L 12 AS 79/13 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 2963/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 79/13 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Zwischen dem 1956 geborenen Antragsteller und dem Antragsgegner ist bereits seit Jahren ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig. Auf das Schreiben des Antragstellers vom 1. September 2012, mit dem er erneut seinen Leistungsanspruch gegenüber dem Antragsgegner geltend machte, forderte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 18. September 2012 auf, einen ihm zur Verfügung gestellten Formantrag auf Leistungen nach dem SGB II sowie Formanlagen dazu vollständig ausgefüllt unverzüglich wieder einzureichen. Hierfür wurde eine Frist gemäß § 66 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) bis 8. Oktober 2012 gesetzt. Der Gesetzeswortlaut der §§ 60 Abs. 1, 66 Abs. 1 SGB I wurde im Schreiben abgedruckt. Mit Schreiben vom 3. Oktober 2012 beantragte der Antragsteller eine Fristverlängerung bis 31. Oktober 2012. Dem Antragsgegner sei bekannt, dass der Zeitpunkt seiner Zuständigkeit sowie weitere unklare Rechtsfragen Gegenstand laufender Gerichtsverfahren seien. Für die weitere Bearbeitung sei es daher erforderlich, zunächst das Ergebnis dieser Verfahren abzuwarten.

Mit Bescheid vom 10. Oktober 2012 versagte daraufhin der Antragsgegner die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 1. September 2012 unter Bezugnahme auf § 66 SGB I ganz. Die angeforderten Formulare und Unterlagen würden für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zwingend benötigt. Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Antragsteller diese nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt. Dadurch sei er seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und habe die Aufklärung des Sachverhalts erschwert. Die Anspruchsvoraussetzungen hätten deshalb nicht geprüft werden können. Die Behörde sei verpflichtet, wirtschaftlich zu handeln. Hierzu gehöre auch im Interesse der Steuerzahler, nur bei nachgewiesener Hilfebedürftigkeit und in rechtmäßiger Höhe Leistungen zu erbringen. Eine Fristverlängerung könne im Fall des Antragstellers nicht gewährt werden, da sich in der Vergangenheit gezeigt habe, dass der Antragsteller seiner Mitwirkung in den bisher gewährten Fristverlängerungen nicht nachgekommen sei. Der Antragsteller habe auch nicht dargelegt, weshalb es ihm nicht möglich sei, insbesondere die geforderten Unterlagen bzw. Nachweise beizubringen. Des weiteren sei dem Außendienst am 14. Mai 2012 der Zugang zur Wohnung bzw. ein Gespräch verwehrt worden. Werde die Mitwirkung nachgeholt und lägen die Leistungsvoraussetzungen vor, könne der Leistungsträger Sozialleistungen, die er nach § 66 versagt oder entzogen habe, nachträglich ganz oder teilweise erbringen, § 67 SGB I. Da der Kläger die angeforderten Unterlagen nicht einmal teilweise vorgelegt habe, sei auch keine Prüfung ggf. eines teilweisen Anspruchs möglich gewesen, weshalb kein Spielraum für eine nur teilweise Versagung geblieben sei.

Gegen den Bescheid vom 10. Oktober 2012 legte der Antragsteller am 16. Oktober 2012 Widerspruch ein. zur Begründung verwies er auf den "bisherigen Schriftwechsel in dieser Sache". Eine Erweiterung der Begründung behielt er sich vor. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Möglichkeit zur Nachholung der Mitwirkung durch Vorlage der Unterlagen/Nachweise bis möglichst 13. November 2012 eingeräumt. Sollten diese bis dahin nicht vollständig eingehen, ohne dass Hinderungsgründe mitgeteilt würden, werde davon ausgegangen, dass der Antragsteller sich nicht weiter äußern wolle und aufgrund des bekannten Sachverhalts entschieden.

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2012 (eingegangen am 26. Oktober 2012) hat der Antragsteller beim Sozialgericht Reutlingen (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm bis auf weiteres Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe einen Rechtsanspruch auf die begehrten Leistungen. Bezüglich der angeforderten Nachweise habe er auf die Angaben der bisherigen Leistungsanträge verwiesen. Da die bisherigen Leistungsansprüche Gegenstand eines beim Senat anhängigen Berufungsverfahrens seien (L 12 AS 4041/12), müsse zunächst das Ergebnis dieses Verfahrens abgewartet werden. Die Ablehnung der Fristverlängerung sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine vollständige Versagung von Leistungen lägen nicht vor. Er benötige Leistungen, damit seien Anordnungsanspruch und -grund gegeben.

Beim Antragsgegner hat der Antragsteller mit Schreiben vom 7. November 2012 eine Fristverlängerung bis 31. Dezember 2012 und die Gewährung eines Vorschusses beantragt, worauf der Antragsgegner erwidert hat, dass es nicht nachvollziehbar sei - wenn der Antragsteller tatsächlich hilfebedürftig sei -, weshalb er die erforderlichen Unterlagen/Nachweise nicht vorlege, und weshalb der Ausgang weiterer Verfahren, die die Vergangenheit betreffen würden, ausschlaggebend für seinen aktuellen Antrag sein sollte. Wenn er sich tatsächlich gewöhnlich in Albstadt aufhalte und aktuell tatsächlich erwerbsfähig und hilfebedürftig sei, müsse man beim aktuellen Antrag nicht erst irgendwelche strittigen Fragen der Vergangenheit abschließend klären, sondern das aktuelle Sach- und Rechtsverhältnis erörtern und aufgrund der aktuellen Situation entscheiden. Er erhalte nochmals bis 29. November 2012 Gelegenheit, die für die Feststellung der Hilfebedürftigkeit erforderlichen Unterlagen und Nachweise vorzulegen. Andernfalls werde die Entscheidung über den neuerlichen Leistungsantrag wie auch den Vorschuss bis zum Abschluss sämtlicher anhängiger Verfahren ruhend gestellt. Hierauf teilte der Antragsteller dem Antragsgegner mit Schreiben vom 26. November 2012 mit, zur Vermeidung von Wiederholungen verweise er auf sein Schreiben vom 7. November 2012 sowie den bisherigen Schriftwechsel. Mit einer Ruhendstellung der Anträge sei er nicht einverstanden.

Mit Beschluss vom 10. Dezember 2012 hat das SG den Antrag des Antragstellers abgelehnt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig. Zwar komme in der Hauptsache gegen den Versagungsbescheid leidglich die Anfechtungsklage in Betracht, allerdings habe der Antragsteller deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es ihm nicht allein um die Aussetzung der Vollziehung des Versagungsbescheides gehe, sondern er auch als Vornahmesache den Zuspruch von laufenden Leistungen begehre. Nach dem Grundsatz der Effektivität des Rechtschutzes sei geboten, dass hier eine einstweilige Anordnung in den Vordergrund trete. Der Widerspruch gegen den Versagungsbescheid führe vorliegend nicht ohne Weiteres dazu, dass dem Antragsteller laufende Leistungen zu gewähren seien. Der Widerspruch habe aufschiebende Wirkung, weil er nicht von § 39 Nr. 1 SGB II erfasst werde. Eine Entscheidung nach § 86b Abs. 1 SGG helfe aber nicht weiter, da damit noch nichts über eine einstweilige Leistungsgewährung im Wege der Vornahme gesagt sei. Der Antrag sei aber unbegründet. Es fehle an einem Anordnungsanspruch des Antragstellers. Dem stehe zwar nicht der Versagungsbescheid entgegen, da der Widerspruch wie schon ausgeführt aufschiebende Wirkung habe. Jedoch könne sich die Kammer nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht davon überzeugen, dass der Antragsteller hilfebedürftig im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB I sei. Es bestünden erhebliche Zweifel dahingehend, ob einen Leistungsanspruch ausschließende Einkünfte vorhanden seien. Diese Zweifel gingen zu Lasten des Antragstellers und beruhten maßgeblich darauf, dass der Antragsteller bis zuletzt seine Einkommensverhältnisse nicht vollständig offen gelegt habe, sondern stets auf laufende Gerichtsverfahren verweise und mittlerweile seit rund sechs Jahren ohne jede staatliche Unterstützungsleistung lebe. Hierzu werde auch auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid vom 10. September 2012 (S 7 AS 4357/09) verwiesen. Auch die ständigen Fristverlängerungsanträge würden gegen eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers sprechen. Angesichts dieser sei es auch schwerlich vorstellbar, dass - einen Leistungsanspruch unterstellt - der Antragsteller einen Anordnungsgrund haben könnte (Eilbedürftigkeit für eine vorläufige Regelung). Denn eine Notlage, die eine "Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile" nötig erscheinen lasse, sei damit nicht zu vereinbaren und mithin vom Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht.

Gegen den ihm am 13. Dezember 2012 zugestellten Beschluss richtet sich die am 8. Januar 2013 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Beschwerde. Eine Begründung der Beschwerde ist bislang nicht erfolgt. Der Antragsteller hat zunächst deren baldmöglichste Nachreichung angekündigt. Auf die Aufforderung zur Einreichung der Begründung bis spätestens 22. Januar 2013 hat der Antragsteller am 22. Januar 2013 beantragt, die Begründungsfrist um ca. 4 Wochen zu verlängern, da er als zuständige Pflegeperson "rund um die Uhr" einen schwerst pflegebedürftigen Familienangehörigen betreue, der sich aktuell in einem sehr kritischen Krankheitszustand befinde. Desweiteren hat er Prozesskostenhilfe beantragt.

Die beantragte Fristverlängerung ist angesichts dessen, dass es sich um ein Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes handelt, nicht gewährt worden, dem Antragsteller aber Gelegenheit zur Begründung der Beschwerde bis 5. Februar 2013 gegeben worden. Eine Begründung ist weiterhin nicht vorgelegt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

II.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere wäre im Hinblick auf die geltend gemachten Leistungen auch in der Hauptsache die Berufung zulässig, da die Berufungssumme von 750 EUR überschritten würde (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). In der Sache hat die Beschwerde aber keinen Erfolg. Das SG hat den Antrag zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Unter entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 SGG kann das Gericht auch in Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, diese aber vom Leistungsträger nicht beachtet wird, eine Feststellung der aufschiebenden Wirkung treffen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Wie bereits das SG ausgeführt hat, kommt vorliegend eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86a Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht in Betracht. Der Widerspruch des Antragstellers gegen den Versagungsbescheid hat bereits von Gesetzes wegen nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung. Denn keiner der Ausnahmefälle des § 86a Abs. 2 SGG ist gegeben. Nach § 39 Nr. 1 SGB II (in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung) haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung. Die vollständige Versagung von Leistungen nach § 66 SGB I wird mithin von den in § 39 Nr. 1 SGB II bezüglich einer Leistungsverweigerung abschließend aufgeführten Fallvarianten nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm nicht erfasst (vgl. Senatsbeschluss vom 5. April 2012 - L 12 AS 1050/12 ER-B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. April 2010 - L 7 AS 304/10 ER-B; Aubel in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 39 Rn. 13). Denn eine Versagung ist gerade kein Eingriff in eine frühere Leistungsbewilligung, im Gegenteil wird über die Anspruchsvoraussetzungen der Leistung in einem Verfahren nach § 66 SGB I gerade nicht entschieden (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. April 1986 - 7 RAr 91/84 - Juris; BSG, Urteil vom 25. Oktober 1988 - 7 Rar 70/87 - SozR 1200 § 66 Nr. 13). Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsgegner diese kraft Gesetzes bestehende aufschiebende Wirkung missachtet. Vielmehr hat er auch nach Einlegung des Widerspruchs versucht, die Aufklärung der Anspruchsvoraussetzungen weiter voranzutreiben, indem er dem Antragsteller wiederholt die Gelegenheit gegeben hat, die angeforderten Unterlagen noch nachzureichen. Damit ist auch für die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vorliegend kein Raum.

Die Beschwerde des Antragsteller ist auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG gerichtet. In diesem Sinne ist die Beschwerde zwar zulässig, aber nicht begründet.

Eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist möglich, obwohl der streitige Bescheid vom 10. Oktober 2012 auf § 66 Abs. 1 SGB I gestützt ist. Die Rechtmäßigkeit eines Versagungsbescheides richtet sich danach, ob die in § 66 Abs. 1 SGB I normierten Voraussetzungen gegeben sind und zwar unabhängig davon, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Leistung vorliegen. In einem solchen Fall kommt in der Hauptsache allein eine isolierte Anfechtungsklage in Betracht, eine Leistungsklage wäre unzulässig (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1988 a.a.O.; BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 78/08 R - SozR 4-1200 § 66 Nr. 5). Diese Sperrwirkung des auf § 66 SGB I gestützten Bescheides darf jedoch nicht in den Bereich der vorläufigen Regelung des Leistungsverhältnisses durch einstweilige Anordnung übertragen werden, weil ein solches Ergebnis mit rechtsstaatlichen Grundsätzen, insbesondere der Garantie effektiven gerichtlichen Rechtschutzes aus Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz nicht zu vereinbaren wäre. Denn mit der Anordnung bzw. Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels würde der Antragsteller die begehrten Leistungen für den streitigen Zeitraum nicht erlangen können (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. April 2012 - L 12 AS 1050712 ER-B, vom 22. November 2011 - L 12 AS 5199/11 ER-B und vom 18. September 2009 - L 12 AS 3633/09 ER-B; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 3. Aufl. 2012, Rn. 393). Der Senat ist daher nicht daran gehindert, auch dann über das Bestehen eines Anordnungsanspruches - im Sinne des materiellen Anspruchs auf Sozialleistungen - zu entscheiden, wenn der Antragsgegner die Bewilligung mit einem auf § 66 SGB I gestützten Bescheid versagt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dieser Bescheid - wie hier - noch nicht bestandskräftig ist.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rn. 42). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. Beschluss des Senats vom 22. November 2011 - L 12 AS 5199/11 ER-B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Bis zum Zeitpunkt der Antragstellung beim SG am 26. Oktober 2012 fehlt der gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO erforderliche Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung. Dies folgt aus dem allgemein anerkannten Grundsatz, dass kein Anordnungsgrund für das Verlangen von Geldleistungen für die Vergangenheit anzunehmen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Aufl., 2012, § 86b, Rn. 29a). Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sollen nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung einer aktuellen, d.h. gegenwärtig noch bestehenden Notlage erforderlich sind. Nur ausnahmsweise, wenn die Nichtgewährung der begehrten Leistungen in der Vergangenheit noch in die Gegenwart fortwirkt und infolgedessen eine aktuelle Notlage besteht, kann von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht werden (vgl. Keller a.a.O. Rn. 35a). Derartige Folgewirkungen hat der Antragsteller aber nicht dargelegt. Dem Antragsteller droht ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung für den Zeitraum vor Antragstellung bei Gericht kein Verlust oder Untergang seines Anspruchs. Im Falle des Obsiegens in der Hauptsache würden ihm die Leistungen nachgezahlt werden.

Für die Zeit ab dem 26. Oktober 2012 ist die Beschwerde ebenfalls zurückzuweisen. Wie das SG bereits dargelegt hat, ist auch insoweit ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, ebenso wenig ein Anordnungsanspruch. Indem der Antragsteller sich weigert, dem Antragsgegner einen ausgefüllten Formantrag samt der Formanlagen dazu vorzulegen, verhindert er die vollständige Aufklärung der für den geltend gemachten Leistungsanspruch maßgeblichen Anspruchsvoraussetzungen. Dies gilt maßgeblich in Bezug auf seine Hilfebedürftigkeit, aber auch im Hinblick auf die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen. Wer Sozialleistungen beantragt, ist aber zu deren Bewilligung zur Mitwirkung verpflichtet. In der Massenverwaltung ist es dabei zulässig, dass sich der Leistungsträger zur Prüfung entscheidungserheblicher Fragen auszufüllender Vordrucke bedient (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Dezember 2006 - L 10 B 1217/06 AS ER). Zwar ist der Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II an keine Form gebunden. Nach Antragstellung besteht aber eine Verpflichtung des antragstellenden Bürgers, im Verwaltungsverfahren mitzuwirken. Es kann nach § 60 Abs. 1 SGB I von dem Antragsteller verlangt werden, bestimmte Vordrucke - wie etwa das Antragsformular - zu benutzen und dieses ausgefüllt vorzulegen (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 56/08 R - SozR 4-4200 § 37 Nr. 1). Auch wenn der Kläger verschiedentlich in der Vergangenheit die von ihm für erforderlich gehaltenen Angaben in der von ihm gewünschten Form gemacht hat, hat dies nicht zur Folge, dass er hinsichtlich seines aktuellen Leistungsantrages von der Verpflichtung zur Mitwirkung befreit und dass allein aus dem Verweis auf seine Angaben in der Vergangenheit vom Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ausgegangen werden könnte. Diese können vielmehr derzeit mangels vollständiger aktueller Angaben des Antragstellers nicht festgestellt werden, sie sind auch nicht glaubhaft gemacht. Damit ist aber ein Anordnungsanspruch bereits nicht gegeben. Gleichzeitig fehlt es an einem Anordnungsgrund. Wie schon das SG ausgeführt hat, ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine Eilbedürftigkeit aus dem Verhalten des Antragstellers selbst. Obwohl er seinen aktualisierten Leistungsantrag bereits vor mehr als fünf Monaten gestellt hat, war er bislang weder dazu bereit und in der Lage, die geforderten Formulare ausgefüllt vorzulegen, noch im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtschutzes vorzutragen. Vor diesem Hintergrund bestand auch kein Anlass, die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde durch eine weitere Fristverlängerung hinauszuzögern. Eine weitere Zeitverzögerung widerspricht gerade dem Sinn und Zweck eines Verfahrens auf einstweiligen Rechtschutzes.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält Prozesskostenhilfe, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind allerdings keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl. Bundesverfassungsgericht, NJW 1997, 2102). Unter Beachtung dieser Grundsätze bietet die Rechtsverfolgung des Antragstellers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, wie sich aus den oben gemachten Ausführungen ergibt.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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