L 7 AS 118/12

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 5 AS 663/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 118/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 8/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 07. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben auch für das Berufungsverfahren einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).

Die im Jahr 1989 in AN. geborene und in A-Stadt wohnhafte Klägerin ist ausweislich der vorliegenden Akten staatenlos. Sie ist Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Das Zusatzblatt zum Aufenthaltstitel enthält die Angabe "Beschäftigung jeglicher Art erlaubt. Selbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet." In den Jahren 2009 und 2010 bezog die Klägerin mit ihrer im Jahr 2008 geborenen Tochter zeitweise Leistungen nach dem SGB II, zuvor bezog sie zeitweise auch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Zuletzt wurde die Leistungsgewährung nach dem SGB II durch Aufhebung des Bewilligungsbescheides durch Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2010 ab dem 01. Juni 2010 aufgehoben. Sie erhielt Leistungen nach dem AsylbLG (zuletzt Bescheid vom 13. Januar 2011 bezüglich des Zeitraumes Februar bis Mai 2011).

Im Februar 2011 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 04. März 2011 unter Hinweis auf das Bestehen eines Leistungsanspruchs nach dem AsylbLG abgelehnt. Der hiergegen mit Schreiben vom 10. März 2011 eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 02. Mai 2011 zurückgewiesen.

Die Klägerin erhob am 12. Mai 2011 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Sie war der Ansicht, dass sie kein "Fall des § 25 Abs. 5 AufenthG" sei. Sie sei nicht vollziehbar ausreisepflichtig. Es sei niemals gegen sie eine Ausreiseverfügung erlassen worden. Sie könne daher nicht auf die beschränkten Leistungen nach dem AsylbLG verwiesen werden, deren Grund gerade darin liege, dass der hiernach leistungsberechtigte Ausländer sich "eigentlich" gar nicht mehr in Deutschland aufhalten solle. Sie sei auch nicht, wie die Berechtigten nach dem AsylbLG, in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt; vielmehr seien ihr Beschäftigungen jeglicher Art gestattet. Sie zähle gerade zu dem Personenkreis, der von dem Beklagten - ganz im Unterschied zu den Leistungsberechtigten des AsylbLG - gefordert und gefördert werden solle. Die Klägerin legte ein Schreiben des Ordnungsamts der Stadt A-Stadt vom 07. Oktober 2011 vor, wonach die ihr am 02. Juli 1993 erteilte Aufenthaltsbefugnis nach § 101 Abs. 2 AufenthG als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG fortgilt. Die Klägerin war darüber hinaus der Ansicht, dass aufgrund der gesetzlichen Regelungen weder für die Ausländerbehörde noch für sie die Möglichkeit bestehe, einen Aufenthaltstitel nach einer anderen Vorschrift des AufenthG zu erhalten. Ein Rechtssatz in dem Sinne, dass der Beklagte oder das angerufene Gericht daran gebunden seien, ihr Leistungen nach dem SGB II zu versagen, weil die Ausländerbehörde ihr aus ausländerrechtlichen Gründen den Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG gegeben habe, bestehe nicht. Das Gericht sei frei darin zu entscheiden, dass der Aufenthalt der Klägerin nicht den Aufenthaltsstatus nach § 25 Abs. 5 AufenthG darstelle, den das SGB II als Leistungsausschlussgrund normiere. Es lägen daher keine Gründe vor, sie aus dem nach dem SGB II zu fordernden und zu fördernden Personenkreis auszunehmen.

Der Beklagte verwies darauf, dass die Klägerin einen Leistungsanspruch nach dem AsylbLG habe. Damit sei sie von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Es gebe keine Öffnungsklausel und kein Ermessen, wonach eine anderweitige Entscheidung zu treffen möglich wäre. Ursache des Leistungsausschlusses sei der Aufenthaltsstatus der Klägerin. Hierfür sei der Beklagte nicht zuständig.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main wies durch Gerichtsbescheid vom 07. Februar 2012 die Klage ab. Es führte aus, dass die Klägerin nicht die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II beanspruchen könne. Die Klägerin gehöre nicht zum Personenkreis der nach dem SGB II Leistungsberechtigten. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II seien Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Leistungsberechtigt nach § 1 AsylbLG seien u.a. Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besitzen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG). Diesem Personenkreis gehöre die Klägerin unstreitig an. Aufgrund ihrer Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG könne sie keine Leistungen nach dem SGB II erhalten. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diesen Leistungsausschluss bestünden nicht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 24/07 R). Die von der Klägerin der Sache nach vertretene Auffassung, der Beklagte und auch das Gericht seien nicht gehindert, der Klägerin trotz des ihr von der Ausländerbehörde zuerkannten Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, werde von der Kammer nicht geteilt. Der Leistungsausschluss ergebe sich aus dem vorstehend dargestellten eindeutigen Gesetzeswortlaut, an den sowohl der Beklagte als auch das Gericht gebunden seien. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Wortlaut nicht dem Willen des Gesetzgebers entspreche, dass der Gesetzgeber vielmehr Sachverhalte wie den vorliegenden vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II hätte ausnehmen wollen, seien nicht ersichtlich. Die der Klägerin zuerkannte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, die offensichtlich bestandskräftig sei, lasse auch keine Interpretation dahingehend zu, dass es sich eigentlich nicht um eine solche handele, sondern dass ein Sachverhalt vorliege, der einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II begründe.

Die Klägerin hat gegen den ihr am 10. Februar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 28. Februar 2012 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht erhoben.

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass sie nach Sinn und Zweck nicht vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II umfasst sei und daher einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 07. Februar 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 04. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Mai 2011 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab Februar 2011 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass eine Ausnahme vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II nicht möglich und zulässig sei.

Es wird zum weiteren Sach- und Streitstand auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte der Klägerin bei dem Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.

Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Gerichtsbescheid vom 07. Februar 2012 die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II im Zeitraum ab Februar 2011.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Ausgenommen sind nach Satz 2 1. Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, 2. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen, 3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Satz 2 Nr. 1 gilt nicht für Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

Die Klägerin ist nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II, denn es greift in ihrem Fall der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II ein. Die Klägerin ist nämlich leistungsberechtigt nach dem AsylbLG. Nach § 1 AsylbLG sind leistungsberechtigt Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die 1. eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz besitzen, 2. über einen Flughafen einreisen wollen und denen die Einreise nicht oder noch nicht gestattet ist, 3. wegen des Krieges in ihrem Heimatland eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 oder § 24 des Aufenthaltsgesetzes oder die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1, Abs. 4a, 4b oder Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, 4. eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes besitzen, 5. vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist, 6. Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen sind, ohne dass sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllen, oder 7. einen Folgeantrag nach § 71 des Asylverfahrensgesetzes oder einen Zweitantrag nach § 71a des Asylverfahrensgesetzes stellen. Die in § 1 Abs. 1 AsylbLG bezeichneten Ausländer sind für die Zeit, für die ihnen ein anderer Aufenthaltstitel als die in § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG bezeichnete Aufenthaltserlaubnis mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten erteilt worden ist, nicht nach diesem Gesetz leistungsberechtigt, Abs. 2. Die Leistungsberechtigung endet nach § 1 Abs. 3 AsylbLG mit der Ausreise oder mit Ablauf des Monats, in dem 1. die Leistungsvoraussetzung entfällt oder 2. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Ausländer als Asylberechtigten anerkannt oder ein Gericht das Bundesamt zur Anerkennung verpflichtet hat, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist.

Die Klägerin hat eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Diese erhielt sie nach § 101 Abs. 2 AufenthG in Fortführung ihres bisherigen Aufenthaltstitels. Nach § 101 Abs. 1 AufenthG gilt eine vor dem 1. Januar 2005 erteilte Aufenthaltsberechtigung oder unbefristete Aufenthaltserlaubnis fort als Niederlassungserlaubnis entsprechend dem ihrer Erteilung zu Grunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt. Eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22. Juli 1980 (BGBl. I S. 1057) oder in entsprechender Anwendung des vorgenannten Gesetzes erteilt worden ist, und eine anschließend erteilte Aufenthaltsberechtigung gelten fort als Niederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 AufenthG. Die übrigen Aufenthaltsgenehmigungen gelten nach § 101 Abs. 2 AufenthG fort als Aufenthaltserlaubnisse entsprechend dem ihrer Erteilung zu Grunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt. Ein Aufenthaltstitel, der vor dem 28. August 2007 mit dem Vermerk "Daueraufenthalt-EG" versehen wurde, gilt als Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG fort, Abs. 3. Da für die Klägerin nach Feststellungen der zuständigen Ausländerbehörde weder die Voraussetzungen nach § 101 Abs. 1 AufenthG noch nach § 101 Abs. 3 AufenthG vorlagen, kam nach § 101 Abs. 2 AufenthG nur die Fortgeltung als Aufenthaltserlaubnis entsprechend dem ihrer Erteilung zu Grunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt in Betracht. Da die Klägerin zunächst, ebenso wie ihre Mutter, geduldet war und dann eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Ausländergesetz (AuslG) erhielt, kam nur die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht. Nach § 30 Abs. 4 AuslG konnte einem Ausländer, der seit mindestens zwei Jahren unanfechtbar ausreisepflichtig war und eine Duldung besaß, abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 AuslG eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden, es sei denn, der Ausländer weigert sich, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses zu erfüllen. Diese Voraussetzungen waren bei der Klägerin nach den Feststellungen der zuständigen Ausländerbehörde erfüllt. Dieser Aufenthaltstitel war unter Geltung des AufenthG fortzuschreiben. Dieses zusätzliche, neue Erfordernis beruht auf der Abschaffung der nach Aufenthaltszwecken definierten Aufenthaltstitel (Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage 2011, § 101 Rn. 24). Da auch nach dem AufenthG nach verschiedenen Aufenthaltszwecken differenziert wird, hat der Gesetzgeber die Fortwirkung auch dieser ursprünglichen Zwecke und Entstehungsgründe vorgeschrieben. Deshalb spielt bei der Fortgeltung früherer Aufenthaltsgenehmigungen der bisherige Aufenthaltszweck, der sich im Regelfall bereits aus dem Namen des Titels ergab, eine maßgebliche Rolle (Renner, a. a. O., Rn. 25). Die Aufenthaltsbefugnis nach §§ 30 ff. AuslG fungierte überwiegend als humanitärer Auffang-Titel und kam insbesondere dann in Betracht, wenn sonst kein anderer Titel erteilt werden durfte (Renner, a. a. O., Rn. 32). So lag der Fall auch bei der Klägerin. § 30 Abs. 4 AuslG entspricht dem § 25 Abs. 5 AufenthG (Renner, a. a. O., Rn. 33). § 25 Abs. 5 AufenthG regelt nämlich (in Anlehnung an § 30 Abs. 3 und 4 und § 55 Abs. 2 AuslG) die Möglichkeit der Aufenthaltserlaubnis auch ohne festgestellte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG und unter Durchbrechung der von einer Ausweisung, Abschiebung oder Zurückschiebung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ausgehenden Sperrwirkung (Hofmann/Hoffman, Ausländerrecht, 2008, § 25 Rn. 55). Die vollziehbare Ausreisepflicht wird vorausgesetzt; diese liegt auch vor, wenn ein anderer Aufenthaltstitel nicht gewährt werden kann (Hofmann/Hoffmann, a. a. O., Rn. 55).

Gegen eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG spricht nach Auffassung des Senats der eindeutige Gesetzeswortlaut. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber zahlreiche Gelegenheiten zur Änderung der Vorschrift ungenutzt gelassen (z. B. im Zuge der Einfügung des § 25a AufenthG zum 01. Juli 2011, wonach gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden sowie ggf. deren Eltern unter erleichterten Bedingungen ein Aufenthaltsrecht eingeräumt werden kann).

Auch aus Sinn und Zweck der der Klägerin erteilten Aufenthaltserlaubnis ergibt sich nach Auffassung des Senats nichts anderes. Dieser lässt sich nämlich - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht von den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen losgelöst für das SGB II bestimmen. § 7 SGB II enthält ausdrücklich die Regelung, dass die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen unberührt bleiben. Die Bestimmungen des AufenthG gelten somit auch im Bereich des SGB II. Die Klägerin gehört demnach zu dem Personenkreis, der nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben und der für einen weiteren Verbleib keine wirtschaftlichen Anreize erhalten soll. Nach § 43 Abs. 1 AufenthG soll nur die Integration von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland gefördert werden. Eine Ausdehnung der Leistungsberechtigung nach dem SGB II auf den von § 25 Abs. 5 AufenthG erfassten Personenkreis würde mithin bereits wegen deren nicht auf Dauer angelegten Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland dem Konzept der begrenzten Integration entgegenstehen. Nichts anderes ergibt sich aus der Tatsache, dass der Klägerin die Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung ohne Weiteres gestattet ist. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II normierten Leistungsausschlüsse resultieren gerade nämlich nicht aus einer nicht vorhandenen Erwerbsfähigkeit, sondern sind hiervon unabhängig. Die hiernach von der Leistungsgewährung ausgenommenen Personen sind allesamt nicht per se erwerbsunfähig. Die Frage der Erwerbsfähigkeit stellt sich erst dann, wenn kein Leistungsausschluss vorliegt und die Voraussetzungen derselben sind in § 8 SGB II geregelt. Es findet sich dort sodann eine Regelung zur Erwerbsfähigkeit von Ausländern. Erst an diesem Prüfungspunkt wird es relevant, ob der Klägerin die Aufnahme einer Tätigkeit gestattet ist. Aus dieser Regelungssystematik wird nach Auffassung des Senats deutlich, dass die Frage der Erwerbsfähigkeit im Bereich des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II zur Prüfung nicht herangezogen werden kann.

Der Leistungsausschluss ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG auch verfassungsgemäß (grundlegend BSG, Urteil vom 13. November 2008, Az.: B 14 AS 24/07 R, BSGE 102, 60; vgl. auch BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008, Az.: B 4 AS 40/07 R sowie vom 07. Mai 2009, Az.: B 14 AS 41/07 R - juris -). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Das BSG ging im Übrigen unter Verweis auf die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 12/4451, S. 7) davon aus, dass § 25 Abs. 5 AufenthG gerade kein verfestigtes Aufenthaltsrecht begründet. Den Betroffenen wird ihr Aufenthalt in Deutschland vielmehr nur zeitlich befristet erlaubt (§ 26 Abs. 1 S. 1 AufenthG). So ist es auch im Fall der Klägerin. Es ist nach Auffassung des BSG (a. a. O.) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn gesetzlich zwischen den Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 25 Abs. 4 S. 1, Abs. 4a, 4b und Abs. 5 AufenthG einerseits und etwa denjenigen (auf ein Abschiebungsverbot Rücksicht nehmenden) nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder Abs. 7 AufenthG unterschieden wird. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass bei tatsächlich längerem Aufenthalt dieser über die Leistungen gem. § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) sozial abgesichert ist, die gem. § 11 Abs. 3 SGB XII auch Angebote einer Tätigkeit umfassen können. Diese unterschiedliche Behandlung der nach dem AsylbLG Berechtigten gegenüber deutschen Staatsangehörigen und den nicht vom AsylbLG erfassten Ausländern mit Leistungsberechtigung nach dem SGB II ist hinreichend durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber für die Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG ein eigenes Konzept zur Sicherung ihres Lebensbedarfs entwickelt hat. Dabei ist es ihm auch nicht verwehrt, Art und Umfang von Sozialleistungen grundsätzlich von der voraussichtlichen Dauer ihres Aufenthaltes in Deutschland abhängig zu machen (vgl. BVerfGE 116, 229). Bestätigt wird dies auch durch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 18. Juli 2012, Az.: 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 (BGBl. I 2012, 1715-1716) bezüglich der Verfassungswidrigkeit der Regelungen des AsylbLG hinsichtlich der Höhe der Leistungen. Das BVerfG führt zur Begründung aus, dass der Anwendungsbereich des AsylbLG seit 1993 mehrfach erweitert worden sei und heute Menschen mit einem sehr unterschiedlichen Aufenthaltsstatus umfasse. Dieses Regelungskonzept gehe davon aus, dass dies ein kurzfristiger und vorübergehender Aufenthalt sei (vgl. BT-Drucks. 13/2746, S. 11 und 13/3475, S. 2). Das werde jedoch der tatsächlichen Situation nicht gerecht. Der überwiegende Teil der Personen, die Leistungen nach dem AsylbLG erhalten, halte sich bereits länger als sechs Jahre in Deutschland auf (vgl. BT-Drucks. 17/642). Die im AsylbLG in der Festlegung des Kreises der Berechtigten in § 1 AsylbLG angelegte Vermutung, sie alle hielten sich nur kurzzeitig in Deutschland auf, sei vor diesem Hintergrund jedenfalls erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Selbst wenn die Prognose für die Anfangszeit des Aufenthalts der Betroffenen noch aus dem Aufenthaltsstatus abgeleitet werden könnte, sei es jedenfalls für die in § 2 Abs. 1 AsylbLG vorgesehene Dauer von mittlerweile vier Jahren des Leistungsbezugs und folglich einem eventuell auch längeren Aufenthalt nicht mehr gerechtfertigt, von einem nur kurzen Aufenthalt mit möglicherweise spezifisch niedrigerem Bedarf auszugehen. Das AsylbLG finde nach zwischenzeitlichen Gesetzesänderungen als Sonderregelung außerhalb des Sozialhilferechts heute - entgegen seiner Bezeichnung - nicht nur Anwendung auf Asylsuchende, sondern auch auf zahlreiche weitere Personengruppen. Insgesamt handele es sich bei den Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG damit um Personen, die zwar alle kein Daueraufenthaltsrecht, ansonsten aber einen sehr unterschiedlichen Aufenthaltsstatus haben und deren Aufenthalt in Deutschland auf unterschiedlichen Lebenssituationen beruht. Das BVerfG führte aus: "Im Jahr 2009 fand das Asylbewerberleistungsgesetz auf insgesamt annähernd 150.000 Menschen Anwendung (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE vom 5. Februar 2010, BT-Drucks 17/642, zum Stichtag des 31. Dezember 2009; vgl. auch BT-Drucks 17/3160, S. 7 ff. zu den Stichtagen 30. Juni und 31. August 2010). Die tatsächliche Dauer des Aufenthalts in Deutschland variiert ausweislich der Daten aus dem Jahr 2009 bei den Leistungsberechtigten im Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes stark. Über zwei Drittel von ihnen hielten sich seit über sechs Jahren in Deutschland auf. Insgesamt war 34.460 Personen der Aufenthalt nach dem Asylverfahrensgesetz gestattet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG); von ihnen waren 3.731 Personen (also 10,8 %) länger als sechs Jahre hier. Insgesamt 51.637 Menschen suchten Schutz vor einem Krieg in ihrem Heimatland (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 AsylbLG i.V.m. § 23 Abs. 1 AufenthG); von ihnen lebten die meisten (46.730 oder 90,5 %) länger als sechs Jahre in Deutschland. Aus humanitären Gründen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Var. 3 AsylbLG i.V.m. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) hielten sich insgesamt 8.428 Menschen in Deutschland auf, davon über die Hälfte (4.517 oder 53,6 %) länger als sechs Jahre. Dazu kamen 47.844 Menschen, denen eine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich war (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Var. 6 AsylbLG i.V.m. § 25 Abs. 5 AufenthG), wovon die allermeisten (40.397 oder 84,4 %) bereits mehr als sechs Jahre in Deutschland lebten. Von den insgesamt 89.498 in Deutschland geduldeten Menschen waren 5.247 Personen nach § 60a Abs. 1 AufenthG geduldet (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG)." Nach Auffassung des BVerfG sei schon aus diesem Grund eine Absenkung der Leistungen aufgrund des ausländerrechtlichen Status nicht gerechtfertigt. Wenn aber somit die Tatsache, dass eine nennenswerte Anzahl von Personen Leistungen nach dem AsylbLG erhalten und sich trotzdem viele Jahre in der BRD aufhalten, gerade auch dazu führte, dass das BVerfG von einer Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Normen über die Höhe der Leistungen des AsylbLG ausging, ergibt sich damit zugleich, dass die Zuordnung dieser Personen zum Leistungsregime des AsylbLG nicht verfassungswidrig ist.

Der Leistungsausschluss verstößt auch nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht. Es liegt kein Verstoß gegen die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (EGRL 83/2004) vor. Ein solcher besteht nach Auffassung des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 27. Februar 2012, Az.: L 20 AY 48/08, ZFSH/SGB 2012, 461) dann, wenn minderjährige Kinder, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besitzen und damit leistungsberechtigt nach dem AsylbLG sind, deren Eltern jedoch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II beziehen, von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II ausgeschlossen sind. Sie haben dann nach Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen unmittelbar aus der Richtlinie selbst einen Anspruch, der dann nach dem SGB II zu gewähren ist. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, denn die Klägerin unterfällt nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie. Der Klägerin ist keine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG und damit auch kein subsidiärer Schutz im Sinne von EGRL 83/2004 zuerkannt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war unter den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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