L 6 R 1058/12 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 3 R 5845/11
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 1058/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 9. Mai 2012 wird zurückgewiesen. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Halbwaisenrente hat.

Der im Januar 1986 geborene Beschwerdeführer lebte bis 2004 zusammen mit seiner Mutter und deren Ehemann, F.-W. B. (im Folgenden: Versicherter), und weiteren Geschwistern in einem Haushalt in 3. G., Am Eichgraben 2. Nach eigenen Angaben zog er im Februar 2004 aus und zwar nach G., OT K ... Der Versicherte ist nach der Auskunft der Stadt G. vom 21. Februar 2011 am 15. September 2004 nach G., N. 8, als verzogen gemeldet. Am 13. Dezember 2009 verstarb er.

Am 24. Juli 2010 beantragte der Beschwerdeführer bei der Beschwerdegegnerin eine Halbwaisenrente aus der Versicherung des Versicherten. In der Anlage zum Antrag gab er an, er sei dessen leibliches Kind. Nach Ermittlungen zu den Wohnorten und zum Verwandtschaftsverhältnis lehnte die Beschwerdegegnerin den Antrag mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 mit der Begründung ab, es liege kein Nachweis vor, dass der verstorbene Versicherte sein Vater war. Im Widerspruchsverfahren trug der Beschwerdeführer vor, seine Mutter und der Versicherte hätten ihm 1993 den Ehenamen B. "erteilt" und er sei Pflegekind des Versicherten gewesen. Nach weiteren Ermittlungen wies die Beschwerdegegnerin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2011 zurück. Stiefkinder seien nur dann waisenrentenberechtigt, wenn sie zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten in dessen Haushalt aufgenommen waren. Zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten habe der Beschwerdeführer nicht mehr in dessen Haushalt gelebt. Vielmehr habe er diesen 2004 verlassen, was nach dessen Angaben aufgrund der Volljährigkeit erfolgt und daher auf Dauer angelegt gewesen sei. Der Grund könne nicht in einer heimatfernen Schul- oder Berufsausbildung gesehen werden, weil der Umzug innerhalb von G. erfolgt sei und sich auch der Ausbildungsplatz in G. befunden habe.

Mit seiner am 4. August 2011 beim Sozialgericht Nordhausen eingegangenen Klage hat sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung der Beschwerdegegnerin gewandt und zur Durchführung des Verfahrens Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Das Sozialgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 9. Mai 2012 abgelehnt und sich auf die Gründe im Widerspruchsbescheid der Beschwerdegegnerin bezogen. Mit Urteil vom 22. Mai 2012 hat es die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Beschwerdeführer Berufung eingelegt (Az.: L 6 R 1226/12).

Mit seiner am 18. Mai 2012 beim Thüringer Landessozialgericht eingegangenen Beschwerde verweist der Beschwerdeführer auf seine Ausführungen im Berufungsverfahren. Dort trägt er unter anderem vor, er habe den gemeinschaftlichen Haushalt ausschließlich ausbildungsbedingt verlassen; deshalb habe weiterhin ein echtes Betreuungs- und Erziehungsverhältnis vorgelegen. Er sei nicht innerhalb derselben Stadt umgezogen, sondern von der Gemeinde G., nach G.(Ortsteil K.), was hauptsächlich den Grund gehabt habe, dass die Busverbindungen von B., Gemeinde G.,, zum Ausbildungsort G. ausgesprochen schwierig und schlecht waren. Es sei gerade nicht um eine endgültige Lösung aus dem Haushalt der Mutter und des Stiefvaters gegangen; insbesondere habe sein Zimmer in der elterlichen Wohnung nach wie vor bestanden und sei von ihm regelmäßig zu Besuchs- und Wochenendzeiten genutzt worden.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 9. Mai 2012 aufzuheben und ihm unter Beiordnung von Rechtsanwalt V. F., 3. G., W.-W.-Straße 39, Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Die Beschwerdegegnerin hat keinen Antrag gestellt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH für das Verfahren vor dem Sozialgericht.

Nach § 73 a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum Erfolg führen kann. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Standpunkt des Antragstellers nach dessen Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolgs eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73 a Rn. 7 a).

Die Rechtsverfolgung des Beschwerdeführers hat angesichts der Aktenlage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Anspruch auf Halbwaisenrente nach § 48 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) kommt nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten nicht in dessen Haushalt aufgenommen war.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat das Tatbestandsmerkmal der Haushaltsaufnahme im Laufe der Zeit mit unterschiedlichen Formulierungen umschrieben; nach der neueren Rechtsprechung kommt es insoweit auf das Bestehen einer Familiengemeinschaft an, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung von Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2001 - Az.: B 5 RJ 34/01, nach juris Rn. 11 m.w.N.). Diese drei Kriterien stehen in enger Beziehung zueinander und können sich auch teilweise überschneiden; keines davon darf jedoch gänzlich fehlen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2001, a.a.O.).

Es kann dahingestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt des Todes eine familienähnliche Bindung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Versicherten vorlag. Jedenfalls fehlt das örtliche Merkmal, also die (gemeinsame) Familienwohnung. Der Beschwerdeführer zog nach eigenen Angaben im Februar 2004 aus der Familienwohnung aus. Er begründete dies im Widerspruchsverfahren mit seinem Alter (18. Lebensjahr vollendet) und vor allem mit einem Ausbildungsplatz in G. (geringeren Fahrtzeiten). Damit fehlt es im Dezember 2009 am gemeinsamen Lebensmittelpunkt. Die auf Dauer angelegte räumliche Trennung schließt eine Haushaltsaufnahme aus (vgl. Butzer in GK-SGB VI, Stand März 2011, § 48 SGB VI Rn. 54).

Dem steht nicht die Rechtsprechung entgegen, dass eine auswärtige Unterbringung zu Ausbildungs- und Studienzwecken nicht zwangsläufig zu einer Haushaltsaufgabe führen muss (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 1966 - Az.: 12 RJ 162/64, nach juris Rn. 17). Dies gilt nur dann, wenn diese Unterbringung, z.B. in einem Studentenwohnheim oder einem Internat, von vornherein nur vorübergehender Natur ist. Nach dem Ende der Ausbildung soll und muss sie dann wieder aufgegeben werden. Hierfür gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhalt. Es ist weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich, dass der Beschwerdeführer die eigene Wohnung von vornherein nur vorübergehend bewohnen wollte und nach Ende der Ausbildung eine Aufgabe dieser Wohnung und ggf. eine Rückkehr in den Haushalt des Versicherten beabsichtigt war. Tatsächlich ist dies auch nicht erfolgt. Die vorgetragene Ausbildung als Sozialassistent wäre (je nach der Vorbildung) spätestens 2007 beendet gewesen.

Zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass gegen die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe weiterhin "sein Zimmer" zu Besuchs- und Wochenendzeiten regelmäßig benutzt, bereits die Tatsache spricht, dass der Versicherte nach Auskunft der Stadt G. vom 21. Februar 2011 am 15. September 2004 - also kurz nach Auszug des Beschwerdeführers - nach G. umgezogen ist. Die ursprüngliche Wohnung und damit auch das bisherige Zimmer des Beschwerdeführers wurden aufgegeben. Die Behauptung der Weiterbenutzung des Zimmers in der elterlichen Wohnung ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

gez. Keller gez. Schmid gez. Dr. Seime
Rechtskraft
Aus
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