L 12 AS 1494/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 5812/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1494/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Oktober 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Beihilfe in Höhe von 33 Euro für die Zuzahlung zur Anschaffung von zwei Paar Kompressionsstrümpfen im Oktober 2009 streitig.

Der 1950 geborene Kläger bezog seit Januar 2005 in Bedarfsgemeinschaft mit seiner 1965 geborenen Ehefrau Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zuletzt von Januar 2007 bis März 2010 vom Beklagten.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger und seiner Ehefrau Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. August 2009 bis 31. Oktober 2009 in Höhe von 405,48 Euro bzw. 405,49 Euro und vom 1. November 2009 bis 31. Januar 2010 in Höhe von 491,34 Euro bzw. 491,36 Euro (Bescheid vom 17. Juni 2009, Widerspruchsbescheid vom 2. September 2009, Änderungsbescheid vom 19. Oktober 2009). Die hiergegen erhobenen Klagen wies das SG nach deren Verbindung mit Urteil vom 5. Mai 2010 ab (S15 AS 2656/09) , die Berufung des Klägers und seiner Ehefrau hiergegen wies der Senat mit Urteil vom 13. September 2012 zurück (L 12 AS 1787/11).

Zunächst mündlich und sodann mit Schreiben vom 20. Oktober 2009 beantragte der Kläger die Gewährung eines Darlehens über 200 Euro, u.a. zur Begleichung einer zu erwartenden Zuzahlung für die Anschaffung von Kompressionsstrümpfen in Höhe von ca. 50 Euro. Am 22. Oktober 2009 wurde ihm hierauf ein Darlehen in Höhe von 100 Euro ausgezahlt (Bescheid vom 30. Oktober 2009). Am 27. Oktober 2009 reichte der Kläger die an diesem Tag ausgestellte Quittung eines Sanitätshauses ein und rügte, dass ihm bislang nur eine Darlehen über 100 Euro zur Verfügung gestellt worden sei, er deshalb für die Zuzahlung in Höhe von 33 Euro ein Privatdarlehen habe aufnehmen müssen. Mit Bescheid vom 2. November 2009 lehnte der Beklagte unter anderem unter Ziffer 3 die darlehensweise Gewährung von 50 Euro zur Anschaffung von Stützstrümpfen ab. Zum einen seien dem Kläger keine Kosten in dieser Höhe entstanden, zum anderen habe er keine entsprechende ärztliche Verordnung vorgelegt. Mit Schreiben vom 5. November 2009 stellte der Kläger klar, dass er bislang nicht um einen eigenständigen Vorschuss für zwei Paar Stützstrümpfe gebeten haben, sondern der ursprüngliche Betrag von 50 Euro hätte innerhalb des erbetenen Vorschusses von 200 Euro enthalten sein sollen. Durch einen Verordnungsfehler seien nun nur 33 Euro anstatt 50 Euro angefallen. Er halte aber die Anforderung einer ärztlichen Verordnung bereits deshalb für entbehrlich, weil ein Teildarlehen und keine Beihilfe erbeten worden sei. Mit weiterem Schreiben vom 5. November 2009 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Oktober 2009 ein, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2009 zurückgewiesen wurde.

Am 9. November 2009 legte der Kläger die Quittung vom 27. Oktober 2009 nochmals, um den Zusatz "nach ärztlicher Verordnung" ergänzt, vor. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2009 erinnerte der Kläger an die bereits vorgelegte ergänzte Quittung. Aufgrund der ihm bereits entstandenen Kosten für seinen Beinbruch, bitte er nun um eine Beihilfe in Höhe von 33 Euro.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 2009 lehnte der Beklagte den Antrag vom 6. Dezember 2009 auf einmalige Beihilfe in Höhe von 33 Euro ab. Die Regelleistung umfasse auch die Kosten der Gesundheitspflege, z.B. Kosten für Medikamente und Hilfsmittel. Hiergegen legte der Kläger am 14. Dezember 2009 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Antrag des Klägers auf Übernahme der Zuzahlung zu den Stützstrümpfen in Höhe von 33 Euro als Darlehen sei bereits mit Bescheid vom 2. November 2009 abgelehnt worden, der Antrag auf Gewährung einer Beihilfe vom 6. Dezember 2009 sei verspätet, da die Zuzahlung in Höhe von 33 Euro bereits am 27. Oktober 2009 vom Kläger geleistet worden, was sich aus der Quittung des Lieferanten ergebe.

Am 28. Dezember 2009 hat der Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe Klage erhoben (S 15 AS 5812/09) und einen Antrag auf einstweiligen Rechtschutz gestellt (S 15 AS 5813/09 ER). Er habe in den Jahren 2008 und 2009 durch seinen Unfall, einen komplizierten Trümmer-Beinbruch am 13. März 2008, überdurchschnittliche Aufwendungen für Gesundheitskosten gehabt, die nicht in dieser Höhe im Regelsatz enthalten seien. Daher habe er mehrfach Darlehen für diese Kosten in Anspruch nehmen und zurückzahlen müssen. Es handle sich nicht um einen neuen Antrag auf Beihilfe am 6. Dezember 209, sondern um einen einzigen Antrag mit Nachfrage. Er habe bereits am 21. Oktober 2009 ursprünglich 50 Euro für die Anschaffung von 2 Stützstrümpfen und damit vor der Bezahlung am 27. Oktober 2009 beantragt.

Den Antrag auf einstweiligen Rechtschutz hat das SG mit Beschluss vom 11. Januar 2010 abgelehnt.

Mit Urteil vom 19. Oktober 2010 hat das SG dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung konkretisierten Antrag des Klägers entsprechend den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 10. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2009 verurteilt, dem Kläger einen Zuschuss für Kompressionsstrümpfe in Höhe von 33 Euro zu gewähren. Die Rechtsgrundlage hierfür ergebe sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09), dem nach § 31 Abs. 2 Satz 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) i.V.m. § 13 Nr. 11 BVerfGG Gesetzeskraft zukomme. Das BVerfG habe es in seiner Entscheidung für mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar gehalten, dass das SGB II einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs nicht vorsehe und in der Folge dessen einerseits den Gesetzgeber verpflichtet, wegen dieser Lücke in der Deckung des lebensnotwendigen Existenzminimums eine Härtefallregelung in Form eines Anspruchs auf Hilfeleistungen zur Deckung dieses (atypischen) Bedarfs zu schaffen sowie andererseits zu Lasten des Bundes angeordnet, dass die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten, bei denen ein derartiger Bedarf vorliege, auch vor der Neuregelung die erforderlichen Sach- und Geldleistungen erhalten müssten, um die Gefahr einer Verletzung dieser Grundrechte in der Übergangszeit bis zur Einführung einer entsprechenden Härtefallregelung zu vermeiden. Damit stehe dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, dass die Entscheidung des BVerfG erst nach dem Antrag des Klägers auf die streitige Leistung ergangen sei und der Gesetzgeber die höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht rückwirkend, sondern durch Schaffung eines zum 3. Juni 2010 - und damit nach dem hier streitigen Zeitraum - in Kraft getretenen § 21 Abs. 6 SGB II umgesetzt habe. Um einen solchen zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf handle es sich nach Überzeugung der Kammer bei den medizinischen Hilfsmitteln des Klägers. Wegen der weiteren Begründung, insbesondere auch die Erfüllung der Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II durch den zum Antragszeitpunkt noch nicht im Altersrentenbezug stehenden Kläger, werde auf die Gründe in dem in einem Rechtsstreit zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil vom 17. März 2010 (S 15 AS 853/09) Bezug genommen. Ergänzend sei auszuführen, dass das Gericht keine Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit der Kompressionsstrümpfe sowie der Pflicht des Klägers zur Zuzahlung habe, nachdem das liefernde Orthopädiehaus die Zuzahlung sowie den Umstand bestätigt habe, dass die Versorgung des Klägers auf Grund einer ärztlichen Verordnung erfolgt sei.

Auf die Beschwerde des Beklagten vom 12. November 2010 gegen die Nichtzulassung des ihm am 5. November 2010 zugestellten Urteils hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 2. April 2012 gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen (L 12 AS 5256/10 NZB) und das Verfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt. Der Beklagte trägt vor, das BVerfG habe in einer Entscheidung vom 24. März 2010 (1 BvR 395/09) Leistungen wegen eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs, der zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwingend zu decken sei, mit der Begründung verneint, dem Beschwerdeführer stehe ein Anspruch auf solche Leistungen nicht zu, weil es in dem streitgegenständlichen Zeitraum im Jahr 2005 an einer einfachgesetzlichen Anspruchsgrundlage fehle, die nicht nur nach § 31 SGB I, sondern auch aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich sei. Die im Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 geschaffene Regelung ersetze zwar für die Zeit bis zur Schaffung einer entsprechenden Härtefallregelung durch den Gesetzgeber im Sinne einer Übergangsvorschrift die an sich notwendige einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage. Sie gelte jedoch, wie sich aus den nach dem Urteilstenor insoweit maßgeblichen Urteilsgründen ergebe, nur für die Zeit ab der Verkündung des Urteils und nicht für Leistungszeiträume vor dem 9. Februar 2010. Dem vom SG auf der Rechtsgrundlage des Urteils des BVerfG vom 9. Februar 2010 zuerkannten Anspruch dürfte somit die gesetzliche Anspruchsgrundlage fehlen.

Mit Beschluss vom 9. November 2012 hat der Senat den zuständigen Sozialhilfeträger zum Verfahren beigeladen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Oktober 2010 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.

1. Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden. Er wurde in der Ladung ordnungsgemäß auf diese Möglichkeit hingewiesen. Zwar hat der Kläger im Vorfeld der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass er an dem Termin zur mündlichen Verhandlung teilnehmen und hierfür eine Bahnfahrkarte für die Anreise von Karlsruhe nach Stuttgart zur Verfügung gestellt haben möchte. Dem konnte aber nicht entsprochen werden. Eine Reiseentschädigung in Form eines Vorschusses oder der Übersendung einer Fahrkarte kann zur Wahrung des rechtlichen Gehörs als Ausfluss des Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren für mittellose Personen ggf. auch ohne Anordnung des persönlichen Erscheinens und unabhängig von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Betracht kommen. Dies setzt aber voraus, dass die Entschädigung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs erforderlich ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger, der ebenso wie seine Ehefrau derzeit keine Leistungen nach dem SGB II bezieht, nicht über ausreichende Mittel verfügte, um die Reisekosten zum Termin, die er selbst mit ca. 45 Euro beziffert hat, aufzubringen. Der Kläger hat angegeben, dass er eine Rente in Höhe von aktuell 1.017 Euro monatlich bezieht. Dazu, ob und ggf. welches Einkommen seine Ehefrau aktuell bezieht, hat der Kläger keine Angaben gemacht, obwohl er auf die Notwendigkeit der Darlegung der gesamten finanziellen Situation hingewiesen wurde. Dies geschah insbesondere im Hinblick darauf, dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ehefrau über eigene Einkünfte verfügt. Denn in Bezug auf einen bereits früher für das Verfahren anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger mit Schreiben vom 23. August 2012 angegeben, dass seine Ehefrau vertretungsweise erwerbstätig sei und hoffe, diese Tätigkeit längerfristig ausüben zu können. Angaben zur Dauer, zum zeitlichen Umfang und zum Einkommen aus dieser Tätigkeit hat der Kläger nicht gemacht. Im Rahmen seines Antrags auf Prozesskostenhilfe (PKH) für das vorliegende Berufungsverfahren hat er Angaben zur Einkommenssituation seiner Ehefrau mit Schreiben vom 23. Dezember 2012 ausdrücklich verweigert. In den jetzt vom Kläger vorgelegten Berechnungen zur Darlegung der Mittellosigkeit, zuletzt mit Email vom 7. Februar 2013, hat der Kläger zwar Ausgaben für beide Eheleute aufgeführt, diesen aber lediglich sein eigenes Renteneinkommen gegenüber gestellt und keine Erklärung zur Einkommenssituation der Ehefrau gemacht. Diese Berechnungen sind nicht nachvollziehbar, da der Kläger darin neben den SGB II-Regelbedarfen für beide Eheleute und den tatsächlich für beide Eheleute anfallenden Kosten der Obdachlosenunterkunft - auf die diese bereits seit Jahren keine Zahlungen leisten - Heizkosten angibt, die der Höhe nach nicht belegt sind. Außerdem gibt er Gesundheitskosten an, ohne diese zu erläutern oder zu belegen. Überdies stellt der Kläger in die Berechnung fiktive Kosten der Unterkunft ein, die seiner Auffassung nach anfallen würden, wenn die Eheleute in einer anderen Unterkunft als der Obdachlosenunterkunft wohnen würden. Damit fehlt es an einer Grundlage zur Feststellung der Mittellosigkeit des Klägers. Auf die Ausführungen im PKH-Beschluss vom 8. Januar 2013 wird Bezug genommen.

2. Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und insgesamt zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das SG hat den Beklagten zu Unrecht im Hinblick auf die Zuzahlung in Höhe von 33 Euro für die Anschaffung von zwei Paar Stützstrümpfen im Oktober 2009 verurteilt.

Streitgegenstand ist nur der Bescheid vom 10. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2009, mit dem der Beklagte die Gewährung einer Beihilfe in Höhe von 33 Euro aufgrund einer im Oktober 2009 vom Kläger zu leistenden Zuzahlung zur Anschaffung von zwei Paar Stützstrümpfen abgelehnt hat. Hierbei handelt es sich um einen abtrennbaren Streitgegenstand, der isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 11/10 R - Juris). Denn es handelt sich um einen - wenn auch möglicherweise in größeren zeitlichen Abständen sich wiederholenden - einmaligen Bedarf, nicht um einen laufenden Mehrbedarf, der sich nicht in rechtlich zulässiger Weise von den sonstigen laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft und Heizung) abspalten ließe (vgl etwa BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11). Damit ist die vorliegende Klage auch nicht bereits wegen anderweitiger Rechtshängigkeit im Hinblick auf die bereits zuvor erfolgte Klageerhebung bezüglich der laufenden Leistungen im Bewilligungsabschnitt August 2009 bis Januar 2010 unzulässig.

3. Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Beihilfe in Höhe von 33 Euro.

a. Den Antrag auf Gewährung der Beihilfe hat der Kläger erst am 6. Dezember 2009, mithin nach der am 27. Oktober 2009 erfolgten Begleichung der Zuzahlung gestellt. Zwar hatte der Kläger bereits am 20. Oktober 2009 einen Antrag auf Gewährung eines Darlehens u.a. im Hinblick auf die anstehende Zuzahlung für die Stützstrümpfe gestellt und kann in einem Antrag auf Gewährung einer Leistung als Darlehen bei meistbegünstigender Auslegung im Einzelfall auch das Begehren einer Beihilfe enthalten sein. Hier hat der Kläger aber mit Schreiben vom 5. November 2009 ausdrücklich erklärt, bislang ausschließlich ein Darlehen bzw. einen Vorschuss und keine Beihilfe beantragt zu haben. Erstmals mit seinem Schreiben vom 6. Dezember 2009 hat er dieses Begehren dargetan. Damit fehlt es aber an der für eine einmalige Beihilfe nach § 37 SGB II erforderlichen vorherigen gesonderten Antragstellung.

b. Für den geltend gemachten Anspruch des Klägers fehlt es darüber hinaus auch an einer Rechtsgrundlage bzw. sind die Voraussetzungen aller denkbaren Rechtsgrundlagen nicht erfüllt.

aa. Für die vom Kläger begehrten Kosten für die Zuzahlung zu den Stützstrümpfen fehlte es im streitigen Zeitraum im System der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an einer Anspruchsgrundlage. Der Kläger kann seinen Anspruch weder auf § 21 SGB II in der bis 2. Juni 2010 geltenden Fassung noch auf § 23 SGB II stützten. Ein Fall der § 21 Absätze 1 bis 5 SGB II in der genannten Fassung liegt nicht vor, Absatz 6 der Regelung wurde erst durch Gesetz vom 2. Juni 2010 mit Wirkung ab 3. Juni 2010 eingeführt. Die Gewährung eines Darlehens hat der Kläger ausdrücklich nicht weiterverfolgt, sondern sein Begehren auf eine Beihilfe beschränkt. Im Übrigen käme eine Darlehensgewährung auch nicht in Betracht, nachdem der Kläger nach seinen eigenen Angaben die Zuzahlung bereits durch ein Privatdarlehen abgedeckt hat und damit keine Unabweisbarkeit des Bedarfs vorliegt.

bb. Einen Anspruch kann der Kläger auch entgegen dem angegriffenen Urteil des SG nicht aus dem Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09) ableiten, da diesem, wie vom Beklagten zutreffend vorgetragen, keine Rückwirkung für die Zeit vor dessen Erlass zukommt. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 24. März 2010 (1 BvR 395/09) klargestellt, dass, wie sich aus den nach dem Urteilstenor insoweit maßgeblichen Urteilsgründen ergibt, die im Urteil vom 9. Februar 2010 für eine Übergangszeit geschaffene Härtefallregelung für laufende, atypische Bedarfe, nur für die Zeit ab der Verkündung des Urteils und nicht für Leistungszeiträume vor dem 9. Februar 2010 gilt. Überdies ist fraglich, ob die Zuzahlung zur Anschaffung von Stützstrümpfen, die allenfalls in größeren, mehrmonatigen Abständen anfällt, überhaupt als laufender, atypischer Bedarf eingeordnet werden kann.

cc. Auch ein Anspruch gegen den Beigeladenen aus § 73 SGB XII besteht nicht. Nach § 73 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Erforderlich ist eine sogenannte atypische Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in § 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist. Durch das Abstellen auf eine besondere atypische Bedarfslage soll verhindert werden, dass diese Norm zu einer allgemeinen Auffangregel für Leistungsempfänger wird. Selbst wenn man eine sachliche Nähe zu den sogenannten Hilfen zur Gesundheit nach § 47 SGB XII bejaht, ist der Einsatz öffentlicher Mittel nicht gerechtfertigt. Denn es fallen keine Kosten an, die den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Das BSG hat bei regelmäßig monatlich anfallenden Kosten von 20,45 EUR die Bagatellgrenze als überschritten angesehen (BSG, Urteil vom 19.08.2010 - B 14 AS 13/10 R - Juris). Unter Berücksichtigung eines Bedarfs von 33 Euro, der nur in größeren, mehrmonatigen Abständen anfällt, ist die Bagatellgrenze nicht überschritten. Der Kläger hat diesen Bedarf aus der Regelleistung zu bestreiten. Überdies ist der Einsatz öffentlicher Mittel vorliegend auch aus anderen Gründen nicht gerechtfertigt. Der Kläger hat im September 2009 eine Arbeitslosenhilfenachzahlung für das Jahr 2003 in Höhe von 1.050 Euro erhalten, die vom Beklagten im Oktober 2009 nicht als Einkommen auf die laufenden Leistungen des Klägers und seiner Ehefrau angerechnet wurde. Der Kläger hat zwar geltend gemacht hat, die Nachzahlung vollständig für die Begleichung privater Darlehen und sonstiger Sonderbedarfe verwendet zu haben. Bei der während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II zugeflossenen Nachzahlung von Arbeitslosenhilfe handelt es sich aber um nach § 11 SGB II zu berücksichtigendes Einkommen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 - B 14 AS 46/08 R). Aufgrund des Zuflusses weit nach dem betreffenden Zeitraum und in einer Summe ist die Nachzahlung als einmalige Einnahme einzuordnen, die nach der im vorliegend streitigen Zeitraum anwendbaren Regelung des § 2 Abs. 4 Alg II-VO grundsätzlich ab dem Monat des Zuflusses bzw. dem Monat nach dem Zufluss verteilt auf einen angemessenen Zeitraum als Einkommen anzurechnen ist. Dass der Kläger die Nachzahlung u.a. zur Tilgung privater Darlehen verwendet hat, ändert nichts daran, dass es sich um grundsätzlich anrechenbares Einkommen handelte. Damit ist der Einsatz öffentlicher Mittel für den vorliegend streitigen Bedarf nicht gerechtfertigt. Denn Einkommen und Vermögen ist sowohl unter dem Regime des SGB II als auch des SGB XII vorrangig zur Bestreitung des Lebensunterhalts, nicht zur Schuldentilgung einzusetzen.

dd. Sonstige Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved