L 5 AS 83/11

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 19 AS 88/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 83/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 18/13 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Urteile des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. Dezember 2010, der Bescheid des Beklagten vom 8. September 2004 und die Änderungsbescheide vom 6. August und 21. September 2005, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2006 und des Änderungsbescheids vom 12. August 2009, der Bescheid vom 6. August 2005 und die Änderungsbescheide vom 26. Januar 2006 und vom 6. Juni 2007, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010, der Bescheid vom 17. Mai 2006 und der Änderungsbescheid vom 14. August 2006, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010, sowie der Bescheid vom 5. Juli 2006 und die Änderungsbescheide vom 29. November 2006, 19. Dezember 2006 und 15. März 2007, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010, werden abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2005 i.H.v. 3,38 EUR/Monat, vom 1. Januar bis 30. Juni und im Dezember 2006 i.H.v. 3,59 EUR/Monat sowie vom 1. Januar bis 28. Februar 2007 i.H.v. 3,89 EUR/Monat zu bewilligen. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.

Der Beklagte hat 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung weiterer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 (L 5 AS 83/11), vom 1. Juli 2005 bis 28. Februar 2006 (ehemals L 5 AS 84/11), vom 1. März bis 30. Juni 2006 (ehemals L 5 AS 85/11) und vom 1. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007 (ehemals L 5 AS 86/11). Dabei begehrt der Kläger jeweils eine um 271 EUR höhere Regelleistung sowie weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für den Betriebsstrom der Heizungsanlage und für eine elektrische Zusatzheizung im Bad, ferner Weihnachtsbeihilfen sowie die Auszahlung der von den KdU abgezogenen Beträge für die Wassererwärmung.

Der am ... 1964 geborene Kläger bezieht seit Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II. Er bewohnt eine 58,87 qm große Eigentumswohnung im ersten Obergeschoss eines 1962 erbauten Hauses. Für das Hausgeld waren im streitigen Zeitraum monatlich 112,00 EUR aufzuwenden. Die Beheizung und die Wassererwärmung erfolgen über eine Kombigastherme (Roca 20/20 FP). Ab Mitte 2008 verfügte der Kläger über ein Gerät zur Erfassung des Stromverbrauchs der Kombigastherme. Das Bad verfügt über eine elektrische Zusatzheizung. Hierfür gibt es kein Gerät zur Erfassung des Stromverbrauchs.

Nach Angaben des Klägers liegt die maximale Stromaufnahme der Kombigastherme bei 240 W. Ausweislich der vorgelegten handschriftlichen Aufzeichnungen für den Zeitraum vom 3. September bis 20. Dezember 2008 lag die maximale Stromaufnahme bei 196 W und die durchschnittliche Stromaufnahme bei 128 W.

Zur Jahreslaufzeit der Kombigastherme machte der Kläger unterschiedliche Angaben (285 Heiztage/Jahr x 24 h = 6.840 h/Jahr; 210 Heiztage/Jahr x 10 h = 2.100 h/Jahr). Nach seinem Schreiben vom 25. Februar 2010 an das Sozialgericht Magdeburg hat der Stromverbrauch in der Zeit vom 10. Februar 2009 bis zum 10. Februar 2010 287,69 kwh betragen. Gemäß seinem Vorbringen im Klageverfahren solle der Stromverbrauch 350 bis 400 kwh/Jahr betragen. Der Kläger gibt für die elektrische Zusatzheizung im Bad einen geschätzten Stromverbrauch von 0,8 kwh an. Die Zusatzheizung werde nur in der Übergangszeit September/Oktober sowie April/Mai maximal drei Stunden täglich verwendet. Nach seinen Angaben duscht er einmal am Tag, putzt zweimal täglich die Zähne und nimmt alle zwei Wochen ein Vollbad.

Der Strompreis betrug im Januar 2005 16,81 Cent/kwh, von Februar bis Dezember 2005 17,66 Cent/kwh, im Jahr 2006 18,69 Cent/kwh und im Jahr 2007 20,25 Cent/kwh.

Der Kläger bezog Gas von der H. KG. Für die Zeit von Januar bis Oktober 2005 waren Abschläge von 69 EUR/Monat fällig. Im November 2005 fiel kein Abschlag an. Im Dezember 2005 waren eine Nachzahlung von 32,12 EUR gemäß der Jahresabrechnung vom 23. November 2005 sowie der neue Abschlag von 76 EUR fällig. Von Januar bis Juni 2006 betrug der Abschlag ebenfalls 76 EUR/Monat. Im Dezember 2006 waren eine Nachzahlung von 105,68 EUR gemäß der Jahresabrechnung vom 15. November 2006 sowie der neue Abschlag von 84 EUR aufzubringen.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 Leistungen i.H.v. 506,03 EUR/Monat (Bescheid vom 8. Dezember 2004, Änderungsbescheide vom 6. August und 21. Dezember 2005, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2006 und des Änderungsbescheids vom 12. August 2009). Dabei legte er die Regelleistung von 331 EUR und KdU i.H.v. 112 EUR für die Hauskosten sowie 63,03 EUR für die Heizkosten (69 EUR - 5,97 EUR Warmwasserabzug) zu Grunde.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. November 2005 Leistungen i.H.v. 506,03 EUR/Monat sowie vom 1. Januar bis 28. Februar 2006 Leistungen i.H.v. 513,03 EUR/Monat. Für Dezember 2005 bewilligte er 545,15 EUR (Bescheid vom 6. August 2005, Änderungsbescheide vom 26. Januar 2006 und 6. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010). Dabei legte er wiederum die Regelleistung von 331 EUR und KdU i.H.v. 112 EUR für die Hauskosten sowie ab Dezember 2005 70,03 EUR für die Heizkosten (76 EUR - 5,97 EUR Warmwasserabzug) und im Dezember 2005 zusätzlich 32,12 EUR zu Grunde.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. März bis 30. Juni 2006 Leistungen i.H.v. 513,03 EUR/Monat (Bescheid vom 17. Mai 2006 und Änderungsbescheid vom 14. August 2006, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010). Dabei legte er wiederum die Regelleistung von 331 EUR und KdU i.H.v. 112 EUR für die Hauskosten sowie 70,03 EUR für die Heizkosten (76 EUR - 5,97 EUR Warmwasserabzug) zu Grunde.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007 Leistungen i.H.v. 536,31 EUR/Monat (Bescheid vom 5. Juli 2006 und Änderungsbescheide 19. November 2006 und 15. März 2007, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010). Dabei legte er die Regelleistung von 345 EUR und KdU i.H.v. 112 EUR für die Hauskosten sowie 79,31 EUR für die Heizkosten (84 EUR - 6,22 EUR Warmwasserabzug) zu Grunde. Ferner anerkannte er weitere Heizkosten i.H.v. 105,68 EUR für November 2006.

Der Kläger hat dagegen jeweils fristgerecht Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 hat er am 6. Dezember 2005 (S 25 AS 824/05) und abermals am 1. Februar 2006 (S 19 AS 88/06) Klage erhoben. Das Sozialgericht hat diese beiden Klagen mit Beschluss vom 8. Juli 2009 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Der Kläger hat zuletzt nur noch die Bewilligung einer höheren Regelleistung und der Übernahme der Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage und der Zusatzheizung im Bad begehrt. In dem Verfahren L 5 AS 83/11 hat er sich zusätzlich gegen den Abzug für die Warmwasserkosten gewendet. Für den Betrieb der Heizungsanlage im Jahr 2005 hat er einen monatlichen Bedarf von 13,21 EUR bzw. 7,30 EUR oder 8,40 EUR geltend gemacht. Für das Jahr 2006 hat er einen Bedarf von 9,66 EUR/Monat und für das Jahr 2007 einen Bedarf von 10,00 EUR/Monat behauptet. Als Kosten des Heizstrahlers im Bad hat er 41,73 EUR/Heizperiode bzw. Jahr angesetzt.

Das Sozialgericht hat die Klagen mit Urteilen vom 1. Dezember 2010 abgewiesen. Die Klage S 19 AS 88/06 sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Die Bescheide des Beklagten in der Gestalt der Änderungsbescheide und der Widerspruchsbescheide sowie der Teilanerkenntnisse seien nicht zu beanstanden. Es bestehe kein Anspruch auf eine höhere Regelleistung (Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09 u.a.). Zu Recht habe der Beklagte die Heizkosten um den Anteil für die Warmwasseraufbereitung gekürzt. Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlagen seien nicht gemäß § 22 SGB II zu übernehmen. Die tatsächlichen Aufwendungen seien nicht nachgewiesen, da im streitgegenständlichen Zeitpunkt kein eigener Zähler existiert hatte. Ein Sachverständigengutachten sei nicht einzuholen gewesen, da die tatsächliche Laufzeit und Leistungsaufnahme der Heizungen nicht feststellbar seien. Eine Schätzung scheide aus, da die Grundlagen für die Schätzung (Mindestlaufzeit der Heizungsanlage pro Jahr und durchschnittliche elektrische Leistungsaufnahme) nicht in objektiv nachprüfbarer Weise dargetan oder ermittelbar seien. Mangels konkreter Anhaltspunkte wäre eine Schätzung hier willkürlich.

Dagegen hat der Kläger jeweils fristgerecht Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Die Regelleistung müsse um 271 EUR/Monat erhöht werden, da die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2007 vom Bundesverfassungsgericht nicht berücksichtigt worden sei. In der Regelleistung sei kein Anteil für die Warmwasserbereitung bei einer dezentralen, sondern nur bei einer zentralen Heizungsanlage enthalten. Daher sei ein Abzug unzulässig. Der Betriebsstrom der Heizungsanlage und des Heizstrahlers im Bad sowie die einmaligen und laufenden Heizkostenanteile müssten in vollem Umfang übernommen werden. Hilfsweise sei der Betriebsstromanteil mittels Gutachten zu ermitteln. Alle zu Unrecht einbehaltenen Heizkostenanteile seien zurückzuzahlen. Ferner stehe ihm ein Weihnachtskostenzuschuss für Mai 2006 und Juni 2007 zu.

Nachdem der Kläger aufgefordert worden ist, alle seit Anschaffung des Stromunterzählers ermittelten Verbrauchsdaten vorzulegen, hat er Unterlagen und Sachen vorgelegt (handschriftliche Aufzeichnungen für die Jahre 2009 bis 2011, den Stromunterzähler, Wetterdaten, Tabellen mit Jahresverbrauchszahlen von Gas und Strom). Die Stromkosten für den Badheizkörper seien zu berechnen durch Abzug des Betriebsstroms der Gaskombitherme und des Haushaltsstroms von den Gesamtstromkosten. Ferner hat er angeregt, Beweis zu erheben zur Existenz von amtlichen Daten zu "durchschnittlichen Heizdaten nach Regionen in der Bundesrepublik".

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

die Urteile des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. Dezember 2010 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 8. September 2004 und die Änderungsbescheide vom 6. August und 21. September 2005, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2006 und des Änderungsbescheids vom 12. August 2009, den Bescheid vom 6. August 2005 und die Änderungsbescheide vom 26. Januar 2006 und vom 6. Juni 2007, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010, den Bescheid vom 17. Mai 2006 und den Änderungsbescheid vom 14. August 2006, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010, und den Bescheid vom 5. Juli 2006 und die Änderungsbescheide vom 29. November 2006, vom 19. Dezember 2006 und vom 15. März 2007, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2007 und des Teilanerkenntnisses vom 1. Dezember 2010 abzuändern, sowie den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2006 sowie 1. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007 weitere Leistungen unter Berücksichtigung einer um 271 EUR/Monat höheren Regelleistung, der Kosten für den Betriebsstrom der Heizungsanlagen und eines Weihnachtskostenzuschusses für 2005 und 2006 zu bewilligen sowie die aus dem Regelsatz entnommenen Heizkostenanteile auszuzahlen und zu verzinsen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Er hält die angefochtenen Urteile für zutreffend. Es seien die vollen Heizkosten abzüglich des in der Regelleistung enthaltenen Warmwasseranteils anerkannt worden. Hinsichtlich des Stromverbrauchs für die Gaskombitherme und den Badheizstrahler sei ein konkreter, bezifferbarer Bedarf nicht nachgewiesen worden. Eine Schätzung komme mangels objektiver Grundlage nicht in Betracht. Die Angaben des Klägers seien nicht geeignet, den Bedarf konkret zu beziffern. Eine nachträgliche Aufklärung könne nicht mehr folgen. Darüber hinaus dürfte das Bestreiten dieses Stromanteils aus der Regelleistung zumutbar sein. Ein Anspruch auf eine höhere Regelleistung für die Zeit vor dem 31. Dezember 2010 bestehe nach dem Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 nicht.

Der Senat hat die Rechtsstreite mit Beschluss vom 18. Oktober 2012 gemäß § 113 Absatz ein Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Der Senat hat ferner Auskünfte des Statistischen Bundesamts vom 6. Juli und 14. August 2012 eingeholt. Danach würden keine Angaben zu durchschnittlichen Heizstunden/Jahr für Wohngebäude nach Regionen der Bundesrepublik Deutschland erfasst. Zur Verfügung stünden Gradtagszahlen. Diese gäben den Unterschied zwischen der Raumtemperatur und der regionalen Außenlufttemperatur als ein Maß für den Heizenergieverbrauch wieder.

Die H. Energie GmbH & Co.KG hat am 10. Oktober 2012 auf Nachfrage angegeben, sie gehe bei den Abschlagsberechnungen von einer Betriebsstundenzahl der Heizungsanlagen der Kunden von 1.800 Stunden /Jahr aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und bei Akten Bezug genommen. Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

I.1.

Die Berufungen des Klägers sind form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG erhoben worden.

Sie sind auch statthaft i.S.v. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG in der ab dem 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungseinlegung war in den einzelnen Berufungssachen jeweils der Wert des Beschwerdegegenstands von 750 EUR überschritten. Denn der Kläger begehrt jeweils eine monatlich um 271 EUR höhere Regelleistung. Damit ist auch in dem Verfahren über den kürzesten streitigen Zeitraum von drei Monaten (L 5 AS 86/11) der Beschwerdewert erreicht.

2.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Leistungshöhe nach dem SGB II insgesamt. Denn der Kläger begehrt sowohl eine höhere Regelleistung als auch weitere Leistungen für die KdU. Unzulässig ist der Klageantrag auf isolierte Bewilligung von Leistungen für den Betriebsstrom der Heizungsanlagen bzw. auf Heizkosten ohne Warmwasserabzug gewesen. Denn im Rahmen der KdU sind die Heizkosten nicht abtrennbar (BSG, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 10/09 R (10)). Es war daher nicht nur über die Heizkosten, sondern über die KdU insgesamt zu entscheiden.

II.

Die Berufungen sind zu einem geringen Teil begründet, soweit der Beklagte die zu schätzenden Kosten für den Betriebsstrom der Kombigastherme in den streitigen Zeiträumen nicht übernommen und den Kläger somit zu geringe Leistungen für die KdU bewilligt hat. Im Übrigen sind die Berufungen aber unbegründet und die angefochtenen Bescheide des Beklagten sowie die sozialgerichtlichen Urteile nicht zu beanstanden.

1.

Der Kläger ist zur Überzeugung des Senats dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II.

Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung.

Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten, sind nach § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die

das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,

erwerbsfähig sind,

hilfebedürftig sind und

ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht

durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,

aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen

sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Der Kläger ist im streitigen Zeitraum im passenden Alter sowie erwerbsfähig gewesen, und hat seinen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt.

2.

Der Kläger hat Anspruch auf weitere Leistungen für die KdU. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

a.

Der Beklagte hat in allen streitigen Bewilligungsabschnitten die als Hausgeld aufzubringenden 112 EUR/Monat ungekürzt bewilligt.

Darüber hinaus hat er die jeweiligen Abschläge für die Gasversorgung sowie die Nachforderungsbeträge der H. KG nach den Jahresabrechnungen vollständig übernommen.

Soweit in den einzelnen Monaten Abzüge für die Warmwasserbereitung i.H.v. 5,97 EUR/Monat bzw. 6,22 EUR/Monat erfolgt sind, ist dies nicht zu beanstanden. Bei einheitlicher Bereitstellung von Warmwasser und Heizenergie besteht ein Anspruch nach § 22 SGB II in voller Höhe, von dem aber zur Vermeidung von Doppellleistungen die im Regelsatz enthaltenen Anteile abzuziehen sind (BSG, 6. April 2011, B 4 AS 16/10 R (13)). Nur wenn der Energieverbrauch für die Wassererwärmung durch gesonderte und exakte Messung erfasst wird, können die dafür anfallenden Abschläge abgesetzt werden. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

b.

Der Beklagte hat zu Unrecht die für den Betrieb der Heizungsanlage entstehenden Kosten bei den KdU unberücksichtigt gelassen.

Der Senat folgt nicht der Auffassung des Beklagten, wonach diese Kosten nicht zu den Heizkosten, sondern zu den allgemeinen Stromkosten zählen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 48/08 R (27); Beschluss vom 26. Mai 2010, B 4 AS 7/10 B; Urteil vom 7. Juli 2011, B 14 AS 51/10 R (5,16)) gehören die Aufwendungen für den Betriebsstrom der Heizungsanlage zu den Unterkunftskosten. Soweit eine genaue Ermittlung mangels separaten Zwischenzählers nicht möglich ist, können diese Kosten auch geschätzt werden. Dafür ist aber ein Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des auf die Heizung entfallenden Energieanteils erforderlich (BSG, Urteil vom 7. Juli 2011, B 14 AS 51/10 R (16) unter Hinweis auf § 287 Abs. 2 ZPO).

a.a.

Für die Gaskombitherme hat der Kläger keine tatsächlichen Stromverbrauchskosten nachgewiesen. Im streitigen Zeitraum war ein Stromunterzähler nicht installiert. Sein Vorbringen im Klageverfahren, der Stromverbrauch betrage 350 bis 400 kwh/Jahr, ist nicht plausibel. Dieser Wert widerspricht den Angaben des Klägers im Schreiben vom 25. Februar 2010 an das Sozialgericht Magdeburg, nachdem der Stromverbrauch vom 10. Februar 2009 und zum 10. Februar 2010 287,69 kwh betragen habe.

Für eine Schätzung des jährlichen Stromverbrauchs sowie Gaskombitherme sind die Faktoren Betriebsstunden und Leistungsaufnahme sowie der jeweilige Strompreis maßgeblich (vgl. etwa www.harzIVforum.de).

Die unterschiedlichen Angaben des Klägers zu den Jahresbetriebsstunden der Gaskombitherme sind nicht glaubhaft (5.700 h/Jahr, 6.840 h/Jahr, 2.100 h/Jahr) und können daher der Schätzung nicht zu Grunde gelegt werden. Der Senat geht daher von der vom Gasversorger seinen Abschlagszahlungen zugrunde gelegten Betriebsstundenzahl einer Heizungsanlage von 1800 h/Jahr aus. Da die H. KG als regionaler Anbieter vorwiegend Haushalte im Harz versorgt, bestehen auch hinsichtlich der vom Kläger in seinem Heimatort geschilderten unterdurchschnittlichen Jahrestemperaturen keine Bedenken, die vom örtlichen Versorger mitgeteilten Werte zugrunde zu legen.

Hinsichtlich der Leistungsaufnahme der Gaskombitherme geht der Senat nicht von 240 W aus (so noch im Beschluss vom 25. März 2011, L 5 AS 427/10 B ER). Ausweislich der vorgelegten handschriftlichen Aufzeichnungen für den Zeitraum vom 3. September bis 20. Dezember 2008 - die dem Senat seinerzeit nicht bekannt waren - lag in dieser Zeit die maximale Stromaufnahme bei 196 W und die durchschnittliche Stromaufnahme bei 128 W. Der Senat legt die durchschnittliche Stromaufnahme von 128 W zu Grunde, da diese am ehesten die tatsächliche Leistungsaufnahme in einem Jahreszyklus wiedergibt.

Bei einem Strompreis von 16,81 Cent/kwh im Januar 2005 und 17,66 Cent/kwh von Februar bis Dezember 2005 (durchschnittlich: 17,59 Cent/kwh) errechnet sich ein Jahresbetrag von 40,53 EUR (1.800 h x 128 W = 230,400 kwh x 17,59 Cent). Monatlich ergibt sich somit ein Betrag von 3,38 EUR im Jahr 2005.

Bei einem Strompreis von 18,69 Cent/kwh im Januar 2006 ergibt sich ein Jahresbetrag von 43,06 EUR (1.800 h x 128 W = 230,400 kwh x 18,69 Cent). Monatlich ergibt sich somit ein Betrag von 3,59 EUR im Jahr 2006.

Bei einem Strompreis von 20,25 Cent/kwh im Januar 2007 ergibt sich ein Jahresbetrag von 46,66 EUR (1.800 h x 128 W = 230,400 kwh x 20,25 Cent). Monatlich ergibt sich somit ein Betrag von 3,89 EUR im Jahr 2007.

b.b.

Hinsichtlich der Stromkosten des Zusatzheizkörpers im Bad kommt grundsätzlich eine Anerkennung im Rahmen der KdU in Betracht (BSG, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 3/07 R).

Jedoch hat der Kläger keine tatsächlichen Stromverbrauchskosten nachgewiesen. Ungeeignet ist die von ihm vorgeschlagene Berechnungsmethode, von den Gesamtstromkosten die Haushaltsenergie sowie den Betriebsstrom der Heizungsanlage abzuziehen. Beide Werte sind nicht bekannt.

Auch eine Schätzung scheidet mangels eines Bezugspunkts für eine realitätsnahe Schätzung aus. Es fehlen schon nachvollziehbare Werte für die jährlichen Betriebsstunden.

Nach Angaben des Klägers wird die Zusatzheizung nur in der Übergangszeit September/Oktober sowie April/Mai und maximal drei Stunden täglich verwendet. Dies stimmt schon nicht mit seiner Schilderung der Badnutzung überein. Denn nach seinen eigenen Angaben duscht er einmal am Tag, putzt zweimal täglich die Zähne und nimmt alle zwei Wochen ein Vollbad. Diese Verrichtungen erfordern nach Auffassung des Senats keine tägliche Laufzeit des Zusatzheizkörpers von drei Stunden. Darüber hinaus räumt der Kläger selbst ein, dass es sich um einen Höchstwert handelt. Daraus folgt, dass die tatsächliche Nutzungsdauer regelmäßig durchaus geringer ist. Außerdem lässt sich die von ihm angegebene "Übergangszeit" - anders als ein Jahreszeitraum für den Betrieb der Heizungsanlage - zeitlich nicht eingrenzen. Somit fehlt es an Anknüpfungsfaktoren, auf die sich eine Schätzung stützen ließe.

3.

Eine höhere als die vom Beklagten entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen ausgewiesene Regelleistung scheidet aus. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) sind zwar die Vorschriften des § 20 Abs. 2 und 3 SGB II verfassungswidrig, jedoch weiter anwendbar. Eine Verfassungsbeschwerde mit dem Ziel der rückwirkenden Bewilligung höherer Leistungen vor Verkündung des Urteils hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (Nichtannahmebeschluss vom 14. März 2010,1 BvR 395/09). Dem hat der Senat nichts hinzuzufügen.

4.

Für die begehrten Weihnachtsbeihilfen fehlt es schon an einer gesetzlichen Regelung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Zwar beträgt der Anteil des Obsiegens des Klägers weniger als 10% der insgesamt geforderten höheren Leistungen. Der Senat hat aber berücksichtigt, dass der Beklagte hinsichtlich der Stromkosten für die Heizungsanlage die Rechtsprechung des BSG nicht umgesetzt hat.

Die Revision war nicht zuzulassen; es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.
Rechtskraft
Aus
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