L 1 AS 382/13 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 6363/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 382/13 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 28.12.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der seit 11.08.2010 geltenden Fassung des Art. 6 Drittes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05.08.2010 (BGBl. I, 1127) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung nicht unzulässig, da der Beschwerdewert von 750 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) überschritten wäre.

Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das Sozialgericht Stuttgart (SG) hat die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen (Nr. 1), in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (Nr. 2), in den Fällen des § 86 a Abs. 3 SGG die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen (Nr. 3).

Soweit ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG)), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (BVerfG, 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242).

Das SG hat zutreffend entschieden, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund vom Antragsteller glaubhaft gemacht worden sind. In diesem Zusammenhang weist der Senat vorab darauf hin, dass eine Verpflichtung zur Bewilligung von Leistungen vor dem Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Anordnung beim SG (hier: 22.11.2012) ohnehin ausscheidet. Dies beruht auf dem auch für das Recht des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und nicht rückwirkend zu bewilligen ist, wenn nicht ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist (vgl. nur LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.12.2011 - L 12 AS 5133/11 ER-B; Beschluss vom 25.11.2008 - L 7 AS 4181/08 ER-B). Ein solcher Nachholbedarf wurde vom Antragsteller weder geltend noch glaubhaft gemacht.

Wie das SG zutreffend festgestellt hat, liegen beim Antragsteller zwar die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 4 SGB II vor. Es ist aber von ihm nicht glaubhaft gemacht worden, dass er auch die Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II (Hilfebedürftigkeit) erfüllt. Nach summarischer Prüfung ist nämlich davon auszugehen, dass der Antragsteller mit Frau Renate Hoffmann (H.) eine Bedarfsgemeinschaft i.S. des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II bildet, in der das Einkommen und Vermögen der H. nach § 9 Abs. 2 SGB II zur Bedarfsdeckung des Antragstellers zu verwenden ist. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (vgl. hierzu nur BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 15).

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Der Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird nach § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (Nr. 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr. 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr. 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr. 4). Ob eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft in diesem Sinne vorliegt, ist anhand von Indizien und im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen (vgl. hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 23.08.2012 - B 4 AS 34/12 R = juris).

Diese Voraussetzungen hat das SG beachtet und hat im angegriffenen Beschluss die Umstände näher dargelegt, die vorliegend für eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft in dem genannten Sinne sprechen. Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG vollumfänglich an und sieht von einer weiteren Darstellung der Begründung ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Denn auch im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller keine Umstände benannt oder glaubhaft gemacht, die gegen das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft mit der H. sprechen. Er hat lediglich auf die Zahlungsverpflichtung gegenüber seiner Krankenkasse hingewiesen und seine Ansicht wiederholt, dass eine Bedarfsgemeinschaft mit der H. nicht vorliege. Dies genügt jedoch nicht, um eine Bedarfsgemeinschaft zu verneinen bzw. Hilfebedürftigkeit anzunehmen. Aus der vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren vorgelegten Telefongesprächsnotiz vom 11.02.2013 ergibt sich zudem, dass sich die H. weiterhin um die Ansprüche des Antragstellers kümmert. Dies folgt daraus, dass sie dem Antragsgegner telefonisch mitgeteilt hat, der Antragsteller sei beim Arzt, weshalb sie nachfrage, ob die von diesem übermittelte Tabelle zu seinen Einkommensverhältnissen eingegangen sei. Auch dies spricht dafür, dass sich bei den vom SG zugrundegelegten Umständen nichts Wesentliches geändert hat.

Der Antragsgegner hat in diesem Zusammenhang im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass auch unter Berücksichtigung des monatlichen Krankenkassenbeitrags i.H.v. 154,51 EUR keine Hilfebedürftigkeit vorliegt. Denn auch bei Abzug dieser Kosten verbleibt ein überschießendes Einkommen i.H.v. 213,77 EUR (anzurechnendes Einkommen i.H.v. insgesamt 1.013,84 EUR [611,73 EUR (Unfallrente) abzüglich 30 EUR (Versicherungspauschale) und 13,08 EUR (KfZ-Haftpflicht-versicherung) plus 445,19 EUR (überschießendes Einkommen der H.)] abzüglich 645,56 EUR (Bedarf) und 154,51 EUR (Krankenkassenbeitrag); vgl. auch Seite 10 des SG-Beschlusses sowie Seite 5 des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2012).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved