Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 KR 241/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 106/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. Juli 2011 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere EUR 554,81 nebst 5 Prozent Zinsen auf EUR 702,06 seit dem 5. Oktober 2010 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen. &8195;
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Vergütung für eine Krankenhausbehandlung.
Der 1991 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte L.W. wurde am 28. August 2010 um 22.10 Uhr in einer von der Klägerin betriebenen Klinik (A. Klinik B.) als Notfall aufgenommen und am Folgetag um 10.20 Uhr regulär entlassen. In den von der Klägerin an die Beklagte nach § 301 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) übermittelten Daten wurden sowohl als Aufnahme- als auch als Entlassungsdiagnose Palpitationen (ICD R00.2) genannt.
Die Klägerin verlangte von der Beklagten mit Rechnung vom 13. September 2010 einen Betrag in Höhe von EUR 702,06 für eine vollstationäre Behandlung des Versicherten. Die Beklagte verweigerte die Begleichung der Rechnung mit der Begründung, es habe keine vollstationäre, sondern lediglich eine ambulante Behandlung vorgelegen, da der Versicherte nicht mindestens einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus verweilt habe. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) wurde nicht eingeschaltet.
Die Klägerin hat am 8. März 2011 Klage auf Zahlung des Rechnungsbetrages nebst Zinsen erhoben. Sie trägt vor, das Bundessozialgericht (BSG) habe zwar ausgeführt, dass eine stationäre Behandlung vorliege, wenn der Patient vor oder nach dem Eingriff eine Nacht im Krankenhaus verbringe, von einer starren Mindestfrist von 24 Stunden sei indes keine Rede gewesen. Im Übrigen sei mittlerweile die Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c SGB V abgelaufen, sodass die Beklagte keine Einwendungen mehr vorbringen könne, die einer Überprüfung durch den MDK zugänglich wären.
Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, eine Abgrenzung zwischen stationärer und ambulanter Behandlung könne nur anhand der tatsächlichen Aufenthaltsdauer des Versicherten erfolgen. Dementsprechend habe das BSG festgestellt, dass der Patient bei der vollstationären Versorgung zeitlich ununterbrochen, also Tag und Nacht, im Krankenhaus untergebracht sein müsse. Dies könne bei herkömmlicher Betrachtungsweise nur so verstanden werden, dass eine Aufenthaltsdauer von mindestens 24 Stunden erforderlich sei. Da somit keine vollstationäre Krankenhausbehandlung vorliege und im Übrigen nur eine Rechtsfrage streitig sei, entfalle die Pflicht zur Prüfung durch den MDK nach § 275 Abs. 1c SGB V.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 25. Juli 2011 – den Beteiligten zugestellt am 2. August 2011 – verurteilt, an die Klägerin EUR 147,25 zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin könne lediglich die Vergütung ihrer Leistung in Höhe der vorstationären Pauschale verlangen, da eine vollstationäre Behandlung nicht stattgefunden habe. Die Prüfung, ob eine ambulante oder stationäre Behandlung stattgefunden habe, sei eine Rechtsfrage und daher nicht durch § 275 Abs. 1c SGB V ausgeschlossen, dessen Präklusionswirkung lediglich die Sachverhaltsermittlung betreffe. Vorliegend könne dahin stehen, ob eine Vergütung als vollstationäre Behandlung schon deshalb ausscheide, weil sich der Versicherte nicht mindestens 24 Stunden im Krankenhaus aufgehalten habe. Jedenfalls setze eine stationäre Behandlung voraus, dass die für eine Krankenhausbehandlung typische intensive ärztliche Betreuung oder die Pflege mit jederzeit verfügbarem Pflegepersonal in Anspruch genommen werde, was hier aber nicht der Fall gewesen sei. Aus der Krankenakte ergebe sich nämlich, dass lediglich ein Elektrokardiogramm (EKG) und eine Laborkontrolle durchgeführt worden seien und der Versicherte darüber hinaus weder ärztlicher Betreuung noch der Pflege bedurft habe.
Die Klägerin hat dagegen am 29. August 2011 die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt und vertritt die Auffassung, die Beklagte sei mit ihren Einwendungen aufgrund der Versäumung der Frist des § 275 Abs. 1c SGB V insgesamt ausgeschlossen. Da auch das Sozialgericht grundsätzlich akzeptiert habe, dass die Fristversäumung zu einer Präklusionswirkung hinsichtlich der Sachverhaltsermittlung führe, hätte es der Klage vollumfänglich stattgeben müssen, denn es habe ausgeführt, dass der Patient außer einer EKG-Untersuchung und der Laborkontrolle weder ärztlicher Betreuung noch Pflege bedurft habe. Genau dies sei aber eine Frage, die durch einen medizinischen Sachverständigen zu klären sei und mithin auch der Prüfung durch den MDK zugänglich gewesen wäre.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. Juli 2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere EUR 554,81 nebst 5 Prozent Zinsen auf EUR 702,06 seit dem 5. Oktober 2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, auf Basis der vom Sozialgericht vorgenommenen Abgrenzung zwischen stationärer und ambulanter Behandlung sei das Urteil konsequent, da in der Tat nicht ersichtlich sei, dass der Patient in den organisatorischen Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen sei. Unabhängig davon seien aber die vom Sozialgericht herangezogenen Abgrenzungskriterien nicht überzeugend. So habe das BSG bereits entschieden, dass eine vollstationäre Krankenhausbehandlung vorliege, wenn der Versicherte mindestens einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus verbracht habe. Hierunter seien mindestens 24 Stunden zu verstehen, da keine andere Auslegung ein handhabbares Ergebnis bringe. Die vom BSG anerkannten Ausnahmetatbestände (abgebrochene stationäre Behandlung, Behandlung auf der Intensivstation) seien vorliegend nicht gegeben, sondern der Versicherte habe das Krankenhaus vor Ablauf von 24 Stunden planmäßig verlassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist auch begründet.
Rechtsgrundlage des zulässig mit der echten Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V, § 17b Abs. 1 S. 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz und § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit der hier maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2010 sowie dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Vertrag Allgemeine Bedingungen Krankenhausbehandlung vom 19. Dezember 2002 zwischen der H. Krankenhausgesellschaft e.V. und u.a. der Beklagten (Vertrag nach § 112 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich ist (BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R – Juris).
Das ist hier der Fall, denn es hat eine vollstationäre Krankenhausbehandlung in einem zugelassenen Krankenhaus stattgefunden, die auch erforderlich war.
Welche Leistungen eine Krankenhausbehandlung umfassen muss, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Aus der in § 107 Abs. 1 SGB V enthaltenen Umschreibung der Krankenhäuser in organisatorischer Hinsicht, wonach die Krankenbehandlung vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung zu erfolgen hat, lässt sich jedoch der Schluss ziehen, dass diese die wesentlichen Leistungen eines Krankenhauses darstellen, wobei die intensive, aktive und fortdauernde ärztliche Betreuung im Vordergrund steht und die Pflege in aller Regel untergeordnet ist (BSG, Urteil vom 28.02.2007 – B 3 KR 17/06 R – Juris). Gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Wann eine Krankenhausbehandlung vollstationär erfolgt, wird im Gesetz ebenfalls nicht definiert. Die stationäre Krankenhausbehandlung zeichnet sich aber gegenüber der ambulanten Versorgung durch eine besondere Intensität der Betreuung aus, und zwar sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht. In sachlicher Hinsicht erfordert die stationäre Krankenhausbehandlung die physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses mit den Interventionsmöglichkeiten, die bei ambulanter Behandlung nicht gegeben sind. In zeitlicher Hinsicht darf sich die stationäre Betreuung nicht nur auf einen unbedeutenden Teil des Tages beschränken (Wahl in JurisPK-SGB V, 2. Aufl, § 39 Rn. 30). Das BSG hat insoweit zur Abgrenzung ambulant und stationär erbrachter Operationen in einem Krankenhaus darauf abgestellt, dass eine vollstationäre Versorgung augenfällig jedenfalls dann vorliege, wenn sich die physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstrecke. Dabei werde die Entscheidung zum Verbleib des Patienten über Nacht in der Regel zu Beginn der Behandlung vom Krankenhausarzt getroffen, könne aber im Einzelfall, z.B. bei Komplikationen, auch noch später erfolgen (BSG, Urteil vom 04.03.2004 – B 3 KR 4/03 R; BSG, Urteil vom 08.09.2004 – B 6 KA 14/03 R; beide Juris; BSG, Urteil vom 28.02.2007, a.a.O.).
Entgegen der Auffassung der Beklagten schließt vorliegend die Aufenthaltsdauer des Versicherten in der Klinik der Klägerin von etwas über zwölf Stunden eine vollstationäre Behandlung nicht von vornherein aus, denn eine 24stündige Mindestaufenthaltsdauer des Patienten im Krankenhaus ist hierfür nicht Voraussetzung. Schon umgangssprachlich bedeutet ein Verbleib "über Nacht" nicht, dass dieser 24 Stunden andauern muss, sondern lediglich, dass eine Übernachtung stattgefunden hat, also Aufnahme- und Entlassungstag nicht identisch sind. Auch in sachlicher Hinsicht erschließt sich nicht, warum Fälle mit gleicher Behandlungsintensität unterschiedlich bewertet werden sollten, nur weil der eine Patient nach knapp über und der andere Patient nach knapp unter 24 Stunden entlassen worden ist, zumal dies zu der wenig sachgerechten Praxis führen dürfte, Versicherte so lange im Krankenhaus zu halten, bis die 24-Stunden-Grenze erreicht worden ist.
Auch aus der Rechtsprechung des BSG lässt sich eine starre Mindestaufenthaltsdauer nicht entnehmen. Bei seiner Abgrenzung der stationären von der ambulanten Behandlung hat das BSG vielmehr nur eine besonders "augenfällige" Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses angenommen, sofern der Aufenthalt über Nacht andauert (BSG, Urteil vom 04.03.2004, a.a.O., Rn. 27), ebenso aber eingeräumt, dass es auch weniger augenfällige Sachverhalte einer vollstationären Behandlung geben könne, zumal einige Fallpauschalen exakt für die Behandlung an einem Behandlungstag kalkuliert worden seien (BSG, Urteil vom 28.02.2007, a.a.O., Rn. 17 f.). Des Weiteren hat das BSG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Abstellen auf eine Aufenthaltsdauer von mindestens einem Tag und einer Nacht weniger geeignet sei, wenn es nicht um die Abgrenzung eines stationären Eingriffs vom ambulanten Operieren geht, sondern – wie hier – um die Abgrenzung einer nicht operativen stationären Behandlung von einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus, etwa bei einer Notfallversorgung. Zwar sei auch hier die vollständige Eingliederung in den Krankenhausbetrieb und damit das Vorliegen einer stationären Behandlung augenfällig, wenn der Patient mindestens einen Tag und eine Nacht bleibe. Sei dies nicht der Fall, folge daraus aber nicht im Gegenschluss, dass es sich nur um eine ambulante Behandlung handeln könne. Entscheidend komme es hier vielmehr darauf an, ob der Patient die Infrastruktur des Krankenhauses – also insbesondere die typische intensive ärztliche Betreuung sowie die Hilfe von jederzeit verfügbarem Pflegepersonal – in Anspruch genommen habe (BSG, Urteil vom 28.02.2007, a.a.O., Rn. 17 f.).
Dies ist hier der Fall. Aus den nach § 301 SGB V von der Klägerin an die Beklagte übermittelten Daten ergibt sich, dass der Versicherte als Notfall aufgenommen und eine voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung bis zum 30. August 2010 angenommen wurde. Sowohl als Aufnahme- als auch als Hauptdiagnose sind Palpitationen genannt. Die Entlassung erfolgte regulär. Diese Daten sprechen nicht von vornherein gegen die Durchführung einer vollstationären Krankenhausbehandlung. Palpitationen können harmlose, aber ebenso krankheitswertige Ursachen haben. Soweit hier Zweifel an der Eingliederung des Versicherten in die besondere Infrastruktur des Krankenhauses bestanden haben mögen, gehen diese zu Lasten der Beklagten und berechtigten nicht zu einer weiteren medizinischen Aufklärung des Sachverhalts, denn die Beklagte hat es insoweit versäumt, den MDK innerhalb der sechswöchigen Ausschlussfrist mit einer entsprechenden Prüfung zu beauftragen.
Gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. In Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V ist diese Prüfung nach dem mit Wirkung zum 1. April 2007 eingeführten § 275 Abs. 1c S. 1 SGB V zeitnah durchzuführen. Dies wird in § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen ist.
Zwar folgt aus diesen Bestimmungen kein Einwendungsausschluss, sondern die Abrechnung des Krankenhauses kann auch nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist sachlich und rechnerisch überprüft werden. Allerdings darf diese Prüfung nach Fristablauf nur auf Grundlage der Daten erfolgen, die das Krankenhaus der Krankenkasse nach § 301 SGB V übermittelt hat. Weitere medizinische Ermittlungen, insbesondere die Auswertung der Krankenakte, dürfen dagegen nicht stattfinden. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.05.2012 – B 3 KR 14/11 R – Juris), der sich der erkennende Senat anschließt, ergibt sich dies daraus, dass § 275 SGB V in seiner ab 1. April 2007 geltenden Fassung zusammen mit anderen Bestimmungen – insbesondere § 8 Abs. 7 KHEntgG und den Vereinbarungen in den Verträgen nach § 112 SGB V – vor allem die beschleunigte Abwicklung von Krankenhausabrechnungen und eine zügige Klärung medizinischer Zweifelsfragen bezweckt. Zur Erreichung dieses Ziels bestehen im Verhältnis zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und MDK Auskunfts- und Prüfpflichten auf drei Ebenen. Auf der ersten Stufe ist das Krankenhaus verpflichtet, der Krankenkasse die wesentlichen Aufnahme- und Behandlungsdaten zu übermitteln, die in § 301 SGB V abschließend aufgelistet sind. Kann die Krankenkasse die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen hieraus nicht ohne Weiteres erkennen, so hat sie auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzuleiten und dabei dem MDK die ihr nach § 301 SGB V übermittelten Daten zur Verfügung zu stellen. Genügen dem MDK diese Angaben zur Beantwortung der Prüffrage nicht, kann er in einer dritten Stufe vom Krankenhaus weitere Unterlagen, insbesondere die Krankenakte, anfordern. Nur auf dieser dritten Stufe ist die Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c SGB V zu beachten, d.h. nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist darf der medizinische Sachverhalt nicht mehr durch Ermittlungen des MDK weiter aufgeklärt werden und die Krankenhäuser sind nicht mehr verpflichtet, Krankenunterlagen an diesen herauszugeben. Diese Begrenzung der Sachverhaltsermittlung wirkt auch im Gerichtsverfahren fort. Darf also wegen Ablaufs der Sechs-Wochen-Frist der MDK keine medizinischen Ermittlungen mehr durchführen, dürfen dies unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Ausschlussfrist auch die Sozialgerichte nicht. Sofern Behandlungsunterlagen des Krankenhauses beigezogen worden sind, dürfen sie im Prozess nicht verwertet werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Krankenhaus die Daten nach § 301 SGB nicht vollständig an die Krankenkasse übermittelt hat, da in dem Fall die Ausschlussfrist gar nicht zu laufen beginnt.
Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des erkennenden Senats nicht nur für die dem Urteil des BSG vom 16. Mai 2012 (a.a.O.) zugrunde liegende Frage, ob eine (unstreitig durchgeführte) stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich war, sondern ebenso, wenn zu klären ist, ob eine Krankenhausbehandlung überhaupt stationär erfolgt ist. Sowohl bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung als auch bei deren Qualifizierung als stationäre Behandlung handelt es sich um Rechtsfragen, für deren Beantwortung der zugrunde liegende medizinische Sachverhalt zu bewerten ist. Das Verbot für MDK und Gerichte, nach Abschluss der Ausschlussfrist weitergehende medizinische Ermittlungen durchzuführen und insbesondere die Krankenakte auszuwerten, muss daher für beide Fragestellungen gleichermaßen gelten.
Dementsprechend ist die Frage, ob vorliegend eine vollstationäre Krankenhausbehandlung erfolgt ist, allein anhand der Daten nach § 301 SGB V zu beantworten. Diese sind von der Klägerin vollständig an die Beklagte übermittelt worden, denn das übersandte Formblatt enthält die Stammdaten des Versicherten (§ 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 291 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 SGB V), Tag, Uhrzeit und Grund der Aufnahme, die Aufnahmediagnose und die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung (§ 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V), Tag, Uhrzeit und Grund der Entlassung sowie die für die Krankenhausbehandlung maßgebliche Hauptdiagnose (§ 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 SGB V). Wie bereits ausgeführt, lässt sich diesen Daten auch nicht entnehmen, dass eine stationäre Behandlung nicht stattgefunden haben kann. Das Risiko, dass aufgrund der Unzulässigkeit einer weiteren medizinischen Sachverhaltsaufklärung eine eventuelle Fehlerhaftigkeit der Abrechnung nicht mehr festgestellt werden kann, trägt die Beklagte, da sie das Prüfverfahren durch den MDK nicht rechtzeitig eingeleitet hat.
Die vollstationäre Krankenhausbehandlung war vorliegend auch erforderlich, denn auch insoweit gelten die oben dargestellten Grundsätze zu den Wirkungen der Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V (BSG, Urteil vom 16.05.2012, a.a.O.). Die Erforderlichkeit wäre demnach nur zu verneinen, wenn sich dies aus den nach § 301 SGB V übermittelten Daten zweifelsfrei ergäbe, was jedoch nicht der Fall ist.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 12 und 14 des zwischen den Beteiligten geltenden Vertrages nach § 112 SGB V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m.§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Vergütung für eine Krankenhausbehandlung.
Der 1991 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte L.W. wurde am 28. August 2010 um 22.10 Uhr in einer von der Klägerin betriebenen Klinik (A. Klinik B.) als Notfall aufgenommen und am Folgetag um 10.20 Uhr regulär entlassen. In den von der Klägerin an die Beklagte nach § 301 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) übermittelten Daten wurden sowohl als Aufnahme- als auch als Entlassungsdiagnose Palpitationen (ICD R00.2) genannt.
Die Klägerin verlangte von der Beklagten mit Rechnung vom 13. September 2010 einen Betrag in Höhe von EUR 702,06 für eine vollstationäre Behandlung des Versicherten. Die Beklagte verweigerte die Begleichung der Rechnung mit der Begründung, es habe keine vollstationäre, sondern lediglich eine ambulante Behandlung vorgelegen, da der Versicherte nicht mindestens einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus verweilt habe. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) wurde nicht eingeschaltet.
Die Klägerin hat am 8. März 2011 Klage auf Zahlung des Rechnungsbetrages nebst Zinsen erhoben. Sie trägt vor, das Bundessozialgericht (BSG) habe zwar ausgeführt, dass eine stationäre Behandlung vorliege, wenn der Patient vor oder nach dem Eingriff eine Nacht im Krankenhaus verbringe, von einer starren Mindestfrist von 24 Stunden sei indes keine Rede gewesen. Im Übrigen sei mittlerweile die Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c SGB V abgelaufen, sodass die Beklagte keine Einwendungen mehr vorbringen könne, die einer Überprüfung durch den MDK zugänglich wären.
Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, eine Abgrenzung zwischen stationärer und ambulanter Behandlung könne nur anhand der tatsächlichen Aufenthaltsdauer des Versicherten erfolgen. Dementsprechend habe das BSG festgestellt, dass der Patient bei der vollstationären Versorgung zeitlich ununterbrochen, also Tag und Nacht, im Krankenhaus untergebracht sein müsse. Dies könne bei herkömmlicher Betrachtungsweise nur so verstanden werden, dass eine Aufenthaltsdauer von mindestens 24 Stunden erforderlich sei. Da somit keine vollstationäre Krankenhausbehandlung vorliege und im Übrigen nur eine Rechtsfrage streitig sei, entfalle die Pflicht zur Prüfung durch den MDK nach § 275 Abs. 1c SGB V.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 25. Juli 2011 – den Beteiligten zugestellt am 2. August 2011 – verurteilt, an die Klägerin EUR 147,25 zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin könne lediglich die Vergütung ihrer Leistung in Höhe der vorstationären Pauschale verlangen, da eine vollstationäre Behandlung nicht stattgefunden habe. Die Prüfung, ob eine ambulante oder stationäre Behandlung stattgefunden habe, sei eine Rechtsfrage und daher nicht durch § 275 Abs. 1c SGB V ausgeschlossen, dessen Präklusionswirkung lediglich die Sachverhaltsermittlung betreffe. Vorliegend könne dahin stehen, ob eine Vergütung als vollstationäre Behandlung schon deshalb ausscheide, weil sich der Versicherte nicht mindestens 24 Stunden im Krankenhaus aufgehalten habe. Jedenfalls setze eine stationäre Behandlung voraus, dass die für eine Krankenhausbehandlung typische intensive ärztliche Betreuung oder die Pflege mit jederzeit verfügbarem Pflegepersonal in Anspruch genommen werde, was hier aber nicht der Fall gewesen sei. Aus der Krankenakte ergebe sich nämlich, dass lediglich ein Elektrokardiogramm (EKG) und eine Laborkontrolle durchgeführt worden seien und der Versicherte darüber hinaus weder ärztlicher Betreuung noch der Pflege bedurft habe.
Die Klägerin hat dagegen am 29. August 2011 die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt und vertritt die Auffassung, die Beklagte sei mit ihren Einwendungen aufgrund der Versäumung der Frist des § 275 Abs. 1c SGB V insgesamt ausgeschlossen. Da auch das Sozialgericht grundsätzlich akzeptiert habe, dass die Fristversäumung zu einer Präklusionswirkung hinsichtlich der Sachverhaltsermittlung führe, hätte es der Klage vollumfänglich stattgeben müssen, denn es habe ausgeführt, dass der Patient außer einer EKG-Untersuchung und der Laborkontrolle weder ärztlicher Betreuung noch Pflege bedurft habe. Genau dies sei aber eine Frage, die durch einen medizinischen Sachverständigen zu klären sei und mithin auch der Prüfung durch den MDK zugänglich gewesen wäre.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. Juli 2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere EUR 554,81 nebst 5 Prozent Zinsen auf EUR 702,06 seit dem 5. Oktober 2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, auf Basis der vom Sozialgericht vorgenommenen Abgrenzung zwischen stationärer und ambulanter Behandlung sei das Urteil konsequent, da in der Tat nicht ersichtlich sei, dass der Patient in den organisatorischen Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen sei. Unabhängig davon seien aber die vom Sozialgericht herangezogenen Abgrenzungskriterien nicht überzeugend. So habe das BSG bereits entschieden, dass eine vollstationäre Krankenhausbehandlung vorliege, wenn der Versicherte mindestens einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus verbracht habe. Hierunter seien mindestens 24 Stunden zu verstehen, da keine andere Auslegung ein handhabbares Ergebnis bringe. Die vom BSG anerkannten Ausnahmetatbestände (abgebrochene stationäre Behandlung, Behandlung auf der Intensivstation) seien vorliegend nicht gegeben, sondern der Versicherte habe das Krankenhaus vor Ablauf von 24 Stunden planmäßig verlassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist auch begründet.
Rechtsgrundlage des zulässig mit der echten Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V, § 17b Abs. 1 S. 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz und § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit der hier maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2010 sowie dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Vertrag Allgemeine Bedingungen Krankenhausbehandlung vom 19. Dezember 2002 zwischen der H. Krankenhausgesellschaft e.V. und u.a. der Beklagten (Vertrag nach § 112 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich ist (BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R – Juris).
Das ist hier der Fall, denn es hat eine vollstationäre Krankenhausbehandlung in einem zugelassenen Krankenhaus stattgefunden, die auch erforderlich war.
Welche Leistungen eine Krankenhausbehandlung umfassen muss, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Aus der in § 107 Abs. 1 SGB V enthaltenen Umschreibung der Krankenhäuser in organisatorischer Hinsicht, wonach die Krankenbehandlung vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung zu erfolgen hat, lässt sich jedoch der Schluss ziehen, dass diese die wesentlichen Leistungen eines Krankenhauses darstellen, wobei die intensive, aktive und fortdauernde ärztliche Betreuung im Vordergrund steht und die Pflege in aller Regel untergeordnet ist (BSG, Urteil vom 28.02.2007 – B 3 KR 17/06 R – Juris). Gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Wann eine Krankenhausbehandlung vollstationär erfolgt, wird im Gesetz ebenfalls nicht definiert. Die stationäre Krankenhausbehandlung zeichnet sich aber gegenüber der ambulanten Versorgung durch eine besondere Intensität der Betreuung aus, und zwar sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht. In sachlicher Hinsicht erfordert die stationäre Krankenhausbehandlung die physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses mit den Interventionsmöglichkeiten, die bei ambulanter Behandlung nicht gegeben sind. In zeitlicher Hinsicht darf sich die stationäre Betreuung nicht nur auf einen unbedeutenden Teil des Tages beschränken (Wahl in JurisPK-SGB V, 2. Aufl, § 39 Rn. 30). Das BSG hat insoweit zur Abgrenzung ambulant und stationär erbrachter Operationen in einem Krankenhaus darauf abgestellt, dass eine vollstationäre Versorgung augenfällig jedenfalls dann vorliege, wenn sich die physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstrecke. Dabei werde die Entscheidung zum Verbleib des Patienten über Nacht in der Regel zu Beginn der Behandlung vom Krankenhausarzt getroffen, könne aber im Einzelfall, z.B. bei Komplikationen, auch noch später erfolgen (BSG, Urteil vom 04.03.2004 – B 3 KR 4/03 R; BSG, Urteil vom 08.09.2004 – B 6 KA 14/03 R; beide Juris; BSG, Urteil vom 28.02.2007, a.a.O.).
Entgegen der Auffassung der Beklagten schließt vorliegend die Aufenthaltsdauer des Versicherten in der Klinik der Klägerin von etwas über zwölf Stunden eine vollstationäre Behandlung nicht von vornherein aus, denn eine 24stündige Mindestaufenthaltsdauer des Patienten im Krankenhaus ist hierfür nicht Voraussetzung. Schon umgangssprachlich bedeutet ein Verbleib "über Nacht" nicht, dass dieser 24 Stunden andauern muss, sondern lediglich, dass eine Übernachtung stattgefunden hat, also Aufnahme- und Entlassungstag nicht identisch sind. Auch in sachlicher Hinsicht erschließt sich nicht, warum Fälle mit gleicher Behandlungsintensität unterschiedlich bewertet werden sollten, nur weil der eine Patient nach knapp über und der andere Patient nach knapp unter 24 Stunden entlassen worden ist, zumal dies zu der wenig sachgerechten Praxis führen dürfte, Versicherte so lange im Krankenhaus zu halten, bis die 24-Stunden-Grenze erreicht worden ist.
Auch aus der Rechtsprechung des BSG lässt sich eine starre Mindestaufenthaltsdauer nicht entnehmen. Bei seiner Abgrenzung der stationären von der ambulanten Behandlung hat das BSG vielmehr nur eine besonders "augenfällige" Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses angenommen, sofern der Aufenthalt über Nacht andauert (BSG, Urteil vom 04.03.2004, a.a.O., Rn. 27), ebenso aber eingeräumt, dass es auch weniger augenfällige Sachverhalte einer vollstationären Behandlung geben könne, zumal einige Fallpauschalen exakt für die Behandlung an einem Behandlungstag kalkuliert worden seien (BSG, Urteil vom 28.02.2007, a.a.O., Rn. 17 f.). Des Weiteren hat das BSG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Abstellen auf eine Aufenthaltsdauer von mindestens einem Tag und einer Nacht weniger geeignet sei, wenn es nicht um die Abgrenzung eines stationären Eingriffs vom ambulanten Operieren geht, sondern – wie hier – um die Abgrenzung einer nicht operativen stationären Behandlung von einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus, etwa bei einer Notfallversorgung. Zwar sei auch hier die vollständige Eingliederung in den Krankenhausbetrieb und damit das Vorliegen einer stationären Behandlung augenfällig, wenn der Patient mindestens einen Tag und eine Nacht bleibe. Sei dies nicht der Fall, folge daraus aber nicht im Gegenschluss, dass es sich nur um eine ambulante Behandlung handeln könne. Entscheidend komme es hier vielmehr darauf an, ob der Patient die Infrastruktur des Krankenhauses – also insbesondere die typische intensive ärztliche Betreuung sowie die Hilfe von jederzeit verfügbarem Pflegepersonal – in Anspruch genommen habe (BSG, Urteil vom 28.02.2007, a.a.O., Rn. 17 f.).
Dies ist hier der Fall. Aus den nach § 301 SGB V von der Klägerin an die Beklagte übermittelten Daten ergibt sich, dass der Versicherte als Notfall aufgenommen und eine voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung bis zum 30. August 2010 angenommen wurde. Sowohl als Aufnahme- als auch als Hauptdiagnose sind Palpitationen genannt. Die Entlassung erfolgte regulär. Diese Daten sprechen nicht von vornherein gegen die Durchführung einer vollstationären Krankenhausbehandlung. Palpitationen können harmlose, aber ebenso krankheitswertige Ursachen haben. Soweit hier Zweifel an der Eingliederung des Versicherten in die besondere Infrastruktur des Krankenhauses bestanden haben mögen, gehen diese zu Lasten der Beklagten und berechtigten nicht zu einer weiteren medizinischen Aufklärung des Sachverhalts, denn die Beklagte hat es insoweit versäumt, den MDK innerhalb der sechswöchigen Ausschlussfrist mit einer entsprechenden Prüfung zu beauftragen.
Gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. In Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V ist diese Prüfung nach dem mit Wirkung zum 1. April 2007 eingeführten § 275 Abs. 1c S. 1 SGB V zeitnah durchzuführen. Dies wird in § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen ist.
Zwar folgt aus diesen Bestimmungen kein Einwendungsausschluss, sondern die Abrechnung des Krankenhauses kann auch nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist sachlich und rechnerisch überprüft werden. Allerdings darf diese Prüfung nach Fristablauf nur auf Grundlage der Daten erfolgen, die das Krankenhaus der Krankenkasse nach § 301 SGB V übermittelt hat. Weitere medizinische Ermittlungen, insbesondere die Auswertung der Krankenakte, dürfen dagegen nicht stattfinden. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.05.2012 – B 3 KR 14/11 R – Juris), der sich der erkennende Senat anschließt, ergibt sich dies daraus, dass § 275 SGB V in seiner ab 1. April 2007 geltenden Fassung zusammen mit anderen Bestimmungen – insbesondere § 8 Abs. 7 KHEntgG und den Vereinbarungen in den Verträgen nach § 112 SGB V – vor allem die beschleunigte Abwicklung von Krankenhausabrechnungen und eine zügige Klärung medizinischer Zweifelsfragen bezweckt. Zur Erreichung dieses Ziels bestehen im Verhältnis zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und MDK Auskunfts- und Prüfpflichten auf drei Ebenen. Auf der ersten Stufe ist das Krankenhaus verpflichtet, der Krankenkasse die wesentlichen Aufnahme- und Behandlungsdaten zu übermitteln, die in § 301 SGB V abschließend aufgelistet sind. Kann die Krankenkasse die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen hieraus nicht ohne Weiteres erkennen, so hat sie auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzuleiten und dabei dem MDK die ihr nach § 301 SGB V übermittelten Daten zur Verfügung zu stellen. Genügen dem MDK diese Angaben zur Beantwortung der Prüffrage nicht, kann er in einer dritten Stufe vom Krankenhaus weitere Unterlagen, insbesondere die Krankenakte, anfordern. Nur auf dieser dritten Stufe ist die Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c SGB V zu beachten, d.h. nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist darf der medizinische Sachverhalt nicht mehr durch Ermittlungen des MDK weiter aufgeklärt werden und die Krankenhäuser sind nicht mehr verpflichtet, Krankenunterlagen an diesen herauszugeben. Diese Begrenzung der Sachverhaltsermittlung wirkt auch im Gerichtsverfahren fort. Darf also wegen Ablaufs der Sechs-Wochen-Frist der MDK keine medizinischen Ermittlungen mehr durchführen, dürfen dies unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Ausschlussfrist auch die Sozialgerichte nicht. Sofern Behandlungsunterlagen des Krankenhauses beigezogen worden sind, dürfen sie im Prozess nicht verwertet werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Krankenhaus die Daten nach § 301 SGB nicht vollständig an die Krankenkasse übermittelt hat, da in dem Fall die Ausschlussfrist gar nicht zu laufen beginnt.
Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des erkennenden Senats nicht nur für die dem Urteil des BSG vom 16. Mai 2012 (a.a.O.) zugrunde liegende Frage, ob eine (unstreitig durchgeführte) stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich war, sondern ebenso, wenn zu klären ist, ob eine Krankenhausbehandlung überhaupt stationär erfolgt ist. Sowohl bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung als auch bei deren Qualifizierung als stationäre Behandlung handelt es sich um Rechtsfragen, für deren Beantwortung der zugrunde liegende medizinische Sachverhalt zu bewerten ist. Das Verbot für MDK und Gerichte, nach Abschluss der Ausschlussfrist weitergehende medizinische Ermittlungen durchzuführen und insbesondere die Krankenakte auszuwerten, muss daher für beide Fragestellungen gleichermaßen gelten.
Dementsprechend ist die Frage, ob vorliegend eine vollstationäre Krankenhausbehandlung erfolgt ist, allein anhand der Daten nach § 301 SGB V zu beantworten. Diese sind von der Klägerin vollständig an die Beklagte übermittelt worden, denn das übersandte Formblatt enthält die Stammdaten des Versicherten (§ 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 291 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 SGB V), Tag, Uhrzeit und Grund der Aufnahme, die Aufnahmediagnose und die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung (§ 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V), Tag, Uhrzeit und Grund der Entlassung sowie die für die Krankenhausbehandlung maßgebliche Hauptdiagnose (§ 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 SGB V). Wie bereits ausgeführt, lässt sich diesen Daten auch nicht entnehmen, dass eine stationäre Behandlung nicht stattgefunden haben kann. Das Risiko, dass aufgrund der Unzulässigkeit einer weiteren medizinischen Sachverhaltsaufklärung eine eventuelle Fehlerhaftigkeit der Abrechnung nicht mehr festgestellt werden kann, trägt die Beklagte, da sie das Prüfverfahren durch den MDK nicht rechtzeitig eingeleitet hat.
Die vollstationäre Krankenhausbehandlung war vorliegend auch erforderlich, denn auch insoweit gelten die oben dargestellten Grundsätze zu den Wirkungen der Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V (BSG, Urteil vom 16.05.2012, a.a.O.). Die Erforderlichkeit wäre demnach nur zu verneinen, wenn sich dies aus den nach § 301 SGB V übermittelten Daten zweifelsfrei ergäbe, was jedoch nicht der Fall ist.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 12 und 14 des zwischen den Beteiligten geltenden Vertrages nach § 112 SGB V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m.§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
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