Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 AY 70/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AY 5/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 3. Januar 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1961 geborene Klägerin zu 1 und ihre vier Kinder N., geboren 1986, M., geboren 1990, J., geboren 1993, und D., geboren 1997, begehren die Gewährung von sogenannten Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG im Wege eines Überprüfungsantrags nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 17. Juli 2009.
Die Kläger sind Volkszugehörige der R. und M1 Staatsangehörige. Die Klägerin zu 1 ist Analphabetin, hat keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt. Sie ist mit ihrem damaligen Ehemann J1 und den gemeinsamen fünf Kindern (I., N., E., S. und M.) zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt illegal nach D2 eingereist; die Familie stellte im August 1992 einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 22. Oktober 1992 abgelehnt. Die damit verbundene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung wurde, nachdem die Familie – anwaltlich vertreten – gegen den Bescheid Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg erhoben hatte, mit Einstellungsbeschluss vom 28. Oktober 1993 rechtskräftig und vollziehbar. Ebenso blieb die danach erfolgte Eingabe bei der H. Bürgerschaft erfolglos. Die Familie reiste jedoch nicht aus. Im Januar 1994 erhielt die Familie auf ihre Anträge hin erstmals eine ausländerrechtliche Duldung. Im Jahre 1993 war die Tochter J. und 1997 war der Sohn D. in D2 geboren worden. Nach den dem Gericht vorliegenden Sachakten der Ausländerbehörde H. haben die Kläger von Beginn ihres Aufenthalts in D2 bis jedenfalls zum Jahre 2005 der Ausländerbehörde keine Ausweispapiere vorgelegt. Trotz entsprechender Aufforderungen der Ausländerbehörde haben sie bis zum Jahre 2005 bei ihren Heimatbehörden auch weder Ausweispapiere beantragt noch erlangt. Nachdem die Ausländerbehörde mit einem Rücknahmeersuchen für die Familie bei der J2 Botschaft 1998 zunächst erfolglos geblieben war, wurde dem Antrag im Juni 2003 schließlich zugestimmt und im August 2003 wurden die erforderlichen zeitlich befristeten Passersatzpapiere für die Familie ausgestellt. Die daraufhin von der Ausländerbehörde für den 13. August 2003 geplante und der Familie fristgemäß zuvor angekündigte Abschiebung nach M1 scheiterte daran, dass die anwaltlich vertretene Klägerin zu 1 und deren Töchter M. und N. genau am Tag der Abschiebung – und somit zwölf Jahre nach Stellung des ersten Asylantrages - die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie eines Asylerstverfahrens für die bereits 1993 und 1997 in D2 geborenen beiden jüngeren Kinder beantragten.
Die Asylfolgeanträge wurden mit Bescheid vom 2. März 2004 als unbegründet abgelehnt. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der R. oder sonstigen individuellen Gründen hätten die Antragsteller politische Verfolgung bei einer Rückkehr nach S1 und M1 nicht zu befürchten. Allein aufgrund der Angehörigkeit zur Volksgruppe der R. sei in S1 und M1 keine mittelbare oder unmittelbare staatliche Verfolgung zu befürchten. Angehörige der Volksgruppe der R. lebten in ihrer Heimat zwar seit jeher am Rande der Gesellschaft, zum Teil unter elenden Verhältnissen. Eine Diskriminierung oder Benachteiligung aufgrund der Herkunft oder ethnischen Zugehörigkeit sei jedoch auch in S1 und M1 verboten und werde straf- und disziplinarrechtlich geahndet. Einzelfälle von Übergriffen gegen R. seien zwar bekannt, auch sei die Polizei teilweise nicht aktiv genug gegen Übergriffe auf R ... Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass für jeden R. ohne weiteres eine aktuelle Gefährdung bestehe, zumal sich in S1 und M1 etwa 800.000 R. aufhielten. Die Öffnung und Demokratisierung des gesamten Staatswesens gewährleiste, dass die Menschenrechte in Zukunft gewahrt blieben. Am 7. März 2002 sei das Gesetz "über den Schutz von Rechten und Pflichten nationaler Minderheiten" in Kraft getreten. Dieses entspreche internationalen Standards und solle in genau den aufgeführten Bereichen Abhilfe schaffen. Auch lägen die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 53 AuslG hier nicht vor. Individuelle Gründe für ein Abschiebungshindernis seien nicht vorgebracht worden. Auch im Übrigen lägen keine Gründe vor, die unabhängig von den zuvor genannten Voraussetzungen eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 53 AuslG rechtfertigen würden. Eine auf die Person der Antragsteller zu beziehende, individuelle und konkrete Gefahrenlage lasse sich nicht feststellen. Soweit die Antragsteller allgemein schlechte Lebensbedingungen geltend machen würden, beriefen sie sich auf die Gefährdung einer gesamten Bevölkerungsgruppe. Die dafür erforderliche extreme Gefahrenlage im Zielstaat läge hier nicht vor. Trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage sei die Grundversorgung mit existenziellen Lebensmitteln als gesichert anzusehen, inzwischen auch bezüglich über die Grundversorgung hinausgehender Lebensmittel. Die sozial schwachen Bevölkerungsgruppen würden, insbesondere im ländlichen Bereich, nach wie vor durch internationale Organisationen versorgt. Auch in S1 und M1 bestehe die Institution der Sozialhilfe, sie werde den Bürgern gewährt, die arbeitsunfähig seien und keine Mittel zum Lebensunterhalt nachweisen könnten. Daneben würden weitere staatliche Unterstützungen an Bedürftige in Form des so genannten Familiengeldes und Kindergeldes ausgezahlt. Vor diesem Hintergrund sei eine existenzielle Gefährdung der Antragsteller, die nach ihrer Intensität und Schwere einer Rechtsgutbeeinträchtigung gleich käme, nicht erkennbar. Auch die medizinische Grundversorgung sei in S1 und M1 gesichert. Der Bescheid enthielt zudem eine Ausreiseaufforderung und eine neue Abschiebungsandrohung nach § 50 AuslG a.F.
Die Asylerstanträge der Kläger zu 4 und 5 wurden ebenfalls mit Bescheid vom 2. März 2004 gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt, da deren Asylanträge nur gestellt worden seien, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden.
Nach Eintritt der Bestandskraft der Bescheide im April 2004 war die Gültigkeitsdauer der Passersatzpapiere jedoch bereits abgelaufen, so dass eine weitere Abschiebung zunächst der erneuten Ausstellung von Passersatzpapieren bei der M1 Auslandsvertretung bedurft hätte. Hierzu kam es nicht mehr, da die Klägerin zu 1 sich nunmehr auf ihre Schwangerschaft berief und vortrug, der leibliche nichteheliche Vater dieses Kindes sei der deutsche Staatsangehörige K., woraus für sie und ihre Familie ein Bleiberecht abzuleiten sei. Die leibliche Vaterschaft des K. ist auch im durch die Klägerin zu 1 betriebenen aufenthaltsrechtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Hamburg nicht nachgewiesen worden.
Seither und nach Ende der Wirkung der Aufenthaltsgestattungen aus den Asyl(folge)verfahren wurden die Kläger wiederum geduldet (bis 31.12.2004 gemäß § 55 Abs. 2 AuslG i.d.F. von 1993 und seit dem 1.1.2005 gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG), nach dem Inhalt der dem Gericht vorliegenden Sachakten jedenfalls bis zum Jahr 2004 aufgrund fehlender Reisepapiere für die Familie, die eine Abschiebung tatsächlich unmöglich machten. Aus den Ausländerakten ergibt sich, dass der Aufenthalt der Kläger seit ihrer Einreise im Jahre 1992 durchgängig nur geduldet worden ist und zwar jeweils für einen Zeitraum von wenigen Wochen bis maximal 6 Monaten.
Im Dezember 2006 beantragten die Kläger zu 1, 4 und 5 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die im Mai 2007 auch auf die Klägerin zu 3 erweitert wurde. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 6. Oktober 2008 durch die Ausländerbehörde für sämtliche Antragsteller abgelehnt. Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung komme nicht in Betracht, weil insoweit nicht an die behauptete deutsche Staatsangehörigkeit des im Jahre 2004 geborenen jüngsten Kindes D1 der Klägerin zu 1 angeknüpft werden könne, da dieses allein die M1 Staatsangehörigkeit besitze. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 20 Abs. 5 AufenthG könne nicht erteilt werden, weil eine Ausreise der Familienmitglieder nicht unmöglich sei. Es lägen allein tatsächliche Abschiebehindernisse in der Form vor, dass die Antragsteller nicht über die erforderlichen Ausweispapiere für eine Abschiebung in ihren Heimatstaat verfügten. Ebenfalls schieden Aufenthaltserlaubnisse nach § 104a Abs. 1 AufenthG aus, da die Aufenthaltsbeendigung von den Klägern vorsätzlich vereitelt worden sei, indem sie am 13. August 2003 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens beantragt hätten, nachdem die Ausländerbehörde am 2. August 2003 ein Passersatzpapier für die Antragsteller durch die zuständige Auslandsvertretung zum Zwecke der Abschiebung in ihr Heimatland erlangt habe. In der Folgezeit habe dann eine Abschiebung wiederum nicht durchgeführt werden können, weil die Schwangerschaft der Klägerin zu 1 zu weit fortgeschritten gewesen und am 8. April 2004 durch einen deutschen Staatsangehörigen die Anerkennung der Vaterschaft für dieses Kind vorgetragen worden sei. Der vorgeblich deutsche Vater sei aber nicht in das Geburtenbuch eingetragen worden, so dass das Kind D1 die M1 Staatsangehörigkeit besitze. Im Übrigen seien die Kläger ihrer Passpflicht weiterhin nicht nachgekommen. Auch sei nicht zu erkennen, dass sie ihren Lebensunterhalt eigenständig würden sichern können.
Der hiergegen erhobene Widerspruch, der im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die Klägerin zu 1 bisher nicht im Besitz der Staatsangehörigkeit von S1-M1 gewesen und erst nach der Selbstständigkeit M1 in die Lage versetzt worden sei, diese Staatsangehörigkeit zu erhalten, blieb erfolglos. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin zu 1 verfüge schon nicht über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse; im Übrigen habe die Familie keine eigene Wohnung, sondern lebe in einer Gemeinschaftsunterkunft; auch sei der Lebensunterhalt nicht eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert und es sei auch nicht zu erkennen, dass sich hieran in naher Zukunft etwas ändern werde. Die minderjährigen Kinder teilten das rechtliche Schicksal der Mutter. Das jüngste Kind D1 befinde sich noch im Asylverfahren, daher käme für dieses schon keine Aufenthaltserlaubnis in Betracht. Für die (zu jener Zeit 18-jährige) Klägerin zu 3 sei festzustellen, dass sie sich aufgrund ihrer bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse nicht in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik D2 einfügen könne. Sie habe weder einen Schulabschluss noch eine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie sei auch nicht erwerbstätig, sondern lebe durchgängig von Sozialleistungen. Sie verfüge auch über keinen Pass. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG scheide für die Kläger aus, da ihre Ausreise weder rechtlich noch tatsächlich unmöglich sei.
Hiergegen haben die Kläger zu 1, 3, 4 und 5 sowie das jüngste Kind D1 Klage vor dem Verwaltungsgericht Hamburg erhoben. Eine Mietwohnung für die Familie werde sich anmieten lassen, sobald die Klägerin zu 1 einer Erwerbstätigkeit nachgehen dürfe. Hierzu habe sie bisher noch keine Erlaubnis erteilt erhalten. Sie könne sich auch in einfacher Art und Weise mündlich verständigen und sei auch im Besitz eines Nationalpasses. Für Ihre Kinder werde sie Pässe bekommen, wenn sie nach M1 reise und dort die Pässe beantrage. Die Klägerin zu 3 sei mittlerweile 19 Jahre alt und habe vor kurzem ein Mädchen geboren. Die Kläger zu 4 und 5 besuchten die Förderschule in B., das jüngste Kind D1 die Volksschule. Nach Auskunft des Verwaltungsgerichts wird die Klage derzeit nicht betrieben, weshalb eine Betreibensaufforderung nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ergangen sei.
Die Kläger bestreiten seit ihrer Einreise in D2 ihren Lebensunterhalt durch Sozialleistungen, seit dessen Inkrafttreten auf Grundlage von § 3 Asylbewerberleistungsgesetz – AsylbLG –. Am 17. Juli 2009 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von sogenannten Analogleistungen nach § 2 AsylbLG für die Vergangenheit im Wege der Überprüfung nach § 44 SGB X und die daraus sich ergebende Nachzahlung der Differenz zu den bisher bewilligten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG.
Mit Bescheid vom 23. Juli 2009 lehnte die Beklagte dies mit der Begründung ab, dass die Kläger den Aufenthalt in der Bundesrepublik rechtsmissbräuchlich verlängert hätten. Schon seit langer Zeit seien die Kläger in der Pflicht, die Bundesrepublik zu verlassen. Dem widersetzten sie sich, indem sie nicht freiwillig ausgereist seien. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde damit begründet, dass den Klägern eine freiwillige Ausreise nicht zugemutet werden könne, da sie in der Bundesrepublik integriert seien und mangels einer Eintragung im Geburtenregister ihrer Heimat keine Ausweispapiere beschaffen könnten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2009 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Aufenthalt der Kläger sei rechtsmissbräuchlich herbeigeführt worden. Nach Erlangung der notwendigen Passersatzpapiere durch die Ausländerbehörde hätten die Kläger einen Abschiebungsversuch im Jahr 2003 dadurch verhindert, dass sie in rechtsmissbräuchlicher Absicht weitere Asylanträge gestellt hätten. Diese seien als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden. Dieser Umstand beinhalte ein gewisses Unwerturteil des Gesetzgebers, welches den Folgeantrag ausnahmsweise als rechtsmissbräuchlich erscheinen lasse.
Die dagegen gerichtete Klage vom 14. Dezember 2009 vor dem Sozialgericht Hamburg war erfolgreich. Das Sozialgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, die den Zeitraum seit dem 1. Januar 2005 betreffenden Leistungsbewilligungen dahingehend abzuändern, dass den Klägern Leistungen in Anwendung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII - nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften und unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen nach dem AsylbLG geleistet würden. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen und unter Verweis auf die jüngere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausgeführt, dass in dem Verhalten der Kläger keine Rechtsmissbräuchlichkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG zu erkennen sei. Rechtsmissbräuchliches Verhalten liege danach nicht schon darin, dass ein Leistungsempfänger trotz des aufgrund der Duldung bestehenden Abschiebungsverbots nicht freiwillig ausgereist sei und hierfür kein anerkennenswerter Grund vorliege. Ein bloßes Verbleiben in der Bundesrepublik und auch die Stellung eines Asyl- bzw. Asylfolgeantrags rechtfertigten den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht. Hinzu komme, dass bei dem Tatbestandsmerkmal des Rechtsmissbrauchs eine subjektive Komponente gefordert werde. Diese sei zumal bei Rechtsuchenden, denen die Unterschiede zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Möglichkeiten des Rechtsschutzes regelmäßig nicht bewusst seien, nicht anzunehmen. Im Ergebnis gleiches gelte hinsichtlich des Umstandes, dass infolge der Stellung des Asylfolgeantrags das zuvor von der Ausländerbehörde beschaffte Passersatzpapier nicht mehr für eine spätere Abschiebung genutzt werden konnte. Hierbei handele es sich um eine Nebenfolge des Asylfolgeantrags, die einer Weigerung der Kläger, bei der Beschaffung eines Passes mitzuwirken, nicht gleichgesetzt werden könne. Schließlich stünde der Überprüfung der Leistungsbewilligungen nach § 44 SGB X bis einschließlich 2005 nicht entgegen, dass die fragliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sich erst mit den Entscheidungen aus dem Juni 2008 geändert habe. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wirke eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung dann in die Vergangenheit zurück, wenn sie nicht lediglich auf einer geänderten rechtlichen Grundlage oder auf geänderten sozialen, soziologischen oder wirtschaftlichen Gegebenheiten und Anschauungen beruhe, sondern wenn sie bei gleich bleibender Rechtslage und gleich bleibenden tatsächlichen Gegebenheiten der Erkenntnis Rechnung trage, dass die bisherige Auslegung der Vorschrift im wertungsfrei technischen Sinne unrichtig gewesen sei. Um einen solchen Fall handele es sich hier, da das Bundessozialgericht seine bis dahin praktizierte (anspruchsfeindliche) Auslegung des Begriffs der Rechtsmissbräuchlichkeit in den Urteilen vom 17. Juni 2008 unter systematischen, historischen und teleologischen Gesichtspunkten verworfen habe.
Das Urteil wurde der Beklagten am 12. Januar 2011 zugestellt. Am 10. Februar 2011 hat sie die vorliegende Berufung erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass die Kläger zwar Leistungsberechtigte im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG seien und auch über eine Dauer von insgesamt 36 bzw. 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten hätten. Sie hätten die Dauer ihres Aufenthalts jedoch rechtsmissbräuchlich beeinflusst. Das Bundessozialgericht habe in den fraglichen Entscheidungen seine Wertung mit dem Zusatz "regelmäßig" eingeschränkt. Danach sei "grundsätzlich" im bloßen Verbleib oder der Stellung eines Asylfolgeantrags nicht bereits ein rechtsmissbräuchliches Verhalten zu sehen. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts wurzele der Begriff des Rechtsmissbrauchs in dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben und beinhalte als objektive Komponente den Missbrauchstatbestand und als subjektive Komponente das Verschulden. Dem Tatbestandsmerkmal des § 2 Abs. 1 AsylbLG der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer liege der Gedanke zu Grunde, dass niemand sich auf eine Rechtsposition berufen dürfe, die er selbst treuwidrig herbeigeführt habe. In objektiver Hinsicht müsse nach dieser Rechtsprechung dem Leistungsberechtigten ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten vorzuwerfen sein. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls der Situation des Ausländers in D2 und den besonderen Eigenheiten des Asylbewerberleistungsgesetzes sei dies der Fall, wenn das Verhalten des Leistungsberechtigten unentschuldbar, somit sozialwidrig sei. In subjektiver Hinsicht müsse den Leistungsberechtigten ein Verschulden vorwerfbar sein, was hier ebenfalls gegeben sei. Die Kläger hätten erst am Tag der beabsichtigten Abschiebung offensichtlich unbegründete Asyl- bzw. Asylfolgeanträge gestellt und damit die Abschiebung vereitelt, anstatt die vom Gesetzgeber vorgesehene Rechtsschutzmöglichkeit des Widerspruchs gegen die Abschiebungsanordnung und nötigenfalls der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes zu nutzen. Die Unbegründetheit ihrer Anträge sei der Klägerin zu 1 auch klar vorhersehbar gewesen, denn es habe keinen ersichtlichen Grund gegeben, weshalb die Klägerin von einer positiven Bescheidung ihrer Asylanträge hätte ausgehen können. Die Verhältnisse in ihrem Heimatland hätten sich seit der Ablehnung der im Jahr 1992 gestellten Asylanträge nicht verschlechtert, sondern eher verbessert. Auch habe die Klägerin die damaligen Bescheide bestandskräftig und vollziehbar werden lassen. Es erscheine auch angebracht, in diesem konkreten Fall ausnahmsweise ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen im Sinne des Unwerturteils, das der Gesetzgeber mit dem Begriff des "offensichtlich unbegründeten" Asylfolgeantrages zum Ausdruck gebracht habe, auszumachen. Zwar sei dem Bundessozialgericht darin zu folgen, das es widersprüchlich wäre, den Aufenthalt eines Ausländers zu dulden und ihm zugleich den Aufenthalt als Rechtsmissbrauch vorzuwerfen. Der Fall liege hier jedoch anders. Vorliegend habe das Einwohnerzentralamt mit der Eröffnung der beabsichtigten Abschiebung die Aussetzung der Abschiebung faktisch aufgehoben. Der freiwilligen Ausreise der Kläger habe auch der Einwand rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit nicht entgegengestanden. Denn für die Kläger seien Passersatzpapiere beschafft worden, mittels derer eine freiwillige Ausreise möglich und angezeigt gewesen sei. Die Asylantragstellung der Kläger sei auch für die Dauer des Aufenthaltes über den 13. August 2003 hinaus ursächlich im Sinne einer Beeinflussung der Aufenthaltsdauer gewesen. Wären die Kläger der Aufforderung zur Ausreise nachgekommen und hätten sie die Abschiebung nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise vereitelt, wären sie bereits im Jahr 2003 nicht mehr in der Bundesrepublik geblieben und somit auch nicht mehr leistungsberechtigt gewesen. Schließlich könne der Überprüfungsantrag auch nicht auf den 1. Januar 2005 zurückgehen. Bei den Leistungen nach dem SGB XII sei der Aktualitätsgrundsatz zu beachten. Nicht mehr bestehende Bedarfe seien nicht zu decken. Sämtliche sozialhilferechtlich relevanten Bedarf der Kläger seien durch Grundleistungen nach § 3 AsylbLG abgegolten oder aus anderen tatsächlichen Gründen entfallen. Ein Grundurteil sei daher nicht zulässig gewesen, das Sozialgericht hätte die Höhe des Bedarfs der Kläger ermitteln müssen. Bei dieser Betrachtung könnten nahezu sämtliche Bestandteile des Regelsatzes für die Vergangenheit nicht mehr nachträglich gewährt werden, da es an der Aktualität des Bedarfes fehle. Allein aufgeschobene Beschaffungen von Einrichtungsgegenständen, Haushaltsgeräten und ähnlichem könnten noch nachträglich gedeckt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 3. Januar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Zur Begründung betont der Prozessbevollmächtigte der Kläger, dass die Stellung eines Asylantrags grundsätzlich keine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer darstelle. Es müsse weiteres rechtsmissbräuchliches Verhalten des Ausländers hinzutreten, was hier nicht der Fall sei. Insbesondere hätten die Kläger im Jahre 1991 (gemeint ist 1992) einen Asylantrag gestellt und erst zwölf Jahre später im Jahr 2003 den Asylfolgeantrag. Allein dieser Zeitablauf mache den Eintritt neuer Asylgründe wahrscheinlich. Auch dass die Kläger keinen Widerspruch gegen die Abschiebungsanordnung, sondern einen Asylantrag gestellt hätten, stelle kein zu missbilligendes Verhalten dar. Die Asylanträge seien an eine andere Stelle, nämlich das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gerichtet worden und hätten die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Asylentscheidung zum Gegenstand gehabt. Man habe gerade nicht die Frage, ob die Abschiebung rechtmäßig sei, überprüfen lassen, sondern die Behörde, die über größere Sachkunde bezüglich der Situation in dem Heimatland der Kläger verfüge, einschalten wollen. Die ursprünglichen Gründe für die Ausreise der Kläger im Januar 1991 seien nicht mehr maßgeblich gewesen. S1 M1 habe sich in einer schweren wirtschaftlichen Krise mit bis zu 80 % Arbeitslosigkeit befunden. Sowohl der Flüchtlingsstrom aus dem K. wie die Zerstörungen der Infrastruktur und die Spuren des westlichen Wirtschaftsboykotts seien noch stark spürbar gewesen, so dass es nicht sozialwidrig gewesen sei, durch die Stellung von Asylanträgen zu versuchen, die Abschiebung nach S1-M1 zu verhindern. Schließlich hätte über den Asylantrag nach § 53 Abs. 6 AuslG die Feststellung erlangt werden können, dass für die Kläger in der Heimat eine konkrete Gefahr für Leib und Leben bestünde, was wiederum eine Duldung für die Kläger zur Folge gehabt hätte. Dass die Kläger, die den prägenden Teil ihres Lebens bereits in der Bundesrepublik verbracht hätte und denen zu diesem Zeitpunkt konkret die Abschiebung gedroht habe, diese Situation zum Anlass eines neuen Asylantrages genommen hätten, könne nicht als rechtsmissbräuchliches Verhalten gewertet werden. Es müsse daher bei der Entscheidung des Sozialgerichts verbleiben.
Der Senat hat über den Rechtstreit am 21. Juni 2012 mündlich verhandelt und die zugrundeliegenden Prozessakten, den Verwaltungsvorgang der Beklagten, die Ausländerakten und die Akte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Unterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die rückwirkende Gewährung von höheren Sozialleistungen (so genannten Analogleistungen) nach § 3 AsylbLG im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 17. Juli 2009. Der Zeitraum ergibt sich in Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X. Danach werden bei der Rücknahme eines Verwaltungsakts für die Vergangenheit Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Der Zeitpunkt der Rücknahme wird von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme (wie hier) auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Vorliegend haben die Kläger am 17. Juli 2009 den Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt. Damit beginnt der Überprüfungszeitraum zum 1. Januar 2005 und endet mit der Antragstellung am 17. Juli 2009.
II. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Die Berufung ist auch begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Überprüfung der ihnen im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 17. Juli 2009 gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG mit dem Ziel der Gewährung von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, denn die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Die für den fraglichen Zeitraum teils schriftlich, zumeist aber konkludent durch faktische Leistungsgewährung ergangenen Bescheide sind rechtmäßig.
1. Ob die formellen Voraussetzungen für eine Überprüfung nach § 44 Absatz ein Satz 1 erste Alternative SGB X vorliegen, kann hier offen bleiben. Dafür spricht zwar einiges; insoweit kann auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden. Die Tatbestandsvoraussetzung von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein muss, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, liegt jedoch nicht vor.
2. Eine unrichtige Rechtsanwendung ist in der Beschränkung des Leistungsumfangs für die Kläger auf Grundleistungen nach § 3 AsylbLG im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 17. Juli 2009 nicht zu erkennen. Maßgeblich sind hier alleine die Tatbestandsvoraussetzungen für sogenannte Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, wonach abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden ist, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten (bzw. nach § 2 Abs. 1 AsylbLG i.d.F. vom 19.8.2007, gültig seit dem 28.8.2007, 48 Monaten – auch für Personen, die bereits zuvor Analogleistungen erhalten haben, gilt die neue Vorbezugszeit von 48 Monaten, vgl. BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R) Leistungen nach § 3 erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Kläger über einen Zeitraum von 36 bzw. 48 Monaten vor dem 1. Januar 2005 Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben. Der Zeitraum, in dem die Kläger die entsprechenden Leistungen erhalten haben, erstreckt sich sogar auf einen weitaus längeren Zeitraum: für die Klägerinnen zu 1 bis 3 letztlich bis zu deren ersten Asylverfahren im Jahr 1992 und mit Inkrafttreten des AsylbLG im November 1993 und für die Kläger zu 4 und 5 bis zu ihrer Geburt in D2 1993 und 1997.
2.1. Nach den Gesamtumständen des vorliegenden Falles ist jedoch von einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts durch die Kläger auszugehen. Rechtsmissbräuchlichkeit liegt insbesondere vor, wenn der Missbrauchstatbestand des § 1a Nr. 2 AsylbLG gegeben ist. § 1a Nr. 2 AsylbLG regelt den Fall, bei dem aus von dem Leistungsberechtigten zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Das Bundessozialgerichts hat hierzu in seinem grundlegenden Urteil vom 17. Juni 2008 (B 8/9b AY 1/07 R), dem der Senat sich anschließt, in den maßgeblichen Textteilen (a.a.O., Rn. 32, 33 in juris) wie folgt ausgeführt:
"Der Begriff des Rechtsmissbrauchs wird im AsylbLG an keiner Stelle definiert. Er wurzelt in dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben - § 242 Bürgerliches Gesetzbuch - (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 81, Stand März 2007). Als vorwerfbares Fehlverhalten beinhaltet er eine objektive - den Missbrauchstatbestand - und eine subjektive Komponente - das Verschulden - (Hohm, aaO, RdNr 82, 83). Der Vorschrift des § 2 und damit dem - die Beeinflussung der Aufenthaltsdauer dienenden - Rechtsmissbrauch liegt der Gedanke zu Grunde, dass niemand sich auf eine Rechtsposition berufen darf, die er selbst treuwidrig herbeigeführt hat. Demgegenüber genügt - anders als bei § 1a AsylbLG (dazu nur: Herbst, aaO, § 1a RdNr 15; Hohm, aaO, § 1a RdNr 101, Stand Dezember 2006) - nicht, dass die Dauer des Aufenthalts auf Gründen beruht, die in der Verantwortung ssphäre des Hilfesuchenden liegen (so aber Decker in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 2 AsylbLG RdNr 16, Stand Juni 2005; siehe auch unter c).
c) In objektiver Hinsicht setzt der Rechtsmissbrauch ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus (Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 2 AsybLG RdNr 17, Stand Oktober 2007: "hohe Hürde"). Der Ausländer soll danach von Analog-Leistungen ausgeschlossen sein, wenn die von § 2 AsylbLG vorgesehene Vergünstigung anderenfalls auf gesetzwidriger oder sittenwidriger Weise erworben wäre. Der Ausländer darf sich nicht auf einen Umstand (Aufenthaltsdauer von 36 bzw. 48 Monaten mit Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG) berufen, den er selbst treuwidrig herbeigeführt hat (vgl zum Leistungsmissbrauch nur: Palandt, BGB, 64. Aufl, § 242 RdNr 38ff). Dabei genügt angesichts des Sanktionscharakters des § 2 AsylbLG nicht schon jedes irgendwie zu missbilligende Verhalten. Art, Ausmaß und Folgen der Pflichtverletzung liegen für den Ausländer sowie über die Regelung des § 2 Abs. 3 AsylbLG für dessen minderjährige Kinder so schwer, dass auch der Pflichtverletzung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein erhebliches Gewicht zukommen muss (vgl. Adolph, aaO). Daher führt nur ein Verhalten, das unter jeweiliger Berücksichtigung des Einzelfalls, der besonderen Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland und der besonderen Eigenheiten des AsylbLG unentschuldbar ist (Sozialwidrigkeit), zum Ausschluss von Analog-Leistungen; nur dann ist es gerechtfertigt auch die minderjährigen Kinder mit den Folgen dieses Verhaltens zu belasten."
Das Bundessozialgericht führt in der betreffenden Entscheidung weiter aus (Rn. 35):
" für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs (ist) nicht schon die zur Aufenthaltsverlängerung führende Nutzung der Rechtsposition ausreichend, die der Ausländer durch vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erlangt hat, wenn es ihm möglich und zumutbar wäre, auszureisen (so noch BSG, SozR 4-3520 § 2 Nr. 1 Rn. 16). Ist die Abschiebung ausgesetzt, bleibt nach dem AufenthG die Ausreisepflicht zwar unberührt (§ 60a AufenthG). Eine Pflicht im eigentlichen Sinn kann damit aber mangels Vollziehbarkeit der Abschiebung nicht verbunden sein. Es wäre widersprüchlich, den Aufenthalt des Ausländers vorübergehend zu dulden und ihm gleichzeitig den Aufenthalt als Rechtsmissbrauch vorzuwerfen, obwohl der Staat selbst zeitweise darauf verzichtet, die Ausreisepflicht durchzusetzen. Demgemäß ist regelmäßig auch weder in der Stellung eines Asylantrags selbst (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 83, Stand März 2007) noch im Verbleiben des Ausländers während des Asylverfahrens (§§ 55, 67 Asylverfahrensgesetz: Aufenthaltsgestattung) bis zur Rechtskraft einer ablehnenden Entscheidung ein Rechtsmissbrauch zu sehen. Nach der Ausländer nicht ausnehmenden prinzipiellen Ordnung des Verhältnisses des Einzelnen zum Staat im Grundgesetz vermittelt die Duldung dem Ausländer eine geschützte Rechtsposition. Sie stellt einen ihn begünstigenden Verwaltungsakt dar, auf dessen Erteilung der Ausländer bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch hat (BVerwGE 105, 232 ff). Hält der Staat, etwa aus völkerrechtlichen bzw. humanitären Gründen oder zur Wahrung der politischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland, den weiteren Verbleib des Ausländers selbst für erforderlich oder ist eine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen sogar unmöglich, kann dem Ausländer die Inanspruchnahme einer Duldung nicht vorgeworfen werden. Nicht in dem Nichtausreisen des Ausländers trotz (formaler) Ausreisepflicht (Duldung) liegt ein Rechtsmissbrauch, sondern allenfalls in den Gründen, die hierzu geführt haben. Der Aufenthaltsstatus (Duldung) ist für die Beantwortung der Frage, ob der Ausländer seinen Aufenthalt rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat, unerheblich. Hat der Ausländer diese Gründe zu vertreten, hat er also insoweit selbst Einfluss auf das Geschehen genommen, kann nur deshalb, nicht aber wegen bestehender Ausreisepflicht, ein Rechtsmissbrauch bejaht werden."
Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf das Verhalten der Klägerin zu 1, denn die minderjährigen Kinder (die Kläger zu 3, 4 und 5) teilen asylbewerberleistungsrechtlich das Schicksal des Elternteils, mit dem sie in Haushaltsgemeinschaft leben (§ 2 Abs. 3 AsylbLG). Soweit die 1986 geborene Klägerin zu 2 im Jahre 2004 volljährig geworden ist, unterliegt sie zwar einer gesonderten Betrachtung, im Ergebnis stellt sich die rechtliche Würdigung bei ihr jedoch nicht anders dar als bei der Klägerin zu 1, da sie sich nicht anders verhalten hat als ihre Mutter, die Klägerin zu 1.
2.2. Unter Zugrundelegung des zuvor aufgeführten Maßstabs ist hier von einem Rechtsmissbrauch durch die Kläger in objektiver wie subjektiver Hinsicht auszugehen.
2.2.1. Zunächst liegt in objektiver Hinsicht ein Missbrauchstatbestand vor, der hinreichend schwerwiegt, dass die Verweigerung von Analogleistungen auch mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerechtfertigt ist. Anderenfalls würden die Kläger in den Genuss von Analogleistungen gelangen, obgleich sie diese von § 2 AsylbLG vorgesehene Vergünstigung auf gesetz- oder sittenwidrige Weise erworben haben. Diese Bewertung beruht zum einen auf dem Umstand der erneuten Stellung von Asylanträgen durch die Kläger ohne weitere Begründung in Zusammenschau mit dem Verhalten der Kläger in den Jahren ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik. Denn es steht fest, dass die den Klägern erteilten Duldungen zunächst nach § 55 Abs. 2 AuslG in der Fassung vom 30. Juni 1993 und seit dem 1. Januar 2005 nach § 60a Abs. 2 AufenthaltsG jedenfalls über einen langen Zeitraum auf dem Umstand beruhten, dass den bundesdeutschen Behörden eine Abschiebung der Kläger wegen fehlender Reisepapiere tatsächlich unmöglich war. Ein Abschiebungshindernis hat ausweislich der Weisungslage der H. Behörde für Inneres seit dem Jahre 1992 für die aus M1 stammende Familie nicht vorgelegen. Im Unterschied zu den aus dem K. stammenden Volksangehörigen der R. bestand für die M1 R. keine Gefährdungslage, die ein Absehen von der Abschiebung und deren weiteren – geduldeten – Aufenthalt in der Bundesrepublik begründet hätte (vgl. die von der Behörde für Inneres und Sport, Amt für Innere Verwaltung und Planung dem Gericht vorgelegte "Übersicht förmliche Abschiebungshindernisse nach S1, M1 und K." vom 18.6.2012). Die faktische Unmöglichkeit der Abschiebung haben die Kläger durch ihr Verhalten bewusst und gewollt herbeigeführt und sich dadurch und zur Erreichung ihres weiteren Aufenthalts in D2 vorsätzlich gegen die bestehende Rechtsordnung gestellt. Die Gesetzesbegründung zu § 2 AsylbLG führt beispielhaft die Vernichtung des Passes und die Angabe einer falschen Identität als typische Fallgestaltungen eines Rechtsmissbrauchs an (Bundestagsdrucksache 15/420, Seite 121). Dieser Fallgestaltung ist die vorliegende vergleichbar, in der die Klägerin zu 1 ihre Ausweispapiere nicht vorgelegt und im weiteren Verlauf ihres Aufenthalts in D2 trotz Aufforderung durch die Ausländerbehörde ihrer Verpflichtung der Beantragung von Ausweispapieren für sich und ihre Kinder bei der Auslandsvertretung ihres Heimatlandes nicht nachgekommen ist. Hierfür gibt es vernünftigerweise nur einen Grund: die Vereitelung der – mangels freiwilliger Ausreise – zwangsweisen Durchsetzung der Rechtspflicht der Kläger nach erfolglosem Abschluss der Asylverfahrens, die Bundesrepublik Deutschland wieder zu verlassen und in ihr Heimatland zurückzukehren. Denn alleine deren Passlosigkeit bewirkte den weiteren – geduldeten – Aufenthalt der Kläger in der Bundesrepublik. Entscheidend für die Bewertung als rechtsmissbräuchlich kommt hier jedoch die zur Überzeugung des Senats von der Klägerin zu 1 für sich und ihre beiden jüngeren Kinder bewusst zur Vereitelung der Abschiebung eingesetzte Asylerstantragstellung für die Kläger zu 4 und 5 am 13. August 2003 und die Asylfolgeantragstellung der Kläger zu 1 bis 3 vom selben Tag hinzu. Denn der Senat hält es für keinen Zufall, dass die Kläger im Jahre 2003, nachdem die Ausländerbehörde mit dem seit 1998 bei den Heimatbehörden lange Zeit erfolglos betriebenen Rücknahmeersuchen für die Kläger schließlich erfolgreich gewesen ist und schließlich auch die notwendigen Passersatzpapiere für die Kläger durch deren Auslandsvertretung ausgestellt worden waren, am dem Tag der den Klägern für den 13. August 2003 angekündigten Abschiebung in ihr Heimatland einen Asylfolgeantrag bzw. für die in D2 geborenen Kinder J. und D. einen Asylerstantrag gestellt haben. Eine Abschiebung war damit nach den Regeln des Asylverfahrensgesetzes zunächst vereitelt. Die ohne jede Begründung, geschweige denn unter Darlegung eines konkreten Verfolgungsschicksals, gestellten Anträge blieben – erwartungsgemäß – erfolglos. Bezeichnenderweise wurden sie von den Klägern auch nicht weiter verfolgt, da die Bescheide dieses Mal schon gar nicht angefochten und nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bestandskräftig wurden. Das damit von den Klägern zur Überzeugung des Gerichts alleine verfolgte Ziel, den ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik nach vielen Jahren erstmals ernsthaft gefährdenden Abschiebungsversuch der Ausländerbehörde zu vereiteln, wurde jedoch erreicht. Weitere aufenthaltsbeendende Maßnahmen wurden im Folgenden dadurch erschwert, dass die Klägerin zu 1 im Anschluss an die vereitelte Abschiebung im Jahr 2004 schwanger wurde. Nach der Geburt des Kindes hat sie ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik mit der Behauptung zu erreichen versucht, dass das 2004 geborene Kind D1 von einem deutschen Staatsangehörigen abstamme. Auch diese Behauptung ist bis zum heutigen Tage unbewiesen geblieben, obwohl deren Nachweis den Aufenthalt der Klägerin zu 1 und ihrer minderjährigen Kinder aufenthaltsrechtlich hätte verfestigen können und sie deren Ziel, einen gesicherten Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik zu erreichen, erheblich näher gebracht hätte. Bezeichnend ist auch das Verhalten der Klägerin zu 1 im Rechtsstreit um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor dem Verwaltungsgericht. In dem Zuge war der Besitz von Ausweispapieren für die Kläger vorteilhaft. Erst seit Dezember 2008 trägt die Klägerin nun vor, im Besitz eines M1 Reisepasses zu sein.
Der Senat folgt mit dieser Entscheidung auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, welches in der Entscheidung vom 17. Juni 2008 (a.a.O.) u.a. klargestellt hat, dass nicht jedwedes zu missbilligende Verhalten des Ausländers angesichts des Sanktionscharakters von § 2 AsylbLG ausreicht, die Pflichtverletzung anzunehmen. Alleine die Nutzung einer Rechtsposition des Ausländers, die er etwa durch eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erlangt hat, reiche nicht aus, um den Rechtsmissbrauch festzustellen (BSG, a.a.O., Rn. 35). Entscheidend seien immer die Umstände des Einzelfalls. Der hier zur Entscheidung gestellte Sachverhalt ist zur Überzeugung des Senats jedoch nicht als Nutzung einer Rechtsposition durch die Kläger anzuerkennen. Vielmehr haben diese in missbräuchlicher Weise im August 2003 ihren – weiteren – Aufenthalt in der Bundesrepublik erzwungen. Dabei stellt das Gericht bei seiner Bewertung gerade nicht darauf ab, dass die Kläger damals einen Asylfolge- bzw. -erstantrag gestellt haben. Dies wäre für sich alleine genommen noch nicht rechtsmissbräuchlich. Entscheidend für das Unwerturteil ist hier der Gesamtzusammenhang, in dem das Verhalten der Kläger steht. Denn diese haben den Asylantrag für die beiden in D2 in den Jahren 1993 und 1997 geborenen Kinder nicht nach deren Geburt gestellt, was nicht zur naheliegend, sondern im Hinblick auf die schwache Aufenthaltsposition der gesamten Familie angezeigt gewesen wäre, um einen Aufenthaltsstatus zu erlangen, der geeignet gewesen wäre, deren soziale und wirtschaftliche Integration in die bundesdeutsche Gesellschaft zu erreichen. Auch die übrigen Familienmitglieder haben bezeichnenderweise zu keiner Zeit ein Asylfolgeverfahren betrieben, obgleich auch diese seit der rechtskräftigen Ablehnung des ersten Asylantrags im Jahre 1993 und trotz des von der Familie erkennbar angestrebten Daueraufenthalts mit Blick auf den ungesicherten Aufenthaltsstatus (Ausreiseaufforderung unter Abschiebungsandrohung nach (Rest) J2 unter Nr. 4 des Bescheidtenors vom 22. Oktober 1992) durchgehend ein massives Interesse an der aufenthaltsrechtlichen Verfestigung ihres Verbleibs im Bundesgebiet gehabt haben müssen. Denn die der Familie durch die Ausländerbehörde erteilten Duldungen sind seit 1992 durchgängig auf einen Zeitraum von wenigen Wochen bis 6 Monaten beschränkt worden. Die Kläger konnten damit bis heute keine auch nur annähernd sichere Aufenthaltsposition für sich erreichen. Vor diesem Hintergrund können die genau am Tag der geplanten Abschiebung am 13. August 2003 gestellten und nicht weiter begründeten Asyl(folge)anträge nur den Zweck der Vereitelung der Abschiebung gehabt haben. Dies erklärt auch, warum die Kläger nicht etwa im zeitlichen Zusammenhang mit der Ankündigung der Abschiebung den Antrag stellten, sondern bis zum letztmöglichen Zeitpunkt abwarteten. Die Einlassung des Klägervertreters auf die Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung, warum die fraglichen Asylanträge nicht sogleich nach Erhalt der Abschiebungsankündigung gestellt worden seien, wonach die Kläger eine Überlegungsfrist benötigen, und sich erst am Tage der Abschiebung schließlich entschlossen hätten, die Asylanträge zu stellen, überzeugt vor dem voran Ausgeführten nicht. Alleine dieses Verhalten stellt den Rechtsmissbrauch dar. Denn die Asylgewährung hat den Zweck, Menschen vor politischer, religiöser oder rassischer Verfolgung zu schützen. Die bloße (Aus-) Nutzung des durch den Verfahrensablauf bedingten Zeitverlusts bzw. der Behinderung des behördlichen Abschiebevorgangs, die ersichtlich im Vordergrund des klägerischen Verhaltens gestanden hat und letztlich auch erfolgreich war, da die befristet ausgestellten Ausweispapiere alsbald ihre Gültigkeit verloren und die Abschiebung erneut unmöglich gemacht haben, stellt hier den fraglichen Rechtsmissbrauch dar.
2.2.2. Das vorwerfbare Fehlverhalten der Kläger ist auch schuldhaft geschehen. Denn die Kläger haben im Bewusstsein, dass ihr Aufenthalt ohne die Verursachung neuer Verfahrenshindernisse im August Jahre 2003 ein Ende gefunden hätte, sich dieses Mittels bewusst bedient, um damit der erstmals ernsthaften Gefahr der Abschiebung zu entkommen. Die Durchführung eines Asylverfahrens in dieser Absicht ist jedoch von der Rechtsordnung nicht vorgesehen. Im Gegenteil stellt dies eine gesetzeswidrige Ausnutzung der Rechtsordnung dar, die den Tatbestand des schuldhaften Fehlverhaltens erfüllt.
2.2.3. Schließlich ist das zu missbilligende Verhalten der Kläger auch kausal für die Verlängerung des Aufenthalts der Kläger im Bundesgebiet geworden (vgl. zu dieser Voraussetzung BSG, a.a.O., Rn. 39, 43 ff). Hätten die Kläger am 13. August 2003 nicht die fraglichen Asylerst- und -folgeanträge gestellt, wären sie an jenem Tag nach M1 abgeschoben worden und ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik wäre beendet worden.
2.3. Die vom Prozessbevollmächtigten vorgetragene Integration der Kläger in D2 begründet keine Analogleistungen. Das Gesetz stellt auf den Umfang der Integration für den Bezug von Analogleistungen nicht ab. Hinzu kommt, dass von einer Integration der Kläger auch nicht ausgegangen werden kann. Die Klägerin zu 1 spricht nach wie vor nur mangelhaft Deutsch, von ihren Kindern, den Klägern zu 2 bis 5 hat kein Kind einen Schulabschluss erlangt, geschweige denn eine Berufsausbildung abgeschlossen. Die Kläger sind seit Beginn ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland für ihren Lebensunterhalt ausschließlich von der Gewährung von Sozialleistungen abhängig, obgleich die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unter bestimmten Voraussetzungen nicht entgegenstehen. &8195; III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen.
Tatbestand:
Die 1961 geborene Klägerin zu 1 und ihre vier Kinder N., geboren 1986, M., geboren 1990, J., geboren 1993, und D., geboren 1997, begehren die Gewährung von sogenannten Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG im Wege eines Überprüfungsantrags nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 17. Juli 2009.
Die Kläger sind Volkszugehörige der R. und M1 Staatsangehörige. Die Klägerin zu 1 ist Analphabetin, hat keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt. Sie ist mit ihrem damaligen Ehemann J1 und den gemeinsamen fünf Kindern (I., N., E., S. und M.) zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt illegal nach D2 eingereist; die Familie stellte im August 1992 einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 22. Oktober 1992 abgelehnt. Die damit verbundene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung wurde, nachdem die Familie – anwaltlich vertreten – gegen den Bescheid Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg erhoben hatte, mit Einstellungsbeschluss vom 28. Oktober 1993 rechtskräftig und vollziehbar. Ebenso blieb die danach erfolgte Eingabe bei der H. Bürgerschaft erfolglos. Die Familie reiste jedoch nicht aus. Im Januar 1994 erhielt die Familie auf ihre Anträge hin erstmals eine ausländerrechtliche Duldung. Im Jahre 1993 war die Tochter J. und 1997 war der Sohn D. in D2 geboren worden. Nach den dem Gericht vorliegenden Sachakten der Ausländerbehörde H. haben die Kläger von Beginn ihres Aufenthalts in D2 bis jedenfalls zum Jahre 2005 der Ausländerbehörde keine Ausweispapiere vorgelegt. Trotz entsprechender Aufforderungen der Ausländerbehörde haben sie bis zum Jahre 2005 bei ihren Heimatbehörden auch weder Ausweispapiere beantragt noch erlangt. Nachdem die Ausländerbehörde mit einem Rücknahmeersuchen für die Familie bei der J2 Botschaft 1998 zunächst erfolglos geblieben war, wurde dem Antrag im Juni 2003 schließlich zugestimmt und im August 2003 wurden die erforderlichen zeitlich befristeten Passersatzpapiere für die Familie ausgestellt. Die daraufhin von der Ausländerbehörde für den 13. August 2003 geplante und der Familie fristgemäß zuvor angekündigte Abschiebung nach M1 scheiterte daran, dass die anwaltlich vertretene Klägerin zu 1 und deren Töchter M. und N. genau am Tag der Abschiebung – und somit zwölf Jahre nach Stellung des ersten Asylantrages - die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie eines Asylerstverfahrens für die bereits 1993 und 1997 in D2 geborenen beiden jüngeren Kinder beantragten.
Die Asylfolgeanträge wurden mit Bescheid vom 2. März 2004 als unbegründet abgelehnt. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der R. oder sonstigen individuellen Gründen hätten die Antragsteller politische Verfolgung bei einer Rückkehr nach S1 und M1 nicht zu befürchten. Allein aufgrund der Angehörigkeit zur Volksgruppe der R. sei in S1 und M1 keine mittelbare oder unmittelbare staatliche Verfolgung zu befürchten. Angehörige der Volksgruppe der R. lebten in ihrer Heimat zwar seit jeher am Rande der Gesellschaft, zum Teil unter elenden Verhältnissen. Eine Diskriminierung oder Benachteiligung aufgrund der Herkunft oder ethnischen Zugehörigkeit sei jedoch auch in S1 und M1 verboten und werde straf- und disziplinarrechtlich geahndet. Einzelfälle von Übergriffen gegen R. seien zwar bekannt, auch sei die Polizei teilweise nicht aktiv genug gegen Übergriffe auf R ... Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass für jeden R. ohne weiteres eine aktuelle Gefährdung bestehe, zumal sich in S1 und M1 etwa 800.000 R. aufhielten. Die Öffnung und Demokratisierung des gesamten Staatswesens gewährleiste, dass die Menschenrechte in Zukunft gewahrt blieben. Am 7. März 2002 sei das Gesetz "über den Schutz von Rechten und Pflichten nationaler Minderheiten" in Kraft getreten. Dieses entspreche internationalen Standards und solle in genau den aufgeführten Bereichen Abhilfe schaffen. Auch lägen die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 53 AuslG hier nicht vor. Individuelle Gründe für ein Abschiebungshindernis seien nicht vorgebracht worden. Auch im Übrigen lägen keine Gründe vor, die unabhängig von den zuvor genannten Voraussetzungen eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 53 AuslG rechtfertigen würden. Eine auf die Person der Antragsteller zu beziehende, individuelle und konkrete Gefahrenlage lasse sich nicht feststellen. Soweit die Antragsteller allgemein schlechte Lebensbedingungen geltend machen würden, beriefen sie sich auf die Gefährdung einer gesamten Bevölkerungsgruppe. Die dafür erforderliche extreme Gefahrenlage im Zielstaat läge hier nicht vor. Trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage sei die Grundversorgung mit existenziellen Lebensmitteln als gesichert anzusehen, inzwischen auch bezüglich über die Grundversorgung hinausgehender Lebensmittel. Die sozial schwachen Bevölkerungsgruppen würden, insbesondere im ländlichen Bereich, nach wie vor durch internationale Organisationen versorgt. Auch in S1 und M1 bestehe die Institution der Sozialhilfe, sie werde den Bürgern gewährt, die arbeitsunfähig seien und keine Mittel zum Lebensunterhalt nachweisen könnten. Daneben würden weitere staatliche Unterstützungen an Bedürftige in Form des so genannten Familiengeldes und Kindergeldes ausgezahlt. Vor diesem Hintergrund sei eine existenzielle Gefährdung der Antragsteller, die nach ihrer Intensität und Schwere einer Rechtsgutbeeinträchtigung gleich käme, nicht erkennbar. Auch die medizinische Grundversorgung sei in S1 und M1 gesichert. Der Bescheid enthielt zudem eine Ausreiseaufforderung und eine neue Abschiebungsandrohung nach § 50 AuslG a.F.
Die Asylerstanträge der Kläger zu 4 und 5 wurden ebenfalls mit Bescheid vom 2. März 2004 gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt, da deren Asylanträge nur gestellt worden seien, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden.
Nach Eintritt der Bestandskraft der Bescheide im April 2004 war die Gültigkeitsdauer der Passersatzpapiere jedoch bereits abgelaufen, so dass eine weitere Abschiebung zunächst der erneuten Ausstellung von Passersatzpapieren bei der M1 Auslandsvertretung bedurft hätte. Hierzu kam es nicht mehr, da die Klägerin zu 1 sich nunmehr auf ihre Schwangerschaft berief und vortrug, der leibliche nichteheliche Vater dieses Kindes sei der deutsche Staatsangehörige K., woraus für sie und ihre Familie ein Bleiberecht abzuleiten sei. Die leibliche Vaterschaft des K. ist auch im durch die Klägerin zu 1 betriebenen aufenthaltsrechtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Hamburg nicht nachgewiesen worden.
Seither und nach Ende der Wirkung der Aufenthaltsgestattungen aus den Asyl(folge)verfahren wurden die Kläger wiederum geduldet (bis 31.12.2004 gemäß § 55 Abs. 2 AuslG i.d.F. von 1993 und seit dem 1.1.2005 gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG), nach dem Inhalt der dem Gericht vorliegenden Sachakten jedenfalls bis zum Jahr 2004 aufgrund fehlender Reisepapiere für die Familie, die eine Abschiebung tatsächlich unmöglich machten. Aus den Ausländerakten ergibt sich, dass der Aufenthalt der Kläger seit ihrer Einreise im Jahre 1992 durchgängig nur geduldet worden ist und zwar jeweils für einen Zeitraum von wenigen Wochen bis maximal 6 Monaten.
Im Dezember 2006 beantragten die Kläger zu 1, 4 und 5 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die im Mai 2007 auch auf die Klägerin zu 3 erweitert wurde. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 6. Oktober 2008 durch die Ausländerbehörde für sämtliche Antragsteller abgelehnt. Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung komme nicht in Betracht, weil insoweit nicht an die behauptete deutsche Staatsangehörigkeit des im Jahre 2004 geborenen jüngsten Kindes D1 der Klägerin zu 1 angeknüpft werden könne, da dieses allein die M1 Staatsangehörigkeit besitze. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 20 Abs. 5 AufenthG könne nicht erteilt werden, weil eine Ausreise der Familienmitglieder nicht unmöglich sei. Es lägen allein tatsächliche Abschiebehindernisse in der Form vor, dass die Antragsteller nicht über die erforderlichen Ausweispapiere für eine Abschiebung in ihren Heimatstaat verfügten. Ebenfalls schieden Aufenthaltserlaubnisse nach § 104a Abs. 1 AufenthG aus, da die Aufenthaltsbeendigung von den Klägern vorsätzlich vereitelt worden sei, indem sie am 13. August 2003 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens beantragt hätten, nachdem die Ausländerbehörde am 2. August 2003 ein Passersatzpapier für die Antragsteller durch die zuständige Auslandsvertretung zum Zwecke der Abschiebung in ihr Heimatland erlangt habe. In der Folgezeit habe dann eine Abschiebung wiederum nicht durchgeführt werden können, weil die Schwangerschaft der Klägerin zu 1 zu weit fortgeschritten gewesen und am 8. April 2004 durch einen deutschen Staatsangehörigen die Anerkennung der Vaterschaft für dieses Kind vorgetragen worden sei. Der vorgeblich deutsche Vater sei aber nicht in das Geburtenbuch eingetragen worden, so dass das Kind D1 die M1 Staatsangehörigkeit besitze. Im Übrigen seien die Kläger ihrer Passpflicht weiterhin nicht nachgekommen. Auch sei nicht zu erkennen, dass sie ihren Lebensunterhalt eigenständig würden sichern können.
Der hiergegen erhobene Widerspruch, der im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die Klägerin zu 1 bisher nicht im Besitz der Staatsangehörigkeit von S1-M1 gewesen und erst nach der Selbstständigkeit M1 in die Lage versetzt worden sei, diese Staatsangehörigkeit zu erhalten, blieb erfolglos. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin zu 1 verfüge schon nicht über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse; im Übrigen habe die Familie keine eigene Wohnung, sondern lebe in einer Gemeinschaftsunterkunft; auch sei der Lebensunterhalt nicht eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert und es sei auch nicht zu erkennen, dass sich hieran in naher Zukunft etwas ändern werde. Die minderjährigen Kinder teilten das rechtliche Schicksal der Mutter. Das jüngste Kind D1 befinde sich noch im Asylverfahren, daher käme für dieses schon keine Aufenthaltserlaubnis in Betracht. Für die (zu jener Zeit 18-jährige) Klägerin zu 3 sei festzustellen, dass sie sich aufgrund ihrer bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse nicht in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik D2 einfügen könne. Sie habe weder einen Schulabschluss noch eine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie sei auch nicht erwerbstätig, sondern lebe durchgängig von Sozialleistungen. Sie verfüge auch über keinen Pass. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG scheide für die Kläger aus, da ihre Ausreise weder rechtlich noch tatsächlich unmöglich sei.
Hiergegen haben die Kläger zu 1, 3, 4 und 5 sowie das jüngste Kind D1 Klage vor dem Verwaltungsgericht Hamburg erhoben. Eine Mietwohnung für die Familie werde sich anmieten lassen, sobald die Klägerin zu 1 einer Erwerbstätigkeit nachgehen dürfe. Hierzu habe sie bisher noch keine Erlaubnis erteilt erhalten. Sie könne sich auch in einfacher Art und Weise mündlich verständigen und sei auch im Besitz eines Nationalpasses. Für Ihre Kinder werde sie Pässe bekommen, wenn sie nach M1 reise und dort die Pässe beantrage. Die Klägerin zu 3 sei mittlerweile 19 Jahre alt und habe vor kurzem ein Mädchen geboren. Die Kläger zu 4 und 5 besuchten die Förderschule in B., das jüngste Kind D1 die Volksschule. Nach Auskunft des Verwaltungsgerichts wird die Klage derzeit nicht betrieben, weshalb eine Betreibensaufforderung nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ergangen sei.
Die Kläger bestreiten seit ihrer Einreise in D2 ihren Lebensunterhalt durch Sozialleistungen, seit dessen Inkrafttreten auf Grundlage von § 3 Asylbewerberleistungsgesetz – AsylbLG –. Am 17. Juli 2009 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von sogenannten Analogleistungen nach § 2 AsylbLG für die Vergangenheit im Wege der Überprüfung nach § 44 SGB X und die daraus sich ergebende Nachzahlung der Differenz zu den bisher bewilligten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG.
Mit Bescheid vom 23. Juli 2009 lehnte die Beklagte dies mit der Begründung ab, dass die Kläger den Aufenthalt in der Bundesrepublik rechtsmissbräuchlich verlängert hätten. Schon seit langer Zeit seien die Kläger in der Pflicht, die Bundesrepublik zu verlassen. Dem widersetzten sie sich, indem sie nicht freiwillig ausgereist seien. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde damit begründet, dass den Klägern eine freiwillige Ausreise nicht zugemutet werden könne, da sie in der Bundesrepublik integriert seien und mangels einer Eintragung im Geburtenregister ihrer Heimat keine Ausweispapiere beschaffen könnten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2009 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Aufenthalt der Kläger sei rechtsmissbräuchlich herbeigeführt worden. Nach Erlangung der notwendigen Passersatzpapiere durch die Ausländerbehörde hätten die Kläger einen Abschiebungsversuch im Jahr 2003 dadurch verhindert, dass sie in rechtsmissbräuchlicher Absicht weitere Asylanträge gestellt hätten. Diese seien als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden. Dieser Umstand beinhalte ein gewisses Unwerturteil des Gesetzgebers, welches den Folgeantrag ausnahmsweise als rechtsmissbräuchlich erscheinen lasse.
Die dagegen gerichtete Klage vom 14. Dezember 2009 vor dem Sozialgericht Hamburg war erfolgreich. Das Sozialgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, die den Zeitraum seit dem 1. Januar 2005 betreffenden Leistungsbewilligungen dahingehend abzuändern, dass den Klägern Leistungen in Anwendung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII - nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften und unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen nach dem AsylbLG geleistet würden. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen und unter Verweis auf die jüngere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausgeführt, dass in dem Verhalten der Kläger keine Rechtsmissbräuchlichkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG zu erkennen sei. Rechtsmissbräuchliches Verhalten liege danach nicht schon darin, dass ein Leistungsempfänger trotz des aufgrund der Duldung bestehenden Abschiebungsverbots nicht freiwillig ausgereist sei und hierfür kein anerkennenswerter Grund vorliege. Ein bloßes Verbleiben in der Bundesrepublik und auch die Stellung eines Asyl- bzw. Asylfolgeantrags rechtfertigten den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht. Hinzu komme, dass bei dem Tatbestandsmerkmal des Rechtsmissbrauchs eine subjektive Komponente gefordert werde. Diese sei zumal bei Rechtsuchenden, denen die Unterschiede zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Möglichkeiten des Rechtsschutzes regelmäßig nicht bewusst seien, nicht anzunehmen. Im Ergebnis gleiches gelte hinsichtlich des Umstandes, dass infolge der Stellung des Asylfolgeantrags das zuvor von der Ausländerbehörde beschaffte Passersatzpapier nicht mehr für eine spätere Abschiebung genutzt werden konnte. Hierbei handele es sich um eine Nebenfolge des Asylfolgeantrags, die einer Weigerung der Kläger, bei der Beschaffung eines Passes mitzuwirken, nicht gleichgesetzt werden könne. Schließlich stünde der Überprüfung der Leistungsbewilligungen nach § 44 SGB X bis einschließlich 2005 nicht entgegen, dass die fragliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sich erst mit den Entscheidungen aus dem Juni 2008 geändert habe. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wirke eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung dann in die Vergangenheit zurück, wenn sie nicht lediglich auf einer geänderten rechtlichen Grundlage oder auf geänderten sozialen, soziologischen oder wirtschaftlichen Gegebenheiten und Anschauungen beruhe, sondern wenn sie bei gleich bleibender Rechtslage und gleich bleibenden tatsächlichen Gegebenheiten der Erkenntnis Rechnung trage, dass die bisherige Auslegung der Vorschrift im wertungsfrei technischen Sinne unrichtig gewesen sei. Um einen solchen Fall handele es sich hier, da das Bundessozialgericht seine bis dahin praktizierte (anspruchsfeindliche) Auslegung des Begriffs der Rechtsmissbräuchlichkeit in den Urteilen vom 17. Juni 2008 unter systematischen, historischen und teleologischen Gesichtspunkten verworfen habe.
Das Urteil wurde der Beklagten am 12. Januar 2011 zugestellt. Am 10. Februar 2011 hat sie die vorliegende Berufung erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass die Kläger zwar Leistungsberechtigte im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG seien und auch über eine Dauer von insgesamt 36 bzw. 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten hätten. Sie hätten die Dauer ihres Aufenthalts jedoch rechtsmissbräuchlich beeinflusst. Das Bundessozialgericht habe in den fraglichen Entscheidungen seine Wertung mit dem Zusatz "regelmäßig" eingeschränkt. Danach sei "grundsätzlich" im bloßen Verbleib oder der Stellung eines Asylfolgeantrags nicht bereits ein rechtsmissbräuchliches Verhalten zu sehen. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts wurzele der Begriff des Rechtsmissbrauchs in dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben und beinhalte als objektive Komponente den Missbrauchstatbestand und als subjektive Komponente das Verschulden. Dem Tatbestandsmerkmal des § 2 Abs. 1 AsylbLG der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer liege der Gedanke zu Grunde, dass niemand sich auf eine Rechtsposition berufen dürfe, die er selbst treuwidrig herbeigeführt habe. In objektiver Hinsicht müsse nach dieser Rechtsprechung dem Leistungsberechtigten ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten vorzuwerfen sein. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls der Situation des Ausländers in D2 und den besonderen Eigenheiten des Asylbewerberleistungsgesetzes sei dies der Fall, wenn das Verhalten des Leistungsberechtigten unentschuldbar, somit sozialwidrig sei. In subjektiver Hinsicht müsse den Leistungsberechtigten ein Verschulden vorwerfbar sein, was hier ebenfalls gegeben sei. Die Kläger hätten erst am Tag der beabsichtigten Abschiebung offensichtlich unbegründete Asyl- bzw. Asylfolgeanträge gestellt und damit die Abschiebung vereitelt, anstatt die vom Gesetzgeber vorgesehene Rechtsschutzmöglichkeit des Widerspruchs gegen die Abschiebungsanordnung und nötigenfalls der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes zu nutzen. Die Unbegründetheit ihrer Anträge sei der Klägerin zu 1 auch klar vorhersehbar gewesen, denn es habe keinen ersichtlichen Grund gegeben, weshalb die Klägerin von einer positiven Bescheidung ihrer Asylanträge hätte ausgehen können. Die Verhältnisse in ihrem Heimatland hätten sich seit der Ablehnung der im Jahr 1992 gestellten Asylanträge nicht verschlechtert, sondern eher verbessert. Auch habe die Klägerin die damaligen Bescheide bestandskräftig und vollziehbar werden lassen. Es erscheine auch angebracht, in diesem konkreten Fall ausnahmsweise ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen im Sinne des Unwerturteils, das der Gesetzgeber mit dem Begriff des "offensichtlich unbegründeten" Asylfolgeantrages zum Ausdruck gebracht habe, auszumachen. Zwar sei dem Bundessozialgericht darin zu folgen, das es widersprüchlich wäre, den Aufenthalt eines Ausländers zu dulden und ihm zugleich den Aufenthalt als Rechtsmissbrauch vorzuwerfen. Der Fall liege hier jedoch anders. Vorliegend habe das Einwohnerzentralamt mit der Eröffnung der beabsichtigten Abschiebung die Aussetzung der Abschiebung faktisch aufgehoben. Der freiwilligen Ausreise der Kläger habe auch der Einwand rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit nicht entgegengestanden. Denn für die Kläger seien Passersatzpapiere beschafft worden, mittels derer eine freiwillige Ausreise möglich und angezeigt gewesen sei. Die Asylantragstellung der Kläger sei auch für die Dauer des Aufenthaltes über den 13. August 2003 hinaus ursächlich im Sinne einer Beeinflussung der Aufenthaltsdauer gewesen. Wären die Kläger der Aufforderung zur Ausreise nachgekommen und hätten sie die Abschiebung nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise vereitelt, wären sie bereits im Jahr 2003 nicht mehr in der Bundesrepublik geblieben und somit auch nicht mehr leistungsberechtigt gewesen. Schließlich könne der Überprüfungsantrag auch nicht auf den 1. Januar 2005 zurückgehen. Bei den Leistungen nach dem SGB XII sei der Aktualitätsgrundsatz zu beachten. Nicht mehr bestehende Bedarfe seien nicht zu decken. Sämtliche sozialhilferechtlich relevanten Bedarf der Kläger seien durch Grundleistungen nach § 3 AsylbLG abgegolten oder aus anderen tatsächlichen Gründen entfallen. Ein Grundurteil sei daher nicht zulässig gewesen, das Sozialgericht hätte die Höhe des Bedarfs der Kläger ermitteln müssen. Bei dieser Betrachtung könnten nahezu sämtliche Bestandteile des Regelsatzes für die Vergangenheit nicht mehr nachträglich gewährt werden, da es an der Aktualität des Bedarfes fehle. Allein aufgeschobene Beschaffungen von Einrichtungsgegenständen, Haushaltsgeräten und ähnlichem könnten noch nachträglich gedeckt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 3. Januar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Zur Begründung betont der Prozessbevollmächtigte der Kläger, dass die Stellung eines Asylantrags grundsätzlich keine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer darstelle. Es müsse weiteres rechtsmissbräuchliches Verhalten des Ausländers hinzutreten, was hier nicht der Fall sei. Insbesondere hätten die Kläger im Jahre 1991 (gemeint ist 1992) einen Asylantrag gestellt und erst zwölf Jahre später im Jahr 2003 den Asylfolgeantrag. Allein dieser Zeitablauf mache den Eintritt neuer Asylgründe wahrscheinlich. Auch dass die Kläger keinen Widerspruch gegen die Abschiebungsanordnung, sondern einen Asylantrag gestellt hätten, stelle kein zu missbilligendes Verhalten dar. Die Asylanträge seien an eine andere Stelle, nämlich das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gerichtet worden und hätten die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Asylentscheidung zum Gegenstand gehabt. Man habe gerade nicht die Frage, ob die Abschiebung rechtmäßig sei, überprüfen lassen, sondern die Behörde, die über größere Sachkunde bezüglich der Situation in dem Heimatland der Kläger verfüge, einschalten wollen. Die ursprünglichen Gründe für die Ausreise der Kläger im Januar 1991 seien nicht mehr maßgeblich gewesen. S1 M1 habe sich in einer schweren wirtschaftlichen Krise mit bis zu 80 % Arbeitslosigkeit befunden. Sowohl der Flüchtlingsstrom aus dem K. wie die Zerstörungen der Infrastruktur und die Spuren des westlichen Wirtschaftsboykotts seien noch stark spürbar gewesen, so dass es nicht sozialwidrig gewesen sei, durch die Stellung von Asylanträgen zu versuchen, die Abschiebung nach S1-M1 zu verhindern. Schließlich hätte über den Asylantrag nach § 53 Abs. 6 AuslG die Feststellung erlangt werden können, dass für die Kläger in der Heimat eine konkrete Gefahr für Leib und Leben bestünde, was wiederum eine Duldung für die Kläger zur Folge gehabt hätte. Dass die Kläger, die den prägenden Teil ihres Lebens bereits in der Bundesrepublik verbracht hätte und denen zu diesem Zeitpunkt konkret die Abschiebung gedroht habe, diese Situation zum Anlass eines neuen Asylantrages genommen hätten, könne nicht als rechtsmissbräuchliches Verhalten gewertet werden. Es müsse daher bei der Entscheidung des Sozialgerichts verbleiben.
Der Senat hat über den Rechtstreit am 21. Juni 2012 mündlich verhandelt und die zugrundeliegenden Prozessakten, den Verwaltungsvorgang der Beklagten, die Ausländerakten und die Akte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Unterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die rückwirkende Gewährung von höheren Sozialleistungen (so genannten Analogleistungen) nach § 3 AsylbLG im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 17. Juli 2009. Der Zeitraum ergibt sich in Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X. Danach werden bei der Rücknahme eines Verwaltungsakts für die Vergangenheit Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Der Zeitpunkt der Rücknahme wird von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme (wie hier) auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Vorliegend haben die Kläger am 17. Juli 2009 den Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt. Damit beginnt der Überprüfungszeitraum zum 1. Januar 2005 und endet mit der Antragstellung am 17. Juli 2009.
II. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Die Berufung ist auch begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Überprüfung der ihnen im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 17. Juli 2009 gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG mit dem Ziel der Gewährung von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, denn die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Die für den fraglichen Zeitraum teils schriftlich, zumeist aber konkludent durch faktische Leistungsgewährung ergangenen Bescheide sind rechtmäßig.
1. Ob die formellen Voraussetzungen für eine Überprüfung nach § 44 Absatz ein Satz 1 erste Alternative SGB X vorliegen, kann hier offen bleiben. Dafür spricht zwar einiges; insoweit kann auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden. Die Tatbestandsvoraussetzung von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein muss, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, liegt jedoch nicht vor.
2. Eine unrichtige Rechtsanwendung ist in der Beschränkung des Leistungsumfangs für die Kläger auf Grundleistungen nach § 3 AsylbLG im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 17. Juli 2009 nicht zu erkennen. Maßgeblich sind hier alleine die Tatbestandsvoraussetzungen für sogenannte Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, wonach abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden ist, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten (bzw. nach § 2 Abs. 1 AsylbLG i.d.F. vom 19.8.2007, gültig seit dem 28.8.2007, 48 Monaten – auch für Personen, die bereits zuvor Analogleistungen erhalten haben, gilt die neue Vorbezugszeit von 48 Monaten, vgl. BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R) Leistungen nach § 3 erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Kläger über einen Zeitraum von 36 bzw. 48 Monaten vor dem 1. Januar 2005 Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben. Der Zeitraum, in dem die Kläger die entsprechenden Leistungen erhalten haben, erstreckt sich sogar auf einen weitaus längeren Zeitraum: für die Klägerinnen zu 1 bis 3 letztlich bis zu deren ersten Asylverfahren im Jahr 1992 und mit Inkrafttreten des AsylbLG im November 1993 und für die Kläger zu 4 und 5 bis zu ihrer Geburt in D2 1993 und 1997.
2.1. Nach den Gesamtumständen des vorliegenden Falles ist jedoch von einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts durch die Kläger auszugehen. Rechtsmissbräuchlichkeit liegt insbesondere vor, wenn der Missbrauchstatbestand des § 1a Nr. 2 AsylbLG gegeben ist. § 1a Nr. 2 AsylbLG regelt den Fall, bei dem aus von dem Leistungsberechtigten zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Das Bundessozialgerichts hat hierzu in seinem grundlegenden Urteil vom 17. Juni 2008 (B 8/9b AY 1/07 R), dem der Senat sich anschließt, in den maßgeblichen Textteilen (a.a.O., Rn. 32, 33 in juris) wie folgt ausgeführt:
"Der Begriff des Rechtsmissbrauchs wird im AsylbLG an keiner Stelle definiert. Er wurzelt in dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben - § 242 Bürgerliches Gesetzbuch - (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 81, Stand März 2007). Als vorwerfbares Fehlverhalten beinhaltet er eine objektive - den Missbrauchstatbestand - und eine subjektive Komponente - das Verschulden - (Hohm, aaO, RdNr 82, 83). Der Vorschrift des § 2 und damit dem - die Beeinflussung der Aufenthaltsdauer dienenden - Rechtsmissbrauch liegt der Gedanke zu Grunde, dass niemand sich auf eine Rechtsposition berufen darf, die er selbst treuwidrig herbeigeführt hat. Demgegenüber genügt - anders als bei § 1a AsylbLG (dazu nur: Herbst, aaO, § 1a RdNr 15; Hohm, aaO, § 1a RdNr 101, Stand Dezember 2006) - nicht, dass die Dauer des Aufenthalts auf Gründen beruht, die in der Verantwortung ssphäre des Hilfesuchenden liegen (so aber Decker in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 2 AsylbLG RdNr 16, Stand Juni 2005; siehe auch unter c).
c) In objektiver Hinsicht setzt der Rechtsmissbrauch ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus (Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 2 AsybLG RdNr 17, Stand Oktober 2007: "hohe Hürde"). Der Ausländer soll danach von Analog-Leistungen ausgeschlossen sein, wenn die von § 2 AsylbLG vorgesehene Vergünstigung anderenfalls auf gesetzwidriger oder sittenwidriger Weise erworben wäre. Der Ausländer darf sich nicht auf einen Umstand (Aufenthaltsdauer von 36 bzw. 48 Monaten mit Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG) berufen, den er selbst treuwidrig herbeigeführt hat (vgl zum Leistungsmissbrauch nur: Palandt, BGB, 64. Aufl, § 242 RdNr 38ff). Dabei genügt angesichts des Sanktionscharakters des § 2 AsylbLG nicht schon jedes irgendwie zu missbilligende Verhalten. Art, Ausmaß und Folgen der Pflichtverletzung liegen für den Ausländer sowie über die Regelung des § 2 Abs. 3 AsylbLG für dessen minderjährige Kinder so schwer, dass auch der Pflichtverletzung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein erhebliches Gewicht zukommen muss (vgl. Adolph, aaO). Daher führt nur ein Verhalten, das unter jeweiliger Berücksichtigung des Einzelfalls, der besonderen Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland und der besonderen Eigenheiten des AsylbLG unentschuldbar ist (Sozialwidrigkeit), zum Ausschluss von Analog-Leistungen; nur dann ist es gerechtfertigt auch die minderjährigen Kinder mit den Folgen dieses Verhaltens zu belasten."
Das Bundessozialgericht führt in der betreffenden Entscheidung weiter aus (Rn. 35):
" für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs (ist) nicht schon die zur Aufenthaltsverlängerung führende Nutzung der Rechtsposition ausreichend, die der Ausländer durch vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erlangt hat, wenn es ihm möglich und zumutbar wäre, auszureisen (so noch BSG, SozR 4-3520 § 2 Nr. 1 Rn. 16). Ist die Abschiebung ausgesetzt, bleibt nach dem AufenthG die Ausreisepflicht zwar unberührt (§ 60a AufenthG). Eine Pflicht im eigentlichen Sinn kann damit aber mangels Vollziehbarkeit der Abschiebung nicht verbunden sein. Es wäre widersprüchlich, den Aufenthalt des Ausländers vorübergehend zu dulden und ihm gleichzeitig den Aufenthalt als Rechtsmissbrauch vorzuwerfen, obwohl der Staat selbst zeitweise darauf verzichtet, die Ausreisepflicht durchzusetzen. Demgemäß ist regelmäßig auch weder in der Stellung eines Asylantrags selbst (Hohm, AsylbLG, § 2 RdNr 83, Stand März 2007) noch im Verbleiben des Ausländers während des Asylverfahrens (§§ 55, 67 Asylverfahrensgesetz: Aufenthaltsgestattung) bis zur Rechtskraft einer ablehnenden Entscheidung ein Rechtsmissbrauch zu sehen. Nach der Ausländer nicht ausnehmenden prinzipiellen Ordnung des Verhältnisses des Einzelnen zum Staat im Grundgesetz vermittelt die Duldung dem Ausländer eine geschützte Rechtsposition. Sie stellt einen ihn begünstigenden Verwaltungsakt dar, auf dessen Erteilung der Ausländer bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch hat (BVerwGE 105, 232 ff). Hält der Staat, etwa aus völkerrechtlichen bzw. humanitären Gründen oder zur Wahrung der politischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland, den weiteren Verbleib des Ausländers selbst für erforderlich oder ist eine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen sogar unmöglich, kann dem Ausländer die Inanspruchnahme einer Duldung nicht vorgeworfen werden. Nicht in dem Nichtausreisen des Ausländers trotz (formaler) Ausreisepflicht (Duldung) liegt ein Rechtsmissbrauch, sondern allenfalls in den Gründen, die hierzu geführt haben. Der Aufenthaltsstatus (Duldung) ist für die Beantwortung der Frage, ob der Ausländer seinen Aufenthalt rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat, unerheblich. Hat der Ausländer diese Gründe zu vertreten, hat er also insoweit selbst Einfluss auf das Geschehen genommen, kann nur deshalb, nicht aber wegen bestehender Ausreisepflicht, ein Rechtsmissbrauch bejaht werden."
Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf das Verhalten der Klägerin zu 1, denn die minderjährigen Kinder (die Kläger zu 3, 4 und 5) teilen asylbewerberleistungsrechtlich das Schicksal des Elternteils, mit dem sie in Haushaltsgemeinschaft leben (§ 2 Abs. 3 AsylbLG). Soweit die 1986 geborene Klägerin zu 2 im Jahre 2004 volljährig geworden ist, unterliegt sie zwar einer gesonderten Betrachtung, im Ergebnis stellt sich die rechtliche Würdigung bei ihr jedoch nicht anders dar als bei der Klägerin zu 1, da sie sich nicht anders verhalten hat als ihre Mutter, die Klägerin zu 1.
2.2. Unter Zugrundelegung des zuvor aufgeführten Maßstabs ist hier von einem Rechtsmissbrauch durch die Kläger in objektiver wie subjektiver Hinsicht auszugehen.
2.2.1. Zunächst liegt in objektiver Hinsicht ein Missbrauchstatbestand vor, der hinreichend schwerwiegt, dass die Verweigerung von Analogleistungen auch mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerechtfertigt ist. Anderenfalls würden die Kläger in den Genuss von Analogleistungen gelangen, obgleich sie diese von § 2 AsylbLG vorgesehene Vergünstigung auf gesetz- oder sittenwidrige Weise erworben haben. Diese Bewertung beruht zum einen auf dem Umstand der erneuten Stellung von Asylanträgen durch die Kläger ohne weitere Begründung in Zusammenschau mit dem Verhalten der Kläger in den Jahren ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik. Denn es steht fest, dass die den Klägern erteilten Duldungen zunächst nach § 55 Abs. 2 AuslG in der Fassung vom 30. Juni 1993 und seit dem 1. Januar 2005 nach § 60a Abs. 2 AufenthaltsG jedenfalls über einen langen Zeitraum auf dem Umstand beruhten, dass den bundesdeutschen Behörden eine Abschiebung der Kläger wegen fehlender Reisepapiere tatsächlich unmöglich war. Ein Abschiebungshindernis hat ausweislich der Weisungslage der H. Behörde für Inneres seit dem Jahre 1992 für die aus M1 stammende Familie nicht vorgelegen. Im Unterschied zu den aus dem K. stammenden Volksangehörigen der R. bestand für die M1 R. keine Gefährdungslage, die ein Absehen von der Abschiebung und deren weiteren – geduldeten – Aufenthalt in der Bundesrepublik begründet hätte (vgl. die von der Behörde für Inneres und Sport, Amt für Innere Verwaltung und Planung dem Gericht vorgelegte "Übersicht förmliche Abschiebungshindernisse nach S1, M1 und K." vom 18.6.2012). Die faktische Unmöglichkeit der Abschiebung haben die Kläger durch ihr Verhalten bewusst und gewollt herbeigeführt und sich dadurch und zur Erreichung ihres weiteren Aufenthalts in D2 vorsätzlich gegen die bestehende Rechtsordnung gestellt. Die Gesetzesbegründung zu § 2 AsylbLG führt beispielhaft die Vernichtung des Passes und die Angabe einer falschen Identität als typische Fallgestaltungen eines Rechtsmissbrauchs an (Bundestagsdrucksache 15/420, Seite 121). Dieser Fallgestaltung ist die vorliegende vergleichbar, in der die Klägerin zu 1 ihre Ausweispapiere nicht vorgelegt und im weiteren Verlauf ihres Aufenthalts in D2 trotz Aufforderung durch die Ausländerbehörde ihrer Verpflichtung der Beantragung von Ausweispapieren für sich und ihre Kinder bei der Auslandsvertretung ihres Heimatlandes nicht nachgekommen ist. Hierfür gibt es vernünftigerweise nur einen Grund: die Vereitelung der – mangels freiwilliger Ausreise – zwangsweisen Durchsetzung der Rechtspflicht der Kläger nach erfolglosem Abschluss der Asylverfahrens, die Bundesrepublik Deutschland wieder zu verlassen und in ihr Heimatland zurückzukehren. Denn alleine deren Passlosigkeit bewirkte den weiteren – geduldeten – Aufenthalt der Kläger in der Bundesrepublik. Entscheidend für die Bewertung als rechtsmissbräuchlich kommt hier jedoch die zur Überzeugung des Senats von der Klägerin zu 1 für sich und ihre beiden jüngeren Kinder bewusst zur Vereitelung der Abschiebung eingesetzte Asylerstantragstellung für die Kläger zu 4 und 5 am 13. August 2003 und die Asylfolgeantragstellung der Kläger zu 1 bis 3 vom selben Tag hinzu. Denn der Senat hält es für keinen Zufall, dass die Kläger im Jahre 2003, nachdem die Ausländerbehörde mit dem seit 1998 bei den Heimatbehörden lange Zeit erfolglos betriebenen Rücknahmeersuchen für die Kläger schließlich erfolgreich gewesen ist und schließlich auch die notwendigen Passersatzpapiere für die Kläger durch deren Auslandsvertretung ausgestellt worden waren, am dem Tag der den Klägern für den 13. August 2003 angekündigten Abschiebung in ihr Heimatland einen Asylfolgeantrag bzw. für die in D2 geborenen Kinder J. und D. einen Asylerstantrag gestellt haben. Eine Abschiebung war damit nach den Regeln des Asylverfahrensgesetzes zunächst vereitelt. Die ohne jede Begründung, geschweige denn unter Darlegung eines konkreten Verfolgungsschicksals, gestellten Anträge blieben – erwartungsgemäß – erfolglos. Bezeichnenderweise wurden sie von den Klägern auch nicht weiter verfolgt, da die Bescheide dieses Mal schon gar nicht angefochten und nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bestandskräftig wurden. Das damit von den Klägern zur Überzeugung des Gerichts alleine verfolgte Ziel, den ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik nach vielen Jahren erstmals ernsthaft gefährdenden Abschiebungsversuch der Ausländerbehörde zu vereiteln, wurde jedoch erreicht. Weitere aufenthaltsbeendende Maßnahmen wurden im Folgenden dadurch erschwert, dass die Klägerin zu 1 im Anschluss an die vereitelte Abschiebung im Jahr 2004 schwanger wurde. Nach der Geburt des Kindes hat sie ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik mit der Behauptung zu erreichen versucht, dass das 2004 geborene Kind D1 von einem deutschen Staatsangehörigen abstamme. Auch diese Behauptung ist bis zum heutigen Tage unbewiesen geblieben, obwohl deren Nachweis den Aufenthalt der Klägerin zu 1 und ihrer minderjährigen Kinder aufenthaltsrechtlich hätte verfestigen können und sie deren Ziel, einen gesicherten Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik zu erreichen, erheblich näher gebracht hätte. Bezeichnend ist auch das Verhalten der Klägerin zu 1 im Rechtsstreit um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor dem Verwaltungsgericht. In dem Zuge war der Besitz von Ausweispapieren für die Kläger vorteilhaft. Erst seit Dezember 2008 trägt die Klägerin nun vor, im Besitz eines M1 Reisepasses zu sein.
Der Senat folgt mit dieser Entscheidung auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, welches in der Entscheidung vom 17. Juni 2008 (a.a.O.) u.a. klargestellt hat, dass nicht jedwedes zu missbilligende Verhalten des Ausländers angesichts des Sanktionscharakters von § 2 AsylbLG ausreicht, die Pflichtverletzung anzunehmen. Alleine die Nutzung einer Rechtsposition des Ausländers, die er etwa durch eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung erlangt hat, reiche nicht aus, um den Rechtsmissbrauch festzustellen (BSG, a.a.O., Rn. 35). Entscheidend seien immer die Umstände des Einzelfalls. Der hier zur Entscheidung gestellte Sachverhalt ist zur Überzeugung des Senats jedoch nicht als Nutzung einer Rechtsposition durch die Kläger anzuerkennen. Vielmehr haben diese in missbräuchlicher Weise im August 2003 ihren – weiteren – Aufenthalt in der Bundesrepublik erzwungen. Dabei stellt das Gericht bei seiner Bewertung gerade nicht darauf ab, dass die Kläger damals einen Asylfolge- bzw. -erstantrag gestellt haben. Dies wäre für sich alleine genommen noch nicht rechtsmissbräuchlich. Entscheidend für das Unwerturteil ist hier der Gesamtzusammenhang, in dem das Verhalten der Kläger steht. Denn diese haben den Asylantrag für die beiden in D2 in den Jahren 1993 und 1997 geborenen Kinder nicht nach deren Geburt gestellt, was nicht zur naheliegend, sondern im Hinblick auf die schwache Aufenthaltsposition der gesamten Familie angezeigt gewesen wäre, um einen Aufenthaltsstatus zu erlangen, der geeignet gewesen wäre, deren soziale und wirtschaftliche Integration in die bundesdeutsche Gesellschaft zu erreichen. Auch die übrigen Familienmitglieder haben bezeichnenderweise zu keiner Zeit ein Asylfolgeverfahren betrieben, obgleich auch diese seit der rechtskräftigen Ablehnung des ersten Asylantrags im Jahre 1993 und trotz des von der Familie erkennbar angestrebten Daueraufenthalts mit Blick auf den ungesicherten Aufenthaltsstatus (Ausreiseaufforderung unter Abschiebungsandrohung nach (Rest) J2 unter Nr. 4 des Bescheidtenors vom 22. Oktober 1992) durchgehend ein massives Interesse an der aufenthaltsrechtlichen Verfestigung ihres Verbleibs im Bundesgebiet gehabt haben müssen. Denn die der Familie durch die Ausländerbehörde erteilten Duldungen sind seit 1992 durchgängig auf einen Zeitraum von wenigen Wochen bis 6 Monaten beschränkt worden. Die Kläger konnten damit bis heute keine auch nur annähernd sichere Aufenthaltsposition für sich erreichen. Vor diesem Hintergrund können die genau am Tag der geplanten Abschiebung am 13. August 2003 gestellten und nicht weiter begründeten Asyl(folge)anträge nur den Zweck der Vereitelung der Abschiebung gehabt haben. Dies erklärt auch, warum die Kläger nicht etwa im zeitlichen Zusammenhang mit der Ankündigung der Abschiebung den Antrag stellten, sondern bis zum letztmöglichen Zeitpunkt abwarteten. Die Einlassung des Klägervertreters auf die Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung, warum die fraglichen Asylanträge nicht sogleich nach Erhalt der Abschiebungsankündigung gestellt worden seien, wonach die Kläger eine Überlegungsfrist benötigen, und sich erst am Tage der Abschiebung schließlich entschlossen hätten, die Asylanträge zu stellen, überzeugt vor dem voran Ausgeführten nicht. Alleine dieses Verhalten stellt den Rechtsmissbrauch dar. Denn die Asylgewährung hat den Zweck, Menschen vor politischer, religiöser oder rassischer Verfolgung zu schützen. Die bloße (Aus-) Nutzung des durch den Verfahrensablauf bedingten Zeitverlusts bzw. der Behinderung des behördlichen Abschiebevorgangs, die ersichtlich im Vordergrund des klägerischen Verhaltens gestanden hat und letztlich auch erfolgreich war, da die befristet ausgestellten Ausweispapiere alsbald ihre Gültigkeit verloren und die Abschiebung erneut unmöglich gemacht haben, stellt hier den fraglichen Rechtsmissbrauch dar.
2.2.2. Das vorwerfbare Fehlverhalten der Kläger ist auch schuldhaft geschehen. Denn die Kläger haben im Bewusstsein, dass ihr Aufenthalt ohne die Verursachung neuer Verfahrenshindernisse im August Jahre 2003 ein Ende gefunden hätte, sich dieses Mittels bewusst bedient, um damit der erstmals ernsthaften Gefahr der Abschiebung zu entkommen. Die Durchführung eines Asylverfahrens in dieser Absicht ist jedoch von der Rechtsordnung nicht vorgesehen. Im Gegenteil stellt dies eine gesetzeswidrige Ausnutzung der Rechtsordnung dar, die den Tatbestand des schuldhaften Fehlverhaltens erfüllt.
2.2.3. Schließlich ist das zu missbilligende Verhalten der Kläger auch kausal für die Verlängerung des Aufenthalts der Kläger im Bundesgebiet geworden (vgl. zu dieser Voraussetzung BSG, a.a.O., Rn. 39, 43 ff). Hätten die Kläger am 13. August 2003 nicht die fraglichen Asylerst- und -folgeanträge gestellt, wären sie an jenem Tag nach M1 abgeschoben worden und ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik wäre beendet worden.
2.3. Die vom Prozessbevollmächtigten vorgetragene Integration der Kläger in D2 begründet keine Analogleistungen. Das Gesetz stellt auf den Umfang der Integration für den Bezug von Analogleistungen nicht ab. Hinzu kommt, dass von einer Integration der Kläger auch nicht ausgegangen werden kann. Die Klägerin zu 1 spricht nach wie vor nur mangelhaft Deutsch, von ihren Kindern, den Klägern zu 2 bis 5 hat kein Kind einen Schulabschluss erlangt, geschweige denn eine Berufsausbildung abgeschlossen. Die Kläger sind seit Beginn ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland für ihren Lebensunterhalt ausschließlich von der Gewährung von Sozialleistungen abhängig, obgleich die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unter bestimmten Voraussetzungen nicht entgegenstehen. &8195; III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen.
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