L 34 AS 1309/12 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 107 AS 4702/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 1309/12 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß § 145 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2012 ist unbegründet. Denn weder ist die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts bereits kraft Gesetzes zulässig noch sind Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 SGG gegeben.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt, es sei denn, dass die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Im erstinstanzlichen Verfahren haben die Beteiligten um die Übernahme weiterer Reisekosten für die
Wahrnehmung eines Vorstellungsgesprächs am 17. Dezember 2012 in Staßfurt auf der Grundlage des § 16 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) i. V. m. § 45 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) – beide in der Fassung des
Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2917), in Kraft ab dem 01. Januar 2009 – in Höhe von 39,34 Euro gestritten. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2010 hatte der Beklagte auf den Antrag des Klägers vom 15. Dezember 2009 Reisekosten in Höhe von 42,66 Euro bewilligt. Im Streit sind damit weder Leistungen für mehr als ein Jahr noch ist der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes erreicht.

Die Berufung ist auch nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Hiernach ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer
Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einem Rechtsstreit nur zu, wenn von der Entscheidung der Rechtssache erwartet werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Dies ist wiederum nur dann der Fall, wenn es in einem Rechtsstreit um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage geht, deren Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Klärungsfähigkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn es auf die als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage im konkreten Rechtsfall ankommt, wenn sie also für den zu entscheidenden Streitfall rechtserheblich ist. Nicht klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, weil sie sich beispielsweise unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder sie bereits höchstrichterlich geklärt ist (vgl. Kummer, Der Zugang zur
Berufungsinstanz nach neuem Recht, NZS 1993, S. 337 ff. [341] m. w. Nachw.).

Die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes sind hier nicht erfüllt. Nach Auffassung des Klägers hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, eine Begründung wird hierfür nicht angegeben. Allerdings kritisiert der Kläger das Kostenerstattungsverfahren im Allgemeinen.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache über den Einzelfall hinaus ist hieraus nicht ableitbar. Es kann offen bleiben, ob das Sozialgericht in seiner angefochtenen Entscheidung überhaupt Rechtssätze aufgestellt hat, die im Sinne der vorgenannten Kriterien (abstrakt) klärungsbedürftig und klärungsfähig sind; es deutet bereits vieles darauf hin, dass das Sozialgericht lediglich die aus § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 45 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 SGB III – beide in der ab dem 01. Januar 2009 geltenden Fassung – unmittelbar herzuleitenden Regelungen einzelfallbezogen angewandt und gerade keine abstrakten, über den Einzelfall hinausweisenden und hierdurch klärungsbedürftigen Rechtssätze formuliert hat. Darüber hinaus fehlt es an einer Vielzahl von Verfahren, für die die hier streitige Auslegung des § 45 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 SGB III entscheidungserhebliche Bedeutung besitzen kann. Der Kläger hat keine derartigen Verfahren benannt; dem Senat ist aus seiner Spruchpraxis und auch nach weitergehenden Recherchen in Literatur und Datenbanken gleichfalls nicht ersichtlich, dass die vorliegend streitige Auslegung des § 45 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 SGB III in einer nennenswerten Anzahl von Fällen entscheidungserhebliche Bedeutung erlangen kann. Allein die Tatsache, dass der Kläger selber auch in Zukunft Reisekosten für andere Vorstellungsgespräche geltend machen will, reicht nicht zur Begründung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

Die Berufung ist – anders als der Kläger annimmt - auch nicht wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines Obergerichts zuzulassen (Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Dieser Zulassungsgrund setzt nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass einerseits ein abstrakter Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung und andererseits ein der Entscheidung eines Obergerichts zu entnehmender abstrakter Rechtssatz nicht übereinstimmen. Dabei muss das abweichende Gericht den mit der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht übereinstimmenden Rechtssatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt, insoweit eine die Entscheidung tragende Rechtsansicht entwickelt und damit der obergerichtlichen Rechtsprechung im Grundsätzlichen widersprochen haben. Dagegen genügt nicht ein Rechtsirrtum im Einzelfall, also zum Beispiel eine fehlerhafte Subsumtion des Sachverhalts, eine unzutreffende Beurteilung oder das Übersehen einer Rechtsfrage (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 160 RdNr. 14 m. w. N.).

Die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes sind hier nicht erfüllt. Der Kläger rügt, dass das Sozialgericht ihm entgegen der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 06. Dezember 2007 – B 14/7b AS 50/06 R -) nicht die weiteren verlangten Reisekosten zugesprochen, sondern die Klage insgesamt abgewiesen hat. Diese Rüge kann indes keinen Erfolg haben. Das vom Kläger zitierte und auch vom SG in der angefochtenen Entscheidung genannte Urteil des BSG betrifft jedoch mit der Frage der Erstattung von Reisekosten für die Wahrnehmung von Melde- bzw. Beratungsterminen am 01. Juni 2005 und 11. Juli 2005 gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. §§ 29, 30, 35 Satz 2 Nr. 2, 46 Abs. 2 SGB III bzw. § 59 SGB II i. V. m. § 309 Abs. 1, Abs. 4 SGB III eine gänzlich andere Rechtslage. Insbesondere ist mit dem ab dem 01. Januar 2009 geltenden Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2917) die Regelung des § 46 SGB III zur Höhe der erstattungsfähigen Bewerbungs- und Reisekosten entfallen. Darüber hinaus betraf die Entscheidung des BSG einen Fall, in dem der Beklagte die Erstattung von Reisekosten mit Hinweis auf eine in der internen Geschäftsanweisung eingeführte interne Bagatellgrenze grundsätzlich abgelehnt hatte, während es im vorliegenden Fall um die Frage geht, ob der Beklagte, wenn die tatsächlichen Benzinkosten – wie hier – nicht nachgewiesen werden, anhand mit Hilfe eines Routenplaners ermittelter durchschnittlicher Benzinverbrauchswerte und Benzinpreise die angemessenen und somit zu erstattenden Kosten ermitteln bzw. festsetzen darf.

Ob die angefochtene Entscheidung richtig ist, insbesondere zutreffend zu dem Urteil gelangt ist, der Beklagte habe sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt, darf der Senat in diesem Verfahren nicht überprüfen. Denn die – vermeintliche – Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ist, wie schon ausgeführt, nicht Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde und kann daher mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerügt werden.

Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) zuzulassen. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der geltend gemachte Mangel muss sich auf das Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil und nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils beziehen. Der Verfahrensmangel muss wesentlich sein, d. h., das angefochtene Urteil muss auf diesem Mangel beruhen können. Dies ist schon dann der Fall, wenn die
Möglichkeit besteht, dass der Verfahrensmangel das Urteil beeinflusst hat, das Gericht also ohne diesen Verfahrensmangel zu einem für den Kläger günstigeren Urteil gekommen wäre (Leitherer, a. a. O., § 160 RdNr. 23). Dabei ist bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, von der Rechtsauffassung des Gerichts auszugehen, dem der Verfahrensmangel unterstellt wird.

Der Kläger hat einen derartigen Verfahrensfehler nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden. Nach § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.
Rechtskraft
Aus
Saved