Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 14 U 113/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 1664/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 5. Ok-tober 2010 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 der Berufskrankhei-ten-Verordnung (BKV/BKVO) streitig.
Die am 7. November 1954 geborene Klägerin erlernte den Beruf der Fachkinderkranken- und Stationsschwester und arbeitet seit 1971 im Krankenhaus in S ... Seit November 1983 bestand der Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit der Haut. Später wurden Allergien auf verschiedene Berufsstoffe diagnostiziert. Im Dezember 1987 stellte der Be-reich Berufskrankheiten der Arbeitshygieneinspektion des Rates des Bezirkes S. das Vor-liegen einer Berufskrankheit nach Nr. 80 der Liste der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26. Februar 1981 (Hautkrankhei-ten durch chemische und physikalische Einwirkungen), und zwar ein allergisches Kontakt-ekzem, ab dem 27. Dezember 1983 fest. Unter dem 8. Januar 1988 wurde diese Berufs-krankheit auch gegenüber der Klägerin förmlich anerkannt.
Im Zuge der Neugliederung der Sozialversicherung in den neuen Bundesländern wurden bis zum 31. Dezember 1990 eingetretene Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten durch ei-nen speziellen Verteilerschlüssel, der sich nach dem Geburtstag und Geburtsmonat des Verletzten richtet, von den verschiedenen Unfallversicherungsträgern bearbeitet. Daher war die Beklagte für den Versicherungsfall der Klägerin aufgrund deren Geburtsdatums zuständig. Mit Bescheid vom 6. April 1993 gewährte die Beklagte ihr wegen der Folgen ihrer Berufskrankheit eine Rente ab dem 27. Juli 1992 ausgehend von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. Mit Bescheid vom 7. Februar 1995 entzog die Be-klagte die gewährte Dauerrente mit Ablauf des Monats März 1995. Ein Widerspruch hier-gegen blieb erfolglos.
Mit Hautarztbericht der Dr. E. vom 18. September 2001 wurde eine Verschlechterung der Erkrankung mitgeteilt. In der Folge wurde eine Arbeitsplatzanalyse durchgeführt und bei einem Betriebsbesuch am 28. Juni 2007 festgestellt, dass die Klägerin als Sprechstunden-schwester in der Ambulanz der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie tätig ist. Des Weite-ren wird sie für cirka zwölf Wochen im Jahr als Vertretung in der orthopädischen bezie-hungsweise chirurgischen Ambulanz eingesetzt. Die Hautärztin empfahl eine Arbeitszeit-reduzierung. Der Grund hierfür war die Feststellung, dass zwar eine direkte Exposition mit Allergenen durch verschiedenste Maßnahmen vermieden werden könne, aber eine Exposi-tion durch luftgetragene Allergene bei Aufenthalt in verschiedensten Bereichen des Klini-kums nach wie vor gegeben sei. Bei einer Reduzierung der Arbeitszeit sei eine Verbesse-rung des Gesundheitszustandes zu erwarten. Am 10. März 2008 schlossen die Klägerin und ihr Arbeitgeber einen Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 11. März 1974 ab und vereinbarten mit Wirkung ab 1. April 2008 eine Arbeitszeit von 30 statt bisher 40 Stunden die Woche, befristet bis zum 31. März 2013. Mit Schreiben vom 14. März 2008 befürwor-tete die Beklagte gegenüber dem Arbeitgeber der Klägerin eine Verkürzung der Arbeitszeit auf sechs Stunden täglich mit dem Ziel der Reduzierung der allergenen Belastung. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 5. Juni 2009 einen Ausgleich der hierdurch bedingten Einkommenseinbuße. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Juni 2009 ab. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 BKV seien nicht gegeben, da es an einer vollständigen Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit feh-le. Eine Reduzierung der täglichen Arbeitszeit von acht auf sechs Stunden könne nicht als Tätigkeitsaufgabe angesehen werden, weil sie in den verbleibenden sechs Stunden noch gefährdende Einwirkungen im Krankenhaus ausgesetzt sei. Eine Übergangsleistung könne nur gewährt werden, wenn die gefährdende Tätigkeit endgültig aufgegeben werde. Ein Widerspruch wurde mit Bescheid vom 15. Dezember 2009 zurückgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Meiningen mit Urteil vom 5. Oktober 2010 zurückgewiesen. Das teilweise Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit sei nicht aus-reichend, um einen Anspruch auf Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV zu begrün-den. Durch die Gewährung von Übergangsleistungen solle der Versicherte dazu angehalten werden, sich ohne wirtschaftlichen Verlust keiner weiteren gesundheitlichen Gefährdung auszusetzen. Eine teilweise Verminderung der Gefahr reiche jedoch zum Erreichen dieses Ziels nicht aus. Eine gesetzgeberische Lücke sei nicht erkennbar.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Der Tatbestand des Unter-lassens der gefährdenden Tätigkeit erfasse auch die Verminderung der täglichen Arbeits-zeit. Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 BKV erfordere ausdrücklich kein vollständiges Unterlas-sen, sondern lasse ein teilweises Unterlassen ausreichen. Mit der Vorschrift sollten nicht nur Vermögenseinbußen ausgeglichen, sondern auch freiwillige Anstrengungen des Versi-cherten honoriert werden. Dies diene einer Verringerung des Risikos einer Inanspruch-nahme des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung. Ein solches Ziel werde jedoch auch erreicht, wenn das Risiko der Beeinträchtigung durch freiwillige Maßnahmen spürbar herabgesetzt werde. Berufskrankheiten seien in der Regel das Ergebnis einer langfristigen Einwirkung schädlicher Stoffe am Arbeitsplatz. Wesentliches Element sei daher der zeitli-che Faktor. Daher wirke sich in diesen Fällen auch eine Reduzierung der Arbeitszeit posi-tiv aus. Eine Verneinung des Anspruchs auf Übergangsleistungen führe im Ergebnis dazu, dass die Klägerin Versicherten gleichgestellt werde, die überhaupt keine Anstrengungen zur Reduzierung der Belastung am Arbeitsplatz unternehmen würden. Dies widerspreche der Grundintention der Vorschrift. Die Klägerin habe sich zu der Reduzierung der Arbeits-zeit entschieden, nachdem die eigentlich vorgesehene Umsetzung innerhalb der Klinik auf einen noch besser geeigneten Arbeitsplatz nicht zustande gekommen sei. Sie habe dann nur noch die Möglichkeit gesehen, entsprechend der betriebsärztlichen Empfehlung die Ar-beitszeit zu reduzieren. Eine vollständige Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit hätte den Verlust des Arbeitsplatzes zur Folge. Dies sei aufgrund der gravierenden Folgen nicht zumutbar.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 5. Oktober 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Re-duzierung der täglichen Arbeitszeit um zwei Stunden ab dem 1. April 2008 Über-gangsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ursache der wiederholt aufgetretenen Krankheitsschübe seien aerogene Allergenbelastun-gen insbesondere in der Luft. Eine Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKV könne nur bei endgültiger Vermeidung jeglicher Gefährdung durch Ausübung der beruflichen Tätigkeit gewährt werden. Die Hinnahme einer weiteren Gefährdung auch in einem reduzierten Um-fang reiche für die Gewährung einer Übergangsleistung nicht aus. Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 BKV sei insoweit eindeutig. Erforderlich sei das endgültige Vermeiden jeglicher Gefährdung. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einver-standen erklärt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Beklagtenakten, die Gegens-tand der Beratung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Denn die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Über-gangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV/BKVO.
Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Denn die Klägerin begehrt die Aufhebung eines ihren geltend gemachten Anspruch ver-neinenden Verwaltungsakts und die Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines begüns-tigenden Verwaltungsakts, nämlich zur Bewilligung von Übergangsleistungen.
Es kann offenbleiben, ob der von der Klägerin erhobene Anspruch seine Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 BKVO vom 20. Juni 1968 (BGBl. I 721), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I 2343) oder § 3 Abs.2 BKV in der ab dem 1. November 1997 geltenden Fassung (BGBl. I 2623), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 11. Juni 2009 (BGBl. I 1273) findet. Beide Vorschriften sind trotz ihres teilweise unterschiedlichen Wortlauts deckungsgleich.
Das Vorliegen einer Berufskrankheit richtet sich nach § 215 Abs.1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) nach § 1150 Abs.2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der vor dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung, weil die von der Klägerin als Grundlage ihres Anspruchs geltend gemachte Hauterkrankung bereits im Jahre 1983 eingetreten und anerkannt worden ist. Nach § 1150 Abs. 2 RVO gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des Dritten Buches der RVO. Ob dies zur Weiteranwendung der Vorschriften der BKVO trotz ihres Außerkrafttretens durch § 8 Abs.2 Nr.1 der BKV führt, weil die BKV ihre Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 und 6 SGB VII und § 193 Abs.8 SGB VII hat und diese Gesetzesvorschriften nach § 212 SGB VII für vor dem In-krafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetretene Versicherungsfälle nicht gelten oder ob aufgrund des in § 9 Abs.5 SGB VII enthaltenen Günstigkeitsprinzips § 3 Abs.2 BKV anzuwenden ist, bedarf keiner Entscheidung. In der Sache haben sich keine Ände-rungen ergeben.
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV vom 31. Oktober 1997, der sich seit dem nicht geändert hat, hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherten, die die "gefährdende Tä-tigkeit unterlassen", weil die Gefahr einer Entstehung, eines Wiederauflebens oder einer Verschlimmerung einer BK anders nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich der hierdurch verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile, eine Übergangsleistung zu gewähren. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt (Satz 2 der Rege-lung). Auf die Übergangsleistung besteht dem Grunde nach ein Anspruch des Versicher-ten, wenn die genannten Voraussetzungen gegeben sind. Die Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Leistung hingegen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Unfallversiche-rungsträgers. § 3 Abs. 2 BKVO verlangt hingegen, dass " der Versicherte die Tätigkeit einstellt ".
Die Tatbestandsvoraussetzung sowohl des § 3 Abs. 2 BKV als auch des § 3 Abs. 2 BKVO liegen nicht vor. Zwar ist die erste Voraussetzung für einen Anspruch, nämlich das Beste-hen einer konkret individuellen Gefahr der Entstehung, des Wiederauflebens oder der Ver-schlimmerung einer BK erfüllt. Bei der Klägerin besteht aufgrund der festgestellten Be-rufskrankheit nach Nr. 80 der Liste über die Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26. Februar 1981 die individuell konkrete Ge-fahr einer Verschlimmerung dieser Berufskrankheit durch weitere berufliche Schadstoff-einwirkungen. Die Fortsetzung der Tätigkeit in der Ambulanz beinhaltet die Gefahr, dass infolge aerogener Belastungen Erkrankungsschübe auftreten können.
Allerdings ist die zweite Voraussetzung für einen Anspruch auf Übergangsgeld, nämlich die Einstellung bzw. die Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit, nicht gegeben. Es ist nicht ausreichend, dass die Klägerin ihre Arbeitszeit von acht auf sechs Stunden täglich reduziert hat. Denn eine zeitliche Reduzierung der gefährdenden Tätigkeit stellt kein Un-terlassen oder Einstellen der gefährdenden Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV/BKVO dar. Dies ergibt eine Auslegung der Vorschrift anhand der juristischen Aus-legungsmethoden und folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm.
Der Begriff der Tätigkeit im Sinne sowohl von § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV als auch § 3 Abs. 2 BKVO ist vom Verordnungsgeber bewusst weit gefasst worden. Eine spezifisch berufliche Qualifizierung hierfür wird nicht vorausgesetzt. Erfasst sind sämtliche vom Versicherten an seinem Arbeitsplatz verrichteten Tätigkeitsfelder und Arbeitsvorgänge. Dies hat zur Folge, dass der Versicherte von der Vielzahl der von ihm ausgeübten Tätigkeiten nur die-jenigen zu unterlassen braucht, von denen die Gefahr ausgeht, auch wenn diese Tätigkeit seiner Beschäftigung nicht das bestimmende Gepräge gibt (vgl. LSG Baden Württemberg, Urteil vom 4. Mai 2006, Az.: L 6 U 4067/04 zitiert nach Juris).
Als gefährdende Tätigkeit ist im Fall der Klägerin ihre Beschäftigung in der Klinikambu-lanz anzusehen. Nach den Feststellungen im Verwaltungsverfahren sind ihre Hautprobleme auf luftgetragene Allergene zurückzuführen, sodass trotz weitgehender Meidung einer di-rekten Exposition zu Allergenen zum Beispiel wegen des Einsatzes von Schutzhandschu-hen es dennoch zu Hauterscheinungen kommt. Die Hauterscheinungen der Klägerin durch luftgetragene Allergene werden überwiegend beim Aufenthalt in verschiedenen Klinikbe-reichen im Rahmen von Patiententransfers ausgelöst. Daher stellt die Reduzierung der Ar-beitszeit nicht das endgültige Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit dar. Als gefährdende Tätigkeit ist hier der Aufenthalt in mit aerogenen Schadstoffen belasteten Bereichen der Klinik ihres Arbeitgebers anzusehen. In diesem Zusammenhang kann es keine Rolle spie-len, ob dieser Aufenthalt sechs oder acht Stunden täglich stattfindet.
Dass ein teilweises Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit für einen Ausgleichsanspruch nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV nicht ausreicht, wird durch die weiteren Auslegungskriterien bestätigt. Die Vorläufervorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 BKVO in der bis zum 30. Novem-ber 1997 geltenden Fassung verlangte das "Einstellen der Tätigkeit des Versicherten". Durch die ab dem 1. Dezember 1997 geltende Neufassung des § 3 Abs. 2 BKV sollte keine Änderung in der Sache, sondern lediglich eine sprachliche Anpassung vorgenommen wer-den. Erforderlich war der Erlass einer neuen BKV, weil durch die Kodifizierung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung im SGB VII in § 9 SGB VII eine neue Er-mächtigungsgrundlage für den Erlass der Berufskrankheiten -Verordnung geschaffen wor-den war. Änderungen gegenüber dem bisher geltenden Recht waren im Bereich des § 3 BKV nicht beabsichtigt (vgl. BR-Drs. 642/97 S.9).
Dass eine nur teilweise Reduzierung der gefährdenden Tätigkeit nicht zu einem Aus-gleichsanspruch nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV/BKVO führen kann, ergibt sich auch aus der Systematik der Berufskrankheitenverordnung. § 3 Abs. 2 BKV/BKVO ist im Zusammen-hang mit § 3 Abs. 1 BKV/BKVO zu lesen. Danach haben die Unfallversicherungsträger der Gefahr, dass eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Nach Satz 2 der Vorschrift haben sie, wenn die Gefahr gleichwohl nicht zu beseitigen ist, darauf hinzuwirken beziehungsweise den Versicherten aufzufordern, die gefährdende Tätigkeit zu unterlassen beziehungsweise ein-zustellen. Damit wird die Zielrichtung der gesamten Vorschrift deutlich, nämlich den Ein-tritt eines weiteren Versicherungsfalles zu verhindern. Dies kann aber nur bei einer voll-ständigen Beseitigung der Gefahr angenommen werden. Denn nur die vollständige Besei-tigung der Gefahr ist in der Lage, das Entstehen oder das Wiederaufleben oder die Ver-schlimmerung einer Berufskrankheit zu verhindern. Damit wird zugleich der Sinn und Zweck dieser Vorschrift deutlich, nämlich den Versicherten im Rahmen der Prävention und zur Vorbeugung weiterer Gesundheitsgefahren zur Aufgabe der gefährdenden Tätig-keit zu veranlassen. Diese Anreizfunktion ist in erster Linie auf das subjektive Reagieren des betreffenden Versicherten ausgerichtet. Die bei einem Arbeitsplatzwechsel auftretende Verdienstminderung und sonstige wirtschaftliche Nachteile sollen abgefedert und dem Versicherten so ein Übergang auf eine wirtschaftlich ungünstigere Situation erleichtert werden. Daher hat § 3 BKV/BKVO eine klar präventive Zielrichtung und ist als Maßnah-me der Vorbeugung und Krankheitsverhütung von den sonst in der gesetzlichen Unfallver-sicherung üblichen Entschädigungsleistungen abzugrenzen. Die Vorschrift ist in die Zu-kunft gerichtet und will den Versicherten vor aktuellen Gesundheitsgefahren schützen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Februar 2001, Az.: B 2 U 10/00 R, zitiert nach Juris). Daher setzt die in der Anreizfunktion liegende Zweckbestimmung des § 3 Abs. 2 BKV/BKVO im Regel-fall voraus, dass der berufsbedingt erkrankte Versicherte die gefährdende Tätigkeit aufgibt, um der Gefahr einer Verschlimmerung seiner Berufskrankheit zu entgehen. Diese präven-tive Zielrichtung kann aber nur bei einer vollständigen Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit erreicht werden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt hier auch keine Lücke seitens des Verord-nungsgebers vor. Da § 3 Abs. 2 BKV/BKVO keine Entschädigungsvorschrift darstellt, kann die Vorschrift nicht in dem Sinne interpretiert werden, dass jeder Nachteil, der durch ein Reagieren des Versicherten auf das Vorhandensein einer Berufskrankheit entsteht, aus-geglichen werden muss. Dies wird auch bereits durch die Rechtsfolge in § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV/BKVO verdeutlicht. Danach wird als Übergangsleistung nach Nr. 1 entweder ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt. Ein vollständiger Ausgleich ist nicht beabsichtigt. Es soll lediglich - wie bereits ausgeführt - ein Anreiz gesetzt werden, die gefährdende Tätigkeit einzustellen.
Der vollständige Unterlassungszwang nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV ist gesetz- und verfas-sungsgemäß. Nach § 9 Abs.6 Nr.1 SGB VII ist der Verordnungsgeber ermächtigt, Voraus-setzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Ver-schlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten zu regeln. Für das Vorlie-gen des Versicherungsfalles einer BK steht die arbeitsmedizinische Unterlassungsnotwen-digkeit in engem Zusammenhang. § 9 Abs. 1 S.2 letzter Halbsatz SGB VII ermächtigt den Verordnungsgeber ausdrücklich dazu, zu bestimmen, dass bestimmte Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Der Verordnungsgeber soll aus Gründen der Prävention verhin-dern dürfen, dass der Versicherte seine Gesundheit durch ein Verbleiben am Arbeitsplatz weiter schädigt. Dadurch soll einer Verschlimmerung der Krankheit und nach Eintritt einer Berufskrankheit gegebenenfalls der Entstehung oder einer erhöhten Entschädigungspflicht des Versicherungsträger entgegengewirkt werden (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2011, Az.: B 2 U 4/10 R, zitiert nach Juris). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Verordnungs-geber mit der Schaffung der Regelung des § 3 BKV diesen Rahmen nicht eingehalten hät-te.
Dies führt auch nicht zu einer Verletzung der durch Artikel 12 Abs. 1 GG geschützten Be-rufsfreiheit der Klägerin. Zwar ist der Schutzbereich des Artikel 12 Abs. 1 GG berührt, obwohl weder eine Rechtspflicht noch eine Obliegenheit zum Unterlassen der gefährden-den Tätigkeit besteht, weil ein Leistungsanspruch tatbestandsmäßig die Aufgabe der ge-fährdenden Tätigkeit (nicht in jedem Fall zwingend des Arbeitsplatzes oder Berufs) vor-aussetzt. Jedoch wird der mit der Notwendigkeit der Unterlassung der gefährdenden Tätig-keit verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit von den überragenden Gemeinschaftsgütern der Gesundheit der Versicherten, der Verhinderung der versicherungsrechtlichen Förde-rung von Krankheiten und dem Schutz der Beitragszahler vor Belastung der Kosten einer dem Versicherungszweck widersprechenden Krankheitsförderung gerechtfertigt. Dass da-mit kein unverhältnismäßiger Eingriff in Grundrechte gegeben ist, ergibt sich auch daraus, dass die Unterlassungsnotwendigkeit nur besteht, wenn alle anderen geeigneten Mittel er-schöpft oder solche nicht vorhanden sind, um die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der BK zu verhindern (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2011, Az.: B 2 U 4/10 R, zitiert nach Juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 der Berufskrankhei-ten-Verordnung (BKV/BKVO) streitig.
Die am 7. November 1954 geborene Klägerin erlernte den Beruf der Fachkinderkranken- und Stationsschwester und arbeitet seit 1971 im Krankenhaus in S ... Seit November 1983 bestand der Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit der Haut. Später wurden Allergien auf verschiedene Berufsstoffe diagnostiziert. Im Dezember 1987 stellte der Be-reich Berufskrankheiten der Arbeitshygieneinspektion des Rates des Bezirkes S. das Vor-liegen einer Berufskrankheit nach Nr. 80 der Liste der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26. Februar 1981 (Hautkrankhei-ten durch chemische und physikalische Einwirkungen), und zwar ein allergisches Kontakt-ekzem, ab dem 27. Dezember 1983 fest. Unter dem 8. Januar 1988 wurde diese Berufs-krankheit auch gegenüber der Klägerin förmlich anerkannt.
Im Zuge der Neugliederung der Sozialversicherung in den neuen Bundesländern wurden bis zum 31. Dezember 1990 eingetretene Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten durch ei-nen speziellen Verteilerschlüssel, der sich nach dem Geburtstag und Geburtsmonat des Verletzten richtet, von den verschiedenen Unfallversicherungsträgern bearbeitet. Daher war die Beklagte für den Versicherungsfall der Klägerin aufgrund deren Geburtsdatums zuständig. Mit Bescheid vom 6. April 1993 gewährte die Beklagte ihr wegen der Folgen ihrer Berufskrankheit eine Rente ab dem 27. Juli 1992 ausgehend von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. Mit Bescheid vom 7. Februar 1995 entzog die Be-klagte die gewährte Dauerrente mit Ablauf des Monats März 1995. Ein Widerspruch hier-gegen blieb erfolglos.
Mit Hautarztbericht der Dr. E. vom 18. September 2001 wurde eine Verschlechterung der Erkrankung mitgeteilt. In der Folge wurde eine Arbeitsplatzanalyse durchgeführt und bei einem Betriebsbesuch am 28. Juni 2007 festgestellt, dass die Klägerin als Sprechstunden-schwester in der Ambulanz der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie tätig ist. Des Weite-ren wird sie für cirka zwölf Wochen im Jahr als Vertretung in der orthopädischen bezie-hungsweise chirurgischen Ambulanz eingesetzt. Die Hautärztin empfahl eine Arbeitszeit-reduzierung. Der Grund hierfür war die Feststellung, dass zwar eine direkte Exposition mit Allergenen durch verschiedenste Maßnahmen vermieden werden könne, aber eine Exposi-tion durch luftgetragene Allergene bei Aufenthalt in verschiedensten Bereichen des Klini-kums nach wie vor gegeben sei. Bei einer Reduzierung der Arbeitszeit sei eine Verbesse-rung des Gesundheitszustandes zu erwarten. Am 10. März 2008 schlossen die Klägerin und ihr Arbeitgeber einen Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 11. März 1974 ab und vereinbarten mit Wirkung ab 1. April 2008 eine Arbeitszeit von 30 statt bisher 40 Stunden die Woche, befristet bis zum 31. März 2013. Mit Schreiben vom 14. März 2008 befürwor-tete die Beklagte gegenüber dem Arbeitgeber der Klägerin eine Verkürzung der Arbeitszeit auf sechs Stunden täglich mit dem Ziel der Reduzierung der allergenen Belastung. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 5. Juni 2009 einen Ausgleich der hierdurch bedingten Einkommenseinbuße. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Juni 2009 ab. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 BKV seien nicht gegeben, da es an einer vollständigen Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit feh-le. Eine Reduzierung der täglichen Arbeitszeit von acht auf sechs Stunden könne nicht als Tätigkeitsaufgabe angesehen werden, weil sie in den verbleibenden sechs Stunden noch gefährdende Einwirkungen im Krankenhaus ausgesetzt sei. Eine Übergangsleistung könne nur gewährt werden, wenn die gefährdende Tätigkeit endgültig aufgegeben werde. Ein Widerspruch wurde mit Bescheid vom 15. Dezember 2009 zurückgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Meiningen mit Urteil vom 5. Oktober 2010 zurückgewiesen. Das teilweise Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit sei nicht aus-reichend, um einen Anspruch auf Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV zu begrün-den. Durch die Gewährung von Übergangsleistungen solle der Versicherte dazu angehalten werden, sich ohne wirtschaftlichen Verlust keiner weiteren gesundheitlichen Gefährdung auszusetzen. Eine teilweise Verminderung der Gefahr reiche jedoch zum Erreichen dieses Ziels nicht aus. Eine gesetzgeberische Lücke sei nicht erkennbar.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Der Tatbestand des Unter-lassens der gefährdenden Tätigkeit erfasse auch die Verminderung der täglichen Arbeits-zeit. Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 BKV erfordere ausdrücklich kein vollständiges Unterlas-sen, sondern lasse ein teilweises Unterlassen ausreichen. Mit der Vorschrift sollten nicht nur Vermögenseinbußen ausgeglichen, sondern auch freiwillige Anstrengungen des Versi-cherten honoriert werden. Dies diene einer Verringerung des Risikos einer Inanspruch-nahme des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung. Ein solches Ziel werde jedoch auch erreicht, wenn das Risiko der Beeinträchtigung durch freiwillige Maßnahmen spürbar herabgesetzt werde. Berufskrankheiten seien in der Regel das Ergebnis einer langfristigen Einwirkung schädlicher Stoffe am Arbeitsplatz. Wesentliches Element sei daher der zeitli-che Faktor. Daher wirke sich in diesen Fällen auch eine Reduzierung der Arbeitszeit posi-tiv aus. Eine Verneinung des Anspruchs auf Übergangsleistungen führe im Ergebnis dazu, dass die Klägerin Versicherten gleichgestellt werde, die überhaupt keine Anstrengungen zur Reduzierung der Belastung am Arbeitsplatz unternehmen würden. Dies widerspreche der Grundintention der Vorschrift. Die Klägerin habe sich zu der Reduzierung der Arbeits-zeit entschieden, nachdem die eigentlich vorgesehene Umsetzung innerhalb der Klinik auf einen noch besser geeigneten Arbeitsplatz nicht zustande gekommen sei. Sie habe dann nur noch die Möglichkeit gesehen, entsprechend der betriebsärztlichen Empfehlung die Ar-beitszeit zu reduzieren. Eine vollständige Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit hätte den Verlust des Arbeitsplatzes zur Folge. Dies sei aufgrund der gravierenden Folgen nicht zumutbar.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 5. Oktober 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Re-duzierung der täglichen Arbeitszeit um zwei Stunden ab dem 1. April 2008 Über-gangsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ursache der wiederholt aufgetretenen Krankheitsschübe seien aerogene Allergenbelastun-gen insbesondere in der Luft. Eine Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKV könne nur bei endgültiger Vermeidung jeglicher Gefährdung durch Ausübung der beruflichen Tätigkeit gewährt werden. Die Hinnahme einer weiteren Gefährdung auch in einem reduzierten Um-fang reiche für die Gewährung einer Übergangsleistung nicht aus. Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 BKV sei insoweit eindeutig. Erforderlich sei das endgültige Vermeiden jeglicher Gefährdung. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einver-standen erklärt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Beklagtenakten, die Gegens-tand der Beratung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Denn die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Über-gangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV/BKVO.
Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Denn die Klägerin begehrt die Aufhebung eines ihren geltend gemachten Anspruch ver-neinenden Verwaltungsakts und die Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines begüns-tigenden Verwaltungsakts, nämlich zur Bewilligung von Übergangsleistungen.
Es kann offenbleiben, ob der von der Klägerin erhobene Anspruch seine Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 BKVO vom 20. Juni 1968 (BGBl. I 721), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I 2343) oder § 3 Abs.2 BKV in der ab dem 1. November 1997 geltenden Fassung (BGBl. I 2623), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 11. Juni 2009 (BGBl. I 1273) findet. Beide Vorschriften sind trotz ihres teilweise unterschiedlichen Wortlauts deckungsgleich.
Das Vorliegen einer Berufskrankheit richtet sich nach § 215 Abs.1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) nach § 1150 Abs.2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der vor dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung, weil die von der Klägerin als Grundlage ihres Anspruchs geltend gemachte Hauterkrankung bereits im Jahre 1983 eingetreten und anerkannt worden ist. Nach § 1150 Abs. 2 RVO gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des Dritten Buches der RVO. Ob dies zur Weiteranwendung der Vorschriften der BKVO trotz ihres Außerkrafttretens durch § 8 Abs.2 Nr.1 der BKV führt, weil die BKV ihre Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 und 6 SGB VII und § 193 Abs.8 SGB VII hat und diese Gesetzesvorschriften nach § 212 SGB VII für vor dem In-krafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetretene Versicherungsfälle nicht gelten oder ob aufgrund des in § 9 Abs.5 SGB VII enthaltenen Günstigkeitsprinzips § 3 Abs.2 BKV anzuwenden ist, bedarf keiner Entscheidung. In der Sache haben sich keine Ände-rungen ergeben.
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV vom 31. Oktober 1997, der sich seit dem nicht geändert hat, hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherten, die die "gefährdende Tä-tigkeit unterlassen", weil die Gefahr einer Entstehung, eines Wiederauflebens oder einer Verschlimmerung einer BK anders nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich der hierdurch verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile, eine Übergangsleistung zu gewähren. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt (Satz 2 der Rege-lung). Auf die Übergangsleistung besteht dem Grunde nach ein Anspruch des Versicher-ten, wenn die genannten Voraussetzungen gegeben sind. Die Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Leistung hingegen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Unfallversiche-rungsträgers. § 3 Abs. 2 BKVO verlangt hingegen, dass " der Versicherte die Tätigkeit einstellt ".
Die Tatbestandsvoraussetzung sowohl des § 3 Abs. 2 BKV als auch des § 3 Abs. 2 BKVO liegen nicht vor. Zwar ist die erste Voraussetzung für einen Anspruch, nämlich das Beste-hen einer konkret individuellen Gefahr der Entstehung, des Wiederauflebens oder der Ver-schlimmerung einer BK erfüllt. Bei der Klägerin besteht aufgrund der festgestellten Be-rufskrankheit nach Nr. 80 der Liste über die Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26. Februar 1981 die individuell konkrete Ge-fahr einer Verschlimmerung dieser Berufskrankheit durch weitere berufliche Schadstoff-einwirkungen. Die Fortsetzung der Tätigkeit in der Ambulanz beinhaltet die Gefahr, dass infolge aerogener Belastungen Erkrankungsschübe auftreten können.
Allerdings ist die zweite Voraussetzung für einen Anspruch auf Übergangsgeld, nämlich die Einstellung bzw. die Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit, nicht gegeben. Es ist nicht ausreichend, dass die Klägerin ihre Arbeitszeit von acht auf sechs Stunden täglich reduziert hat. Denn eine zeitliche Reduzierung der gefährdenden Tätigkeit stellt kein Un-terlassen oder Einstellen der gefährdenden Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV/BKVO dar. Dies ergibt eine Auslegung der Vorschrift anhand der juristischen Aus-legungsmethoden und folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm.
Der Begriff der Tätigkeit im Sinne sowohl von § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV als auch § 3 Abs. 2 BKVO ist vom Verordnungsgeber bewusst weit gefasst worden. Eine spezifisch berufliche Qualifizierung hierfür wird nicht vorausgesetzt. Erfasst sind sämtliche vom Versicherten an seinem Arbeitsplatz verrichteten Tätigkeitsfelder und Arbeitsvorgänge. Dies hat zur Folge, dass der Versicherte von der Vielzahl der von ihm ausgeübten Tätigkeiten nur die-jenigen zu unterlassen braucht, von denen die Gefahr ausgeht, auch wenn diese Tätigkeit seiner Beschäftigung nicht das bestimmende Gepräge gibt (vgl. LSG Baden Württemberg, Urteil vom 4. Mai 2006, Az.: L 6 U 4067/04 zitiert nach Juris).
Als gefährdende Tätigkeit ist im Fall der Klägerin ihre Beschäftigung in der Klinikambu-lanz anzusehen. Nach den Feststellungen im Verwaltungsverfahren sind ihre Hautprobleme auf luftgetragene Allergene zurückzuführen, sodass trotz weitgehender Meidung einer di-rekten Exposition zu Allergenen zum Beispiel wegen des Einsatzes von Schutzhandschu-hen es dennoch zu Hauterscheinungen kommt. Die Hauterscheinungen der Klägerin durch luftgetragene Allergene werden überwiegend beim Aufenthalt in verschiedenen Klinikbe-reichen im Rahmen von Patiententransfers ausgelöst. Daher stellt die Reduzierung der Ar-beitszeit nicht das endgültige Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit dar. Als gefährdende Tätigkeit ist hier der Aufenthalt in mit aerogenen Schadstoffen belasteten Bereichen der Klinik ihres Arbeitgebers anzusehen. In diesem Zusammenhang kann es keine Rolle spie-len, ob dieser Aufenthalt sechs oder acht Stunden täglich stattfindet.
Dass ein teilweises Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit für einen Ausgleichsanspruch nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV nicht ausreicht, wird durch die weiteren Auslegungskriterien bestätigt. Die Vorläufervorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 BKVO in der bis zum 30. Novem-ber 1997 geltenden Fassung verlangte das "Einstellen der Tätigkeit des Versicherten". Durch die ab dem 1. Dezember 1997 geltende Neufassung des § 3 Abs. 2 BKV sollte keine Änderung in der Sache, sondern lediglich eine sprachliche Anpassung vorgenommen wer-den. Erforderlich war der Erlass einer neuen BKV, weil durch die Kodifizierung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung im SGB VII in § 9 SGB VII eine neue Er-mächtigungsgrundlage für den Erlass der Berufskrankheiten -Verordnung geschaffen wor-den war. Änderungen gegenüber dem bisher geltenden Recht waren im Bereich des § 3 BKV nicht beabsichtigt (vgl. BR-Drs. 642/97 S.9).
Dass eine nur teilweise Reduzierung der gefährdenden Tätigkeit nicht zu einem Aus-gleichsanspruch nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV/BKVO führen kann, ergibt sich auch aus der Systematik der Berufskrankheitenverordnung. § 3 Abs. 2 BKV/BKVO ist im Zusammen-hang mit § 3 Abs. 1 BKV/BKVO zu lesen. Danach haben die Unfallversicherungsträger der Gefahr, dass eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Nach Satz 2 der Vorschrift haben sie, wenn die Gefahr gleichwohl nicht zu beseitigen ist, darauf hinzuwirken beziehungsweise den Versicherten aufzufordern, die gefährdende Tätigkeit zu unterlassen beziehungsweise ein-zustellen. Damit wird die Zielrichtung der gesamten Vorschrift deutlich, nämlich den Ein-tritt eines weiteren Versicherungsfalles zu verhindern. Dies kann aber nur bei einer voll-ständigen Beseitigung der Gefahr angenommen werden. Denn nur die vollständige Besei-tigung der Gefahr ist in der Lage, das Entstehen oder das Wiederaufleben oder die Ver-schlimmerung einer Berufskrankheit zu verhindern. Damit wird zugleich der Sinn und Zweck dieser Vorschrift deutlich, nämlich den Versicherten im Rahmen der Prävention und zur Vorbeugung weiterer Gesundheitsgefahren zur Aufgabe der gefährdenden Tätig-keit zu veranlassen. Diese Anreizfunktion ist in erster Linie auf das subjektive Reagieren des betreffenden Versicherten ausgerichtet. Die bei einem Arbeitsplatzwechsel auftretende Verdienstminderung und sonstige wirtschaftliche Nachteile sollen abgefedert und dem Versicherten so ein Übergang auf eine wirtschaftlich ungünstigere Situation erleichtert werden. Daher hat § 3 BKV/BKVO eine klar präventive Zielrichtung und ist als Maßnah-me der Vorbeugung und Krankheitsverhütung von den sonst in der gesetzlichen Unfallver-sicherung üblichen Entschädigungsleistungen abzugrenzen. Die Vorschrift ist in die Zu-kunft gerichtet und will den Versicherten vor aktuellen Gesundheitsgefahren schützen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Februar 2001, Az.: B 2 U 10/00 R, zitiert nach Juris). Daher setzt die in der Anreizfunktion liegende Zweckbestimmung des § 3 Abs. 2 BKV/BKVO im Regel-fall voraus, dass der berufsbedingt erkrankte Versicherte die gefährdende Tätigkeit aufgibt, um der Gefahr einer Verschlimmerung seiner Berufskrankheit zu entgehen. Diese präven-tive Zielrichtung kann aber nur bei einer vollständigen Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit erreicht werden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt hier auch keine Lücke seitens des Verord-nungsgebers vor. Da § 3 Abs. 2 BKV/BKVO keine Entschädigungsvorschrift darstellt, kann die Vorschrift nicht in dem Sinne interpretiert werden, dass jeder Nachteil, der durch ein Reagieren des Versicherten auf das Vorhandensein einer Berufskrankheit entsteht, aus-geglichen werden muss. Dies wird auch bereits durch die Rechtsfolge in § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV/BKVO verdeutlicht. Danach wird als Übergangsleistung nach Nr. 1 entweder ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt. Ein vollständiger Ausgleich ist nicht beabsichtigt. Es soll lediglich - wie bereits ausgeführt - ein Anreiz gesetzt werden, die gefährdende Tätigkeit einzustellen.
Der vollständige Unterlassungszwang nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV ist gesetz- und verfas-sungsgemäß. Nach § 9 Abs.6 Nr.1 SGB VII ist der Verordnungsgeber ermächtigt, Voraus-setzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Ver-schlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten zu regeln. Für das Vorlie-gen des Versicherungsfalles einer BK steht die arbeitsmedizinische Unterlassungsnotwen-digkeit in engem Zusammenhang. § 9 Abs. 1 S.2 letzter Halbsatz SGB VII ermächtigt den Verordnungsgeber ausdrücklich dazu, zu bestimmen, dass bestimmte Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Der Verordnungsgeber soll aus Gründen der Prävention verhin-dern dürfen, dass der Versicherte seine Gesundheit durch ein Verbleiben am Arbeitsplatz weiter schädigt. Dadurch soll einer Verschlimmerung der Krankheit und nach Eintritt einer Berufskrankheit gegebenenfalls der Entstehung oder einer erhöhten Entschädigungspflicht des Versicherungsträger entgegengewirkt werden (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2011, Az.: B 2 U 4/10 R, zitiert nach Juris). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Verordnungs-geber mit der Schaffung der Regelung des § 3 BKV diesen Rahmen nicht eingehalten hät-te.
Dies führt auch nicht zu einer Verletzung der durch Artikel 12 Abs. 1 GG geschützten Be-rufsfreiheit der Klägerin. Zwar ist der Schutzbereich des Artikel 12 Abs. 1 GG berührt, obwohl weder eine Rechtspflicht noch eine Obliegenheit zum Unterlassen der gefährden-den Tätigkeit besteht, weil ein Leistungsanspruch tatbestandsmäßig die Aufgabe der ge-fährdenden Tätigkeit (nicht in jedem Fall zwingend des Arbeitsplatzes oder Berufs) vor-aussetzt. Jedoch wird der mit der Notwendigkeit der Unterlassung der gefährdenden Tätig-keit verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit von den überragenden Gemeinschaftsgütern der Gesundheit der Versicherten, der Verhinderung der versicherungsrechtlichen Förde-rung von Krankheiten und dem Schutz der Beitragszahler vor Belastung der Kosten einer dem Versicherungszweck widersprechenden Krankheitsförderung gerechtfertigt. Dass da-mit kein unverhältnismäßiger Eingriff in Grundrechte gegeben ist, ergibt sich auch daraus, dass die Unterlassungsnotwendigkeit nur besteht, wenn alle anderen geeigneten Mittel er-schöpft oder solche nicht vorhanden sind, um die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der BK zu verhindern (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2011, Az.: B 2 U 4/10 R, zitiert nach Juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
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