und der Kläger insoweit in Vorleistung getreten sei. Zur Begründung verwies er u.a. auf einen Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 29.06.2011 (Az: L 6 SO 57/11 B ER) sowie auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 21.11.2002 (Az: B 3 KR 13/02) und 10.11.2005 (3 KR 38/04 R).
Der Bedarf der Berechtigten bestehe in der Versorgung mit Sondennahrung und regelmäßiger Medikamentengabe. Durch das große Risiko, dass die Berechtigte dennoch erbricht und die Nahrungszuführung kompliziert durchzuführen ist, sei das Maß der von der Grundpflege erfassten Ernährung überschritten und der Behandlungspflege im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zuzurechnen. Die medizinische Notwendigkeit der Behandlungspflege sei durch ärztliche Verordnung dokumentiert. Die Schulsituation als solches erfordere keinen Hilfebedarf, da die Beigeladene den Anforderungen eines Schulalltages gewachsen sei. Insofern resultiere die Notwendigkeit einer Begleitperson einzig und allein aus der körperlichen Situation mit der Folge, dass nicht Eingliederungshilfe im Sinne des SGB XII, sondern medizinische Behandlungspflege nach dem SGB V zu leisten sei.
Die vom Kläger für das Schuljahr 2010/2011 erbrachten Aufwendungen wurden mit 24.996,15 Euro beziffert.
Die Beklagte widersprach dem geltend gemachten Erstattungsanspruch.
Zur Begründung trug sie mit Schriftsatz vom 01.03.2012 im Wesentlichen vor:
Die Abgabe von Sondennahrung sei dem Bereich der Grundpflege zuzuordnen (Nr. 3 des Verzeichnisses verordnungsfähiger Maßnahmen als Anlage der häuslichen Krankenpflegerichtlinien).
Eine Kostenübernahme für Maßnahmen der Grundpflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege sei nur dann möglich, wenn eine Krankenhausbehandlung verkürzt oder vermieden werde, (was vom behandelnden Arzt ausdrücklich nicht verordnet und aufgrund der Schulfähigkeit auch offensichtlich nicht gegeben sei), oder wenn dies im Rahmen einer Satzungsleistung vorgesehen sei. Nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit sei diese Leistungsart nicht zulässig (§ 37 Abs.2 Satz 4 bis 6 SGB V). Eine entsprechende Satzungsregelung liege bei der AOK Bayern, wie bei den meisten gesetzlichen Krankenkassen, nicht vor.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch seien demnach nicht erfüllt.
Mit Schriftsatz vom 26.07.2012 wies der Kläger ergänzend darauf hin, dass die Beigeladene während des Schulbesuches auf regelmäßig Zufuhr von Medikamenten unbedingt angewiesen sei. Die Medikamentenabgabe zähle nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.03.2005 (B 3 KR 9/04 R) zur Behandlungssicherungspflege und falle in den Zuständigkeitsbereich der Krankenkassen.
Der Kläger stellte den Antrag:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für A. für das Schuljahr 2010/2011 einen Betrag in Höhe von 24.996,15 Euro zu erstatten.
Der Erstattungsbetrag ist gem. § 108 SGB X mit 4 % zu verzinsen.
II. Der Beklagte wird verurteilt, seine Leistungspflicht für den Integrationshelfer für A. ab dem Schuljahr 2011/2012 in eigener Zuständigkeit anzuerkennen.
Die Beklagte stellte den Antrag,
die Klage abzuweisen.
Die Vertreter der Beigeladenen stellten keinen Antrag.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten des Klägers und des Beklagten sowie auf die von den Beteiligten im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige (Leistungs-)Klage ist nicht begründet.
Der Kläger kann von der Beklagten weder Erstattung der geltend gemachten Kosten in Höhe von 24.996,15 Euro verlangen, noch besteht Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte ab dem Schuljahr 2011/ 2012 die Kosten einer Schulbegleitung für die Beigeladene tragen muss.
Es fehlt insoweit an einer Rechtsgrundlage.
Die Entscheidung der Kammer ergibt sich im Wesentlichen aus folgenden Erwägungen:
1. Als Anspruchsgrundlage für die geforderte Erstattung kommt allein die Vorschrift des § 104 Abs.1 SGB X in Betracht, die den Anspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger regelt.
Die Grundvoraussetzung für den geltend gemachten Erstattungsanspruch wäre somit, dass die Beigeladene gegen die beklagte Krankenkasse einen Anspruch auf Gestellung von Schulbegleitung/Integrationshilfe gehabt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar kann, entsprechend dem Vortrag des Klägers, im vorliegenden Fall unterstellt werden, dass die Schulbegleitung/Integrationshilfe nicht zur Bewältigung der schulischen Anforderungen, sondern ausschließlich oder ganz überwiegend wegen der notwendigen Sondenernährung und Medikamentengabe erforderlich ist.
Die Beklagte hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei der Abgabe von Sondennahrung um "Ernährung" und damit um eine Maßnahme der Grundpflege handelt (vgl. Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege als Anlage zur häuslichen Krankenpflegerichtlinie nach § 92 Abs.1 Satz 2 Nr. 6 und Abs.7 SGB V).
Eine Kostenübernahme für Maßnahmen der Grundpflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege ist jedoch nur dann möglich, wenn eine Krankenhausbehandlung verkürzt oder vermieden wird (was offensichtlich nicht gegeben ist) oder wenn diese als Satzungsleistung zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erbracht wird. Eine entsprechende Satzungsregelung liegt bei der Beklagten nicht vor. Nachdem die Beigeladene pflegebedürftig im Sinne der sozialen Pflegeversicherung ist, wäre die Leistung auch nach § 37 Abs.2 Satz 4 bis 6 SGB V ausgeschlossen.
2. In einem vergleichbarem Fall hat bereits das Landessozialgericht Baden Württemberg (Urteil vom 26.03.2004 - L 4 KR 2048/02) entschieden, dass die Gabe von Sondennahrung in der Schule nicht von der Krankenversicherung beansprucht werden könne. Es handle sich weder um eine Leistung nach § 37 Abs.1 SGB V, weil dadurch nicht Krankenhausbehandlung vermieden würde, noch könne sie gem. § 37 Abs.2 SGB V als häusliche Krankenpflege zur Sicherung des Ziels ärztlicher Behandlung verlangt werden, da sie untrennbarer Bestandteil der Nahrungsaufnahme nach § 14 Abs.4 SGB XI sei. Die Zuordnung der Gabe von Sondennahrung zur Pflegeversicherung sei auch sachgerecht, da diese Verrichtung bei der Ermittlung des Gesamtpflegebedarfs für die Pflegeversicherung zu berücksichtigen sei und im Rahmen der Höchstgrenzen des § 36 Abs.3 SGB XI von der Pflegeversicherung auch als Sachleistung beansprucht werden könne.
Die Kammer schließt sich der in der zitierten Entscheidung niedergelegten Rechtsauffassung des Landessozialgerichts Baden Württemberg in vollem Umfang an. Soweit ersichtlich, besteht insoweit in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung auch Konsens.
3. Die vom Kläger zitierten Entscheidungen stützen sein Erstattungsverlangen nicht:
In der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 21.11.2002 (B 3 KR 13/02 R) wird lediglich festgestellt, dass der Anspruch auf Gewährung häuslicher Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass die Leistung außerhalb der Wohnung des Versicherten erbracht werden muss. Dies ist vorliegend (schon aufgrund der zwischenzeitlich geänderten Gesetzeslage) unstreitig. Im Übrigen ging es bei dieser Entscheidung nicht um Sondenernährung mittels PEG, sondern um Insulininjektionen bei einem an Diabetes erkrankten Versicherten. Dass es sich hierbei um eine Maßnahme der Behandlungspflege handelt, steht außer Frage.
Im Urteil vom 10.11.2005 (B 3 KR 38/04 R) hat das Bundessozialgericht entschieden, dass die ständige Beobachtung eines Patienten, um jederzeit medizinisch- pflegerisch eingreifen zu können, wenn es zu Verschlechterungen der Atmungsfunktion und zu Krampfanfällen kommt, eine behandlungspflegerische Maßnahme darstellt.
Die Beigeladene bedarf jedoch keiner ständigen Krankenbeobachtung, sondern es besteht ein genau definierter Hilfebedarf, nämlich Gabe von Sondennahrung und Medikamenteneinnahme zu jeweils festgelegten Zeiten.
Der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 29.06.2011 (L 6 SO 57/11 B ER) führt aus, dass die Sicherungspflege gem. § 37 Abs.2 SGB V vorrangig vor Leistungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff SGB XII ist, ferner dass die Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe als medizinische Rehabilitation und Behandlungssicherungspflege nach der Zielrichtung der Leistung zu erfolgen habe (Orientierungssatz 1 und 2, zitiert nach juris). Bei der dort zugrundeliegenden Fallkonstellation geht es, soweit ersichtlich, um "Beobachtung der Atmung". Der Beschluss liegt damit auf der vom Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 10.11.2005 (a.a.O.) aufgezeigten Linie. Schlussfolgerungen für den vorliegenden Fall lassen sich daraus ebenfalls nicht ableiten.
4. Ungeachtet des Umstandes, dass sich die Gabe von Sondennahrung bei der Beigeladenen komplizierter gestaltet als im Normalfall, handelt es sich weiterhin um Ernährung und damit um Grundpflege.
Für Grundpflegeleistungen lässt sich jedoch keine Leistungspflicht der Beklagten begründen.
Dass die Sondenernährung bei der Ermittlung des Hilfebedarfs im Rahmen der Pflegeversicherung zu berücksichtigen ist, steht außer Frage.
5. Anders ist die Situation bei der ebenfalls notwendigen Medikamentengabe. Insoweit handelt es sich - ebenfalls unstreitig - um eine Maßnahme der Behandlungspflege.
Ein Kostenerstattungsanspruch scheitert jedoch im vorliegenden Fall bereits an der fehlenden Verordnung.
Rein vorsorglich weist die Kammer darauf hin, dass sich allein aus der Notwendigkeit der Medikamentengabe zu bestimmten Zeitpunkten nicht die Notwendigkeit einer ganztägigen Schulbegleitung/Integrationshilfe zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ableiten lässt.
Die Klage war daher in vollem Umfang abzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs.1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) i.V.m. § 154 Abs.2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 52 Abs.1, § 63 Abs.2 Satz 1
Gerichtskostengesetz (GKG).
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Gegenstandswert wird auf 24.996.15 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die beklagte Krankenkasse zur Tragung der Lohnkosten für eine Schulbegleiterin/Integrationshelferin im Rahmen der häuslichen Krankenpflege verpflichtet ist.
A., geb. 18.05.2002 (im Folgenden: Beigeladene), besucht die St. S. Schule P., Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Sie ist bei der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse krankenversichert. Die Gewährung von Leistungen durch die Beklagte erfolgt auf Basis des zwischen den Bundesrepublik Deutschland und dem Land Österreich bestehenden Auslandsabkommens.
Bei der Beigeladenen sind folgende Diagnosen ärztlich festgestellt:
- Propionazidämie (Abbaustörung im Eiweißstoffwechsel)
- Long-QT-Syndrom im Rahmen der Grunderkrankung (kardiale Rhythmusstörung)
- Statomotorische Entwicklungsverzögerung
- Expressive Sprachstörung
- Asthma bronchiale
- Gastroösophagiale Refluxkrankheit
- Adipositas
Auf Antrag des Schulträgers wurden vom klagenden Sozialhilfeträger die Kosten eines Schulbegleiters für das Schuljahr 2010/2011 für bis zu 20,25 Wochenstunden übernommen, zudem die Kosten eines Integrationshelfers zum Besuch der angeschlossenen Tagesstätte für bis zu 9,45 Wochenstunden.
Die Beigeladene besucht die Schule montags, mittwochs und freitags von 8.00 bis 11.45 Uhr, dienstags und donnerstags von 8.00 bis 12.30 Uhr, anschließend befindet sie sich bis 15.00 Uhr in Obhut der Tagesstätte.
Wegen der bei der Beigeladenen bestehenden Nahrungsunverträglichkeit ist die Zufuhr einer speziellen Sondennahrung erforderlich, die 4 mal täglich zu festen Zeiten (8.30 Uhr, 10.30 Uhr, 12.30 Uhr, 14.30 Uhr) verabreicht werden muss. Des Weiteren erhält sie um 9.00 Uhr, 10.00 Uhr, 13.00 Uhr und 14.00 Uhr Medikamente. Von der Pflegekasse bezieht die Beigeladene Leistungen nach Pflegestufe I (Pflegegutachten vom 11.02.2004), der GdB nach dem Schwerbehindertenrecht beträgt 70, außerdem sind die Merkzeichen "G", "B" und "H" in den Schwerbehindertenausweis eingetragen (Bescheid vom 28.11.2008).
Unter Zusendung der Kostenübernahmebescheide hat der Kläger bei der Beklagten Erstattungsansprüche gem. §§ 102 ff SGB X angemeldet.
Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung mit der Begründung ab, dass die Schulbegleitung durch eine Integrationshelferin keine Leistung der häuslichen Krankenpflege im Sinne von § 37 SGB V sei.
Mit Schreiben vom 19.12.2011, eingegangen am 20.12.2011, erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut.
Nach Ansicht des Klägers ist die Beklagte zur Kostenerstattung verpflichtet, da die Beigeladene einen vorrangigen Anspruch auf Behandlungspflege gem. § 37 Abs.2 SGB V gegenüber der Beklagten habe und der Kläger insoweit in Vorleistung getreten sei. Zur Begründung verwies er u.a. auf einen Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 29.06.2011 (Az: L 6 SO 57/11 B ER) sowie auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 21.11.2002 (Az: B 3 KR 13/02) und 10.11.2005 (3 KR 38/04 R).
Der Bedarf der Berechtigten bestehe in der Versorgung mit Sondennahrung und regelmäßiger Medikamentengabe. Durch das große Risiko, dass die Berechtigte dennoch erbricht und die Nahrungszuführung kompliziert durchzuführen ist, sei das Maß der von der Grundpflege erfassten Ernährung überschritten und der Behandlungspflege im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zuzurechnen. Die medizinische Notwendigkeit der Behandlungspflege sei durch ärztliche Verordnung dokumentiert. Die Schulsituation als solches erfordere keinen Hilfebedarf, da die Beigeladene den Anforderungen eines Schulalltages gewachsen sei. Insofern resultiere die Notwendigkeit einer Begleitperson einzig und allein aus der körperlichen Situation mit der Folge, dass nicht Eingliederungshilfe im Sinne des SGB XII, sondern medizinische Behandlungspflege nach dem SGB V zu leisten sei.
Die vom Kläger für das Schuljahr 2010/2011 erbrachten Aufwendungen wurden mit 24.996,15 Euro beziffert.
Die Beklagte widersprach dem geltend gemachten Erstattungsanspruch.
Zur Begründung trug sie mit Schriftsatz vom 01.03.2012 im Wesentlichen vor:
Die Abgabe von Sondennahrung sei dem Bereich der Grundpflege zuzuordnen (Nr. 3 des Verzeichnisses verordnungsfähiger Maßnahmen als Anlage der häuslichen Krankenpflegerichtlinien).
Eine Kostenübernahme für Maßnahmen der Grundpflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege sei nur dann möglich, wenn eine Krankenhausbehandlung verkürzt oder vermieden werde, (was vom behandelnden Arzt ausdrücklich nicht verordnet und aufgrund der Schulfähigkeit auch offensichtlich nicht gegeben sei), oder wenn dies im Rahmen einer Satzungsleistung vorgesehen sei. Nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit sei diese Leistungsart nicht zulässig (§ 37 Abs.2 Satz 4 bis 6 SGB V). Eine entsprechende Satzungsregelung liege bei der AOK Bayern, wie bei den meisten gesetzlichen Krankenkassen, nicht vor.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch seien demnach nicht erfüllt.
Mit Schriftsatz vom 26.07.2012 wies der Kläger ergänzend darauf hin, dass die Beigeladene während des Schulbesuches auf regelmäßig Zufuhr von Medikamenten unbedingt angewiesen sei. Die Medikamentenabgabe zähle nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.03.2005 (B 3 KR 9/04 R) zur Behandlungssicherungspflege und falle in den Zuständigkeitsbereich der Krankenkassen.
Der Kläger stellte den Antrag:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für A. für das Schuljahr 2010/2011 einen Betrag in Höhe von 24.996,15 Euro zu erstatten.
Der Erstattungsbetrag ist gem. § 108 SGB X mit 4 % zu verzinsen.
II. Der Beklagte wird verurteilt, seine Leistungspflicht für den Integrationshelfer für A. ab dem Schuljahr 2011/2012 in eigener Zuständigkeit anzuerkennen.
Die Beklagte stellte den Antrag,
die Klage abzuweisen.
Die Vertreter der Beigeladenen stellten keinen Antrag.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten des Klägers und des Beklagten sowie auf die von den Beteiligten im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige (Leistungs-)Klage ist nicht begründet.
Der Kläger kann von der Beklagten weder Erstattung der geltend gemachten Kosten in Höhe von 24.996,15 Euro verlangen, noch besteht Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte ab dem Schuljahr 2011/ 2012 die Kosten einer Schulbegleitung für die Beigeladene tragen muss.
Es fehlt insoweit an einer Rechtsgrundlage.
Die Entscheidung der Kammer ergibt sich im Wesentlichen aus folgenden Erwägungen:
1. Als Anspruchsgrundlage für die geforderte Erstattung kommt allein die Vorschrift des § 104 Abs.1 SGB X in Betracht, die den Anspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger regelt.
Die Grundvoraussetzung für den geltend gemachten Erstattungsanspruch wäre somit, dass die Beigeladene gegen die beklagte Krankenkasse einen Anspruch auf Gestellung von Schulbegleitung/Integrationshilfe gehabt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar kann, entsprechend dem Vortrag des Klägers, im vorliegenden Fall unterstellt werden, dass die Schulbegleitung/Integrationshilfe nicht zur Bewältigung der schulischen Anforderungen, sondern ausschließlich oder ganz überwiegend wegen der notwendigen Sondenernährung und Medikamentengabe erforderlich ist.
Die Beklagte hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei der Abgabe von Sondennahrung um "Ernährung" und damit um eine Maßnahme der Grundpflege handelt (vgl. Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege als Anlage zur häuslichen Krankenpflegerichtlinie nach § 92 Abs.1 Satz 2 Nr. 6 und Abs.7 SGB V).
Eine Kostenübernahme für Maßnahmen der Grundpflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege ist jedoch nur dann möglich, wenn eine Krankenhausbehandlung verkürzt oder vermieden wird (was offensichtlich nicht gegeben ist) oder wenn diese als Satzungsleistung zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erbracht wird. Eine entsprechende Satzungsregelung liegt bei der Beklagten nicht vor. Nachdem die Beigeladene pflegebedürftig im Sinne der sozialen Pflegeversicherung ist, wäre die Leistung auch nach § 37 Abs.2 Satz 4 bis 6 SGB V ausgeschlossen.
2. In einem vergleichbarem Fall hat bereits das Landessozialgericht Baden Württemberg (Urteil vom 26.03.2004 - L 4 KR 2048/02) entschieden, dass die Gabe von Sondennahrung in der Schule nicht von der Krankenversicherung beansprucht werden könne. Es handle sich weder um eine Leistung nach § 37 Abs.1 SGB V, weil dadurch nicht Krankenhausbehandlung vermieden würde, noch könne sie gem. § 37 Abs.2 SGB V als häusliche Krankenpflege zur Sicherung des Ziels ärztlicher Behandlung verlangt werden, da sie untrennbarer Bestandteil der Nahrungsaufnahme nach § 14 Abs.4 SGB XI sei. Die Zuordnung der Gabe von Sondennahrung zur Pflegeversicherung sei auch sachgerecht, da diese Verrichtung bei der Ermittlung des Gesamtpflegebedarfs für die Pflegeversicherung zu berücksichtigen sei und im Rahmen der Höchstgrenzen des § 36 Abs.3 SGB XI von der Pflegeversicherung auch als Sachleistung beansprucht werden könne.
Die Kammer schließt sich der in der zitierten Entscheidung niedergelegten Rechtsauffassung des Landessozialgerichts Baden Württemberg in vollem Umfang an. Soweit ersichtlich, besteht insoweit in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung auch Konsens.
3. Die vom Kläger zitierten Entscheidungen stützen sein Erstattungsverlangen nicht:
In der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 21.11.2002 (B 3 KR 13/02 R) wird lediglich festgestellt, dass der Anspruch auf Gewährung häuslicher Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass die Leistung außerhalb der Wohnung des Versicherten erbracht werden muss. Dies ist vorliegend (schon aufgrund der zwischenzeitlich geänderten Gesetzeslage) unstreitig. Im Übrigen ging es bei dieser Entscheidung nicht um Sondenernährung mittels PEG, sondern um Insulininjektionen bei einem an Diabetes erkrankten Versicherten. Dass es sich hierbei um eine Maßnahme der Behandlungspflege handelt, steht außer Frage.
Im Urteil vom 10.11.2005 (B 3 KR 38/04 R) hat das Bundessozialgericht entschieden, dass die ständige Beobachtung eines Patienten, um jederzeit medizinisch- pflegerisch eingreifen zu können, wenn es zu Verschlechterungen der Atmungsfunktion und zu Krampfanfällen kommt, eine behandlungspflegerische Maßnahme darstellt.
Die Beigeladene bedarf jedoch keiner ständigen Krankenbeobachtung, sondern es besteht ein genau definierter Hilfebedarf, nämlich Gabe von Sondennahrung und Medikamenteneinnahme zu jeweils festgelegten Zeiten.
Der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 29.06.2011 (L 6 SO 57/11 B ER) führt aus, dass die Sicherungspflege gem. § 37 Abs.2 SGB V vorrangig vor Leistungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff SGB XII ist, ferner dass die Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe als medizinische Rehabilitation und Behandlungssicherungspflege nach der Zielrichtung der Leistung zu erfolgen habe (Orientierungssatz 1 und 2, zitiert nach juris). Bei der dort zugrundeliegenden Fallkonstellation geht es, soweit ersichtlich, um "Beobachtung der Atmung". Der Beschluss liegt damit auf der vom Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 10.11.2005 (a.a.O.) aufgezeigten Linie. Schlussfolgerungen für den vorliegenden Fall lassen sich daraus ebenfalls nicht ableiten.
4. Ungeachtet des Umstandes, dass sich die Gabe von Sondennahrung bei der Beigeladenen komplizierter gestaltet als im Normalfall, handelt es sich weiterhin um Ernährung und damit um Grundpflege.
Für Grundpflegeleistungen lässt sich jedoch keine Leistungspflicht der Beklagten begründen.
Dass die Sondenernährung bei der Ermittlung des Hilfebedarfs im Rahmen der Pflegeversicherung zu berücksichtigen ist, steht außer Frage.
5. Anders ist die Situation bei der ebenfalls notwendigen Medikamentengabe. Insoweit handelt es sich - ebenfalls unstreitig - um eine Maßnahme der Behandlungspflege.
Ein Kostenerstattungsanspruch scheitert jedoch im vorliegenden Fall bereits an der fehlenden Verordnung.
Rein vorsorglich weist die Kammer darauf hin, dass sich allein aus der Notwendigkeit der Medikamentengabe zu bestimmten Zeitpunkten nicht die Notwendigkeit einer ganztägigen Schulbegleitung/Integrationshilfe zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ableiten lässt.
Die Klage war daher in vollem Umfang abzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs.1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) i.V.m. § 154 Abs.2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 52 Abs.1, § 63 Abs.2 Satz 1
Gerichtskostengesetz (GKG).
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