Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 17 KR 1463/12 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes und längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet, die Versorgung der Versicherten nach Maßgabe des Bandagenvertrags (AC/TK1502302) und auf der Grundlage des widerrufenen Angebots zur Versorgung der Versicherten nach dem zum 31.12.2008 gekündigten Rahmenvertrag über den 31.12.2012 hinaus zu gestatten.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 13.500 Euro festgesetzt.
Gründe:
I. Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln durch die Antragstellerin zu gestatten. Streitgegenständlich ist dabei die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Versorgungsvertrags.
Zum 1.10.2011 haben die Antragsgegnerin und die Landesinnung Bayern für Orthopädie-Technik einen Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V über die Versorgung mit Bandagen, Lagerungshilfen und Orthesen durch Meisterbetriebe des Orthopädietechnikerhandwerks bzw. Dipl.Ing. für Orthopädie- und Rehatechnik geschlossen, dem die Antragstellerin mit Erklärung vom 1.10.2011 zum gleichen Tage beigetreten ist. Im Juni 2012 führte die Antragsgegnerin stichprobenartig Versichertenbefragungen zur Abgabe von Hilfsmitteln durch. Das Ergebnis der Überprüfung einzelner Abrechnungsvorgänge durch die Antragstellerin veranlasste die Antragsgegnerin, mit Schreiben vom 9.8.2012 die Staatsanwaltschaft A-Stadt I mit der Bitte um strafrechtliche Würdigung ein-zuschalten. Die Antragsgegnerin konfrontierte die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.11.2012 erstmalig mit den Abrechnungsvorwürfen im Rahmen einer Anhörung. Nach Überprüfung einzelner Abrechnungsvorgänge ergebe sich, dass die Antragstellerin bei Abgabe von Hilfsmitteln durch die Arztpraxis den vereinbarten Depotabschlag von 20 % der Rechnungssumme nicht abgezogen habe. Der Antragstellerin wurde Stellungnahmefrist bis zum 12.12.2012 eingeräumt. In diesem Schreiben wies die Antragsgegnerin allgemein auf ihr Recht zur fristlosen Kündigung sowie den Ausschluss von der Versorgung der Versicherten für die Dauer von bis zu 2 Jahren hin. Den Antrag auf Fristverlängerung der Antragstellerin entschied die Antragsgegnerin abschlägig und erklärte mit Schreiben vom 21.12.2012 die fristlose Kündigung des Versorgungsvertrags. Gleichzeitig teilte sie der Antragstellerin den Ausschluss von der Versorgung Versicherter für die Dauer von 2 Jahren mit. Am 28.12.2012 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht München den vorliegenden Eilantrag gestellt. Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, ihr habe aufgrund des schwerwiegenden Fehlverhaltens der Antragstellerin ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 9 Nr. 4 des Bandagenvertrags zugestanden. Die Antragstellerin beruft sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung. Die Vertragsbestimmungen insbesondere des § 9 Nr. 4 des Bandagenvertrags hielten einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB nicht stand. Im Übrigen habe die Antragstellerin nicht gewusst, dass in bestimmten Fällen der Abgabe ein Depotabschlag abzuziehen gewesen sei.
Die Antragstellerin beantragt zuletzt im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 18.1.2013, die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig über den 31.12.2012 hinaus bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache S 17 KR 18/13 zu gestatten, die Versicherten der Antragsgegnerin nach Maßgabe des Bandagenvertrags (AC/TK 1502302) und auf der Grundlage des widerrufenen Angebots zur Versorgung der Versicherten nach dem zum 31.12.2008 gekündigten Rahmenvertrag zu versorgen und gegenüber der Antragsgegnerin abzurechnen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das jeweilige schriftsätzliche Vorbringen sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und die vertraglichen Bestimmungen des Bandagenvertrags Bezug genommen. II.
Der Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist zulässig und begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung).
Da der Bandagenvertrag in der Fassung vom 9.9.2011 nach § 11 Nr. 1 Satz 2 regulär frühestens zum 30.9 ...2013 gekündigt werden kann, greift die außerordentliche Kündigung der Antragsgegnerin zum 31.12.2012 in eine vertragliche Rechtsposition der Antragstellerin ein. Ziel des einstweiligen Rechtsschutzes ist es, den Vertrag mindestens bis zum 30.9.2013 fortzuführen, nicht hingegen die vorläufige Einräumung einer bislang noch nicht bestimmten Rechtsposition wie bei der Regelungsanordnung. Damit ist der Erlass einer Sicherungsanordnung statthaft, die dem Schutz des Status quo vor Eingriffen, auch durch Kündigungen eines Vertrages, dient (vgl. z.B. Binder in: Lüdtke, Sozialgerichtsgesetz, 3. Auflage, § 86 b Rn. 33).
Der Erlass einer Sicherungsanordnung setzt voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurden. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn dem Antragsteller unter Zugrundelegung der glaubhaft gemachten Tatsachen das geltend gemachte Recht - Fortführung des Vertrages - materiellrechtlich zusteht und infol-gedessen ein Hauptsacheverfahren Erfolg verspricht. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die Gefahr einer Rechtsvereitelung oder einer Erschwerung der Verwirklichung droht. Davon ist typischerweise auszugehen, wenn durch die Änderung des bestehenden Zustandes irreversible Fakten geschaffen würden.
Zur Überzeugung der Kammer hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn nach summarischer Prüfung ist die am 21.12.2012 ausgesprochene außerordentliche Kündigung des Bandagenvertrags unwirksam, die Antragstellerin mithin weiterhin berechtigt, Versicherte nach Maßgabe dieses Vertrags zu versorgen.
Bei Dauerschuldverhältnissen aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrages beurteilt sich die Rechtmäßigkeit einer Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB, der über die Verweisungsvorschrift des § 61 Abs. 2 SGB X entsprechend gilt. Ebenso wie § 314 Abs. 1 BGB sieht § 9 Nr. 4 des Bandagenvertrags das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund vor.
Nach § 314 Abs. 1 BGB kann ein Dauerschuldverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet wer-den kann. Da eine Kündigung ultima ratio ist, sieht § 314 Abs. 2 BGB bei Verletzungen vertraglicher Pflichten grundsätzlich vor, dass zunächst eine Frist zur Abhilfe gesetzt wer-den beziehungsweise eine Abmahnung erfolgen muss, es sei denn, dass besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen (§§ 314 Abs. 2 S. 2, 323 Abs. 2 Nummer 3 BGB). Eine Fristsetzung oder Abmahnung ist also dann nicht erforderlich, wenn das Vertrauensverhältnis so schwerwiegend gestört ist, dass eine sofortige Beendigung des Vertrages gerechtfertigt erscheint (Grüneberg in: Palandt, 70. Auflage, § 314 Rn. 8).
Es braucht im Rahmen des Eilverfahrens nicht abschließend geprüft werden, ob das Verhalten der Antragstellerin eine so schwerwiegende Vertragsverletzung dargestellt hat, dass ausnahmsweise eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung oder Frist zur Abhilfe gerechtfertigt war. Denn die Kündigung vom 21.12.2013 erweist sich unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung einer außerordentlichen Kündigungserklärung als unwirksam im Sinne des § 314 Abs. 3 BGB.
Zwischen dem Abschluss der Überprüfung des Abrechnungsverhaltens der Antragstellerin spätestens im August 2012 und der Kündigungserklärung vom 21.12.2012 liegt ein Zeitraum von 4 Monaten.
In Anbetracht der Rechtfertigung der Kündigung durch die Antragsgegnerin als eine auf derart schweren, das Vertrauensverhältnis nachhaltig störenden wiederholten Vertragsverletzungen beruhend, erscheint ein Abwarten von 4 Monaten als nicht mehr angemessen.
Die Klausel des § 9 Nr. 5 Satz 2 des Bandagenvertrags vermag eine Ausnahme von § 314 Abs. 3 BGB nicht zu rechtfertigen. Sie bezieht sich lediglich auf das Erfordernis der Stellungnahmefrist vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung bei laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren. Keiner Entscheidung bedarf die Frage im Verfahren des Eilrechtsschutzes, ob diese Klausel grundsätzlich mit § 314 Abs. 1 und 2 BGB vereinbar ist. Letztlich hat sich die Antragsgegnerin selbst nicht an die Ausnahmeregelung des § 9 Nr. 5 Satz 2 des Bandagenvertrags gehalten, sondern hat der Antragstellerin eine Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt.
Zuletzt hat die Antragstellerin auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung würden für die Antragstellerin irreversible Umsatzeinbußen und bei einem 30- bis 35-prozentigen Anteil am Umsatz durch die Versicherten der Antragsgegnerin auch eine wirtschaftliche Gefährdung des Unternehmens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 HS 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertentscheidung folgt aus §§ 39 Abs. 1, 52 und 53 i.V.m. einer entsprechenden Anwendung von § 50 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) (vgl. zu einer entsprechenden Anwendung des § 50 Abs. 2 GKG: BSG, Urteil vom 10.3.2010, B 3 KR 26/08 R). Die Kammer orientiert sich an der Handhabung des BSG, wonach bei Klage auf Abschluss eines Versorgungsvertrags zur Hilfsmittelversorgung 5 % des erzielbaren Umsatzes an-zusetzen sind (BSG, Urt. Vom 10.3.2010, aaO.) Maßgeblich ist das durchschnittliche jährliche Umsatzvolumen der Antragstellerin aus der Versorgung der Versicherten der Antragsgegnerin. Da vorliegend zunächst der Umsatz bis zum ersten fristgemäßen Kündigungstermin 30.9.2013 in Frage steht, erscheint die Umlegung des zu erwartenden Jahresumsatzes auf 9 Monate angemessen. Die Antragstellerin hat vorgetragen, ca. 30 bis 35 % ihres Umsatzes in Höhe von 90.000 Euro monatlich durch die Versorgung von Versicherten der Antragsgegnerin zu erwirtschaften. 5 % des Umsatzes in Höhe 270.000 Euro (30.000 multipliziert mit 9 Monaten) ergibt die festgesetzten 13.500 Euro. Die Kammer hält eine weitere Reduzierung des Streitwerts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in Anbetracht der bei fristgemäßer Kündigung nur noch 9 Monaten Vertragsdauer für nicht sachgerecht.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 13.500 Euro festgesetzt.
Gründe:
I. Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln durch die Antragstellerin zu gestatten. Streitgegenständlich ist dabei die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Versorgungsvertrags.
Zum 1.10.2011 haben die Antragsgegnerin und die Landesinnung Bayern für Orthopädie-Technik einen Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V über die Versorgung mit Bandagen, Lagerungshilfen und Orthesen durch Meisterbetriebe des Orthopädietechnikerhandwerks bzw. Dipl.Ing. für Orthopädie- und Rehatechnik geschlossen, dem die Antragstellerin mit Erklärung vom 1.10.2011 zum gleichen Tage beigetreten ist. Im Juni 2012 führte die Antragsgegnerin stichprobenartig Versichertenbefragungen zur Abgabe von Hilfsmitteln durch. Das Ergebnis der Überprüfung einzelner Abrechnungsvorgänge durch die Antragstellerin veranlasste die Antragsgegnerin, mit Schreiben vom 9.8.2012 die Staatsanwaltschaft A-Stadt I mit der Bitte um strafrechtliche Würdigung ein-zuschalten. Die Antragsgegnerin konfrontierte die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.11.2012 erstmalig mit den Abrechnungsvorwürfen im Rahmen einer Anhörung. Nach Überprüfung einzelner Abrechnungsvorgänge ergebe sich, dass die Antragstellerin bei Abgabe von Hilfsmitteln durch die Arztpraxis den vereinbarten Depotabschlag von 20 % der Rechnungssumme nicht abgezogen habe. Der Antragstellerin wurde Stellungnahmefrist bis zum 12.12.2012 eingeräumt. In diesem Schreiben wies die Antragsgegnerin allgemein auf ihr Recht zur fristlosen Kündigung sowie den Ausschluss von der Versorgung der Versicherten für die Dauer von bis zu 2 Jahren hin. Den Antrag auf Fristverlängerung der Antragstellerin entschied die Antragsgegnerin abschlägig und erklärte mit Schreiben vom 21.12.2012 die fristlose Kündigung des Versorgungsvertrags. Gleichzeitig teilte sie der Antragstellerin den Ausschluss von der Versorgung Versicherter für die Dauer von 2 Jahren mit. Am 28.12.2012 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht München den vorliegenden Eilantrag gestellt. Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, ihr habe aufgrund des schwerwiegenden Fehlverhaltens der Antragstellerin ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 9 Nr. 4 des Bandagenvertrags zugestanden. Die Antragstellerin beruft sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung. Die Vertragsbestimmungen insbesondere des § 9 Nr. 4 des Bandagenvertrags hielten einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB nicht stand. Im Übrigen habe die Antragstellerin nicht gewusst, dass in bestimmten Fällen der Abgabe ein Depotabschlag abzuziehen gewesen sei.
Die Antragstellerin beantragt zuletzt im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 18.1.2013, die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig über den 31.12.2012 hinaus bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache S 17 KR 18/13 zu gestatten, die Versicherten der Antragsgegnerin nach Maßgabe des Bandagenvertrags (AC/TK 1502302) und auf der Grundlage des widerrufenen Angebots zur Versorgung der Versicherten nach dem zum 31.12.2008 gekündigten Rahmenvertrag zu versorgen und gegenüber der Antragsgegnerin abzurechnen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das jeweilige schriftsätzliche Vorbringen sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und die vertraglichen Bestimmungen des Bandagenvertrags Bezug genommen. II.
Der Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist zulässig und begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung).
Da der Bandagenvertrag in der Fassung vom 9.9.2011 nach § 11 Nr. 1 Satz 2 regulär frühestens zum 30.9 ...2013 gekündigt werden kann, greift die außerordentliche Kündigung der Antragsgegnerin zum 31.12.2012 in eine vertragliche Rechtsposition der Antragstellerin ein. Ziel des einstweiligen Rechtsschutzes ist es, den Vertrag mindestens bis zum 30.9.2013 fortzuführen, nicht hingegen die vorläufige Einräumung einer bislang noch nicht bestimmten Rechtsposition wie bei der Regelungsanordnung. Damit ist der Erlass einer Sicherungsanordnung statthaft, die dem Schutz des Status quo vor Eingriffen, auch durch Kündigungen eines Vertrages, dient (vgl. z.B. Binder in: Lüdtke, Sozialgerichtsgesetz, 3. Auflage, § 86 b Rn. 33).
Der Erlass einer Sicherungsanordnung setzt voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurden. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn dem Antragsteller unter Zugrundelegung der glaubhaft gemachten Tatsachen das geltend gemachte Recht - Fortführung des Vertrages - materiellrechtlich zusteht und infol-gedessen ein Hauptsacheverfahren Erfolg verspricht. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die Gefahr einer Rechtsvereitelung oder einer Erschwerung der Verwirklichung droht. Davon ist typischerweise auszugehen, wenn durch die Änderung des bestehenden Zustandes irreversible Fakten geschaffen würden.
Zur Überzeugung der Kammer hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn nach summarischer Prüfung ist die am 21.12.2012 ausgesprochene außerordentliche Kündigung des Bandagenvertrags unwirksam, die Antragstellerin mithin weiterhin berechtigt, Versicherte nach Maßgabe dieses Vertrags zu versorgen.
Bei Dauerschuldverhältnissen aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrages beurteilt sich die Rechtmäßigkeit einer Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB, der über die Verweisungsvorschrift des § 61 Abs. 2 SGB X entsprechend gilt. Ebenso wie § 314 Abs. 1 BGB sieht § 9 Nr. 4 des Bandagenvertrags das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund vor.
Nach § 314 Abs. 1 BGB kann ein Dauerschuldverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet wer-den kann. Da eine Kündigung ultima ratio ist, sieht § 314 Abs. 2 BGB bei Verletzungen vertraglicher Pflichten grundsätzlich vor, dass zunächst eine Frist zur Abhilfe gesetzt wer-den beziehungsweise eine Abmahnung erfolgen muss, es sei denn, dass besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen (§§ 314 Abs. 2 S. 2, 323 Abs. 2 Nummer 3 BGB). Eine Fristsetzung oder Abmahnung ist also dann nicht erforderlich, wenn das Vertrauensverhältnis so schwerwiegend gestört ist, dass eine sofortige Beendigung des Vertrages gerechtfertigt erscheint (Grüneberg in: Palandt, 70. Auflage, § 314 Rn. 8).
Es braucht im Rahmen des Eilverfahrens nicht abschließend geprüft werden, ob das Verhalten der Antragstellerin eine so schwerwiegende Vertragsverletzung dargestellt hat, dass ausnahmsweise eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung oder Frist zur Abhilfe gerechtfertigt war. Denn die Kündigung vom 21.12.2013 erweist sich unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung einer außerordentlichen Kündigungserklärung als unwirksam im Sinne des § 314 Abs. 3 BGB.
Zwischen dem Abschluss der Überprüfung des Abrechnungsverhaltens der Antragstellerin spätestens im August 2012 und der Kündigungserklärung vom 21.12.2012 liegt ein Zeitraum von 4 Monaten.
In Anbetracht der Rechtfertigung der Kündigung durch die Antragsgegnerin als eine auf derart schweren, das Vertrauensverhältnis nachhaltig störenden wiederholten Vertragsverletzungen beruhend, erscheint ein Abwarten von 4 Monaten als nicht mehr angemessen.
Die Klausel des § 9 Nr. 5 Satz 2 des Bandagenvertrags vermag eine Ausnahme von § 314 Abs. 3 BGB nicht zu rechtfertigen. Sie bezieht sich lediglich auf das Erfordernis der Stellungnahmefrist vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung bei laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren. Keiner Entscheidung bedarf die Frage im Verfahren des Eilrechtsschutzes, ob diese Klausel grundsätzlich mit § 314 Abs. 1 und 2 BGB vereinbar ist. Letztlich hat sich die Antragsgegnerin selbst nicht an die Ausnahmeregelung des § 9 Nr. 5 Satz 2 des Bandagenvertrags gehalten, sondern hat der Antragstellerin eine Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt.
Zuletzt hat die Antragstellerin auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung würden für die Antragstellerin irreversible Umsatzeinbußen und bei einem 30- bis 35-prozentigen Anteil am Umsatz durch die Versicherten der Antragsgegnerin auch eine wirtschaftliche Gefährdung des Unternehmens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 HS 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertentscheidung folgt aus §§ 39 Abs. 1, 52 und 53 i.V.m. einer entsprechenden Anwendung von § 50 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) (vgl. zu einer entsprechenden Anwendung des § 50 Abs. 2 GKG: BSG, Urteil vom 10.3.2010, B 3 KR 26/08 R). Die Kammer orientiert sich an der Handhabung des BSG, wonach bei Klage auf Abschluss eines Versorgungsvertrags zur Hilfsmittelversorgung 5 % des erzielbaren Umsatzes an-zusetzen sind (BSG, Urt. Vom 10.3.2010, aaO.) Maßgeblich ist das durchschnittliche jährliche Umsatzvolumen der Antragstellerin aus der Versorgung der Versicherten der Antragsgegnerin. Da vorliegend zunächst der Umsatz bis zum ersten fristgemäßen Kündigungstermin 30.9.2013 in Frage steht, erscheint die Umlegung des zu erwartenden Jahresumsatzes auf 9 Monate angemessen. Die Antragstellerin hat vorgetragen, ca. 30 bis 35 % ihres Umsatzes in Höhe von 90.000 Euro monatlich durch die Versorgung von Versicherten der Antragsgegnerin zu erwirtschaften. 5 % des Umsatzes in Höhe 270.000 Euro (30.000 multipliziert mit 9 Monaten) ergibt die festgesetzten 13.500 Euro. Die Kammer hält eine weitere Reduzierung des Streitwerts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in Anbetracht der bei fristgemäßer Kündigung nur noch 9 Monaten Vertragsdauer für nicht sachgerecht.
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