L 22 R 1278/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 10 R 1683/11 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 1278/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. Dezember 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten im Wesentlichen die Aufhebung der Feststellung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Entgeltbegrenzung nach § 6 Abs. 2 Nr. 7 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG).

Der 1929 geborene Kläger war nach einer Ausbildung und Tätigkeit als technischer Zeichner und Markscheider und anschließendem Studium an der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft "W" P vom 16. November 1954 bis zum 30. April 1990 als Staatsanwalt und dabei ab dem 01. Januar 1978 in der Funktion eines Abteilungsleiters "Gesetzlichkeitsaufsicht" im Stellvertreterbereich 3 des Generalstaatsanwalts der DDR tätig; er war ab diesem Zeitpunkt in die Gehaltsgruppe E 3 eingestuft. Zum 01. Mai 1990 trat der Kläger in den Vorruhestand und bezieht seit dem 01. April 1994 Regelaltersrente.

Der Kläger war einbezogen in die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates und zahlte Beiträge für die Zeit vom 01. März 1971 bis zum 30. Juni 1990.

Mit Überführungsbescheid vom 24. November 1993 hatte die Beklagte die Zeiten vom 16. November 1954 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates und die in diesen Zeiten erzielten Entgelte festgestellt. Dabei hatte sie für die Zeit vom 01. Januar 1955 bis zum 30. Juni 1990 eine Begrenzung seiner Entgelte auf die Durchschnittsentgelte nach Anlage 5 AAÜG vorgenommen.

Mit Bescheid vom 12. September 1994 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hatte die Beklagte einen weiteren Überführungsbescheid erlassen, mit dem Entgelte die Entgelte für die Zeit ab 18. März 1990 bis zum 30. Juni 1990 nur noch auf die Werte der Anlage 3 (Jahreshöchstverdienste) begrenzt wurden. Im Übrigen war es bei den bisher getroffenen Feststellungen der Entgelte des Klägers für die restlichen Zeiten geblieben.

In Anwendung des AAÜG Änderungsgesetzes hatte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 19. März 1997 die Entgelte für die Zeiten vom 16. November 1954 bis zum 30. Juni 1990 erneut festgestellt. Dabei begrenzte sie nunmehr auch die Verdienste für die Zeiten vom 01. Januar 1955 bis zum 24. November 1977 sowie vom 01. Januar 1990 bis zum 26. März 1990 auf die Werte der Anlage 3, die Verdienste für die Zeit vom 01. Januar 1978 bis zum 16. Oktober 1989 blieben weiterhin auf die Werte der Anlage 5 begrenzt. Im Übrigen verblieb es bei den bisher festgestellten Entgelten. Im Bescheid ist weiter ausgeführt, dass die Daten vom Rentenversicherungsträger zu berücksichtigen seien für Leistungszeiträume ab dem 01. Januar 1997. Soweit die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen mit dem Hinweis "maßg. Anl. 3" versehen worden seien, sei hierin keine verbindliche Entscheidung des Versorgungsträgers zu sehen. Erst der Rentenversicherungsträger entscheide verbindlich, bis zu welchem Betrag die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen höchstens zu berücksichtigen seien.

Auf Antrag des Klägers vom 21. November 2005, seine Rente neu festzustellen und in Anwendung des 1. AAÜG Änderungsgesetzes überprüfte die Beklagte den Feststellungsbescheid vom 19. März 1997 und lehnte die teilweise Rücknahme diese Bescheides ab. Die begünstigenden Regelungen des 1. AAÜG Änderungsgesetzes fänden für den Kläger keine Anwendung, da dieser in der Zeit vom 01. Januar 1978 bis zum 30. Juni 1990 als Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR tätig gewesen sei. Eine Unterscheidung bezüglich der Art oder dem Gebiet der staatsanwaltlichen Tätigkeiten bei der Generalstaatsanwaltschaft, wie sie der Kläger für erforderlich halte - nämlich in solche mit Zuständigkeit für politische Strafsachen und die sonstigen beim Generalstaatsanwalt der DDR beschäftigten Staatsanwälte - habe der Gesetzgeber nicht getroffen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers, den dieser damit begründete, dass § 6 Abs. 2 Nr. 7 in der Fassung des 1. AAÜG Änderungsgesetzes dahingehend ausgelegt werden müsse, dass nur Staatsanwälte beim Generalstaatsanwalt der DDR erfasst würden, die in politische Strafverfahren involviert seien, was bei ihm nicht der Fall gewesen sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2006 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 17. Juli 2006 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Nachdem das Verfahren im Hinblick auf das Vorlageverfahren Az.: 1 BvL 9/06 beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geruht hatte, hat der Kläger nach Wiederaufnahme des Verfahrens seine Klage im Wesentlichen damit begründet, dass er es nach wie vor für grundgesetzwidrig halte, Staatsanwälten der DDR allein deshalb, weil sie in der Generalstaatsanwaltschaft tätig gewesen seien, rentenrechtlich schlechter zu stellen als die Richter des Obersten Gerichts der DDR, die wie alle anderen Richter und Staatsanwälte auch Nachteile nur in Kauf nehmen müssten, wenn sie in politische Strafverfahren involviert gewesen seien. Letzteres sei bei ihm aber zu keiner Zeit der Fall gewesen; im Übrigen gebe es auch sonst keinen Grund, die Übereinstimmung der von ihm im Wesentlichen auf dem Gebiet des Zivilrechts geleisteten staatsanwaltschaftlichen Tätigkeiten mit rechtsstaatlichen Prinzipien in Zweifel zu ziehen. Ihm habe hauptsächlich die Ausarbeitung von Kassationsanträgen zur Aufhebung fehlerhafter rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen auf den Gebieten des Zivil-, Familien-, Arbeits-, Patent- und Urheberrechts sowie die Vertretung dieser Anträge vor dem Obersten Gericht der DDR oblegen. Darüber hinaus sei er für die Bearbeitung von Eingaben der Bürger an die Staatsanwaltschaft gegen sie beschwerende Verwaltungsentscheidungen zuständig gewesen. Ein weiteres umfangreiches Tätigkeitsfeld sei die Schulung der betrieblichen Konfliktkommissionen sowie die Überprüfung, ggf. gerichtliche Anfechtung von deren Beschlüssen gewesen. Er glaube nicht, dass es für die rentenrechtliche Schlechterstellung der Staatsanwälte der Generalstaatsanwaltschaft der DDR, wie sie in § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG nunmehr festgestellt worden sei, einen vernünftigen Grund gebe. Es habe sich um einen "Lapsus" des Gesetzgebers bei der Abfassung des Gesetzestextes gehandelt. Insoweit wende er sich gegen die Feststellung der Tatbestandsvoraussetzung für die Entgeltbegrenzung nach § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG. Die Vorschrift müsse einschränkend auf den Kreis der Staatsanwälte begrenzt werden, die so genannte politische Straftaten verfolgt hätten. Er habe im Übrigen auch keinerlei Privilegien genossen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2006 in der Fassung es Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Feststellungsbescheid der Beklagten vom 19. März 1997 insoweit aufzuheben, als darin die Tatbestandsvoraussetzungen für die Entgeltbegrenzung des § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG festgestellt werden und den Feststellungsbescheid der Beklagten vom 19. März 1997 im Übrigen abzuändern und auch die Zeit seiner Zugehörigkeit im Versorgungssystem der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (Anlage 1 Nr. 19 AAÜG) vom 01. Januar 1978 bis 16. Oktober 1989 mit dem während dieses Zeitraums tatsächlich erzielten Entgelt ohne das Vorliegen eines Sondertatbestandes für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze nach § 6 Abs. 2 AAÜG festzustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Meinung vertreten, dass sich der Kläger in dem Verfahren gegen die Entgeltbegrenzung wende, also gegen die Feststellung einer niedrigeren als der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze. Über dieses Begehren könne nur der Rentenversicherungsträger zulässig entscheiden.

Durch Urteil des SG vom 05. Dezember 2011 ist die Klage abgewiesen worden. Das SG hat die Klage für zulässig erachtet, soweit der Kläger die Aufhebung der Feststellung der Beklagten im Bescheid vom 19. März 1997, dass die Voraussetzung für eine Entgeltbegrenzung nach § 6 Abs. 2 AAÜG für die Zeit vom 01. Januar 1978 bis zum 16. Oktober 1989 vorlägen, begehre. Die Klage sei jedoch unbegründet, da der Kläger unstreitig in dem genannten Zeitraum in der Generalstaatsanwaltschaft im Stellvertretungsbereich 3 Leiter der Abteilung "Gesetzlichkeitsaufsicht" mit Gehaltsstufe E 3 tätig gewesen sei und der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates angehört habe, so dass der Sondertatbestand des § 6 Abs. 2, Nr. 7 AAÜG i. d. F. des 1. AAÜG-Änderungsgesetzes vorgelegen habe. Diese Vorschrift sei auch nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur die Staatsanwälte der Generalstaatsanwaltschaft der DDR von dieser Regel erfasst sein sollten, die mit politischen Strafsachen befasst gewesen seien. Die Beklagte habe die Norm bereits entsprechend dem gesetzgeberischen Willen zutreffend insoweit einschränkend ausgelegt, als sie nur die Zeit der Tätigkeit des Klägers mit einer Funktion eines Hauptabteilungsleiters (Gehaltsstufe E 3 bzw. ab 1985 Gehaltsstufe 12) berücksichtigt habe. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich auch Zeiten in Funktionen auf den höchsten Ebenen des "Kadernomenklatursytems" einbezogen wissen wollen, zu dem die Generalstaatsanwaltschaft als die höchste Rechtsaufsicht gehört habe. § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG sei in der von der Beklagten angewandten eingeschränkten Auslegung auf Zeiten mit Funktionen eines Hauptabteilungsleiters nicht verfassungswidrig.

Gegen die ihm am 17. Dezember 2011 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 27. Dezember 2011 Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung wird vom Kläger im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Er vertritt auch weiterhin die Auffassung, dass in seinem Fall - unabhängig vom Ausgang einer Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG - die Vorschrift im Sinne der Gleichbehandlung mit den ehemaligen Richtern des Obersten Gerichts der DDR auszulegen sei. Im Verhältnis zu vergleichbaren Tätigkeiten, wie z. B. als Senatsvorsitzender des Obersten Gerichts der DDR, aber auch zu anderen hochqualifizierten Tätigkeiten außerhalb der Justiz, sei sein Gehalt nicht überhöht gewesen. Eine Weisungsbefugnis gegenüber dem MfS hätten nach dem Gesetz über die Staatsanwaltschaft der DDR lediglich der Generalstaatsanwalt der DDR, sein für solche Verfahren zuständiger Stellvertreter und die in der Abteilung I A tätigen Staatsanwälte gehabt. Zu diesem Personenkreis habe er nicht gehört.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. Dezember 2011 sowie des Bescheides der Beklagten vom 14. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2006 die Beklagte zu verpflichten, den Feststellungsbescheid vom 19. März 1997 insoweit zurückzunehmen, als darin die Tatbestandsvoraussetzungen für die Entgeltbegrenzung des § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG festgestellt werden und diesen Feststellungsbescheid dahin abzuändern, dass die Zeit der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates mit dem während dieses Zeitraumes tatsächlich erzielten Entgelt ohne das Vorliegen eines Sondertatbestandes für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze nach § 6 Abs. 2 AAÜG fest gestellt wird und hingegen festzustellen, dass die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze gilt

hilfsweise,

die Sache zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, dass der Kläger zum Personenkreis des § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG zähle. Die Rechtsfolgen, die sich aus dieser Tatsache in renten- bzw. leistungsrechtlicher Hinsicht ergäben und ob diese Rechtsfolgen mit höherrangigem Recht (Verfassung der BRD) in Einklang stünden, sei nicht Gegenstand des dem Zusatzversorgungsträger obliegenden gesetzlichen Feststellungs /Mitteilungsauftrages. Die vom Kläger vorgetragenen Einwände und rechtlichen Bedenken seien insoweit fälschlich an den Zusatzversorgungsträger adressiert, sie seien aber gegen die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Rentenversicherungsträger zu richten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der bei gezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (Az.: ), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zutreffend die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2006 abgewiesen.

Die gegen die Ablehnung der Rücknahme des Bescheides vom 19. März 1997 gerichtete Klage ist zulässig. Allerdings ist sie unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf (teilweise) Rücknahme dieses Bescheides.

Als Regelungen stellt der Bescheid fest

1. die Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zu einem Versorgungssystem, 2. die Höhe des aus dem vom Versorgungssystem erfassten Beschäftigung oder Tätigkeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens, 3. die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, ob die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze in Betracht kommt (§§ 6 und 7 AAÜG) und 4. die Anzahl der Arbeitsausfalltage.

Der Kläger selbst wendet sich nicht gegen die Feststellungen zu 1., 2. und 4. Er beansprucht ausschließlich, die während der Zeit seiner Zugehörigkeit zum Versorgungssystem der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates vom 01. Januar 1978 bis zum 16. Oktober 1989 erzielten Entgelte ohne das Vorliegen eines Sondertatbestandes für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze nach § 6 Abs. 2 AAÜG festzustellen und wendet sich so gegen 3.

Ein Anspruch auf teilweise Aufhebung oder Rücknahme des Bescheides vom 19. März 1997 und Feststellung seiner in der Zeit vom 01. Januar 1978 bis zum 16. Oktober 1989 tatsächlich erzielten Entgelte ohne das Vorliegen eines Sondertatbestandes für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze nach § 6 Abs. 2 AAÜG ist nicht begründet. Damit hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Festzustellung, dass die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze gilt.

Die Beklagte hat zu Recht das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG festgestellt, die zu einer Begrenzung der Entgelte nach Anlage 5 AAÜG führen.

Ob Anspruchsgrundlage für den erhobenen Anspruch des Klägers § 8 Abs. 3 S. 2 AAÜG i. V. m. § 44 SGB X ist, den die Beklagte im angegriffenen Bescheid vom 14. Oktober 2006 ausdrücklich als Anspruchsgrundlage geprüft hat, oder § 8 Abs. 3 S. 2 AAÜG i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, weil nach dem bindend gewordenen Bescheid der Beklagten vom 19. März 1997 eine Rechtsänderung in Form der Neufassung des § 6 Abs. 2 AAÜG durch das 1. AAÜG ÄndG vom 21. Juni 2005 (BGBl. I Seite 1672) ergangen ist, kann dahinstehen.

§ 8 Abs. 3 S. 2 AAÜG lautet:

Die Vorschriften des Dritten Abschnitts des Ersten Kapitels des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch sind anzuwenden.

§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X lautet:

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

§ 44 Abs. 2 SGB X lautet.

Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X lautet:

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

Während § 44 die Rechtswidrigkeit eines nicht begünstigenden Verwaltungsaktes erfordert, setzt § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine wesentliche Änderung voraus. Beides ist hier nicht der Fall. Weder hat die Beklagte bei Erlass des Bescheides vom 19. März 1997 das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Darüber hinaus ist auch durch den Erlass des 1. AAÜG Änderungsgesetzes, insbesondere die Neufassung des § 6 Abs. 2 AAÜG, für den Kläger keine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen eingetreten, die zu einer anderen Entscheidung der Beklagten betreffend den Zeitraum vom 01. Januar 1978 bis zum 16. Oktober 1989 führen würde.

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG ist die Beklagte als Versorgungsträger im Sinne von § 8 Abs. 4 Nr. 1 AAÜG berufen, die dort genannten Daten vorzumerken, die für die Feststellung der Rangstellung des Wertes der SGB VI Rente durch den Rentenversicherungsträger von Bedeutung sein können. Dies sind nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. zuletzt Urteil vom 14. Dezember 2011, B 5 R 2/10 R, veröffentlicht in juris, dort Rz. 24) nur die Daten über Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, die Höhe des aus dem vom Versorgungssystem erfassten Beschäftigung oder Tätigkeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens, die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, ob die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze in Betracht kommt (§§ 6 und 7 AAÜG) und (in den Fällen den § 8 Abs. 1 Satz 3 AAÜG) die Feststellung von Arbeitsausfalltagen.

Soweit der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit gegen den Versorgungsträger die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung der besonderen Beitragsbemessungsgrenze des § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des 1. AAÜG Änderungsgesetzes angreift, weil seine Tätigkeit als Staatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft der DDR nicht unter die Norm des § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG falle, da mit diesem Personenkreis lediglich Staatsanwälte gemeint seien, die "lediglich die Staatsanwälte betreffe, die mit politischen Strafsachen in der DDR befasst" gewesen seien, entspricht seine Rechtsauffassung nicht dem Gesetz.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung der besonderen Beitragsbemessungsgrenze des § 6 Abs. 2 AAÜG lauteten in der Fassung des AAÜG Änderungsgesetzes vom 11. November 1996 (BGBl. I Seite 1674), das Grundlage für den bindend gewordenen Bescheid der Beklagten vom 19. März 1997 gewesen ist:

§ 6 Abs. 2

Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 2, 3 oder Nr. 19 bis 27 oder Anlage 2 Nr. 1 bis 3 bis zum 17. März 1990, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde, in der ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen mindestens in Höhe des jeweiligen Betrags der Anlage 4 bezogen wurde, ist den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst der jeweilige Betrag der Anlage 5 zugrunde zu legen. Für die Ermittlung des nach Anlage 4 jeweils maßgebenden Betrags wird neben dem Gehalt oder den Vergütungen für die Dienststellung, den Dienstgrad und das Dienstalter auch eine Aufwandsentschädigung berücksichtigt. Zulagen werden nicht berücksichtigt. Bei einer Minderung des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens durch Arbeitsausfalltage ist für die Ermittlung des nach Anlage 4 jeweils maßgebenden Betrags das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen, das ohne die Arbeitsausfalltage erzielt worden wäre.

Abs. 3

Abs. 2 gilt auch für Zeiten, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit als ...

7. Richter oder Staatsanwalt,

ausgeübt wurde. Die genannten gesetzlichen Voraussetzungen hat der Kläger erfüllt, was von ihm auch nicht bestritten wird: Er ist Staatsanwalt gewesen und hatte in der Zeit vom 01. Januar 1978 bis zum 16. Oktober 1989 Entgelte der Gehaltsstufe E 3 erhalten, so dass die Beklagte zu Recht für diesen Zeitraum lediglich die Entgelte der Anlage 5 zugrunde legte, da der Kläger nachgewiesene Bruttoarbeitsentgelte über den Werten der damals gültigen Anlage 4 zum AAÜG für diesen Zeitraum (teilweise unter Berücksichtigung von Arbeitsausfalltagen) erzielt hatte. Der Kläger hat diesen Bescheid in der Folge auch nicht mit Widerspruch angegriffen.

Eine Änderung in den rechtlichen Verhältnissen ergab sich für den maßgeblichen Sachverhalt in der Folgezeit nicht.

Das 2. AAÜG Änderungsgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I Seite 1939) sah vor, dass die zum 01. Januar 1997 (durch das AAÜG Änderungsgesetz von 1996) erfolgte Anhebung der Entgeltbegrenzungsstufe rückwirkend zum 01. Juli 1993 in Kraft gesetzt wurde, wenn am 28. April 1999 ein Überführungsbescheid eines Versorgungsträgers noch nicht bindend geworden war (Art. 13 Abs. 7 des 2. AAÜG Änderungsgesetzes; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 06. Juli 2010, 1 BvL 9/06, 1 BvL 2/08, veröffentlicht in juris, dort Rz. 17). Da der Bescheid der Beklagten vom 19. März 1997 am 28. April 1999 bindend geworden war, trat somit eine Änderung im Fall des Klägers nicht ein.

Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 23. Juni 2004 (vgl. BVerfGE 111, 115) festgestellt hatte, dass auch § 6 Abs. 2 AAÜG (i. V. m. den Anlagen 4 und 5) und § 6 Abs. 3 Nr. 8 AAÜG vom 25. Juli 1991 in der Fassung des AAÜG Änderungsgesetzes vom 11. November 1996 und des 2. AAÜG Änderungsgesetzes vom 27. Juli 2001 mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz unvereinbar gewesen ist, und dem Gesetzgeber aufgegeben hatte, bis zum 30. Juni 2005 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen, andernfalls trete Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein, verabschiedete der Deutsche Bundestag am 21. Juni 2005 das 1. AAÜG Änderungsgesetz (BGBl. I Seite 1672). § 6 Abs. 3 AAÜG wurde aufgehoben und § 6 Abs. 2 AAÜG erhielt folgenden Wortlaut:

Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 oder Anlage 2 Nr. 1 bis 3 bis zum 17. März 1990, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde, als

1. Mitglied, Kandidat oder Staatssekretär im Politbüro der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands,

2. Generalsekretär, Sekretär oder Abteilungsleiter des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sowie als Mitarbeiter der Abteilung Sicherheit bis zur Ebene der Sektorenleiter oder als die jeweiligen Stellvertreter,

3. Erster oder Zweiter Sekretär der SED Bezirks- oder Kreisleitung sowie Abteilungs- oder Referatsleiter für Sicherheit oder Abteilungsleiter für Staat und Recht,

4. Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter,

5. Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates, Vorsitzender des Staatsrats oder Vorsitzender des Ministerrats sowie als in diesen Ämtern ernannter Stellvertreter,

6. Staatsanwalt in den für vom Ministerium für Staatssicherheit sowie vom Amt für Nationale Sicherheit durchzuführenden Ermittlungs-verfahren zuständigen Abteilung I der Bezirksstaatsanwaltschaften,

7. Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR,

8. Mitglied der Bezirks- oder Kreis Einsatzleitung,

9. Staatsanwalt oder Richter der I A Senate,

ist den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst höchstens der jeweilige Betrag der Anlage 5 zugrunde zu legen.

Durch Art. 2 Abs. 3 des 1. AAÜG Änderungsgesetzes wurde die Vorschrift rückwirkend zum 01. Juni 1993 in Kraft gesetzt.

Da der Kläger im Zeitraum vom 01. Januar 1978 bis zum 16. Oktober 1989 auch Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR gewesen ist, sind die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG erfüllt. Soweit der Kläger meint, die Vorschrift sei so auszulegen, dass mit dieser Vorschrift lediglich Staatsanwälte der Generalstaatsanwaltschaft der DDR gemeint seien, die politische Strafsachen behandelt hätten, lässt sich dies dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen. Eine Einschränkung auf einen solchen Personenkreis enthält die Vorschrift vom Wortlaut her nicht.

Eine einschränkende Auslegung der Norm derart, dass nur die Staatsanwälte der Generalstaatsanwaltschaft erfasst werden, die dort in "politischen Strafsachen" zuständig gewesen sind, ist schon deshalb nicht geboten, weil dann kein Anwendungsfall für die Vorschrift des § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG übrig bliebe. Dies ergibt sich aus der Vorschrift des § 6 Abs. 2 Nr. 9 AAÜG, mit der "Staatsanwälte oder Richter der I-A-Senate" in den Katalog des § 6 Abs. 2 AAÜG aufgenommen worden sind. Mit dieser Vorschrift sind alle Staatsanwälte - nicht nur die bei der Generalstaatsanwaltschaft der DDR tätigen -, die mit politischen Straftaten zuständigkeitshalber befasst waren, bereits erfasst. Damit verbleiben für den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG die Staatsanwälte, die nicht als Staatsanwälte in der Abteilung I-A der Generalstaatsanwaltschaft gearbeitet haben.

Im Übrigen zeigt der Wortlaut der Vorschrift des § 6 Abs. 2 Nr. 9 AAÜG auch, dass der Gesetzgeber, wenn er nur die Staatsanwälte der Generalstaatsanwaltschaft der Abteilung I-A hätte einbeziehen wollen, dies auch dem Wortlaut nach so getan hätte; denn die Differenzierung in Staatsanwälte mit Zuständigkeit für den "I-A Bereich" und sonstige Staatsanwälte – der Generalstaatsanwaltschaft – wird in den Nrn. 7 und 9 vorausgesetzt.

Dass es sich bei der Formulierung des § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG, wie der Kläger behauptet, um einen "Lapsus" gehandelt habe, wie sich aus der Gesetzesentstehung ergeben solle, lässt sich darüber hinaus weder dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 19. April 2005 (Drucksache 15/5314) zum 1. AAÜG Änderungsgesetz noch der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit und soziale Sicherung (13. Ausschuss) des Bundestages vom 11. Mai 2005 (Drucksache 15/5488) zum Entwurf des 1. AAÜG Änderungsgesetzes entnehmen. Bereits der Gesetzentwurf sah in Art. 1 Nr. 1 den Wortlaut des § 6 Abs. 2 Nr. 7 vor, wie er später Gesetz geworden ist (Drucksache 15/5314, Seite 3). Der Ausschuss für Gesundheit und soziale Sicherung des Deutschen Bundestags ist diesem Entwurf insoweit gefolgt (vgl. Seite 3 Drucksache 15/5488 "Beschlussempfehlung").

Soweit der Gesetzgeber den in § 6 Abs. 2 aufgezählten Personengruppen entweder Weisungsbefugnis gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit sowie dem Amt für Nationale Sicherheit unterstellt (vgl. Seite 1 Drucksache 15/5314, zitiert Seite 7 des angegriffenen Urteils) bzw. auch Zeiten in Funktionen auf den höchsten Ebenen des so genannten Kadernomenklatursystems der DDR einbezogen hat, da auch diese Betreffenden wie auch die MfS/AfNS Mitarbeiter einkommens- und versorgungsseitig Teil eines Gesamtkonzepts der Selbstprivilegierung innerhalb des Staates gewesen seien (vgl. Seite 1 Drucksache 15/5314, ebenfalls zitiert Seite 7 des angegriffenen Urteils), und der Kläger vorträgt, nicht gegenüber den MfS/AfNS Mitarbeitern weisungsbefugt gewesen zu sein und keine überhöhten Verdienste auch nicht wegen der Zugehörigkeit zum Kadernomenklatursystem gehabt zu haben, ist dies für den vorliegenden Rechtsstreit entgegen auch der Ansicht des SG ohne Belang. Denn allein mit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG gegeben, ohne dass die Beklagte weitere, aus dem Gesetz nicht ersichtliche tatsächliche oder rechtliche Voraussetzungen zu ermitteln oder festzustellen hatte. Ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum der Beklagten lässt sich dem Gesetz ebenfalls nicht entnehmen. Insoweit waren auch weitere Ermittlungen des Senates nicht geboten.

Der hilfsweise gestellte Antrag, die Sache zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 2 Nr. 7 AAÜG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, kann ebenfalls nicht erfolgreich sein. Erst die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers greift in die Rechte des Klägers durch Entgeltbegrenzung bei der Berechnung der Rente ein. Zudem hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 06. Juli 2010 jedenfalls § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG in der Fassung des 1. AAÜG-Änderungsgesetzes für verfassungsgemäß erachtet.

Im Übrigen wird der Rentenversicherungsträger über den Antrag des Klägers vom 21. November 2005, gerichtet auf Überprüfung seiner Rente, noch zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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