Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 138 AS 20177/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 2318/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Dafür, dass der Verlust von Wohneigentum oder hier einer zu Wohnzwecken genutzten Erbbaupacht aufgrund von Schulden eines Nachbargrundstücks durch SGB 2 § 22 Abs 8 nicht geschützt wird, spricht die systematische Auslegung der Regelung und insofern der Sachzusammenhang zu den konkreten Unterkunftskosten, sowie eine historische Betrachtung.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des
Sozialgerichts Berlin vom 7. September 2012 – S 138 AS 20177/12 ER – aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind insgesamt nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners und Beschwerdeführers ist begründet. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts ist aufzuheben. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Voraussetzung hierfür ist regelmäßig, dass sowohl ein Anordnungsanspruch im Sinne der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs sowie ein Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht sind. Soweit dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – Juris Rn. 26). Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des
Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Dies gilt insbesondere, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (BVerfG a.a.O.). Insofern stellt Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen könnten, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (BVerfG, a.a.O., Juris Rn. 24). Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist eine einstweilige Anordnung zugunsten der Antragstellerin nicht zu erlassen.
Ihr am 17. August 2012 beim Sozialgericht Berlin gestellter Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig ein Darlehen zum Ausgleich von Forderungen ihres Erbbaupachtgebers in Höhe von 3.709,52 EUR zu gewähren, war bereits im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht nicht begründet, nachdem sie das Gartengrundstück, für das Nutzungsentgelte in Höhe von 1.216,15 EUR offen und zwischenzeitlich weitere Zwangsversteigerungskosten entstanden sind, so dass sich die von der Antragstellerin zu tragende Forderung auf den geltend gemachten Betrag beläuft, schon zu jenem Zeitpunkt aufgegeben hatte.
Zwar können, sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, gemäß § 22 Abs. 8 Satz 1 des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer
vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Schulden sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (§ 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II). Hier liegen jedoch weder die Voraussetzungen von Satz 1 noch von Satz 2 der Vorschrift vor. Das vom Gesetzgeber mit dieser Vorschrift verfolgte Ziel, eine drohende Wohnungslosigkeit oder einer vergleichbaren Notlage wegen entstandener (Miet-) Schulden zu verhindern, kann nicht mehr erreicht werden, wenn die betreffende Unterkunft, für die
Mietschulden oder vergleichbare Schulden entstanden sind, aufgegeben worden ist. In diesem Fall ist die Übernahme jedenfalls nicht mehr "gerechtfertigt" im Sinne des Gesetzes.
Zwar bewohnt die 1971 geborene, erwerbsfähige Antragstellerin mit ihrem 1998 geborenen Sohn auch gegenwärtig noch den – von der Straße aus gesehen – hinteren Teil des Grundstücks in B mit der Adresse Hweg , eingetragen im Grundbuch von M, Blatt als Flurstück , das im Eigentum des Landes B bzw. seit 2006 des Liegenschaftsfonds Bsteht und für das zu ihren Gunsten im Grundbuch ein Erbbaurecht bis zum 4. Dezember 2090 eingetragen ist. Allein für den vorderen, unbebauten Teil des Grundstücks mit der Adresse Hweg (Flurstück ), das von der Antragstellerin offenbar schon seit Vorwendezeiten als Garten genutzt, aber erst mit Mietvertrag von Mai/Juni 2010 von der Liegenschaftsfonds B zu einem monatlichen "Mietzins" von 70,56 EUR gemietet bzw. gepachtet worden ist, bestehen Mietschulden in Höhe von mindestens 1.200 EUR. Diesen Mietvertrag hatte die Antragstellerin aber, wie mit Schriftsatz vom 6. November 2012 mitgeteilt worden ist, bereits "zum August 2012" gekündigt bzw. hatte sie nach ihrem Widerspruchsschreiben vom 5. Januar 2012 den vorderen Grundstücksteil bereits "ab August 2011" an den Liegenschaftsfonds zurückgegeben. Der Erhalt dieses Grundstücksteils kann mithin auch im Wege einer darlehensweisen Übernahme der Schulden nicht mehr gesichert werden (vgl. auch BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 58/09 R – Juris Rn. 23).
Daraus, dass die Liegenschaftsfonds B zwischenzeitlich aufgrund des Anordnungsbeschlusses vom 10. Mai 2011 die Zwangsvollstreckung in das Erbbaurecht der Antragstellerin an dem hinteren Flurstück (Hweg – Flurstück ) betreibt (Amtsgericht L, Geschäftsnummer ), wodurch für die Antragstellerin nach Einholung eines Wertgutachtens weitere Kosten entstanden sind und ihr letztlich der Verlust der gegenwärtig bewohnten Unterkunft drohen dürfte, ergibt sich nichts Abweichendes.
Dahinstehen kann, ob der Begriff "Schulden" in § 22 Abs. 8 SGB II nur solche Schulden umfasst, die in Bezug auf die tatsächlich noch genutzte Unterkunft entstanden sind und deretwegen der Wohnungsverlust droht (so Breitkreuz in Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand 1. September 2012, § 22 SGB II Rn. 30). Solches wäre hier nicht der Fall, da, wie ausgeführt, die Schulden der Antragstellerin, aufgrund derer nunmehr in das von ihr zu
Wohnzwecken genutzte, schuldenfreie Erbbaurecht mit einem Verkehrswert von 60.000 EUR vollstreckt wird, allein aufgrund der Nutzung des Grundstücksteils Nr. entstanden sind. Von der
entgeltlichen Nutzung des Grundstücks Nr. ist auch rechtlich in keiner Weise das Erbbaurecht der Antragstellerin abhängig gewesen. Vielmehr ergibt sich aus § 2 Abs. 2 des "Mietvertrages über ein Wochenend- und Erholungsgrundstück" von Mai/Juni 2010, dass zugunsten des Erbbauberechtigten des Grundstücks Hweg eine Dienstbarkeit für ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht bestehe, so dass der Zugang zu dem mit dem Erbbaurecht belegten Grundstück unabhängig von einer Pacht auch des vorderen Teils gesichert ist.
Dafür, dass der Verlust von Wohneigentum oder hier einer zu Wohnzwecken genutzten Erbbaupacht aufgrund von Schulden, die hiermit nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen, durch § 22 Abs. 8 SGB II nicht geschützt wird, spricht jedenfalls die systematische Auslegung der Regelung und insofern der Sachzusammenhang zu den konkreten Unterkunftskosten, sowie eine historische Betrachtung. Nachdem es in der ursprünglichen Gesetzesfassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954) in § 22 Abs. 5 SGB II noch "Mietschulden" hieß, wurde dieser Begriff zwar aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetzes vom 24. März 2006 (BGBl. I, 1706) durch das Wort "Schulden" ersetzt. Hiermit sollte aber allein der Hilfebedürftigkeit aufgrund einer mit Mietschulden vergleichbaren Notlage wegen Energieschulden Rechnung getragen werden (vgl. BT-Drs. 16/688, S. 14). Eine Besserstellung von Wohneigentümern, denen gegebenenfalls der Eigentumsverlust wegen sonstiger Privatschulden droht, war hiermit nicht beabsichtigt. Bei dieser Sachlage kommt es auch nicht darauf an, dass die Unterkunftskosten der Antragstellerin in Höhe der Erbbaupacht von 153,25 EUR seit Oktober 2008 zuzüglich Betriebskosten auch unter Berücksichtigung der Pacht für den Grundstücksteil Nr. nicht die obere Grenze des noch Angemessenen für einen Zweipersonenhaushalt überschritten hätten.
Im Übrigen ist es weder gerechtfertigt noch notwendig, dass die Schulden für das zwischenzeitlich aufgegebene Teilgrundstück Nr. im Darlehenswege übernommen werden. Bei der Abwägung, ob die Schuldenübernahme gerechtfertigt ist, sind die Umstände des Einzelfalls zu würdigen, etwa aus welchen Gründen die Schulden entstanden sind, ob der Leistungsberechtigte die Schulden durch ein missbräuchliches Verhalten herbeigeführt hat und ob der Wille
erkennbar wird, dieses Verhalten zukunftsgerichtet zu ändern. Insofern ist hier bereits nicht nachvollziehbar, weshalb die Antragstellerin die Schulden über zumindest zwei Jahre hinweg hat anwachsen lassen und aufgrund welcher vertraglichen Grundlage die nunmehr überwiegend für einen Zeitraum vor Abschluss des Mietvertrages geforderten Nutzungsentgelte beruhen. Nicht nachvollziehbar ist auch, weshalb noch im Mai/Juni 2010 ein solcher Mietvertrag über den Gartenteil Nr. geschlossen wurde, obgleich zu diesem Zeitpunkt ausweislich des Forderungskontos mit Stand vom 9. Juli 2012 bereits eine Forderung der Vermieterin über Nutzungsentgelte in Höhe von 1.157,79 EUR sukzessive seit September 2008 entstanden war. Allerdings hatte es der Antragsgegner schon mit Bescheid vom 12. Juli 2010 abgelehnt, die aufgrund des geschlossenen Mietvertrages zu entrichtende Kaution in Höhe von 211,68 EUR im Darlehenswege zu übernehmen. Mit Bescheid vom 25. Juli 2011 hatte der Antragsgegner sodann die Übernahme der Betriebskostennachzahlung für das Grundstück Nr. abgelehnt, so dass es sich der Antragstellerin hätte aufdrängen müssen, dass der Antragsgegner auch etwaige Rückstände für Nutzungsentgelte für das Gartengrundstück nicht übernehmen würde. Auf ihren Antrag auf Übernahme der Schulden, den sie offenbar erst am 24. Oktober 2011 gestellt hatte, war ihr dementsprechend ausweislich der sozialpädagogischen Stellungnahme vom selben Tag mitgeteilt worden, dass eine solche Entschuldung durch den Antragsgegner nicht in Betracht komme. Gegen den entsprechenden Bescheid vom 16. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2012 richtet sich eine beim Sozialgericht Berlin anhängige Klage (S 138 AS 20177/12). Ob der Antragstellerin, nachdem mit Anordnungsbeschluss vom 10. Mai 2011 die Zwangsversteigerung in ihr Erbbaurecht eingeleitet worden ist, zur Vermeidung weiterer Kosten – hier durch Einholung eines Verkehrswertgutachtens – noch eine Beleihung des Erbbaurechts möglich gewesen wäre, kann dahinstehen.
Angesichts der Tatsache schließlich, dass die Antragstellerin am 1. März 2012 auch die darlehensweise Übernahme von Stromschulden in Höhe von 443,78 EUR beantragt hatte, welches ihr im März 2012 seitens des Antragsgegners bewilligt worden ist, rechtfertigt auch die Erwägung, einer langfristigen Nutzungsperspektive in Ermangelung eines hinreichenden Selbsthilfewillens vorliegend nicht, das Erbbaurechts im Wege einer (weiteren) Darlehensgewährung einstweilen zu sichern.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Sozialgerichts Berlin vom 7. September 2012 – S 138 AS 20177/12 ER – aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind insgesamt nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners und Beschwerdeführers ist begründet. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts ist aufzuheben. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Voraussetzung hierfür ist regelmäßig, dass sowohl ein Anordnungsanspruch im Sinne der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs sowie ein Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht sind. Soweit dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – Juris Rn. 26). Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des
Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Dies gilt insbesondere, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (BVerfG a.a.O.). Insofern stellt Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen könnten, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (BVerfG, a.a.O., Juris Rn. 24). Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist eine einstweilige Anordnung zugunsten der Antragstellerin nicht zu erlassen.
Ihr am 17. August 2012 beim Sozialgericht Berlin gestellter Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig ein Darlehen zum Ausgleich von Forderungen ihres Erbbaupachtgebers in Höhe von 3.709,52 EUR zu gewähren, war bereits im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht nicht begründet, nachdem sie das Gartengrundstück, für das Nutzungsentgelte in Höhe von 1.216,15 EUR offen und zwischenzeitlich weitere Zwangsversteigerungskosten entstanden sind, so dass sich die von der Antragstellerin zu tragende Forderung auf den geltend gemachten Betrag beläuft, schon zu jenem Zeitpunkt aufgegeben hatte.
Zwar können, sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, gemäß § 22 Abs. 8 Satz 1 des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer
vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Schulden sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (§ 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II). Hier liegen jedoch weder die Voraussetzungen von Satz 1 noch von Satz 2 der Vorschrift vor. Das vom Gesetzgeber mit dieser Vorschrift verfolgte Ziel, eine drohende Wohnungslosigkeit oder einer vergleichbaren Notlage wegen entstandener (Miet-) Schulden zu verhindern, kann nicht mehr erreicht werden, wenn die betreffende Unterkunft, für die
Mietschulden oder vergleichbare Schulden entstanden sind, aufgegeben worden ist. In diesem Fall ist die Übernahme jedenfalls nicht mehr "gerechtfertigt" im Sinne des Gesetzes.
Zwar bewohnt die 1971 geborene, erwerbsfähige Antragstellerin mit ihrem 1998 geborenen Sohn auch gegenwärtig noch den – von der Straße aus gesehen – hinteren Teil des Grundstücks in B mit der Adresse Hweg , eingetragen im Grundbuch von M, Blatt als Flurstück , das im Eigentum des Landes B bzw. seit 2006 des Liegenschaftsfonds Bsteht und für das zu ihren Gunsten im Grundbuch ein Erbbaurecht bis zum 4. Dezember 2090 eingetragen ist. Allein für den vorderen, unbebauten Teil des Grundstücks mit der Adresse Hweg (Flurstück ), das von der Antragstellerin offenbar schon seit Vorwendezeiten als Garten genutzt, aber erst mit Mietvertrag von Mai/Juni 2010 von der Liegenschaftsfonds B zu einem monatlichen "Mietzins" von 70,56 EUR gemietet bzw. gepachtet worden ist, bestehen Mietschulden in Höhe von mindestens 1.200 EUR. Diesen Mietvertrag hatte die Antragstellerin aber, wie mit Schriftsatz vom 6. November 2012 mitgeteilt worden ist, bereits "zum August 2012" gekündigt bzw. hatte sie nach ihrem Widerspruchsschreiben vom 5. Januar 2012 den vorderen Grundstücksteil bereits "ab August 2011" an den Liegenschaftsfonds zurückgegeben. Der Erhalt dieses Grundstücksteils kann mithin auch im Wege einer darlehensweisen Übernahme der Schulden nicht mehr gesichert werden (vgl. auch BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 58/09 R – Juris Rn. 23).
Daraus, dass die Liegenschaftsfonds B zwischenzeitlich aufgrund des Anordnungsbeschlusses vom 10. Mai 2011 die Zwangsvollstreckung in das Erbbaurecht der Antragstellerin an dem hinteren Flurstück (Hweg – Flurstück ) betreibt (Amtsgericht L, Geschäftsnummer ), wodurch für die Antragstellerin nach Einholung eines Wertgutachtens weitere Kosten entstanden sind und ihr letztlich der Verlust der gegenwärtig bewohnten Unterkunft drohen dürfte, ergibt sich nichts Abweichendes.
Dahinstehen kann, ob der Begriff "Schulden" in § 22 Abs. 8 SGB II nur solche Schulden umfasst, die in Bezug auf die tatsächlich noch genutzte Unterkunft entstanden sind und deretwegen der Wohnungsverlust droht (so Breitkreuz in Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand 1. September 2012, § 22 SGB II Rn. 30). Solches wäre hier nicht der Fall, da, wie ausgeführt, die Schulden der Antragstellerin, aufgrund derer nunmehr in das von ihr zu
Wohnzwecken genutzte, schuldenfreie Erbbaurecht mit einem Verkehrswert von 60.000 EUR vollstreckt wird, allein aufgrund der Nutzung des Grundstücksteils Nr. entstanden sind. Von der
entgeltlichen Nutzung des Grundstücks Nr. ist auch rechtlich in keiner Weise das Erbbaurecht der Antragstellerin abhängig gewesen. Vielmehr ergibt sich aus § 2 Abs. 2 des "Mietvertrages über ein Wochenend- und Erholungsgrundstück" von Mai/Juni 2010, dass zugunsten des Erbbauberechtigten des Grundstücks Hweg eine Dienstbarkeit für ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht bestehe, so dass der Zugang zu dem mit dem Erbbaurecht belegten Grundstück unabhängig von einer Pacht auch des vorderen Teils gesichert ist.
Dafür, dass der Verlust von Wohneigentum oder hier einer zu Wohnzwecken genutzten Erbbaupacht aufgrund von Schulden, die hiermit nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen, durch § 22 Abs. 8 SGB II nicht geschützt wird, spricht jedenfalls die systematische Auslegung der Regelung und insofern der Sachzusammenhang zu den konkreten Unterkunftskosten, sowie eine historische Betrachtung. Nachdem es in der ursprünglichen Gesetzesfassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954) in § 22 Abs. 5 SGB II noch "Mietschulden" hieß, wurde dieser Begriff zwar aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetzes vom 24. März 2006 (BGBl. I, 1706) durch das Wort "Schulden" ersetzt. Hiermit sollte aber allein der Hilfebedürftigkeit aufgrund einer mit Mietschulden vergleichbaren Notlage wegen Energieschulden Rechnung getragen werden (vgl. BT-Drs. 16/688, S. 14). Eine Besserstellung von Wohneigentümern, denen gegebenenfalls der Eigentumsverlust wegen sonstiger Privatschulden droht, war hiermit nicht beabsichtigt. Bei dieser Sachlage kommt es auch nicht darauf an, dass die Unterkunftskosten der Antragstellerin in Höhe der Erbbaupacht von 153,25 EUR seit Oktober 2008 zuzüglich Betriebskosten auch unter Berücksichtigung der Pacht für den Grundstücksteil Nr. nicht die obere Grenze des noch Angemessenen für einen Zweipersonenhaushalt überschritten hätten.
Im Übrigen ist es weder gerechtfertigt noch notwendig, dass die Schulden für das zwischenzeitlich aufgegebene Teilgrundstück Nr. im Darlehenswege übernommen werden. Bei der Abwägung, ob die Schuldenübernahme gerechtfertigt ist, sind die Umstände des Einzelfalls zu würdigen, etwa aus welchen Gründen die Schulden entstanden sind, ob der Leistungsberechtigte die Schulden durch ein missbräuchliches Verhalten herbeigeführt hat und ob der Wille
erkennbar wird, dieses Verhalten zukunftsgerichtet zu ändern. Insofern ist hier bereits nicht nachvollziehbar, weshalb die Antragstellerin die Schulden über zumindest zwei Jahre hinweg hat anwachsen lassen und aufgrund welcher vertraglichen Grundlage die nunmehr überwiegend für einen Zeitraum vor Abschluss des Mietvertrages geforderten Nutzungsentgelte beruhen. Nicht nachvollziehbar ist auch, weshalb noch im Mai/Juni 2010 ein solcher Mietvertrag über den Gartenteil Nr. geschlossen wurde, obgleich zu diesem Zeitpunkt ausweislich des Forderungskontos mit Stand vom 9. Juli 2012 bereits eine Forderung der Vermieterin über Nutzungsentgelte in Höhe von 1.157,79 EUR sukzessive seit September 2008 entstanden war. Allerdings hatte es der Antragsgegner schon mit Bescheid vom 12. Juli 2010 abgelehnt, die aufgrund des geschlossenen Mietvertrages zu entrichtende Kaution in Höhe von 211,68 EUR im Darlehenswege zu übernehmen. Mit Bescheid vom 25. Juli 2011 hatte der Antragsgegner sodann die Übernahme der Betriebskostennachzahlung für das Grundstück Nr. abgelehnt, so dass es sich der Antragstellerin hätte aufdrängen müssen, dass der Antragsgegner auch etwaige Rückstände für Nutzungsentgelte für das Gartengrundstück nicht übernehmen würde. Auf ihren Antrag auf Übernahme der Schulden, den sie offenbar erst am 24. Oktober 2011 gestellt hatte, war ihr dementsprechend ausweislich der sozialpädagogischen Stellungnahme vom selben Tag mitgeteilt worden, dass eine solche Entschuldung durch den Antragsgegner nicht in Betracht komme. Gegen den entsprechenden Bescheid vom 16. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2012 richtet sich eine beim Sozialgericht Berlin anhängige Klage (S 138 AS 20177/12). Ob der Antragstellerin, nachdem mit Anordnungsbeschluss vom 10. Mai 2011 die Zwangsversteigerung in ihr Erbbaurecht eingeleitet worden ist, zur Vermeidung weiterer Kosten – hier durch Einholung eines Verkehrswertgutachtens – noch eine Beleihung des Erbbaurechts möglich gewesen wäre, kann dahinstehen.
Angesichts der Tatsache schließlich, dass die Antragstellerin am 1. März 2012 auch die darlehensweise Übernahme von Stromschulden in Höhe von 443,78 EUR beantragt hatte, welches ihr im März 2012 seitens des Antragsgegners bewilligt worden ist, rechtfertigt auch die Erwägung, einer langfristigen Nutzungsperspektive in Ermangelung eines hinreichenden Selbsthilfewillens vorliegend nicht, das Erbbaurechts im Wege einer (weiteren) Darlehensgewährung einstweilen zu sichern.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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